Teil 1 & 2

Mixing Tutorial: Vocal-Tuning

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Waldemar Fix My Mix(Bild: Dirk Heilmann)

Gut klingender Gesang ist heutzutage ein Muss für jede professionelle Musikproduktion. Neben einer emotionalen Performance und den richtigen Effekten sollte aber auch das Tuning halbwegs stimmen. Hat das bei der Aufnahme nicht ganz so wie erhofft funktioniert, gibt es zum Glück immer noch die Möglichkeit später nachzubessern. Und wenn man hierbei ein paar wichtige Punkte beachtet, kann man auch ganz schnell zu einem perfekten Ergebnis kommen, ohne dass das Ganze in eine zeitintensive Baustelle ausartet.

In dieser Folge möchten wir uns mal mit Vocal-Tuning beschäftigen. Dabei soll das Thema nicht in allen Details und Feinheiten besprochen werden, sondern vielmehr, wie man schnell und einfach ans Ziel kommt. Grundsätzlich muss nicht jeder Gesang, zwangsläufig auch getuned werden. Ja, die Hörgewohnheiten haben sich in den letzten Jahren massiv geändert. Und ja, der Zuhörer merkt, wenn das Tuning nicht gut ist. Aber zum einen gibt es noch durchaus Sänger*innen, die ohne Hilfe in der Lage sind, ordentlich zu singen, und zum anderen existierten auch Genres wie z. B. Punk, wo es eher um den Ausdruck und die Energie geht und wo ein perfekt getunter Gesang sogar unerwünscht und unnatürlich wäre. Zusätzlich können auch andere Aspekte massiv dazu beitragen, dass Gesang sicher und selbstbewusst rüberkommt, ohne dass die eigentlichen Noten stimmen. Nicht umsonst gibt es die Redewendung »timing beats tuning«. So kann ein gut editierter oder richtig komprimierter Gesang wie von Zauberhand plötzlich »in tune« klingen.

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Wenn es sich nun doch nicht vermeiden lässt und man etwas nachhelfen muss, tendiere ich persönlich zu der schnellen Lösung. Hier ist das Autotune-Plug-in von Antares sicher der bekannteste Vertreter. Mittlerweile gibt es aber auch jede Menge Alternativen von anderen Herstellern. Im Grunde funktionieren sie alle ähnlich und sind außerdem auch sehr einfach zu benutzen. Das Plug-in erkennt die schiefen Töne und zieht sie automatisch auf die nächstgelegenen Noten.

Damit das Ergebnis gut wird, gibt es eigentlich nur ein paar wenige Parameter zu beachten. Einer der wichtigsten davon ist die Tonart. Diese sollte man unbedingt auswählen, um falsche Töne von vornherein auszuschließen. Die Tuning-Plug-ins wägen nicht ab, ob etwas sinnvoll ist oder nicht, sondern korrigieren nur die schiefen Töne. So werden falsch gesungene Noten auch nicht verbessert, nur geradegezogen. Gebe ich die Tonart allerdings vor, sind diese Fehler fast ausgeschlossen.

Die meisten Plug-ins bieten zusätzlich auch die Möglichkeit, Noten manuell zu sperren oder zu erlauben. So können z. B. auch Tonart-fremde Noten hinzugefügt werden. Außerdem benutze ich auch immer einen EQ vor dem Autotune, um den Bassbereich mit einem Lo-Cut oder Low-Shelf in den Vocals zu entschärfen. Das hilft dem Plug-in, die Töne besser zu finden, und klingt zum Schluss auch immer sauberer und viel natürlicher.

Edit Vocal Tuning
Das Antares Autotune ist das bekannteste Plug-in dieser Art. MAutoPitch ist eine kostenlose
Alternative von MeldaProduction.

Zusätzlich ist es auch ratsam den »Inpute Type« entsprechend auszuwählen. Dieser ist in fünf Register bzw. Möglichkeiten unterteilt und schaltet auf jeweils einen anderen optimierten Algorithmus um. Ein anderer sehr wichtiger Parameter ist die »Retune Speed« bzw. die Tuning-Geschwindigkeit. Hier kann man einstellen, wie schnell das Plug-in die Noten hoch- oder runterzieht bzw. wie es auf schnelle Notenwechsel reagiert. Grundsätzlich würde ich z. B. in dem Antares Plug-in mit dem Wert 100 anfangen und die Geschwindigkeit verkürzen, bis der typische Autotune-Effekt langsam hörbar wird. In den meisten Fällen wird es unter einem Wert von 40 deutlich unnatürlich, da hier zum Teil Vibrato und kleinere natürliche Notenschwankungen schon bearbeitet werden. Einfach ausgedrückt: je langsamer die Geschwindigkeit, desto natürlicher und weicher das Ergebnis.

Nun gibt es aber auch sehr kurze Notenwechsel, die eine schnelle Geschwindigkeit bzw. niedrigere Werte benötigen. Aus meiner Erfahrung ist Autotune für solche Reparaturen im Automatic Mode aber eher ungeeignet, und man sollte in den Graphical Mode oder zu Melodyne (über das wir in Teil 2 ausführlicher sprechen werden) wechseln.

Der letzte Parameter, den ich persönlich sehr wichtig finde, ist »Humanize«. Dieser lässt die Bearbeitung nicht ganz so effektvoll klingen, da er bei lang gehaltenen Noten die Geschwindigkeit automatisch verlängert. So kann man grundsätzlich eine etwas schnellere Tuning-Geschwindigkeit wählen, um auch kurze Notenwechsel zu erwischen. Aber Vibratos auf langen Tönen werden ignoriert und nicht bearbeitet. Im Grunde sollte man mit diesen wenigen Handgriffen, unabhängig von dem ausgewählten Tuning-Plug-in, zu einem sehr guten und natürlichen Ergebnis kommen, ohne dass man sich in Details verliert.

VOCAL-TUNING-Mixing-Tutorial, TEIL 2

Melodyne ist mittlerweile zu einem Industriestandard geworden und aus vielen Musikproduktionen nicht mehr wegzudenken. Vor allem die detaillierten Möglichkeiten in den Gesang einzugreifen, machen es unschlagbar. Jedoch können genau diese einen ungeübten Nutzer auch schnell überfordern und vor ein Rätsel stellen. Grund genug, dass wir uns das Programm mal angucken und über einige wichtige Punkte beim Umgang sprechen.

In dieser Folge wollen wir an dem letzten Beitrag anknüpfen und uns wie versprochen das Tunen von Gesang mit Melodyne ansehen. Das kann immer dann hilfreich sein, wenn man mit dem automatischen und eher einfachen Ausbessern durch Autotune nicht hinkommt und z. B. detailliertere Bearbeitungsmöglichkeiten braucht. Einige DAWs, etwa Cubase, haben mittlerweile auch eigene Möglichkeiten, den Gesang zu bearbeiten. Und auch das Antares-Plug-in bietet einen »Graphic-Mode« an. Jedoch ist Celemonys Melodyne immer noch das meistgenutzte Programm und Industriestandard.

Da das detaillierte Erklären von Melodyne ganz sicher den Rahmen sprengen würde, möchten wir uns auf ein paar wichtige Punkte beschränken, die ausschlaggebend für ein gutes Ergebnis sind. Grundsätzlich macht es keinen Unterschied, ob man die Standalone-Variante benutzt oder das Plugin-in einer DAW einbindet. Jedoch sollte man in jedem Fall den Gesang nie ohne die entsprechende Musik beim Tunen abhören. Denn es geht nicht darum, die Töne für sich 100 % in Tune zu haben, sondern in einem sinnvollen Verhältnis zur Musik. Und das ist in vielen Fällen etwas unter oder über dem eigentlichen Ton.

Als Allererstes muss man das Audio von Melodyne analysieren lassen. Hier gibt es eigentlich nicht viel zu beachten, da das Programm oft richtig liegt. In einigen Fällen wird aber ein falscher Modus vorgeschlagen, und die Bearbeitung würde nicht richtig funktionieren. Dann kann man das unter dem Reiter »Algorithmus« überprüfen bzw. ändern. Für einfachen Gesang sollte hier immer »Melodisch« ausgewählt sein. In der Regel wird man mit Musik arbeiten, die zu 440 Hz gestimmt war. Auch hier braucht man nichts weiter zu beachten. Im Bereich Klassik oder Jazz wird aber zu anderen Hertz-Zahlen gestimmt. Das sollte man wissen und am besten umstellen, vor allem, wenn man dazu tendiert, sehr visuell zu arbeiten, da man sich sonst an einem falschen Raster orientiert.

Nach der Analyse wird das Audio in orangenen »Blobs« dargestellt. Das ist wichtig, weil man an diesen die gesungenen Worte bzw. Silben erkennen kann. Zusätzlich gibt eine durchgehende rote Linie die Tonhöhe bzw. den Verlauf darstellt. Diese ist sehr hilfreich, da man hier vor allem auch die Übergänge von Note zu Note oder Tonhöhenschwankungen und Vibratos erkennen kann. Damit nun Worte fehlerfrei und ohne Artefakte in der Tonhöhe verschoben werden können, sollten zuerst alle S-Laute (F-Laute, P-Laute, Atmer usw.) mit dem Notentrennwerkzeug von den Worten getrennt werden. Vor allem, wenn sie am Anfang oder Ende des Wortes stehen. Sonst verursachen sie beim Verschieben in der Tonhöhe unerwünschte Artefakte, ähnlich einem Phasing. Zusätzlich sollten alle Worte, die über mehrere Noten gehen, an der Übergangsstelle getrennt werden. Das gilt auch für Worte, die zwar grundsätzlich nur auf einem Ton liegen, wo der Gesang aber (meistens) von unten in den Ton reingleitet. Dadurch kann Melodyne die Töne viel genauer erkennen und verarbeiten (siehe die zwei Beispiele auf der Abbildung unten).

Im Melodyne oben sieht man den Gesang vor der Bearbeitung, im unteren Melodyne ist der Gesang auseinandergeschnitten und bereits bearbeitet.

Jetzt sollten ohne große Probleme die einzelnen Worte bzw. die Wortteile mit dem Tonhöhenwerkzeug in der Tonhöhe verschieben werden können. Sollten die Töne zu weit geschoben sein, wirkt das Gleiten von Ton zu Ton eventuell nicht mehr so natürlich. In diesem Fall geht man mit der Maus zu der gelben Verbindungslinie zwischen den Noten. Das Symbol ändert sich automatisch zu einem Kreuz, und nun kann der Übergang flacher oder steiler eingestellt werden.

Ein anderes Problem ist, wenn in einem Wort schnelle Tonhöhenschwankungen sind. Das passiert, wenn die Sänger:innen unkontrolliert gleiten oder z.B. einen hohen Ton nicht so richtig erreichen können. In diesem Fall gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man benutzt das Tonhöhenmodulationswerkzeug, um kleinere Schwankungen auszugleichen, oder man muss das Wort in viele kleine Schnipsel schneiden und alle diese Schwankungen von Hand näher zueinander schieben. Das sieht dann oft schlimmer aus, als es klingt. Ist aber leider auch die einzige Lösung für ganz besondere Härtefälle.

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