Lösungsorientiert

Rebeat – HD-Vinyl für besseren Schallplattenklang

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HD Vinyl(Bild: Nicolay Ketterer)

Die österreichische Firma Rebeat verspricht mit HD-Vinyl besseren Schallplattenklang, längere Spielzeiten und gleichbleibende Schallplattenproduktion. Ermöglichen soll dies die direkte Fertigung der Pressstempel per Laser − Schneidemaschinen wären dadurch nicht mehr nötig. Ein Gespräch mit Firmenchef Günter Loibl.

Der österreichische Geschäftsmann Günter Loibl hat sich mit seiner 2001 gegründeten Firma Rebeat in Tulln an der Donau zunächst dem CD- und DVD-Vertrieb, später dem digitalen Musikvertrieb gewidmet. Vor drei Jahren entstand die Idee, einen Vinylschnitt entwickeln zu lassen, der das bisherige Schnittverfahren ersetzen soll − per Laser statt Schneidstichel. HD-Vinyl soll längere Spielzeiten, größeren Frequenzumfang und gleichbleibende Vinyl-Produktion ermöglichen.

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Bisher wird zur Vinylherstellung eine geschnittene Lackfolie versilbert, um einen »Vater« − ein Positiv − zu erstellen. Von dem Ergebnis wird die »Mutter« abgezogen, welche die Rillen wieder normal abbildet. Davon entstehen die »Söhne« oder auch »Stamper«, die zur Pressung verwendet werden, damit die Rillen »richtig« im Vinyl landen. Mit HD-Vinyl sollen die Zwischenschritte und der Bedarf für Schneidemaschinen wegfallen, indem ein Stamper aus Keramik direkt per Laser graviert wird.

Wochenrückblick #11 – Moog Vocoder + Online vs Einzelhandel + SR-Ausgabe 01/20

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Rebeat ist eigentlich ein Digitalvertrieb. Wie kam die Idee auf, Vinyl mit Laser zu erstellen?

Günter Loibl: Unser Hauptgeschäft besteht im digitalen Musikvertrieb. Darin sind wir recht innovativ: Unser Ansatz liegt mehr im technologischen Grundgedanken. Wir haben als Erste erkannt, dass Musikstreaming Abrechnungsdaten erzeugt, die ein herkömmliches Label eigentlich nicht händeln können wird. Deshalb haben wir ein Abrechnungsmodul in unsere Vertriebssoftware integriert. Wir waren auch die Ersten − und sind nach wie vor die Einzigen −, die eine Vertriebsmatrix eingebaut haben. Das sind alles technische Details, die nicht viel aussagen, aber unsere Herangehensweise darstellen: Wir fragen unsere Labels und Künstler, was sie brauchen, und versuchen, deren Probleme technologisch zu lösen.

Vor drei Jahren meinten Labels, dass der Digitalvertrieb keine Probleme mache. Stattdessen lägen die Schwierigkeiten im Vinyl-Bereich: Die bestellen ihre Schallplatten und bekommen sie erst ein halbes Jahr später. Die Technologie ist in ihren Grundzügen seit 80 Jahren praktisch unverändert. Daher kamen wir auf die Idee, uns neue Methoden zu überlegen − ob sich beispielsweise der Stamper nicht effektiver und besser per Laser herstellen ließe. Dadurch könnte der Flaschenhals der Stamper-Herstellung und des Umschneideprozesses umgangen werden. Auf der Suche nach Experten stieß ich in Österreich auf die Firma Joanneum Research. Dort habe ich den Laser-Fachmann Volker Schmidt kennengelernt und mit ihm die Rebeat Innovation GmbH gegründet. Wir haben das zusammen entwickelt − er von technischer, ich von kaufmännischer und Marketing-Seite aus. Wir sind noch immer dabei, aber inzwischen sehen wir Licht am Ende des Tunnels.

Rebeat-CEO Günter Loibl (Bild: Rebeat,)

Besteht das Grundproblem nicht in den Wartezeiten der Presswerke?

Inzwischen bestehen wieder mehr Kapazitäten: In den letzten Jahren wurde massiv aufgestockt, und neue Presswerke sind hinzugekommen. Wenn Sie heute bestellen − vielleicht nicht gerade vor Weihnachten −, sollten Sie innerhalb von drei, vier Wochen den Release bekommen können. Durch den Boom werden in den USA derzeit wahrscheinlich genauso viele Schallplatten wie CDs verkauft, nächstes Jahr vermutlich sogar mehr. Das hat zur ständigen Erweiterung der Kapazitäten geführt.

Ein eigener Zweig hat sich darauf spezialisiert, alte Maschinen zu restaurieren. Dabei gilt: Das reine Pressen ist technologisch nichts Wundersames: eine Hydraulikpresse, von ein paar Relais gesteuert, dazu ein mit Dampf beheizter und mit Wasser gekühlter Werkzeughalter. Dort sind keine weiteren Sensoren eingebaut, die Pressmaschinen sind oldschool gehalten. Bei dem Cutting Lathe, der Schneidemaschine, sieht es etwas anders aus, aber grundsätzlich ist alles mechanisch analog − nichts, was sich nicht mit einer guten Drehbank und Ersatzteilen wiederherstellen ließe. Dadurch sind viele Schneidemaschinen wieder in Betrieb.

In welchem finanziellen Rahmen bewegt sich das Vorhaben?

Mit allen Fördermitteln waren wir am Ende bei knapp über 5 Millionen Euro. Das ist teilweise das Entwicklungsbudget − die Lasermaschine, die wir für das Labor gekauft haben, kostete rund eine halbe Million Euro. Beim Personal helfen einem nur die besten Köpfe − das geht natürlich auch ins Geld, aber nur so lässt sich das Projekt zum Erfolg führen.

HD Vinyl
HD-Vinyl-Laser (Bild: Rebeat)

Was den neuen »Schneideprozess« angeht: Dadurch, dass die Zwischenschritte entfallen und direkt ein Keramik-Stamper entsteht, fallen auch klangliche »Unschärfen« weg − etwa Phasenfehler, die beim Schnitt entstehen. Lohnt sich die Optimierung, wenn ich das Ergebnis mit einem normalen Tonabnehmer abtaste, der ohnehin das Signal einfärbt?

Manches Mal ist die Verfärbung ja auch gewollt. Viele Tonabnehmersysteme sind bewusst limitiert, damit sie dem Klangbild entsprechen, das sich der Käufer vorstellt. Grundsätzlich haben Sie Recht. Allerdings gilt: Je besser das Ausgangsmaterial, desto präziser wird − mit allen Fehlern − das reproduzierte Material. Nimmt man den typischen Schneideprozess, den Lackfolienschnitt, schränken banale Umstände das Ergebnis ein: Bestelle ich einen Stapel Lackfolien, verhält es sich ähnlich wie mit Toastbrot: Die oberste Scheibe in der Verpackung ist meist ausgetrocknet. Die zu schneiden würde ein schlechtes Ergebnis bedeuten. Das wissen die »alten Hasen« beim Vinyl-Mastering, aber längst nicht alle Mastering-Ingenieure.

Noch dazu ist das Schneiden eine Kunst, bei der jeder seine kleinen Geheimnisse hat. So muss die Lackfolie innerhalb von 24 Stunden galvanisiert werden, weil das Lackmaterial die Eigenschaft hat, sich wieder in seine Ursprungsform zurückentwickeln zu wollen. Danach wird das Ergebnisverfälscht. In der Galvanik können wiederum kleine Parameteränderungen das Ergebnis stark verändern: die Umgebungstemperatur, die Spannungskurve oder die Konzentration des Metalls in der Flüssigkeit. Finden alle Abfolgen präzise statt, entsteht ein guter Stamper. Im täglichen Betrieb ist der Stamper aber vielleicht zehn Sekunden zu lang im Bad und wird bereits anders klingen.

Mitarbeiter bei Plattenfirmen erzählen, dass ihr größtes Problem bei Vinyl in der unterschiedlichen, nicht voraussehbaren Qualität der Schallplatten liegt. Dadurch, dass wir die Prozesse aussparen, fallen auch diese Fehlerquellen weg. Zudem sind unsere Produkte reproduzierbar. Wenn ein Fehler auftaucht, kann ich den genau lokalisieren. Bei der traditionellen Methode weiß ich als Plattenkäufer nicht, ob das die erste Kopie des Stampers war oder die letzte Kopie, die hörbar schlechter ist. Ich kaufe also immer ein bisschen die »Katze im Sack« − das ist bei HD-Vinyl nicht der Fall. Wir gehen davon aus, dass die Qualität mit unseren Stampern ansteigt − nicht nur die Audioqualität, vielmehr wird auch die Ausschussware dramatisch reduziert.

HD Vinyl
Oberfläche der »Perfect Groove«-Software zum Erstellen der Daten für den Laser, hier in der Alpha-Version. Über eine virtuelle Nadel und Rille kann die Abspielbarkeit simuliert werden.

HD-Vinyl wirbt damit, dass durch den neuen Schnitt nun Frequenzen bis 100 kHz abbildbar seien. Inwieweit war das vorher ein Problem?

Auf Vinyl lassen sich noch viel höhere Frequenzen schreiben. Das hängt von der Viskosität und Granularität ab. Der einschränkende Faktor liegt beim Schneiden: Der Schneidstichel muss bei hohen Frequenzen mehr Energie hineinschicken und würde überhitzen. Daher müssen die hohen Frequenzen begrenzt werden. Als Alternative wurde Half-Speed-Mastering verwendet, bei dem das Material mit halber Geschwindigkeit [und damit abgesenkter Tonhöhe; Anm.d.Aut.] überspielt wurde. Dadurch konnten höhere Frequenzen geschnitten werden. Das Problem der Überhitzung besteht beim Laser nicht. Dort geht es nur um die mögliche Auflösung; darum, wie klein die Strukturen sind. Das wird in Zukunft eher noch auflösender.

Was müsste ein Dienstleister anschaffen, um für HD-Vinyl produzieren zu können?

Eigentlich nur unsere »Perfect Groove«-Software, von der wir gerade den Prototypen auf der »Making Vinyl«-Messe in Berlin vorgestellt haben. Das ist das Werkzeug für den Mastering-Ingenieur, in das er seine Audio-Files importiert. In der Software werden die Dateien in ein 3D-Modell der Rille umgerechnet. Im Programm befindet sich auch ein virtueller Tonabnehmer, der simuliert, wie die Nadel in der Rille fährt. Ein Mastering-Ingenieur kann damit testen, ob das Ergebnis abspielbar wäre. Die Software warnt automatisch, falls eine Rille zu breit oder zu tief ist, aber es kann zum Beispiel ein Transient vorhanden sein, der so schnell ansteigt, dass er fast eine Vertikale, einen 90-Grad-Winkel, erzeugt, den eine Nadel nicht abspielen kann. Den Fehler bemerke ich beim virtuellen Durchhören. Mit dem erzeugten 3D-File können wir mit dem Laser den Stamper herstellen.

Mastering Engineer im New Yorker Masterdisk-Studio, bringt seine Erfahrungen in die Entwicklung der »Perfect Groove«-Software ein. Loibl: »Scott Hull ist in meinen Augen einer der besten Vinyl-Mastering-Ingenieure der Welt. Im ersten Schritt haben wir seinen Workflow analysiert und in der Software abgebildet. Dabei waren bereits viele Aspekte, die die tägliche Arbeit des Mastering-Ingenieurs vereinfachen. Die wurden in die Alpha-Version implementiert.« (Bild: Scott Hull)

Wie sieht das Lizenzmodell aus, das Rebeat bei HD-Vinyl anbieten will?

Wir verkaufen die Stamper und werden pro gepresster HD-Vinyl einen geringen Betrag an Lizenzgebühren verlangen. Wie viel das genau sein wird − 30, 40, 50 Cent −, kann ich noch nicht sagen. Damit müssen wir die Entwicklungskosten reinholen. Die Produktion wird wahrscheinlich ein Vielfaches des Geldes verschlingen, das wir bis jetzt bekommen haben. Das muss sich irgendwie rechnen, sonst haben wir keine Möglichkeit, Investoren zu finden. Grundsätzlich haben wir uns mehrere Modelle überlegt, aber wenn wir die Entwicklungskosten auf eine Maschine umlegen, würde sie zwischen 3 und 5 Millionen Euro kosten. Das ergäbe keinen Sinn.

Was werden ihre Keramik-Stamper im Vergleich zu normalen Stampern kosten?

Über die gesamte Produktionskette gerechnet, wird es etwa gleich teuer sein. Ein normales Stamper-Set kostet ungefähr 300 Euro, unseres wird rund 1.000 Euro kosten. Aber der Keramik-Stamper hält wesentlich länger, damit kann ich mindestens 10.000 Kopien pressen statt nur 1.000 bis 1.500. Zudem besteht kein Qualitätsabfall zwischen der ersten und letzten Kopie. Und ich spare mir in manchen Fällen ein Doppelalbum, weil ich mit dem Keramik-Stamper nun bis zu 30 Minuten pro Seite ohne Qualitätsverlust unterbringen kann.

Wenn die Klangqualität besser ist, könnten manchen Vinyl-Puristen nicht die klanglichen Unschärfen fehlen?

Einer der Gründe, warum die Leute den »warmen« Klang mögen, besteht im Zusammenspiel von Vinyl und der Nadel. Es finden seit Jahrzehnten Versuche statt, das Material für Schallplatten zu ersetzen, aber es gibt bislang nichts, was ähnlich klingt. Das Material bleibt das gleiche. Einzelne Dinge werden fehlen: Das Pre-Echo fällt beim Laser weg. Schneide ich im Lack die zweite Rille, wird die vorhergehende dadurch zurückgedrängt [dadurch »färbt« die Rille praktisch durch; Anm.d.Aut.]. Wir werden allerdings eine Simulation in die Software einbauen, falls jemand den Effekt möchte.

Bislang wurden noch keine HD-Vinyl-Exemplare produziert. Wo steht die Entwicklung im Moment?

In den nächsten Wochen werden wir das erste Mal einen kompletten Stamper schreiben. Dabei werden vom Computer berechnete Sinuswellen und andere Formen auf den Stamper graviert und ein Kunstharz-Abguss gemacht. Danach erfolgen erste Justierungen. Ich gehe davon aus, dass wir in Kürze den ersten Prototypen haben werden. Unser Ziel besteht darin, im Oktober auf der »Making Vinyl«-Messe in Los Angeles das erste »hörbare Ergebnis« zu präsentieren − ob das ein Stamper oder bereits eine Pressung ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Ergebnisse mit dem Laser sind schon viel besser, als wir ursprünglich geglaubt haben. Das werden wir hinbekommen. Das Problem ist nur: Keiner kann abschätzen, wie viel Arbeit die Feinjustierungen machen. Wenn es nicht bis Ende des Jahres klappt, dann vielleicht bis Juli 2020, aber in naher Zukunft.

Wie könnte sich der Software-Ansatz auf den Markt insgesamt auswirken?

Der Prozess erlaubt, überspitzt formuliert, praktisch die Demokratisierung des Vinyl-Schneidens: In England werden beispielsweise rund 50% der Vinylschnitte in Abbey Road gemacht − schlicht, weil dort entsprechende Schnittkapazitäten vorhanden sind. Schneidemaschinen sind selten. Das hält viele von diesem Geschäft fern. Das wird sich mit unserer Software ändern. Die wird nicht ganz billig werden, das muss ich auch sagen, aber zumindest im Bereich der Möglichkeiten eines Mastering-Ingenieurs liegen.

mes.rebeat.com

HD Vinyl(Bild: Nicolay Ketterer)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Diese HD-Vinyl kommt jetzt seit gefühlt 15 Jahren und wird seitdem regelmäßig als Mega-Entwicklung angepriesen … nein, sogar gehyped. Nur mehr ist bisher offenbar nicht passiert. ?

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  2. Nette Idee. Ende der 70er gab es eine japanische Firma, die einen Laser Plattenspieler zeigte. Ja, das ist nur die Player Seite. Aber das war schon der “Siegeszug” der CD im Turbomodus. Ob diese “HD” Vinyl Geschichte den Markt erreicht ist für mich reine Frage der Kosten. Machbar ist alles. Es gibt genug Menschen, die auch weiterhin gerne Schallplatten kaufen wollen und anhören. Die Rechnungsfrage ist nur – solange wir uns in diesem kapitalistischen System befinden – was kostet eine produktionsfähige Entwicklung und wie viele Platten müssten verkauft werden, damit sowohl die Entwicklungskosten als auch eine gewisser Verdienst dabei rein kommt. Einstweilen trinke ich meine Tasse Tee und genieße die 24/96 Technologie:-)

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  3. Anfang der 1980er Jahre brachte Teldec das DMM -Verfahren, bei dem die Informationen direkt in eine Kupferplatte geschnitten wurden. Auch da entfielen Lackschnitt und Galvanisierung sowie Vorechos.

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  4. Dietrich Räsch – 2022 wird es nun allmählich Zeit, daß etwas von HD-Platten in den Geschäften erscheint. Rund 7 Jahre Entwicklungszeit müßten genügen – oder es ist aus.

    P.S. Wenn mit HD wirklich 100 kHz schreibbar sind, dann könnte man rein theoretisch im LP Hype auch wieder CD-4 Quadro Platten herstellen, die “nur” 50 kHz benötigen. Ich bin gespannt wie und ob HD noch kommt.

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