Guerilla-Promotion

HipHop-Brass-Combo Moop Mama auf »VMX-Guerilla-Tour«

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Die zehnköpfige HipHop-Brass-Combo Moop Mama will die eigene Musik unters Volk bringen — und fährt zwei Wochen lang mit BMX-Fahrrädern auf »Guerilla-Tour« durch Innenstädte. Die Räder sind für schnellen Auf- und Abbau umgebaut, um den Überraschungseffekt zu nutzen. Zur Gesangsverstärkung dienen zwei akkugetriebene Monacor-Systeme, dazu ein Funkmikrofon. Ein Blick auf die Low-Budget-Promo-Idee und die Randbedingungen im musikalischen »Straßenkampf«.

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Ungewöhnliche Ideen verschaffen auch ohne große Budgets Aufmerksamkeit beim Publikum: Zur Veröffentlichung ihres dritten Albums ging die zehnköpfige HipHop-Bläser-Combo Moop Mama auf »VMX-Guerilla-Tour«. Die Band war zwei Wochen unterwegs, spielte Konzerte an neun Tagen, etwa in Berlin, Leipzig, Hamburg, Köln, Stuttgart und München. Als Innenstadtvehikel dienten umgebaute BMX-Räder, um die Instrumente zu transportieren, sowie eine akkugetriebene Gesangsanlage − dazu später mehr.

Die Band bezeichnet ihre Musik als »Urban Brass« − Saxofone, Posaunen, Trompeten, ein Sousafon, dazu Rap mit deutschen Texten. Bassdrum und Snare haben sie in ihrer Besetzung aufgeteilt. »Das kommt vom Marching-Band-Gedanken wie bei einer New-Orleans-Kapelle, ein typischer Brass-Band-Sound«, erzählt Posaunist Peter Palmer. »Das Ergebnis klingt rauer und lebendiger, wenn statt einem Schlagzeuger zwei Menschen die Trommeln getrennt spielen.«

Die Truppe wurde 2009 in München gegründet, mittlerweile sind die Musiker über ganz Deutschland verstreut. Die meisten sind studierte Musiker; sie bräuchten keine kontinuierlichen Proben, sondern treffen sich wochenweise zum Proben. Gigs organisiert die Band nach Möglichkeit »am Stück«.

Die Mitglieder sind zwischen 30 und 40 Jahre alt. Andere berufliche Standbeine? »Moop Mama frisst sehr viel Zeit − manche unterrichten nebenbei oder arbeiten als Freelancer. Wir sind zu zehnt, daher reicht es noch nicht ganz, aber es läuft gut.« Das meiste komme über Gigs rein, sie verstehen sich als »absolute Live-Band«, wie Palmer sagt, spielen zwischen 50 und 80 Konzerte pro Jahr. »Im Schnitt spielen wir Festivals und eine größere − oder zwei kleinere − Touren.« Für die aktuelle CD M.O.O.P.topia haben sie ihr eigenes Label gegründet.

Spontanität

Die Idee zur Tour? »Seit der Bandgründung war uns wichtig, mit der Musik mobil sein zu können. Wir haben früher viel in Parks gespielt − als ›verschärfte Probe‹ vor Publikum, zum Beispiel im Englischen Garten in München. Danach sind wir in die Innenstadt, haben drei Songs an einem Platz gespielt und sind weitergezogen. Dadurch, dass wir mittlerweile in Clubs und auf Festivals spielen, ging die Kultur etwas verloren. Wir wollten die Musik wieder zu den Leuten bringen. Das haben wir mit dem Projekt ins Extreme getrieben.«

Die Bewerbung des aktuellen Albums stand an: »Uns wurde von allen Seiten geraten, eine Promoreise mit reduzierter Besetzung auf die Beine zu stellen, damit weniger Kosten entstehen. Das wollten wir nicht. Moop Mama gibt’s nur zu zehnt, keine abgespeckte Version. Stattdessen haben wir daraus eine Aktion gemacht und die Radiosender zur Tour eingeladen − das hat manchmal geklappt, manchmal nicht.«

Fahrradbande

Mobilmachung

»Die Idee einer ›Fahrradbande‹ gab’s schon beim Vorgängeralbum, sie wurde aber aus Zeitgründen verworfen. Unser Posaunist Jan hat damals angefangen, teilweise defekte BMX-Räder bei eBay zu kaufen. Ihm ging es vor allem um Rahmen und Teile. Die Räder haben wir in Einzelteile zerlegt und pulverbeschichtet. Jan hat sich mit Schweißern beraten, wie man passende Sonderkonstruktionen für Sousafon, Bassdrum, Snaredrum und die Gesangsanlage umsetzen kann.« Die Fahrräder haben die Musiker für die jeweiligen Bedürfnisse umgebaut. Neben der individuellen Optik war der praktische Nutzen wichtig: Es gehe auch um den Überraschungseffekt, sofort loslegen zu können, meint Palmer. »Wir wollten vermeiden, dass unser Aufbau eine Viertelstunde oder länger dauert. Wir wollten hinfahren, loslegen, drei Nummern spielen und weiterziehen, bevor sich jemand gestört fühlt und die Polizei ruft.« Maßnahmen? »Die Snare wurde an eine Fahrradgabel montiert, die Bassdrum zwischen zwei Vorderrädern.«

Für den »Guerilla«-Faktor sei besonders die unkomplizierte Umsetzung ein Thema gewesen: »Wir wollten ohne große Beschallungsanlage und Verstärker hinfahren und loslegen können, sodass die Leute eine gute Zeit haben, und man fährt weiter.« Der optische Markenkern sei ebenfalls ein Gedanke gewesen: »Wenn du mit zehn Fahrrädern durch die Stadt fährst, in Rot gekleidet, schauen die Leute.« Die Tour-Bezeichnung VMX steht für »Velomusicross«, eine Wortneuschöpfung, die den BMX-Gedanken (Bicyclemotocross) auf Musik und Fahrrad überträgt.

Zur Verstärkung von Rapper Keno Langbein stellte Monacor der Band zwei akkubetriebene PAS-250D-Verstärkersysteme sowie ein IMG Stageline TXS-821HT-Funkmikrofon zur Verfügung. Die zugehörigen Druckkammerlautsprecher hat die Band an die Fahrräder montiert. Die Anlage war ursprünglich für Prozessionsbeschallungen gedacht, mit Megafonähnlichen Klängen. »Bei normalen Straßen-Gigs verwendet Keno einfach ein Megafon. Die beiden Monacor-Anlagen konnte man koppeln. Sie waren mit je zwei Lautsprechern ausgestattet. Die haben wir von der mitgelieferten Stange ab- und an die Fahrräder geschraubt, sodass je zwei Boxen von links und rechts kamen und Keno eine Chance hatte, sich gegen sieben Blechbläser und zwei Schlagzeuger durchzusetzen.« Die Akkulaufzeit der Anlage wird vom Hersteller mit zehn Stunden angegeben. »Nach Möglichkeit haben wir die Akkus über Nacht aufgeladen, was nicht immer geklappt hat. Zwei Tage hat ein Akku locker durchgehalten.«

Pro Konzerttag spielte die Band an drei bis fünf Plätzen, zwischen 15 und 30 Minuten, der letzte Gig am Abend bis zu einer knappen Stunde. »Die Idee war, die Leute für den längeren Gig am Abend einzusammeln, beispielsweise in Hamburg unter der Schanzenbrücke.«

Low-Budget

Für die Tour stand nur geringes Budget zur Verfügung: »Wir sind mit einem Sprinter und zwei PKW von Stadt zu Stadt gefahren. Der Sprinter hatte Fahrräder und Material geladen, die beiden PKWs die Bandmitglieder.« Als Alternative hatten sie auch den Einsatz eines Nightliners kalkuliert. »Das hätte den Rahmen gesprengt, ebenso wie Einzel- oder Doppelzimmer im Hotel. Die meiste Zeit haben wir bei Freunden und Freunden von Freunden übernachtet, lediglich zwei Nächte im Hotel – in einer Nacht alle, die zweite Nacht die Hälfte der Leute.«

Für die Album-Promotion (Radio, Online, TV und Print) haben sie externe Agenturdienstleister engagiert und die Städte in Absprache mit dem Team festgelegt. »Die haben in den jeweiligen Städten Interviewpartner akquiriert, die wir entlang der Route getroffen haben.« Der österreichische Sender Servus TV war eine externe Promo-Station: »Wir waren in München und sind für die Aufzeichnung in die Nähe von Salzburg gefahren.« In Salzburg wollten sie zusätzlich am Badestrand spielen, was allerdings wegen Hagels ausfiel. Die generelle Routenplanung? »Wir wollten nicht immer direkte Nachbarstädte anfahren, um einen Überraschungseffekt zu erzeugen«, erzählt Palmer. Auf ihren Social-Media-Kanälen hat die Band die Gigs kurzfristig angekündigt. Spontane Änderungen? »Wir wollten in Frankfurt spielen, dort war allerdings so schlechtes Wetter, dass wir gleich nach Köln weitergefahren sind. Das war Teil des Konzepts, dass Platz für Spontanität bleibt, falls sich etwas ergibt.«

»Guerilla« und die Staatsmacht

Die Rechtslage für einen öffentlichen Auftritt? »Man müsste meistens vorher eine Genehmigung einholen − das unterscheidet sich allerdings von Stadt zu Stadt. In Köln gilt eine sehr liberale Regelung: Dort ist es möglich, überall zu jeder vollen Stunde tagsüber 15 Minuten lang zu spielen, dann muss man den Platz wechseln. Dadurch herrscht immer eine Dreiviertelstunde Ruhe. In München braucht man für die Innenstadt eine Genehmigung vom Ordnungsamt, muss sogar vorspielen. Wer Blechbläser, Saxofon, Schlagzeug oder Verstärker verwendet, darf dort grundsätzlich nicht spielen. Theoretisch fallen wir komplett raus«, lacht er. »Deswegen haben wir beschlossen, das einfach zu machen − uns geht’s auch nicht darum zu provozieren. Wir haben die Auftritte in der Innenstadt auf zwei, drei Stücke begrenzt und sind dann weitergefahren.« Sie hätten auch Verständnis für andere Bedürfnisse, betont Palmer: »Im Wohngebiet ist es nicht toll, stundenlang beschallt zu werden.« 15 bis 20 Minuten seien in ihren Augen zumutbar gewesen. »In Parks haben wir meist länger gespielt.«

Im Kieler Schrevenpark kam die Polizei vorbei, weil sich ein Anwohner gestört fühlte, eine andere Anwohnerin ergriff laut Palmer Partei für die Band. »Die Polizei kam genau in dem Moment, als wir ohnehin am Einpacken waren. Die haben dann unsere Personalien aufgenommen. In Stuttgart haben wir direkt am Schlosspark gespielt. Da hat sich das Ordnungsamt beschwert, weil wir unangemeldet gespielt haben, dort hat das die Polizei unterbunden und Personalien aufgenommen − da kam auch nichts nach. Die Polizisten, mit denen wir zu tun hatten, waren immer sehr freundlich. Wir sind auch kooperativ und wollen niemanden stören, sondern gute Laune verbreiten«, erklärt Palmer.

In München war die zur Interviewplanung übermittelte »Guerilla-Route« von einer Lokalzeitung missverstanden und abgedruckt worden. »München ist recht rigoros, und wir waren besorgt, dass die Behörden uns dort erwarten würden.« Bei einem früheren Videodreh hatten Moop Mama ihre Fans aufgerufen, sich für eine Kissenschlacht zu versammeln. »Am Vorabend kam eine Mail vom Ordnungsamt, dass wir damit rechnen müssen, dass der Videodreh unterbunden wird.« Sie hatten die Aktion daraufhin abgesagt.

Für die »Guerilla«-Tour wurde die Innenstadtroute schließlich spontan geändert. »Am Abend haben wir an der Reichenbachbrücke gespielt. Auch wenn der Großteil von uns nicht mehr in München wohnt, war das immer noch unsere Homebase − an der Brücke waren rund 600 Leute«, schätzt Palmer.

Spielen ohne direkte Gegenleistung

Die Resonanz auf die Überraschungsauftritte sei durchweg positiv ausgefallen, meint Palmer. »Die, denen es nicht gefällt, gehen einfach weiter. Ich hatte den Eindruck, dass es für die Mehrzahl eine willkommene Abwechslung war.«

Der Reiz liege für die Band darin, »den Leuten Musik in einem unerwarteten Kontext zu servieren. Man erwischt die Leute ganz anders als auf einem Festival oder Konzert. Es haben sich immer Menschentrauben gebildet.« Regionale Unterschiede? »In Berlin war es schwieriger − da hat man gemerkt, dass die Leute übersättigt sind. Oft geht eine Performance mit einem Verkaufsangebot einher. Wir hatten beschlossen, keinen Hut aufzustellen. Wir wollten einfach die Musik unter die Leute bringen.« Auch CDs und Merchandising haben sie auf der Tour nicht angeboten.

Abb07 - für das Sousafon wurde ein BMX-Rad mit zwei Hinterachsen verschweisst
Aufwendiger Umbau: Für das Sousafon wurde ein BMX-Fahrrad mit zwei Hinterachsen ausgestattet.

Unterm Strich

Sie hatten eine sehr interessante, aber auch anstrengende Zeit erlebt, erzählt Palmer. »Wir sind stolz, dass alles gut geklappt hat − wir wussten ja nicht, was passiert. Das Wetter hätte uns einen Strich durch die Rechnung machen können.« Potenzial zur Optimierung des »Guerilla«-Konzepts? »Bei größerem finanziellem Spielraum könnten wir öfter im Hotel übernachten. Wir waren bei vielen Leuten, die einer aus der Band kannte, die anderen aber nicht. Das war bereichernd für die Tour, aber nach zwei Wochen war die fehlende Privatsphäre anstrengend.«

Abb08 - Aufbau zwischen zwei und fünf Minuten - hier in München
Laut Peter Palmer brauchte die Band zwischen zwei und fünf Minuten für den gesamten Aufbau, hier im Englischen Garten in München.

Der Materialverschleiß hielt sich bei den Fahrrädern in Grenzen, aber: »Auf den ersten hundert Metern hatten wir gleich zwei Ausfälle«, lacht Palmer, »eine Kette und eine Rücktrittbremse. Aber ein zusätzliches Fahrrad mit Werkzeug war dabei, und wir konnten alles vor Ort reparieren. Bei dem Bassdrum-Bike ist die Achse gebrochen, aber das haben wir auch hinbekommen. Auf den letzten Kilometern sind gleich mehrere Bikes ausgefallen − der letzte Kilometer hat gefühlt am längsten gedauert.« Stichwort Fahrrad: »Das zusätzliche Fahrrad haben wir auf der Tour und auf Festivals von Prominenten unterschreiben lassen, darunter Fred Durst von Limp Bizkit, Skin von Skunk Anansie, die Sportfreunde Stiller und Bosse.« Das wurde für einen guten Zweck versteigert, Gewinner waren die Sportfreunde Stiller, erzählt Palmers Posaunisten- und Label-Kollege Jan Rößler: »Wir haben ihnen dazu eine Videobotschaft geschickt, dass wir mit einer ähnlich guten Aktion wie unserer Tour rechnen.«

Was die Tour konkret gebracht hat? Palmer: »Mehr Gigs hat sie uns nicht beschert. Die neue Platte verkauft sich etwas besser als die letzte − das kann aber auch daran liegen, dass wir im Jahr davor bei Jan Delay Support gespielt haben.« Palmer meint, die Fahrrad-Tour habe langfristige Aufmerksamkeit gebracht, die Leute würden die Band auf Tour-Plakaten wiedererkennen. Ob sich das Konzept optimal zur Albumpromotion eignet, bezweifelt er: »Übliche Mechanismen wie Bauzaunplakatierung hätten in der ersten Woche des Albums vielleicht mehr Verkäufe gebracht − aber die Mechanismen wollten wir ja gar nicht, und das hätten wir uns auch nicht leisten können.«

Band auf Rädern: Moop Mama, v.l.n.r.: Marcus Kesselbauer (Tenorsaxofon), Keno Langbein (Rap), Menzel Mutzke (Trompete), Martin Hutter (Trompete), Jan Rößler (Posaune), Johannes Geiß (Altsaxofon), Peter Laib (Sousafon), Peter Palmer (Posaune), Lukas Roth (Bassdrum), Christoph Holzhauser (Snare Drum)

Fortsetzung folgt? »Auf der Straße zu spielen und Musik zu den Leuten zu bringen, wird sich die Band nicht nehmen lassen. Die Fahrräder gibt’s alle noch.« Ob sie überlegt haben, die komplette Tour mit dem Fahrrad zu fahren? »Nicht ernsthaft. Aber wer weiß, vielleicht für das nächste Album.« Da würde er allerdings vom BMX absehen. Alternativen? »Vielleicht ein Thekenfahrrad, wie die gängigen Bier-Bikes«, lacht Palmer.

 

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