Kult: Die S-Klasse

Love The Machines: Akai-Sampler der S-Serie

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Akai Sampler S612, S900, S3000XL
(Bild: Dieter Stork)

Sie waren der Studiostandard der 80er- und 90er-Jahre: Die Akai-Sampler der S-Serie wie der S900 oder der S1000 veränderten die Produktionsweise dieser Ära. Momentan werden sie manchmal günstig als Gebrauchtgeräte angeboten … lohnt sich die Anschaffung für den heutigen Musiker? Wir stellen drei Modelle der Serie vor: S612, S900/950 und S3000XL.

Mitte der 80er-Jahre machten die Akai-Sampler der S-Serie auch Produzenten und kleinere Studios, die sich keinen Fairlight leisten konnten, mit ihren 19-Zoll-Allmachts-Tools zu kleinen Göttern. Endlich war (fast) alles möglich: Egal ob Drums, kranke Geräusche oder Orchestersounds − alles war jetzt dank Geräten wie dem Akai S900 oder S1000 in Griffweite, und man konnte sein eigener Trevor Horn (Produzent von Grace Jones, Frankie Goes To Hollywood etc.) sein.

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S612: Black Beauty

Der S612 markierte Akais Einstieg in den Sampler-Markt. Das Gerät erschien 1985 und kostete vergleichsweise moderate 2.600 Mark. Der Rack-Sampler wurde bis 1987 hergestellt und war ein Erfolg für den japanischen Hersteller; etwa 12.000 Geräte hat Akai weltweit verkauft. Entworfen wurde das Gerät von David Cockerell, der sich schon bei der englischen Synthesizer-Schmiede EMS einen Namen gemacht hat. Auch heute ist der S612 wegen seiner Realtime-Eingriffsmöglichkeiten und seines speziellen Lo-Fi-Sounds begehrt.

Das schwarze 19-Zoll Gehäuse des S612 kommt mit zwei Höheneinheiten aus. Auf der schnörkellos und übersichtlich gestalteten Bedienoberfläche findet man neben neun Potis eine Reihe farbenfroher Folientasten für Lautstärke, Monitor, Eingangslevel, Tune sowie Nachbearbeitungsfunktionen mit LFO und Filter. Außerdem gibt es zwei unscheinbare Fader für den Start- und Endpunkt des Samples, die viel zum Kultstatus des Gerätes beigetragen haben. Dieses nicht alltägliche Realtime-Feature öffnet Tür und Tor für intuitive Klangeingriffe und wird von Hardware-Samplern in der Regel nicht geboten.

Der S612 arbeitet mit einer Auflösung von 12 Bit und einer variabel einstellbaren Samplerate von 4 bis 32 kHz. In der höchsten Qualitätsstufe kann das Gerät mit seinem 128 kb großen RAM eine Sekunde aufnehmen, in der niedrigsten immerhin 8 Sekunden − alles in mono, versteht sich. Ungewöhnlich ist die Möglichkeit, zu einem bestehenden Sample Overdubs hinzuzufügen. Zur Nachbearbeitung des Sounds stehen ein Lowpass-Filter mit regelbarem Cutoff (auf einen Resonanzregler muss man leider verzichten) und eine Decay-Funktion zur Regelung der VCA-Hüllkurve zur Verfügung. Außerdem gibt es einen LFO mit Sinuswellenform und Delay-Funktion. Das Gerät ist sechsstimmig polyfon, kann aber auch im Unisono-Modus arbeiten.

Klanglich fällt der S612 wegen seiner niedrigen Auflösung heutzutage klar in die Kategorie Lo-Fi-Tools. Das analoge Filter klingt überraschend sahnig und ist trotz fehlender Resonanzfunktion ein praktisches Werkzeug.

Akai Sampler S612, S900, S3000XL
Vor allem wegen seiner Realtime-Eingriffsmöglichkeiten ist der S612 trotz seines begrenzten Frequenzganges heute noch interessant. Auch Loop-Start- und -Endpunkt lassen sich in Echtzeit mit Fadern bestimmen. Auf die Diskettenstation (MD 280) des S612 kann man getrost verzichten, da die 2.8-Disks schwierig zu bekommen sind und wenig Fassungsvermögen haben. Man betreibt den S612 am besten als kreatives (Loop-)Effektgerät und nimmt die Ergebnisse im Computer zwecks späterer Nachbearbeitung auf. (Bild: Dieter Stork)

Musique Concrète

Der S612 gehört zu den Lieblings-Samplern des englischen Elektronik-Produzenten Matthew Herbert. Er erzeugte bei seinen Auftritten Ad-hoc-Samples, indem er Starbucks-Produkte wie z. B. einen Café Latte samt Pappbecher deformierte und zerstörte. Diese waren gesampelt und geloopt die Basis für eine ganz eigene, kapitalismuskritische Musique Concrète, welche die Kritiker und das Publikum gleichermaßen begeisterte. Auf der Bühne wurden auch andere Konzerne wie McDonalds oder Kelloggs Opfer der Samplegestützten Dekonstruktion. Zu den Acts, die den S612 einsetzten gehören u. a. Future Sound Of London oder Tangerine Dream.

S900/950: Weisse Ware

1986 präsentierte Akai den S900, der zusammen mit seinem Nachfolger S950 wegen seiner guten Klangeigenschaften vor allem in der Hip-Hop-Szene beliebt war. Er bietet einen leicht dreckigen 12-Bit-Sound, mehr Speicher und achtfache Polyfonie. Äußerlich präsentierten sich die Akai-Sampler (seit dem S700) im cremeweißen Design, dessen Laborästhetik anfangs in der Studioszene belächelt und mit höhnischen Kommentaren wie »Hier sieht’s ja aus wie im Krankenhaus« bedacht wurde.

Das Frontpanel ist mit dem Akai-typischen Datenrad, frontseitigen Sample-Anschlüssen und einem Zahlenfeld bestückt. Das zweizeilige Display neigt dazu zu verblassen, aber ein Austausch der Display-Folie ist relativ unproblematisch. Die Daten des 750 kb großen Speichers werden auf ein Diskettenlaufwerk geschaufelt. Auch hier sollte der S900/950-Besitzer nachrüsten: Man kann aktuell für wenig Geld einen HXC-Floppy-Emulator erwerben (etwa von Gotek), der mit SD-Cardslot oder USB-Schnittstelle bestückt ist und (trotz relativ langsamer Ladezeiten) das Leben des Hardwarefreaks erleichtert.

Die Klangerzeugung bietet zwei Hüllkurven, eine zusätzliche Pitch-Hüllkurve (mit der man z. B. die Attack-Phase effektiv formen kann), einen LFO, einen schön druckvollen analogen VCA und ein zwar resonanzloses, aber gut klingendes, analoges Tiefpassfilter. Gesampelt wird in Mono, aber dank des Stereoausgangs sind auch Pseudo-Stereo-Effekte möglich.

S950: Gimme more

Der S950 war ab 1988 erhältlich, bietet Timestretching, eine maximale Abtastrate von 48 kHz und kann optional mit einer SCSI-Schnittstelle und mehr RAM-Speicherplatz (bis 2,25 MB) nachgerüstet werden. Bis heute sind die S900- und S950-Sampler bei Hardware-Elektronikproduzenten begehrt; das liegt vor allem an ihren leicht grungigen 12-Bit-Wandlern, dem Analogfilter, ihren musikalischen Sampletranspose-Algorithmen und nicht zuletzt an ihrem hohen, druckvollen Ausgangspegel, der dem ebenfalls 1988 herausgekommen S1000 überlegen ist. Für Lo-Fi-Experimente lassen sich zudem niedrigere Abtastraten einstellen.

Weitere Pluspunkte sind die acht Einzelausgänge und die Möglichkeit, beim S900 ein optionales achtfaches Trigger-Board (ASK 90) nachzurüsten, was vor allem im Verbund mit einem Modularsystem oder einem Drumcomputer wie der TR-808 sehr interessant sein kann. Der S950 kann mit einem externen 19″-Gerät (ME35T) triggerfähig gemacht werden.

S3000XL: Working Class

Mit der Einführung des S1000 und des Nachfolgers S1100, mit denen man endlich mit 16 Bit/44,1 kHz und in Stereo sampeln konnte, wurde die Akai S-Klasse endgültig zum Studiostandard. Bis weit in die 90er-Jahre brachte Akai viele Modellvarianten wie etwa den S2800, den S3000 oder den S3200 heraus. Von den Geräten dieser Ära ist aus unserer Sicht vor allem der S3000XL interessant, der mit zwei Höheneinheiten auskommt, gebraucht günstig angeboten wird und ein echtes Arbeitspferd ist. Wie fast alle Akai-Racksampler bietet er eine hervorragende Fertigungsqualität … man könnte im laufenden Betrieb mit einem Traktor drüberfahren, und er würde vermutlich nicht einmal aus dem Takt kommen.

Klare Kante

Das Bedienpanel erinnert mit seinem Datenrad, den Cursortasten ein wenig an den S1000. Ab Werk sind eine SCSI-Schnittstelle und acht Einzelausgänge verbaut; das RAM lässt sich mit Standard-SIMMs auf 32 MB hochrüsten. Der S3000XL ist 32-stimmig, verfügt über ein eher unauffällig-zahmes 12-dB-Digital-Filter, zwei Hüllkurven, LFO, Timestretching und viele praktische Sample-Edit-Features. Wenige wissen, dass auch ein tighter MIDI-File-Player an Bord ist, der auf der Bühne gute Dienste leisten kann.

Interessant ist der S3000XL vor allem als Drum-Sampler. Er überzeugt wie fast alle Akai-Sampler mit einem sehr guten MIDI-Timing und bietet jenen durchsetzungsfähigen, manchmal leicht knochig-kantigen Akai-Sound, mit dem auch die MPC-Serie glänzt. Mit seinen Einzelausgängen kann er außerdem zusammen mit einem guten Mischpult ein interessantes Studioteil sein, wenn man gewillt ist, sich ein wenig in die Bedienphilosophie einzuarbeiten.

In unserem Heftarchiv findest du die Sounddateien zum Download.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. In einer Musikerzeitschrift (war es KEYBOARDS oder Keys?) gab es in den 90ern mal einen Fotowettbewerb: “Das beste Leserfoto mit einem Akai-Sampler” oder so.

    Das Siegerfoto war unfassbar gut: Zwei Racksampler senkrecht stehend, darauf wie ein Backstein der Dritte – und dazu ein Typ im Karate-Anzug, der “AKAI !” brüllend zum Handkantenschlag ausholte. Und das bei geschätzten 10000 DM Materialwert 🙂

    Ich würde einiges dafür geben, dieses Foto nochmal zu sehen. Gehören diese Zeitschriften nicht sogar zum selben Verlag wie SOUND & RECORDING? Dann ist es vielleicht noch im Archiv zu finden?

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    1. Hallo Wolfgang,

      nach etwas Forschung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass das bei der “garstigen Konkurrenz” Keys gewesen sein muss. 😉
      Aber Keyboards – da hast du recht – gehört auch zu uns.
      Lieben Gruß aus der Redaktion

      Auf diesen Kommentar antworten

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