Poor Mans SP-1200 oder ol´ dirty Bastard

Vintage Park: Zoom SampleTrak ST-224

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Der SampleTrak ST-224 Zoom gilt vor allem bei Hip-Hop-Produzenten als kostengünstige Alternative für einen crunchigen Vintage-Sound á la E-mu SP-1200; ist da was dran, und gibt es noch mehr Zoom-Geräte mit Kult-Potenzial?

Sampletrak(Bild: Dieter Stork)

 

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Die Firma Zoom startete 1983 als Zusammenschluss einiger japanischer musikinfizierter Elektroingenieure; ihr erstes (erfolgreiches) Produkt war das superkompakte Multieffektgerät Zoom 9002für Gitarristen, das nicht als Bodentreter konzipiert wurde, sondern am Gürtel getragen werden kann. Auch später brachte Zoom, zu deren erfolgreicher Produktpalette u. a. Effektgeräte, leistungsfähige, handliche Audiorekorder und Audiointerfaces gehören, immer mal wieder unkonventionelle Hardware auf den Markt.

Party like its 1999: Der Sample-Drumcomputer SampleTrak ST-224 erblickte ca. ein Jahr vor der Jahrtausendwende das Licht der Welt und kostete ca. 350 Dollar. Zoom hatte in den Jahren zuvor schon einige Erfahrung mit der Herstellung von preisgünstigen Drumcomputern gesammelt.

Rückseite des SampleTrak
Auf der Rückseite des SampleTrak findet sich neben einem Stereo- und Kopfhörerausgang Stereo-Line-Eingänge, die durch Umschaltung der Empfindlichkeit auch mit Mikros genutzt werden können. Es gibt außerdem einen MIDI-Input (auf einen MIDI-Out wurde leider verzichtet) und einen Slot für Smart-Media-Karten. (Bild: Dieter Stork)

Der SampleTrak gilt vor allem in der Hip-Hop-Szene wegen seiner Klangeigenschaften als Kultgerät. Äußerlich ist der ST-224 ein kompaktes Pultgerät mit einer übersichtlich gestalteten Bedienoberfläche, bei der fast jede Funktion ein eigenes Bedienelement besitzt. Auffällig ist das Modwheel-artige Bedienelement auf der linken Seite, das besser zu einem Synthesizer passt als zu einem Drumcomputer. Mit ihm und einem weiteren Poti lassen sich zwei Parameter der 22 Effekte, die man auf der linken Seite anwählen kann, intuitiv steuern. Das Rad funktioniert hier wirklich gut und erhöht den Spaßfaktor. Vielleicht wurde man bei Zoom durch die Rhythmusmaschine RY30 von Yamaha inspiriert, die 1991 herauskam und erstmals in diesem Gerätesektor mit einem Modulationsrad aufwarten konnte.

Sampletrak Effekt-Sektion und das Edit-Wheel
Die Effekt-Sektion und das Edit-Wheel des SampleTrak (Bild: Dieter Stork)

Der SampleTrak kommuniziert mit einem spartanischen, sechsstelligen LED-Display, mehr ist aber auch wegen der reduzierten Gradlinigkeit des Gerätes nicht notwendig. Es gibt neun nicht anschlagsdynamische kleine Gummi-Pads, die aber zumindest breit genug sind, um mit jeweils zwei Fingern gespielt zu werden. Der einfache Sequenzer bietet dieselbe Auflösung wie der SP 1200 (24 ppq), sechs Songs lassen sich abspeichern.

Der Drumsampler arbeitet mit drei wählbaren Sample-Raten: 32, 16 und 8 kHz bei 16 Bit, sowohl Mono- als auch Stereosampling ist möglich. Mit der höchsten Qualitätsstufe lassen sich maximal 60 Sekunden samplen, auf der niedrigsten 4 Minuten. Bis zu 32 Samples (je nach Länge) können im Speicher abgelegt werden, wobei jedoch immer nur 24 gleichzeitig verfügbar sind, und zwar über drei Pad-Bänke mit je acht Pads. Die Samples werden auf Smart-Media-Karten abgelegt, die maximal 16 MB groß sein dürfen – mitgeliefert wird eine 4-MB-Karte.

Zur Bearbeitung der Samples stehen diverse Standard-Funktionen wie das Trimmen des Start- und Endpunktes, Tuning, Panning und Reverse zur Verfügung. Die Samples können in einem ungewöhnlich großen Bereich von ±3 Oktaven gestimmt werden. Mit der Loop/Mark-Taste lassen sich Loop-Punkte setzen, die jedoch leider nicht speicherbar sind.

Zu den Stärken des SampleTrak gehört die Resampling-Funktion. Damit lassen sich die Samples auch mit den Effekten und wilden Effektparameter-Schrauben resamplen und abspeichern. Nicht alltäglich ist die Möglichkeit, ein einzelnes Pad mit einem anderen durch Timestreching zu synchronisieren.

Die Effektsektion ist ein weiterer Pluspunkt des SampleTrak. Man erwarte hier bitte keine Hi End-Studioqualität, dafür gibt es aber durchsetzungsfähige, kraftvolle und oft dreckig klingende Eingriffe ins Klanggeschehen. Neben Brot-und-Butter-Effekten wie Reverb, Delay, Chorus und Flanger findet man hier auch Spezialitäten wie den für Zoom-Effekte typischen Step-Cry-Effekt (eine Art heftiger Flanger-Typ), körnig klingendes Time Streching und Pitchshifting, Compressor, Extreme EQ für DJ-typisches Equalizing, Low- und High-Pass-Filter mit Resonanz, Ringmodulation und einiges mehr. Cool ist auch der Volume/Bass-Effekt, mit dem man tiefe Frequenzen nach vorne bringt.

Zum Kult wurde der SampleTrak aber vor allem wegen seiner klanglichen Nähe zum E-mu SP-1200. Der 1987 vorgestellte Sampling-Drumcomputer SP-1200 und sein Vorgänger SP-12 von E-mu Systems machten moderne Hip-Hop-Produktionen erst möglich. Bei legendären Alben wie EPMDs Strictly Business oder Tracks wie They Reminisce over You (T.R.O.Y.) von Pete Rock kam die Groove-Geheimwaffe von E-mu zum Einsatz. Der SP-1200 prägte die bis in die 90er-Jahre reichende goldene Hip-Hop-Ära. In den Händen von Acts wie Public Enemy, Beastie Boys, Gang Starr, Main Source, The Notorious B.I.G. und natürlich EPMD wurde der SP-1200 zur Allmachts-Groove-Maschine.

E-mu SP-1200
Der E-mu SP-1200 ist zusammen mit seinem Vorgänger SP-12 ein ewig strahlender Stern am Hip-Hop-Himmel. Er ist das bis heute heißbegehrte Sampling-Super-Tool legendärer Acts wie EPMD, Pete Rock oder Cypress Hill. Auch abseits der Hip-Hop-Szene fand der SP-1200 Verwendung. U. a. wurde er von Roni Size, Todd Terry, Freddy Fresh, Daft Punk und The Prodigy eingesetzt. (Bild: Bernhard Lösener)

Tatsächlich verfügt der SampleTrak über einen sehr ähnlichen Klangcharakter wie der SP 1200; vor allem in der mittleren Qualitätsstufe des Zoom-Gerätes, bei 16 kHz geht das Aliasingverhalten in Richtung der E-mu-Legende. Das ist überraschend, da der SP-1200 ja mit 26 kHz arbeitet. In den höheren Frequenzbereichen ist Letzterer jedoch etwas präsenter und wirkt insgesamt auch ein wenig druckvoller (was auch an den verbauten SSM2044-Filterchips liegen kann). Trotzdem hat man mit dem günstigen SampleTrak die Möglichkeit, sich dem Sound des auf dem Gebrauchtmarkt sehr hochpreisigen SP-1200 ohne großes Investment anzunähern. Einen Vergleich beider Geräte gibt es auch auf YouTube:

>> Die Factory Sample CD von Zoom und Bending-Tipps und Software zum SampleTrak findet man hier: zine.r-massive.com/zoom-sampletrak-st-224-archive

Ein weiterer Drumcomputer von Zoom hat vor allem in Hip-Hop-Kreisen ebenfalls einen guten Ruf. Die silberne Streetboxx SB-246 macht ihrem Namen alle Ehre, denn in ihr wurde jede Menge Hip-Hop-Geschichte, die von der East-Coast über Dirty South bis zur Westküste reicht, in Silikon verewigt. Die Sounds und Patterns wurden nämlich von der Beat-Kangz-Mannschaft (die später den »Beat Kangz Beat Thang«-Sample-Drumcomputer herausbrachte) kompetent erstellt. Das Gerät kam 2007 heraus und bietet 529 Drumsounds sowie 24 Bass und Synth-Samples.

Streetboxx SB-246 von Zoom
Die Streetboxx SB-246 von Zoom wurde zusammen mit den Beat Kangz entwickelt. (Bild: Zoom)
Isla Instruments S2400
2019 stellte Isla Instruments einen Nachbau des E-mu SP-1200 vor; der 1.799 Euro teure S2400 orientiert sich am Original, bietet aber noch mehr Möglichkeiten wie z. B. Multimode und einen Looper (www.islainstruments.com). (Bild: Isla Instruments)

Frühe Effektgeräte von Zoom gehören mittlerweile zum Beuteschema einfallsreicher Circuitbender. Die Circuitbenders-Crew aus Portmouth verwandelt z. B. (neben vielen anderen Geräten) die preiswerten Zoom-Multieffekt 19″-Geräte 1201, 1202 und 1203 in bösartige Klangverwurster, mit unvorhergesehenen Soundergebnissen, die ihresgleichen suchen.

Zoom 1201
Ein von den britischen Circuitbenders mit einem Regler für die Masterclock und vielen Schaltern für unautorisierte interne Verschaltungen modifiziertes Zoom-Effektgerät 1201 von 1997 wird zur Höllenmaschine. Es lohnt sich, die Soundbeispiele auf der Website www.circuitbenders.co.uk/fxmod/1201.html anzuhören. (Bild: Circuitbenders)

Kultgeräte zukünftiger Generationen von Hardware-Freaks könnten der (nicht mehr hergestellte) Zoom ARQ 96 und sein kleiner Bruder der ARQ 48 werden. Die eigenwilligen Grooveboxen sind ein Traum für alle, die unkonventionelle Musikmaschinen lieben; sie sehen aus wie der Diskus aus dem Film Tron und bieten ein innovatives Konzept mit Sci Fi-Appeal. Der Zoom ARQ vereint einen samplebasierten Drumcomputer, einen Sequenzer, einen Synthesizer, einen Looper und einen MIDI-Controller in einer Hardware, die aus einer Basisstation und dem abnehmbaren Step-Sequenzer-Ring besteht, der mit 96 anschlags- und drucksensitiven Pad-Sensoren und 160 LEDs für die optische Rückmeldung bestückt ist. Er kommuniziert per Bluetooth (4.0 LE) mit der Basisstation oder anderen Bluetooth-kompatiblen Geräten und lässt sich auch als abgefahrener MIDI-Controller nutzen.

Zoom ARQ 96
Im leuchtenden Ring des Zoom ARQ 96 ist ein intelligenter 3D-Accelerometer verbaut, der merkt, wie man das Gerät hält, und auf Bewegungen, wie etwa das Schlagen eines Schellenkranzes reagiert; durch das Kippen des abnehmbaren Rings lassen sich z. B. auch Filterfahrten performen. (Bild: Zoom)
Zoom Gitarren-Effekt 9002
Ein frühes Zoom Produkt: Den Gitarren-Effekt 9002 kann man sich an den Gürtel schnallen. (Bild: Zoom)

Der SampleTrak wurde uns freundlicherweise von Stefan Schneider zur Verfügung gestellt. Das Bild vom Zoom 1201 verwenden wir mit freundlicher Genehmigung von Circuitbenders (www.circuitbenders.co.uk)

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