Zu dumpf oder zu schrill?

Mixing-Tutorial: E-Gitarre richtig mischen

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(Bild: Dirk Heilmann)

Die E-Gitarre ist schon seit einigen Jahrzehnten eines der beliebtesten Musikinstrumente weltweit. Und auch wenn man das Gefühl hat, dass die moderne Popmusik immer Beat- und Keyboard-lastiger wird, ist in den meisten Produktionen trotzdem noch eine E-Gitarre am Start. Auch der gute alte Rock hat vor allem in der etwas härteren Richtung immer noch einen wichtigen Stellenwert in der heutigen Musikwelt, und der könnte ohne die E-Gitarre nun wirklich nicht funktionieren. Leider klingen aber nicht alle Gitarren immer so schön wie bei John Mayer. Vor allem Masteringstudios berichten immer wieder von schlechten Mixen, die viel zu schrill und gleichzeitig auch dumpf sind. Und in den meisten Fällen liegt das Problem angeblich an den E-Gitarren.

E-Gitarre aufnehmen – Alternativen zum SM57 – Ruben Jahrling & Jannic Waßmuth

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In diesem Tutorial möchten wir uns daher mit der guten alten E-Gitarre und ihrer Bearbeitung in einem Mix auseinandersetzen. Natürlich ist es fast unmöglich, eine pauschale Bearbeitung zu formulieren, denn je nach Song und der Funktion des Instrumentes kann diese sehr unterschiedlich, wenn nicht sogar fast gegensätzlich ausfallen.

Zunächst sollte man die E-Gitarre halbwegs vernünftig aufnehmen. Das gestaltet sich eigentlich nicht ganz so schwer, wenn man das mit dem Aufnehmen von z. B. Drums vergleicht. Denn in der Regel gibt es bei der E-Gitarre nur die Schallentwicklung durch die Box, und die kann man ganz einfach mit einem Mikrofon einfangen. Bei etwas lauteren Signalen würde ich ein dynamisches Mikrofon (z. B. ganz klassisch ein Shure SM57) empfehlen, da es dem Schalldruck standhält und nicht gleich beschädigt wird. Ansonsten eignen sich auch Bändchen- und Kondensatormikrofone sehr gut dafür. Allerdings sollte man hier unbedingt darauf achten, dass man die Mikrofonmembran nicht durch zu hohen Schalldruck beschädigt.

Bezüglich der Mikrofonposition gibt es sehr viele ausgefuchste Varianten. Aber wenn man es einfach halten will, dann würde ich das Mikrofon direkt vor die Box stellen. Normalerweise hat man genau in der Mitte des Lautsprechers den hellsten und ganz außen am Rand den dunkelsten Sound. Wenn man also das Mikrofon auf halber Strecke zwischen der Mitte und dem Rand des Speakers auf einem Viertel des Durchmessers positioniert, sollte man einen ausgewogenen Klangeindruck bekommen. Man kann das Mikrofon gerne noch ein paar Zentimeter weiter zur Mitte schieben, damit der Sound nicht ganz so »muffig«, sondern etwas heller und präsenter ist. Um den Lautsprecher besser zu erkennen, kann man einfach mit einer Taschenlampe durch die Stoffbespannung leuchten. Viel mehr als diese Basics muss man gar nicht wissen. Denn die größte klangliche Veränderung erreicht man sowieso nicht durch die richtige Aufnahme, sondern durch die richtige Einstellung am Amp, an der Gitarre oder durch die Pedale. Hier empfiehlt es sich, beim Einstellen des ganzen Equipments auch mal in das Mikrofon reinzuhören. Denn das kann gut und gerne auch deutlich anders klingen als der Sound, den man im Raum hört.

Die Gitarre wurde mit dem Fabfilter Pro-Q2 bearbeitet, bevor sie in das UAD Galaxy Tape Echo ging. Mit dem Pro Tools Lo-Fi wurden die Höhen abgeschnitten, bevor die Gitarre durch das UAD Pure Plate lief.

Für unser Beispiel haben wir uns gleich zwei sehr unterschiedliche Songs ausgesucht. Das erste Beispiel ist ein Pop-Song, der sich vor allem aus einem modernen elektronischen Beat, ein paar Keyboards und relativ einfachen Gesang zusammensetzt. Es gibt aber auch ein paar sehr schöne Gitarren, die ganz modern mit vielen tollen Effekten im Hintergrund die Atmosphäre verstärken und die Spannung im Pre-Chorus aufbauen sollen. Der Klangcharakter sollte dabei etwas dunkler und auf keinen Fall zu aggressiv sein.

Die Melodie der Gitarre war relativ einfach auf drei Töne ausgelegt. Der finale Sound sollte sehr atmosphärisch sein und eine ganze Klanglandschaft aufbauen. Jedoch war die ursprüngliche Gitarre relativ »clean« und komplett ohne Effekte aufgenommen worden. Das ist zwar kein großes Problem, aber bei solchen sphärischen, modernen Sounds ist der eingesetzte Effekt ausschlaggebend für die eigentliche Bearbeitung. So war es sehr wichtig, als Allererstes die entsprechenden Delays und Reverbs zu finden. Besonders beliebt für solche Effekte bei Gitarren sind Tape-Delays in Hardware-Form. Alternativ kann man aber natürlich auch Plug-ins nehmen. In unserem Fall haben wir das UAD Galaxy Tape Echo benutzt. Hier kann man über die drei Köpfe der eingebauten Bandmaschine mehrere Delays und zusätzlich auch einen Reverb einschleifen.

Ich hatte mich für eine punktiere Sechzehntel und eine Achtel mit relativ viel Feedback (Wiederholungen) und einer ordentlichen Portion Reverb entschieden. Dadurch fing die relativ einfache und trockene Gitarrenmelodie sehr schön an zu fliegen. Jedoch war der Reverb etwas zu kurz, um sie noch weiter zu tragen. Außerdem hatten sich durch das Delay die etwas aggressiveren Höhen des Grundsounds deutlich stärker bemerkbar gemacht. Deswegen habe ich direkt im Anschluss das Pro-Tools-eigene Lo-Fi-Plug-in benutzt, um die Sample-Rate und damit auch die Höhen zu reduzieren und gleichzeitig auch etwas Sättigung und einen Hauch von Distortion beizufügen. Jetzt war das Höhenbild deutlich entspannter.

Mit dem UAD SSL 4000E Channelstrip wurde die Gitarre leicht gefiltert, bevor sie durch den Fabfilter Saturn leicht angezerrt wurde, und mit dem UAD AMS RMX16 Reverb bekam die Gitarre noch etwas Weite.

Beim zweiten Reverb hatte ich mich für die UAD Pure Plate entschieden. Diese klingt sehr »fett« und hat einen etwas dreckigeren Charakter. Hier betrug die Länge des Reverbs über 3 Sekunden, und das gab der Melodie genau den richtigen Sustain. Der Effektanteil war bei ca. 40 %. So war der Hall zwar deutlich zu hören, aber die Melodie ging nie in dem Effekt verloren.

Weil mir die Gitarre aber insgesamt noch etwas zu dünn erschien bzw. weil ich die Effekte mit einer etwas dichteren und volleren Gitarre »triggern« wollte, habe ich in die Signalkette vor all die anderen Effekte noch einen EQ von Fabfilter gesetzt. Hier habe ich bei ca. 500 Hz und 1,2 kHz mit ca. 2,5 dB geboostet und damit das Instrument voller gemacht, bevor es in die Effekte ging. Jetzt hatte die Gitarre genau den richtigen »Vibe« und Atmo. Das einzige Problem war nur, dass sie bei bestimmten Tönen etwas scharf um die 2,5 kHz klang. Und das ist auch genau der Frequenzbereich, bei dem eine Gitarre ganz schnell schrill und unangenehm klingen kann. Deshalb habe ich am Ende der Kette noch den Sonnox SuprEsser eingesetzt, der wie ein De-Esser nur diesen Frequenzbereich kontrolliert und unterdrückt.

Für das zweite Beispiel haben wir einen Metal-Song genommen. Hier waren die Instrumente zwar relativ gut aufgenommen, aber vor allem die Rhythmus-Gitarren (Marshall JCM 800) sollten im Gegensatz zu dem ersten Beispiel noch aggressiver und mehr »in  your face« klingen.

Das aufgenommene Material klang sehr voll und etwas undurchsichtig auf der Aufnahme. Also habe ich hier als Erstes den UAD SSL 4000 E Channelstrip genommen. Dieser hat einen etwas dichten und satten Charakter, wenn er heißer angefahren wird. So gab mir das Plug-in eine schöne Färbung. Zusätzlich habe ich hier den Lo-Cut bei ca. 90 Hz benutzt und mit dem Lo-Shelf alles unter 220 Hz um ca. 3 bis 4 dB abgesenkt, um die Gitarre etwas schlanker zu machen. Außerdem habe ich 8,5 und 3,5 kHz um ca. 4–5 dB und 1 kHz um ca. 2 dB geboostet, um dem Sound etwas mehr Biss zu geben, wodurch sie nun aggressiver wirkte. Den Kompressor im Channelstrip habe ich gar nicht benutzt, weil verzerrte Gitarren durch Kompression gerne mal etwas klein klingen können. Außerdem gab es schon etwas Kompression auf dem Master-Bus.

Einen Hauch mehr Mitten hätte die E-Gitarre noch gebrauchen können. Aber leider konnte man hier mit einem EQ nicht das richtige Ergebnis erzielen. Also kam das Fabfilter Saturn zum Einsatz. Das ist ein Sättigung-bzw. Verzerrer-Plug-in, bei dem man genau bestimmen kann, in welchem Frequenzbereich die Sättigung oder Verzerrung stattfindet. Ich habe hier den Bereich ca. 300–2.200 Hz gewählt und ein wenig angezerrt. Dadurch bekam die Gitarre deutlich mehr Harmonische und wurde etwas dichter in den oberen Mitten.

Das einzige, was mir jetzt noch fehlte, war etwas Stereobreite. Dafür habe ich einen kürzeren Hall aus dem UAD AMS RMX16 Reverb verwendet und den Effektanteil sehr gering gehalten, damit mir der Hall die Gitarre nicht »zumatscht«, aber trotzdem etwas breiter macht. Jetzt hatte die Gitarre die nötige Aggressivität, ohne künstlich und bearbeitet zu klingen. Außer diesen zwei sehr unterschiedlichen Bearbeitungsmöglichkeiten gibt es natürlich noch 1.000 andere, aber das hängt zu 100 % vom aufgenommenen Material ab.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Cool, das Du Deinen Fehler zugibst 😉

    Ist mir auch schon mal passiert, ein Mikro falschrum aufzubauen, aber ich habe es niemandem erzählt. Das sah man dem Mikro auch nicht an, aber ich hätte es ja hören müssen. Das war ein MG, und da kenzeichnet das Nierenzeichen die Einsprechrichtung, nicht das Firmenlogo. Zum Glück war das nur zuhause und ich habe mich auch nur selbst aufgenommen…

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  2. Vielen Dank für die vielen kompetenten Anregungen!

    Hier noch ein paar Ergänzungen meinerseits:

    – Es wird immer viel von Frequenzgang der Mikros gesprochen, aber wenig von Impulsverhalten (vermutlich , weil der optisch nicht so einfach darstellbar ist). Ich denke, da hängt gerade für Git-Amp Recordings vieles an Durchsetzung dran.

    – Neulich habe ich ein leider etwas defektes AKG D224 bekommen, das ist gerade in Reparatur – die waren zwar sehr sensibel und die meisten die es gibt sind leider schon kaputt, aber der Sound scheint toll zu sein – insb. an cleanen Röhrengitarrenverstärkern.

    Dies habe ich dazu im Internet gefunden:

    https://soundcloud.com/martin-mitchell/28-vintage-microphone-recording-akg-d224e-rockn-roll-guitar

    Finde ich beeindruckend.

    – was mir etwas zu kurz gekommen ist, schließt direkt daran an: Cleane laute Gitarrenverstärker a la Fender Twin Reverb, Music Man etc… gibt es dafür Simulationen, die so klingen wie obiges Beispiel? – Ich vermute, die muss man nach wie vor mikrofonieren, sonst kommt so ein Sound nicht zustande.

    Danke noch mal, für die Sendung, war ein tolles, entspanntes Gespräch und hat mir wieder Lust gemacht, selbst aktiv zu werden!

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  3. Sorry, mein Kommentar war auf den Hörbeitrag „ beimirimstudio“ bezogen, der mir am Samstagmorgen so gut gefallen hätte – nicht auf den schriftlichen Artikel. Hier vielleicht etwas deplatziert…

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