Die Gitarrenaufnahmen

Bandrecording – Hardrock Video-Tutorial Teil 2

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 In der letzten Ausgabe haben wir uns in aller Ausführlichkeit mit der Aufnahme des Schlagzeugs für unseren Hardrock-Track beschäftigt. Die Drums liegen uns nun sauber editiert und geschnitten vor. Weiter geht es jetzt mit der zweiten essenziellen Zutat für einen Rocksong: Gitarre & Bass! Auch hier haben wir uns Verstärkung geholt: Ulf Häusgen ist unser Mann an den Saiten, die die Welt bedeuten.

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>> Hier gehts zum dritten und letzten Teil von Bandrecording Hardcoresession: der Mix! <<

Je öfter wir uns aber mit Gitarrenaufnahmen beschäftigt haben, desto mehr haben wir die klassische Art der Aufnahme mit Mikrofonen schätzen gelernt. Zu Hause ist es halt am schönsten. Zugegeben, man schwitzt vor dem Amp, es klingt nicht immer sofort gut, und man muss sich auf eine gewisse Erfahrungskurve einlassen. Dafür wird man aber mit einem Sound belohnt, der einzig – artig ist und im Idealfall die Handschrift eines Engineers mit definiert.

Unser Ziel war es, mit dem Track eine tontechnische Blaupause für verschiedene Stilrichtungen im Bereich des Hardrock zu liefern und die wichtigsten Grundlagen anhand des Tracks zu erklären. Für unsere Session konnten wir Ulf Häusgen gewinnen, der im Genre »Rock & Heavy« zu Hause ist und dessen vielseitiges Spiel perfekt in unseren Track passt. Hier fängt die oft besprochene Kette aus Musiker, Instrument, Raum, Mikrofon und Vorverstärker auch schon an. Im Grunde ist die Reihenfolge bereits stimmig − einen hervorragenden Musiker mit einem tollen Instrument wird zum Beispiel kein schlechtes Mikrofon in die Knie zwingen. In unserer Session wollten wir aber natürlich möglichst das Optimum herausholen und in dieser Ausgabe den technischen Aspekt der Gitarrenaufnahme in den Vordergrund stellen.

Amps, Boxen, und Mikrofone

Für unsere Session haben wir verschiedene Gitarrenverstärker benutzt, die alle über unsere Mesa Boogie Rectifier 4×12″-Box liefen. Für uns hat es sich bewährt, Gitarristen und ihre Amps in die Regie zu setzten und die Box mit einem längeren Speaker-Kabel in den Auf – nahmeraum zu stellen. Das hat den praktischen Vorteil, das die Kommunikation mit dem Musiker ungleich leichter wird. Der Talkback-Knopf hat dann Pause, und es entsteht ein konstruktiver Dialog statt des üb – lichen Studiofunks zwischen Regie und Aufnahme.

Neben unserem Mesa Boogie Tremoverb und einem Mesa Boogie Rectifier kam als Amp auch noch ein alter Marshall Plexi von Ulf zum Einsatz. Der Mesa Boogie Tremoverb war dabei für die meisten HighGain-Sounds zuständig, während der Plexi in Verbindung mit einem Maxon OD-808 (einer Kopie des Tubescreamers) für den CrunchSound in den Strophen gesorgt hat. Weiterhin kam als Effekt noch ein Big Muff von Electro-Harmonix für die »kratzigen« Parts zum Einsatz. Ulf spielte in der Session Gitarren aus dem Hause Sign Guitars, einer Manufaktur aus Aachen, die, abgesehen von ihren Serienmodellen, auch jeden Wunsch eines Musikers erfüllt. Wir haben einige der Instrumente im Studio stehen und sind jedes Mal sehr glücklich mit dem Sound und auch der Verarbeitung, die bei den »Urvätern« aus Amerika in den letzten Jahren gefühlt nachgelassen hat.

Die Mesa-Boogie-Box in unserer großen Aufnahme A wurde mit insgesamt vier Mikrofonen abgenommen. Alle Mikrofone liefen über unsere API 512c-Preamps und von da aus in ein Universal Audio Apollo. Wir haben einige Favoriten unter den Mikrofonvorverstärkern wie zum Beispiel den Chandler Germanium Preamp, dessen charakteristische Färbung wir sehr gerne gezielt für E-Gitarren einsetzen. Allerdings steht uns hier nur ein Kanal zur Verfügung, und wir wollten in dieser Session den Fokus eher auf die Mikrofone und deren Platzierung legen. Daher macht es Sinn, alle Mikrofone über die gleichen Vorverstärker laufen zu lassen, um eine bessere Vergleichbarkeit herzustellen.

Den Anfang macht das Shure SM 7, der große Bruder des Shure SM 57. Letzteres kann manals Standard für die Abnahme von Amps bezeichnen: nicht totzukriegen, robust und absolut pegelfest. Im Grunde liefert es einen Sound, den man schon auf unzähligen Platten gehört hat, was immer ein Vorteil ist. Man kann also sowohl mit dem SM 57, als auch mit dem SM 7 nicht viel falsch machen. Das gilt auch für die Positionierung, bei der gerade das SM 7 sehr gutmütig ist. Die Faustregel zur Erinnerung: Zielt das Mikrofon auf die Mitte des Speakers, werden die Höhen sehr direkt und aggressiv übertragen. Je weiter man sich weg von der Speaker-Mitte in Richtung Rand bewegt, umso weicher werden die Höhen. Das Shure SM 7 ist in den Höhen etwas weicher als das SM 57 und liefert ausgewogenere Bässe.

Ein kleiner Wermutstropfen beim Shure ist seine recht eindimensionale Darstellung. Ohne ein weiteres Mikrofon zur Ergänzung klingt es subjektiv manchmal einfach etwas langweilig. Wir schöpfen für diese Ausgabe aber aus dem Vollen und haben deshalb direkt drei weitere Mikrofone aufgestellt.

kt drei weitere Mikrofone aufgestellt. Das Sennheiser MD 421 ist für viele Techniker ein Goldstandard an den Toms und eines der eindrucksvollsten dynamischen Mikrofone, die je gebaut wurden. Wir benutzen das Mikrofon regelmäßig für Gitarrenverstärker, müssen aber ehrlicherweise zugeben, dass es uns in diesem Setup nicht voll überzeugt hat. Im Bereich von 150 − 300 Hz wirkt es etwas dünn, die Höhen sind sehr schneidend und leicht schrill. Wir haben mit der Position gespielt, werden aber nicht ganz warm mit der Lösung. Für die Crunch-Parts kann das trotzdem funktionieren, und beim Mix ist man unter Umständen dann doch froh, die Spur zu haben.

Weiter geht es mit dem Sennheiser E 609, ein Mikrofon mit Supernierencharakteristik und einer etwas ungewöhnlichen Bauform, welche die Positionierung vor einem Gitarrenverstärker sehr einfach macht. Im Live-Einsatz kann man das Mikrofon einfach von oben herabbaumeln lassen − ein Ständer weniger! Das E 609 liefert vor der Mesa-Boogie-Box durchsetzungsfähige Höhen, die im Gegensatz zum MD 421 auch nicht nerven. Noch mal: Dieses Urteil bezieht sich auf unser Setup, unsere Kette in der Session und lässt sich nicht verallgemeinern. Wir verschmähen also keine Mikrofone, sondern hören uns nur an, welche Werkzeuge in welcher Situation funktionieren, und entscheiden von Fall zu Fall. Alleine finden wir aber das Sennheiser E 609 ebenfalls etwas dünn, es wird also auf eine Mischung der Signale herauslaufen.

Das Finale macht ein Neumann U47 FET. Dieses Großmembran-Kondensatormikrofon wird in dieser Form leider nicht mehr gebaut und reiht sich in die Reihe der Vintage-Mikrofone ein, die Tonmenschen auch tagsüber zum Träumen bringen können. Wir müssen auch ehrlich zugeben, dass das U47 kein dauerhafter Bestandteil unserer Sammlung ist, sondern sich im Besitz von Ulf Häusgen befindet, der es für die Session mitgebracht hat. Es liefert zwar eher zurückhaltende Höhen, aber dafür wunderbare Tiefmitten und Bässe, die sich perfekt mit den Signalen der dynamischen Mikrofone ergänzen. Außerdem kommt es mit sehr hohen Pegeln gut klar. Unsere favorisierte Mischung in der Session besteht aus dem U47 zusammen mit dem Sennheiser E 609, ausprobieren lohnt sich!

Der Knackpunkt bei der Arbeit mit mehreren Mikrofonen vor einer Schallquelle ist wie immer die Phasenlage. Die Positionierung der verschiedenen Mikrofone vor der Box ist daher besonders kniffelig. Man kann zwar jedes einzelne Mikrofon gut nach Gehör ausrichten, sobald dann aber das Signal eines der anderen Mikrofone hinzugemischt wird, entstehen fiese Phasenschmierereien. Der Bass geht unter Umständen verloren, die Mitten klingen matschig, und die Höhen verwischen. Auch wenn es in der Praxis quasi nicht möglich ist, zwei oder mehr Mikrofone im Hinblick auf die Phase perfekt auszurichten, gibt es Mittel und Wege, eine sehr gute Phasenlage zu erreichen.

Wir nutzen dafür einen kleinen Trick und starten zunächst mal mit der klanglich optimalen Ausrichtung eines Mikrofons. Anschließend setzt man sich mit dem zweiten Mikrofon und einem geschlossenen Kopfhörer vor die Box. Beim zweiten Mikrofon dreht man am Vorverstärker die Phase. Dann beginnen wir mit der Positionierung so, dass die Membranen der Mikrofone auf der gleichen Höhe sind, beziehungsweise der Abstand zur Box gleich ist. Der Gitarrist spielt (oder man benutzt einen Testsignal), und wir bewegen das zweite Mikrofon solange, bis man die Auslöschung zum ersten Mikrofon maximal ist. Der Sound sollte jetzt extrem dünn sein und der Pegel niedrig. Dreht man jetzt erneut die Phase des zweiten Mikrofons, hat man ein sehr fettes Signal mit einer guten Phasenlage. Das lässt sich dann sehr gut mit weiteren Mikrofonen und Kombinationen fortsetzen. Das Vorgehen erklärt Thomas auch noch einmal ausführlich im Video zu dieser Ausgabe.

Man kann den gleichen Trick übrigens auch in der DAW benutzen, indem man die Signale gegeneinander über ein Delay-Plugin im Bereich von Millisekunden verzögert, die Spuren manuell schiebt oder ein Plug-in wie das Little Labs Phase Alignment Tool benutzt. Wie so oft führen viele Wege nach Rom.

Bass

Zu guter Letzt fehlt uns noch der Bass für unser Hardrock-Instrumental. Zum Einsatz kam hier ein Fender Jazz Bass, den Thomas über den Instrumenteneingang direkt ins Interface gespielt hat. Wir haben hier auf einen Amp verzichtet, weil es uns beim Bass eher um ein solides Fundament für die Gitarren ging und weniger um eine weitere Klangfarbe, die weit vorne im Mix steht. Mit einem DI-Signal geht man in dieser Hinsicht immer auf Nummer sicher und hat später im Mix alle Möglichkeiten. Sollten wir feststellen, dass uns etwas fehlt, reampen wir die Spur einfach.

Ausblick

Die Instrumente sind auf (Fest-)Platte gebannt, und in der nächsten Ausgabe steht der Mix der Session auf dem Programm. Wir gehen dabei auch auf das Editing von Drums und Gitarren ein und liefern einen ausführ – lichen Videobeitrag über unser Vorgehen direkt mit. Außerdem beschreiben wir, wie viele der Gitarrenspuren, Dopplungen und Layer im Mix landen, wie wir die Auswahl getroffen haben und warum mehr nicht immer besser ist. Viel Spaß beim Experimentieren mit den Spuren und bis zum nächsten Mal!

 

 

 

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