Von Mikros, Kesseln und Becken

Toontrack Superior Drummer 3 – Der Weg zur fertigen Library

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(Bild: Toontrack)

Der schwedische Musiksoftware-Hersteller Toontrack Music aus Umeå hat sich in 20 Jahren Firmengeschichte zum größten Anbieter von Samplesounds für Drums und Percussion entwickelt. Das inzwischen circa 34-köpfige Team um Firmengründer Mattias Ekl und und Henke Kjellberg hat mit EZdrummer 2 und Superior Drummer 3 die marktführenden Produkte für die Produktion von Schlagzeug-Grooves im Rechner im Angebot und bietet für diese eine immense Auswahl optionaler Sounds an. Wir gingen der spannenden Frage nach, wie eine solche Library, die in einigen Fällen über 200 GB Sampledaten enthält, eigentlich entsteht.

Unser Gesprächspartner war Norman Garschke, Sales-Manager von Toontrack Music in Deutschland und als studierter Schlagzeuger auf etlichen Toontrack-Produkten sowohl als Sampling- wie auch als MIDI-Drummer zu hören.

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Norman, nach welchen Kriterien wird ein Studio für die Produktion einer EZX/SDX ausgewählt? 

Die generelle Grundidee für die Aufnahmen unserer Drum-Libraries (EZX und SDX) ist immer dieselbe: Wir möchten unseren Anwendern Sounds in bestmöglicher Klangqualität für die digitale Produktion in unterschiedlichsten musikalischen Genres zur Verfügung stellen. Die Umsetzung dieser Zielsetzung gehen wir immer wie eine Schlagzeugaufnahme für eine Albumproduktion an: Wir suchen uns die renommiertesten Produzenten, Ingenieure und Schlagzeuger im gewünschten Genre für eine Zusammenarbeit und versuchen, mit ihnen in den größten, besten und gefragtesten Tonstudios verschiedenste Instrumente aufzunehmen, die den Sound dieser Stilrichtung definieren. Die Wahl des jeweiligen Studios überlassen wir dabei in der Regel der prominenten ProduzentIn/ToningenieurIn. In erster Linie darf er/sie entscheiden, wo er/sie arbeiten möchte, beziehungsweise in welchem Studio er/sie sich wohl fühlt und erfahrungsgemäß das beste Aufnahmeergebnis für die jeweilige Aufgabenstellung realisieren kann. Produzenten nehmen aber auch gern in ihren eigenen Studios auf. So entschied sich Tue Madsen für die aktuelle Death & Darkness SDX für seinen Studio-Pool der Antfarm Studios im dänischen Århus, während für Engineer-Legende Steve Albini für die Aufnahmen der Alt-Rock EZX nur sein eigenes Electrical Audio Studio in Chicago infrage kam.

Eine kleine Auswahl an Drums, nach der sich so mancher Schlagzeuger die Finger lecken würde! (Bild: Toontrack)

Gibt es für ein neues Produkt eine präzise Konzeption von Wunschsound, Mikrofonierungen und Spielweisen? Und inwieweit prägen die Produzenten diese Aufnahmen?

Die Pop Punk EZX ist hierfür ein gutes Beispiel: Wir wollten Drumsounds speziell für dieses Genre aufnehmen und haben daraufhin mit Produzent John Feldmann den perfekten Experten für eben diesen Sound gefunden. Er sollte das tun, was er ebenso gut kann und wofür er bekannt und erfolgreich ist: Schlagzeug für Punk/Pop auf höchstem klanglichem Niveau aufnehmen. Und dafür haben wir ihm weitestgehend freie Hand gelassen. Die Auswahl der Drums, der Einsatz der Technik (Mikrofone, Konsole, Outboard), die Auswahl des Drummers, die Spielweise und weitere Aspekte werden dabei immer vor dem Hintergrund  dieses bestimmten Sounds/Genres gewählt …

Bei SDX-Libraries ist der Ansatz hingegen etwas anders. Hier konzentrieren wir uns weniger auf ein spezifisches musikalisches Genre, sondern versuchen meist, mit den zeitlos legendären Produzenten/Ingenieuren der Musikwelt zusammenzuarbeiten. Dabei möchten wir ihnen die Freiheit geben, in einem Studio ihrer Wahl verschiedenste Drums so detailliert und umfangreich wie möglich aufzunehmen. Hierbei geht es also vor allem um den Detailreichtum, die Qualität und die extrem nuancierte Abbildung der Instrumente, kombiniert mit der immensen Erfahrung des Produzenten und den besten Aufnahmeräumen der Welt. Al Schmitt ist dafür ein perfektes Beispiel, denn diese SDX sollte nicht »nur« ein spezifisches Klangbild bieten, sondern eine Fülle verschiedenster Schlagzeugsounds, die mit der gesamten einzigartigen Erfahrung seiner über 60-jährigen Laufbahn im Recording-Business entstehen. Als Produzent hatte Al komplett freie Hand, denn wir wollten ja genau seinen Sound. Die Auswahl der Drums stammt hingegen meistens oder größtenteils von uns. Wir betreiben dazu in der Projektplanung eine sehr gründ liche Recherche und Auswahl mit all unserer Erfahrung zu unterschiedlichen Herstellern, Modellen, Fellen, Stöcken und mehr. So erarbeiten wir schon im Vorfeld ein detailliertes Konzept und kümmern uns dann um die Beschaffung der meist historischen oder oftmals äußerst raren Instrumente, die wir nicht selten auf der ganzen Welt suchen und finden.

Der ausführende Drummer ist idealerweise jemand, der technisch sehr nuanciert und präzise spielen kann, ohne dabei für einen bestimmten Stil berühmt oder darauf festgelegt zu sein.

Al Schmitt und Norman Garschke besprechen den Drum-Sound in der Regie der Capitol Studios. (Bild: Toontrack)

Wie ist der typische Zeitplan nach der Auswahl, und welche Leute arbeiten vor Ort?

Der Prozess der Projektplanung und -konzeption vor den eigentlichen Aufnahmen nimmt bereits einen großen Zeitraum in Anspruch. Es gibt viele Beteiligte, die zum selben Zeitraum verfügbar sein müssen, ebenso wie auch die oft seltenen Instrumente. Die genaue Anzahl der Beteiligten vor Ort variiert je nach Projekt, aber es sind im gesamten Verlauf der Aufnahmen, der Produktion und der anschließenden Nachbearbeitung sowie auch der aufwendigen Dokumentation in Fotos und Videos eine stattliche Anzahl Personen eingebunden, ehe die fertige Library schließlich veröffentlicht werden kann.

Nach welchen Kriterien wird die Peripherie in Form von Mikrofonen, Vorverstärkern und Mischpult ausgewählt?

Die Entscheidung für die verwendeten Mikrofone, Preamps, Outboard und der eingesetzten Konsole liegt weitestgehend beim Produzenten/Engineer. Wir möchten, dass er/sie ohne Beschränkung aus dem Vollen schöpfen kann, um »seinen« Sound zu realisieren. Falls hierfür spezielles Equipment angemietet werden muss, da es im jeweiligen Studio nicht vorhanden ist, dann tun wir das natürlich. Und tatsächlich mieten wir beispielsweise regelmäßig bestimmte Mikrofone oder Preamps zusätzlich zur Studioausstattung vor Ort.

(Bild: Toontrack)

Wie umfassend ist die Nachbereitung, und welche Schritte folgen bis zum fertigen Produkt?

Natürlich kann ich hier nicht auf sämtliche Arbeitsschritte eingehen und diese preisgeben. Wir sind in der Lage, mithilfe unterschiedlicher selbst entwickelter Software-Werkzeuge bereits während der Aufnahmen Rough-Edits des aufgenommenen Materials zu erstellen. Das ist wichtig, da wir so vor Ort ein vorläufiges Ergebnis hören können – ein Moment, der jedes Mal aufregend und beeindruckend für alle Anwesenden ist, vor allem natürlich für Produzent und Drummer.

Natürlich sind die eigentlichen Aufnahmen im Studio nur der erste, wenn auch wichtigste Schritt auf dem langen Weg zur veröffentlichten Library. Die Anzahl der aufgenommenen Einzelschläge für eine aktuelle SDX umfasst oft mehrere hunderttausend Hits. Die SD3 Core Library bringt es beispielsweise auf mehr als 1 Million Einzelschläge. Natürlich müssen diese alle individuell geschnitten und mit Fades versehen, sorgfältig auf etwaige Fehler oder Störgeräusche überprüft und dann schließlich auf die jeweiligen Dynamik-Layer verteilt werden. In Zeiten von Superior Drummer 1 und früher SDX-Libraries haben wir diese Nachbearbeitung noch händisch erledigt, was natürlich unglaublich zeitaufwendig und anstrengend war. Heute nutzen wir mehrere, selbst entwickelte Hilfsmittel für die jeweiligen Bearbeitungsschritte. Gleichwohl nimmt die sorgfältige Nachbearbeitung der Aufnahmen auch heute noch viel Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch, da wir streng auf höchste Qualität bei der Editierung achten. So wird praktisch jeder einzelne Schlag überprüft, um letztlich zu einer Library in höchster Klangqualität gelangen zu können.

Ein kleiner Teil der Mikrofonauswahl, die die Capitol Studios bieten (Bild: Toontrack)

Im optimalen Fall werden die ursprünglichen Aufnahmen klanglich nicht weiter nachbearbeitet. Wir nutzen also keine Equalizer, Kompression oder ähnliche Hilfsmittel zur klanglichen Nachbearbeitung oder nachträglichem Sounddesign, denn wir möchten ja genau den natürlichen Klang der Instrumente so akribisch wie möglich einfangen.

Jede SDX- und EZX-Library enthält eine große Auswahl an zum jeweiligen Projekt/Genre passenden MIDI-Grooves und -Fills, damit der Anwender authentische Performances für die Komposition eigener Songideen nutzen kann. In der Regel werden diese Grooves durch denselben Schlagzeuger eingespielt, der auch für das Sampling der Sounds verantwortlich war. Die MIDI-Aufnahmen selbst erfolgen über E-Drums und werden in der Nachbearbeitung bewusst nicht quantisiert, da wir die subtilen individuellen Nuancen des Mikro-Timings und des Feels/Groove des jeweiligen Musikers erhalten wollen.

Die letzte inhaltliche Komponente einer Toontrack-Library sind die Mixer-Presets, die dem Anwender unterschiedlichste Mix-Varianten der »rohen« Sounds für den schnellen Zugriff zur Verfügung stellen. Etwa die Hälfte der Presets einer Library werden vom Produzenten/Engineer erstellt, die andere Hälfte durch uns. Sämtliche Mitglieder des Toontrack-Teams sind aktive Musiker und Toningenieure. Entsprechend gibt es bei uns ein riesiges Potenzial an kreativen Experten für interessantes und professionelles Sounddesign. Für die Erstellung dieser Presets wird das aufgenommene Material als rohe Library verwendet. In der Folge wird eine klassische Drum-Mischung erstellt, die sämtliche Möglichkeiten des SD3-Mixers, alle 35 Insert-Plug-ins, die Routing-Matrix mit 32 internen Bussen und die vielen zusätzlich aufgenommenen Ambience-Mikrofone jeder Library und das Sounddesign-Potenzial der internen Makros und Microphone-Bleeds zur freien Verfügung stellt.

(Bild: Toontrack)

Du warst selbst am Sampling einiger Libraries beteiligt. Welche Anforderungen gibt es an den Musiker?

Ein guter Drumsound entsteht nicht nur allein durch das tontechnische Einfangen des Klangs über Mikrofone, Preamps und die Konsole – er beginnt bei der eigentlichen Klanggestaltung des Schlagzeugers am Instrument. Der Musiker muss technisch versiert sein und eine große Kontrolle über seine Schläge haben. Die einzelnen Schläge werden auf allen Instrumenten in möglichst vielen Dynamikabstufungen und Lautstärken eingespielt. Besonders die Performance sehr leiser Hits erfordert eine ausgefeilte Technik und Stockkontrolle, vor allem, weil auch viele Schläge den möglichst selben Sound haben sollen. Ein gutes Beispiel hierfür sind sehr leise ausgeführte Rimshots. Diese Artikulation, die wir auf allen Snares und Toms aufnehmen, ist an sich schon anspruchsvoll und nur mit exzellenter Snaredrum-Technik zu spielen. Muss man diese Hits dann aber noch 20 bis 30 Mal mit möglichst demselben Sound ausführen, erfordert dies ein höchstes Maß an Stockkontrolle.

Er muss klanglich vorausdenken können, um schon vor dem Aufnahmedurchgang die feine Abstufung der Lautstärken aber auch den generellen Sound des Instruments in der jeweiligen Artikulation optimal ausführen zu können. Es hilft sicherlich, wenn der Drummer sich intensiv und lang mit dem Klang und den klanglichen Möglichkeiten des Instruments auseinandergesetzt hat, eine Eigenschaft, die vor allem bei den Becken und der Hi-Hat zum Tragen kommt. Jazz-Drummer sind für diese Art der nuancierten Performance und Klangvorstellung sicherlich im Vorteil, wobei für Metal-Libraries wiederum andere Qualitäten gefragt und erforderlich sind.

Zu guter Letzt sollte ein guter Sampling-Drummer aber auch mentale Stärken aufweisen. Der Sampling-Prozess erfordert extreme Konzentration und Disziplin über einen langen Zeitraum: Die Aufnahmen dauern oft zwei bis drei Wochen ohne Pause, mit Arbeitstagen à zehn oder mehr Stunden. Bewegungsloses Stillsitzen während des Samplings ist ebenfalls erforderlich und eine Anforderung, die für viele Schlagzeuger über einen so intensiven Zeitraum eine weitere Herausforderung darstellen kann.

(Bild: Toontrack)

Wie darf man sich das Sampling in der Praxis vorstellen?

Wir zeichnen immer sämtliche Mikrofone im Setup auf, um Übersprechungen und den Raum einzufangen. So nehmen wir uns jedes Einzelinstrument des Drumsets vor und nehmen Einzelschläge in unterschiedlichsten Spielweisen auf. Am Beispiel einer Snaredrum wären dies beispielsweise Center-Hits (exakt in der Mitte des Schlagfells), Edge-Sounds (am Rand des Fells gespielt), Rimshots (Fell und Rim werden gleichzeitig getroffen), Sidesticks und so weiter. Die Auswahl der jeweiligen Artikulationen erweitert sich ständig, und wir versuchen, das jeweilige Instrument so real wie möglich abzubilden, indem wir sehr viele verschiedene Artikulationen und Spielweisen aufnehmen. Für die Decades SDX by Al Schmitt haben wir beispielsweise erstmals mehrere neue Artikulationen für die Ride-Becken aufgenommen, da die neuesten E-Drum-Module und -Pads mittlerweile das Triggern verschiedener Bereiche unterstützen. Jede Artikulation nehmen wir wiederum mit vielen Einzelschlägen in allen möglichen Lautstärkeabstufungen auf, von so laut wie möglich bis zu kaum hörbaren Ghostnotes.

Wir danken für das Gespräch!

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