Gegen Scheuklappen

Recording-Workshop mit Sylvia Massy im Castle Studio, Röhrsdorf

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Sylvia Massy(Bild: Nicolay Ketterer)

Besuch bei einem »Recording-Abenteuer«: Die Produzentin und Tontechnikerin Sylvia Massy gibt einen Workshop im Castle Studio, Röhrsdorf bei Dresden: Vor Ort nimmt die Grazer Band Hella Comet einen Song auf, den Massy umarrangiert, und schließlich folgen experimentelle Overdubs. Im Gepäck hat Massy einen Fön, zerschnittene Lautsprecherkabel, einen Schlauch zur Schlagzeug-Mikrofonierung, einen zerschundenen Strat-Body samt Pickup als Gesangsmikrofon und einen umgebauten Telefonhörer — allesamt für Sound-Effekte.

Im gekachelten Keller-Hallraum der Castle-Studios spielt Hella-Comet-Gitarrist Jürgen Hochsam eine Spur ein, mit atmosphärischklaustrophobischem Nachhall. Sein Gitarristenkollege Franz Wolfgang Gurt schnappt sich spontan eine alte Styroporplatte, zieht eine der Kanten langsam an einem Kellerfenster entlang. Oben, im Regieraum, entsteht ein schauriges wie atmosphärisches Geräusch, irgendwo zwischen singender Säge, verzerrtem Schrei und Fingernägeln entlang einer Schiefertafel. Unten hat der Lärm die gefühlte Lautstärke einer Kreissäge. Trotzdem vermittelt der Klang Gänsehaut, passt in die Intro-Dramaturgie des getragenen, manchmal fast schleppenden Stücks. Produzentin Sylvia Massy springt begeistert auf, fahndet per Talkback nach der Quelle des fremdartigen Geräuschs, beschwört das gelungene Experiment: »Was immer du machst − mach weiter!«

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Sylvia Massy konnten wir auch für die Studioszene gewinnen, auf der sie u.a. einige Workshops zum Thema Recording geben wird. Infos und Anmeldung zur Studioszene findest du hier.

Zurück zum Anfang: Massy, die als Produzentin und/oder Tontechnikern mit Tool, Prince, System Of A Dawn, den Red Hot Chili Peppers, Johnny Cash sowie Tom Petty & The Heartbreakers gearbeitet hat, veranstaltet gerade einen zweitägigen Workshop im Castle Studio Röhrsdorf (s. Studioszene D, S&R 11.2015). Die 14 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und Polen sollen die Produktion eines Songs begleiten, vom Arrangement bis zur fertigen Aufnahme, dazwischen reichlich Experimente. Massy war schon mehrmals im Castle Studio, hat dort kürzlich die Metal-Band Avatar aufgenommen und bereits im Vorjahr einen ähnlichen Workshop abgehalten. Sie ist für zwei Wochen zu Gast, der Workshop findet zwischen zwei Produktionen statt. Massy mag die abgeschiedene Atmosphäre in dem kleinen Schloss auf dem Land, sie schätzt auch die Mikrofonsammlung, darunter alte Neumann- und Microtech-Gefell-Modelle, dazu Rundfunk-Module − etwa die Equalizer von Lawo, Klein + Hummel und Eckmiller oder den Telefunken U73b-Kompressor.

Als musikalisches »Live-Beispiel« dient die Grazer Indie-Noise-Rockband Hella Comet, die stilistisch grob an eine Mischung aus den Pixies, Hole und Sonic Youth erinnert. Die Band hat kürzlich ihr Album Locust Valley veröffentlicht, und für den Workshop wollen sie den Song Midsummer Heat neu einspielen, ein getragener Indie-Rock-Song mit prägnanter Hookline. Die Musik hört Massy − wie bei ihren anderen Produktionen − vor Ort zum ersten Mal, sie will spontan reagieren können. Während der Song − eine intensive, breite, aber nahezu gleichförmige »Klangwand« − über die Geithain-Hauptmonitore läuft, macht sie sich Notizen. Die Struktur will sie beibehalten, allerdings die Dynamikverläufe ändern: laut anfangen, dann leise abfallen, mit Gesang, Piano, dazu Vibrafon-Overdubs und Lo-Fi-Schlagzeug. Im Chorus solle »Noisy Stuff« hinzukommen, die Bridge wieder leise, vor dem letzten Chorus.

Sylvia Massy
Song-Lieferant für den Workshop: Die Grazer Indie-Noise-Truppe Hella Comet — v.l.n.r.: Schlagzeuger Slobodan Kajkut, Sängerin und Bassistin Lea Sonnek sowie die beiden Gitarristen Franz Wolfgang Gurt und Jürgen Hochsam (Bild: M. Piket)

Werkzeuge

Sie zeigt ihre mitgebrachten Sachen für Experimente − darunter ein Fön. Der Einsatz? »Du nimmst ein Lautsprecherkabel, schneidest es in der Mitte auf, und fummelst eine Steckdose an die beiden Enden. Wenn du einen Akkord oder die Note auf einer Gitarre spielst, treibt das Audiosignal den Motor an, das macht einen verrückten Sound! Dazu braucht man einen Transistorverstärker − ein Röhrenverstärker kann mit dem geänderten Lastwiderstand nicht umgehen«, meint Massy. Studiobetreiber Arno Jordan hat das Prinzip ausgereizt − und statt einem Fön einen Plattenspieler angeschlossen. Jordan: »Du kannst jede beliebige Platte triggern und dazu spielen.« Der Gitarrensound wird durch das Schallplattensignal moduliert, für wilde, zerhackte Klänge, irgendwo zwischen Flanger und Noise-Effekten. Mit einer DI-Box greift er das Gitarrensignal nach dem Preamp ab, mischt Gitarren- und Plattenspielersignal.

Unter den Werkzeugen liegt auch ein Teil eines zerschundenen Strat-Korpus’, mit einem Single-Coil-Tonabnehmer und einem Stativadapter. Die Konstruktion dient als Mikrofon. Sie entstammt einer Gitarre, die laut Massy von der Band Skunk Anansie bei einer Session zerstört wurde. Singt jemand nah und laut in den Tonabnehmer, wird dieser angeregt − und überträgt übersteuerte Klänge. Einen sogenannten »Surface Transducer« bzw. Flächenwandler − ein Lautsprecher mit Metallfläche, die Oberflächen mit Schall anregen kann − montiert sie beispielsweise auf Gitarren-Bodys. Das Gitarrensignal wird auf die Instrumentenoberfläche zurückgeführt, ein Feedback-Loop entsteht, was das Sustain erhöhe, so Massy. Einen magnetischen Akustikgitarren-Tonabnehmer verwendet sie, um Gegenstände − etwa einen Karton − in ein abgenommenes Instrument zu verwandeln.

Im Gepäck befindet sich auch ein gelber Telefonhörer: »Den habe ich zu einem Mikrofon umgebaut.« Sie hat die Verdrahtung durch einen XLR-Anschluss ersetzt, dazu in der ursprünglichen Hörmuschel eine 1,5-Volt-Batterie eingebaut: »Dadurch wird das Signal auf Line-Level angehoben. Das Ergebnis klingt wie ein Telefon. Es macht viel mehr Spaß als ein Plug-in zu benutzen!« Zudem ermögliche die »Telefon-Situation« eine andere Performance.

Zu guter Letzt zeigt sie ein weiteres Lautsprecherkabel, in der Mitte aufgeschnitten, das ebenfalls einen Gitarren-Sound durch eine Transistor-Endstufe schicken soll. »Du kannst alles dazwischen hängen.« Das verändert den Widerstand, entsprechend ändere sich der Klang. »Kartoffeln, Würste, Bananen, Äpfel. Die Kartoffeln bringen einen interessanten High-Shelve. Würste sind ziemlich ›flat‹.« Sie hat Käsewürste besorgt, als Abwechslung.

Sylvia Massy
Hella Comet beim Aufnehmen der Basic Tracks von Midsummer Heat (Bild: Nicolay Ketterer)

Gemeinsame Basic-Tracks

Die »Arbeitsgrundlage«: Die Band soll den Song live einspielen, mit Click. Massy: »Wenn alle zusammenspielen, ist die Performance besser − selbst, wenn ich am Ende nur die Drums davon behalte. Die Energie kann ich nicht reproduzieren.« Anschließend werden einzelne Spuren bei Bedarf ersetzt und weitere Overdubs aufgenommen. Massy stellt die Band im Kreis zueinander auf, Sängerin Lea Sonnek steht gegenüber dem Schlagzeug, um beim Live-Gesang mit einem Shure SM-58 Übersprechen zu reduzieren. Die Gitarren werden auf Boxen im anderen Aufnahmeraum umgeleitet, um die Schlagzeugaufnahme nicht zu stören. Der E-Bass wird per DI abgenommen, das Verstärkersignal ebenfalls in einem separaten Raum mikrofoniert.

Am Schlagzeug lässt Massy je ein Shure SM57 am Schlag- und Resonzfell der Snare Drum aufbauen. Am Stand-Tom − das einzige Tom am Set − verwendet sie oben ein Sennheiser MD421, unten ein Electro-Voice ND468. »Das Schlagfell-Mikrofon dient für den Attack, das Resonanzfell-Mikrofon ist für die Fülle.« An der Hi-Hat kommt ein Neumann KM84i zum Einsatz, vor der Bassdrum ein selbstgebauter Subkick-Lautsprecher und ein Sennheiser MD421. Alle Close-Mikrofone zeigen in die gleiche Richtung − etwa im 30- Grad-Winkel zum jeweiligen Fell, Bottom- Mikrofone »spiegelverkehrt« − das reduziere Phasenprobleme, so Massy.

Zwei Neumann CMV-563 dienen als Overheads, in Groß-AB-Aufstellung. Die fehlende »Phantom-Mitte« der Snare stört Massy nicht: »Wenn die Snare auf den Overheads etwas aus dem Zentrum fällt, entspricht das dem Aufbau des Drumkits.« Als Raummikrofone sind zwei Neumann-Gefell UM-57 aufgebaut, rund fünf Meter entfernt, links und rechts im Raum, auf ca. 2,5 m Höhe. Ein Neumann M49 steht rund einen Meter vor der Bassdrum, grob einen halben Meter über den Boden. Das Mikrofon ist zur Seite gedreht, mit eingesteller Acht-Charakteristik. Hinter dem Schlagzeuger befindet sich auf stehender »Kopfhöhe« ein AKG D99C-Kunstkopf. Die Mikrofone gehen über Telefunken V676a- bzw. Tab V376-Preamps.

Gartenschlauch als Drum-Room

Massy setzt auch hier auf experimentelle Signale: Einen Meter vor der Bassdrum steht eine Resonatorgitarre, die in einem offenen Akkord auf den Grundton des Songs gestimmt ist. Der Resonator nimmt die Bassdrum ab, für einen sustain-lastigen »Drone«- Sound. Unter dem Schlagzeug liegt ein Schlauch, Arno Jordan hat ein altes Shure Unidyne 580 an eines der Enden geklebt. Massy: »Den Schlauch habe ich gebastelt, nachdem ich herausfand, dass manche Drummer die Becken viel zu laut spielen. Ich komprimiere den Raum gerne, aber laute Becken machen die Raumsignale teilweise unbrauchbar.« Der Schlauch schaffe Abhilfe. Das Rezept: »Ein dynamisches Mikrofon wie ein SM57 an ein Ende kleben, das andere Ende zukleben und den Schlauch in Schlangenlinien unter das Schlagzeug legen.« Das Mikrofon positioniert sie unter dem Floor-Tom. Als Ergebnis entstehe »der Sound eines Drum-Rooms, nur ohne Becken.« Sie favorisiert rund drei Meter Länge.

Sylvia Massy
Virtuelles Raummikrofon: Ein Gummischlauch, hier mit einem angeklebten Shure-Mikrofon, dient Massy als Raumsignal, allerdings ohne dominante Beckensignale. (Bild: Nicolay Ketterer)

Die Inspiration entstamme dem Cooper Time Cube Delay: »Eine Box mit einem Gartenschlauch, ein Lautsprecher an einem Ende, ein Mikrofon am anderen. Das ist bei Queen, ELO oder John Lennon zu hören.« Massy hatte ihr eigenes Exemplar gebaut, ein Trichter über einem Lautsprecher, auf der anderen Seite des Schlauchs mikrofoniert. »Die Zeit, die der Schall durch den Schlauch braucht, verursacht eine Verzögerung. Über die Schlauchlänge kann ich die Delay-Zeit variieren.« Die Box stand bei Schlagzeugaufnahmen zufällig im Raum am Boden, ihr fiel das Signal auf: »Mein Drum-Kit-Raumklang, ohne die nervigen Becken!«

»Vormischen«

Die Gitarren-Amps werden jeweils mit einem Sennheiser MD421 und einem Shure SM58 mikrofoniert; das Sennheiser dient den Mittenanteilen, das SM58 transportiert für Massy die Höhenanteile bei Verzerrung besser, gerade bei Soli hebt sie das Signal gerne für erhöhtes Durchsetzungsvermögen an. Sie mischt die Mikrofone vorab zusammen, nimmt nur eine Spur auf, damit ein anderer Tontechniker im Mix ihre Vorstellung des Gitarrensounds fertig geliefert bekommt.

Der Bass-Amp wird ebenfalls mit einem Sennheiser MD421 abgenommen, zusätzlich zum E-Bass-DI-Signal. Abseits der Gitarrenabnahme summiert Massy die »doppelten« Snare- und Tom-Mikrofone jeweils zu einem Track. Parallel zu Pro Tools laufen die Spuren auf eine analoge Studer A80-Mehrspurmaschine, für entsprechende Bandsättigung. Am Ausgang der Bandmaschine werden die Signale zusätzlich im Sequenzer aufgenommen. Der entstehende »Latenz-Versatz« wird später im Sequenzer manuell verschoben.

Sylvia Massy
Abgenommene Tasse als scheppernde Saitendämpfung am Piano für Perkussive, Snare-artige Sounds. (Bild: Nicolay Ketterer)

Soundcheck

Die beiden Snare-Mikrofone sind »Out Of Phase«, wie der »papierdünne« Klang ohne Bassanteile zeige, so Massy. Als sie die Phase an einem der Mikrofone dreht − die Wellenform wird ins Gegenteil »gepolt« − wird der Klang fülliger. Sie tauschen das untere Snare-Mikrofon durch ein SM58 mit abgenommenem Korb, das Ergebnis ergänzt sich besser.

Auch bei den beiden Tom-Mikrofonen hilft eine Phasendrehung. Zusätzlich überprüft Massy, ob Overheads und Snare-Signal zueinander in Phase verlaufen − dazu legt sie zur Snare die beiden CMV563-Mikrofone in Mono übereinander. Das Ergebnis klingt mit phasengedrehten Overhead-Signalen passender.

Klangästhetik

Die experimentellen Klänge? Die Resonatorgitarre wird bei jedem Bassdrum-Schlag auf allen Saiten angeregt, die harmonisch komplexe Schwingung vermittelt langen, atmosphärischen Nachklang. Der Schlauch klingt nach einem belegten, leicht nöligen Raum-Sound. Massy bearbeitet ihre Spuren schon beim Aufnehmen so fertig wie möglich, um ihre Vorstellung zu »zementieren« und Entscheidungen nicht auf später zu verlagern. Das Schlauchsignal entwickelt sich durch starke Komprimierung zum aggressiven Raum-Sound, ohne vordergründige Beckenoder Hi-Hat-Anteile. Das Bassdrum-Signal schickt sie durch einen Lawo-Equalizer, will mit den Mitten den Attack betonen, dazu eine Anhebung bei 60 Hz.

Ihre Kompressor-Einstellungen? Ratio hoch, ansonsten »… stelle ich so lange ein, bis sie gut klingen.« Den Empirical Labs Distressor nutzt sie neben Kompression auch für Übersteuerung.

Overdubs

Nach erstem Anhören entscheiden sich die Beteiligten, die Gitarren und Bass-Spuren der Live-Einspielung zu behalte und lediglich den Gesang und zusätzliche Overdubs aufzunehmen. Nachdem Vergleich zwischen Rechner- und Tape-Aufnahme entscheidet sich Massy beim Schlagzeug für die Tape-Version, aufgrund des größeren Bassfundaments. Die Musiker schichten Overdubs auf – Wurlitzer, Rhodes, Vibrafon –, um Melodie-Elemente zu betonen.

Sylvia Massy
Auf XLR umgebauter, per Batterie gespeister Telefonhörer für klassische Telefon-Sounds und passende Performance. (Bild: Nicolay Ketterer)

Mikrofonvergleich

Der zweite Tag startet mit einem Gesangsmikrofonvergleich. Dazu hat Arno Jordan das erwähnte Neumann M49, ein U67 und ein Telefunken U47 beim Berliner Verleih Echoschall angemietet. Ein Workshop-Teilnehmer ist ausgebildeter Sänger, er übernimmt zunächst die männliche Stimme und wiederholt einen Take bei den 18 Testkandidaten.

Die »blinde« Bewertung offenbart überraschende Ergebnisse: Bei der Teststimme gewinnt das Neumann M49, gefolgt vom Soyuz SU-019, dem Peluso 2251 und dem Sontronics Adia. Ein »klassischer« Favorit vieler Teilnehmer – das U47 – landet bei der Quelle weit abgeschlagen im hinteren Feld. Der weibliche Vergleich mit Hella-Comet-Sängerin Lea Sonnek beschränkt sich aus Zeitgründen auf die vier »männlichen« Favoriten, die Teilnehmer entscheiden sich ebenfalls für das M49.

Bei der Gesangsaufnahme gibt Massy Anweisungen, den sogenannten »Smile EQ«: Dadurch klinge das Ergebnis automatisch offener. Für bessere Orientierung bei der Tonhöhe empfiehlt Massy, den Kopfhörer nur halb aufzusetzen. Einzelne Gesangspassagen nimmt sie über ein altes CB-Funk-Mikrofon auf, für entsprechend »trashige« Klangfarben.

Der Workshop nähert sich dem Ende, etwas Zeit bleibt noch für Gitarren-Overdubs. Massy hat zuvor fünf Fuzz-Pedale in eine Gefriertruhe gesteckt – ein Produzent gab ihr den Tipp, dass die »Aufwärmphase« interessante Klangvariationen produziere. Gitarrist Frank Wolfgang Gurt spielt einzelne Spuren ein, probiert auch das »Plattenspieler-Setup« aus. Als Vinyl-Grundlage dient die veröffentlichte Schallplattenversion von Midsummer Heat. Sein Kollege Jürgen Hochsam bearbeitet anschließend den Bösendorfer-Flügel, dämpft die Saiten für Flageolett-Töne ab, die mit dem Haltepedal ausklingen. Zusätzlich schlägt er die Klaviersaiten mit Schlegel und Schlagzeugstöcken an. Am Ende stellt die Band eine Kaffeetasse auf die Saiten, abgenommen mit einem Neumann U87. Durch die Tasse klingt das Piano wie eine aufschlagende Metallkette, ein kurzer, raschelnder Schlag, der die Snare-Betonung unterstützt.

Sylvia Massy
Gitarren-Setup der anderen Art: Studiobetreiber Arno Jordan hat eine Transistor-Endstufe mit dem Motor eines Plattenspielers gekoppelt. Der dreht sich je nach Intensität des Gitarrenspiels und spielt die aufliegende Platte ab. (Bild: Nicolay Ketterer)

Wie die Band die Workshop-Produktion erlebt hat? Sie hätten schon länger mit dem Gedanken gespielt, ein Album mit Sylvia Massy als Produzentin aufzunehmen, erzählt Lea Sonnek später: »Der Workshop war eine gute Gelegenheit, sich näher kennenzulernen und testweise zusammenzuarbeiten. Für uns war die Arbeit mit Sylvia trotz der Workshop-Situation sehr angenehm.« Massy sei sehr einfühlsam, kenne alle Bedürfnisse der Musiker samt ihren Instrumenten und gehe entsprechend darauf ein.

Das war’s

Um 18 Uhr ist Schluss − die Band, die Massy am nächsten Tag produzieren wird, steht bereits vor der Tür. Trotz einiger »Wartephasen« − am meisten ziehen sich Momente, in denen am Sequenzer konfiguriert wird − bot der Workshop interessante Einsichten in den Arbeitsalltag einer professionellen Produzentin. Die Vorführung der Widerstände von rohem Gemüse als Filter- Effekt muss der fortgeschrittenen Zeit weichen. Experimente hat Massy indes ausreichend geboten.

www.sylviamassy.com

www.castle-studio.rocks

hellacomet.bandcamp.com

 

Sylvia Massy

Massy kam ursprünglich als DJ eines College-Radiosenders mit Tontechnik in Berührung: »Dort habe ich gelernt, das Equipment zu benutzen. Mit meiner damaligen Band schlichen wir uns ein, um Songs aufzunehmen. Später bekam ich einen Job als Radioproduzentin in San Francisco, wo ich ebenfalls Bands reinholte und anfing, sie zu produzieren.

Sylvia Massy(Bild: Sylvia Massy)

Schließlich bekam ich einen Job in einem Studio.« Gemeinsam mit dem Metallica-Gitarristen Kirk Hammet produzierte sie Mitte der 1980er Demos der Sea Hags, eine Hardrock-Band. »Die wurden unter Vertrag genommen, nahmen allerdings in L.A. mit einem anderen Produzenten auf. Mir wurde klar, dass ich nach Los Angeles ziehen muss, wenn ich in der Szene Fuß fassen wollte.« Sie arbeitete zunächst beim Plattenhandel Tower Records. »Dort traf ich alle möglichen Leute −Label-Angestellte kauften Platten, jeder im Laden war in einer Band.« Sie traf die Band Green Jelly, deren Drummer bei Tool spielte. »Ich nahm Green Jelly in einer Garage auf einer 8-Spur-Maschine auf. Sie bekamen einen Deal und nahmen mich mit für die ›richtige‹ Platte.« Sie haben im Sound City Studio aufgenommen. »Da der Drummer derselbe war, haben wir die erste Tool-EP gleich mit aufgenommen.« Massy etablierte sich, arbeitete anschließend als Tontechnikerin für Prince und den Produzenten Rick Rubin, bei Letzterem etwa für Johnny Cash, Tom Petty & The Heartbreakers, den Red Hot Chili Peppers oder System Of A Down. Die Produzentin lebt in Oregon, hat sich zu Hause ihr eigenes Mixing-Studio eingerichtet. nach Möglichkeit trennt sie die Arbeit als Produzentin und Tontechnikerin bei Projekten, wegen der unterschiedlichen Anforderungen an Kreativität und Logik. Im Workshop übernehmen Studiobesitzer Arno Jordan und einer der Teilnehmer weite Teile der Tontechnik.

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