Das stille Jubiläum einer Studiolegende

50 Jahre Kompressor-Legende 1176

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Kompressor-Legende 1176
(Bild: Stephan Lembke, Marc Bohn)

Es gibt einige Modellbezeichnungen, welche die Audiobranche als absolute Klassiker geprägt haben. Ziffern wie »1073«, »670« oder »140« gehören ebenso dazu wie der legendäre FET-Kompressor mit der Bezeichnung »1176«. Seit seiner Markteinführung 1967 ist dieser Kompressor und Limiter kaum aus der Sparte der dynamikbearbeitenden Effektgeräte wegzudenken. Heute finden wir den 1176 neben der Originalversion hauptsächlich in verschiedenen Hardware-Ausführungen und vor allem natürlich als Software-Plug-in für die DAW. Doch wie kam es eigentlich zur Entwicklung dieses Klassikers, und welche Besonderheiten stehen hinter dem Mythos 1176? Diesen und weiteren Fragen wollen wir in diesem Special auf den Grund gehen.

Nur wenige Kompressoren haben über die Jahrzehnte einen so guten Ruf in der Tonstudioszene erlangt wie der »1176«. Dieses Modell prägte Generationen von Tonschaffenden, und trotz seines Alters kommt der MonoKompressor auch heute noch in vielen Produktionen zum Einsatz. Allerdings ist seine Bedienung gerade im Plug-in-Zeitalter kaum selbsterklärend. Zudem birgt der 1176 einige Besonderheiten, die ihn zu speziellen Aufgaben in der Dynamikbearbeitung befähigen und ein Klangresultat schaffen, das kaum auf einem anderen Wege zu erreichen ist. Aber gehen wir vor der detaillierten Betrachtung dieses Klassikers zunächst ein wenig in der Geschichte zurück.

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Auf unserer Studioszene (Musikmesse 2018), zeigt präsentiert unser Autor Stephan Lembke Klone und Plug-ins, die auf dem 1176 beruhen. Mehr dazu hier.

Vorgänger

Universal Audio hatte vor der Veröffentlichung des 1176 schon einige Kompressoren im Programm. 1961 veröffentlichte Universal Audio den Vari-Mu-Limiter »175« als eines der ersten kommerziell vermarkteten Produkte des Unternehmens. Das röhrenbasierende Vari-Mu-Design war zu dieser Zeit eine verbreitete Kompressorschaltung. Der Universal Audio 175 hatte im Gegensatz zur klobigen Konkurrenz von RCA und Gates den Vorteil, dass er mit seinen zwei Höheneinheiten im Rack bedeutend weniger Platz brauchte. Dennoch war der Einsatzbereich des 175 aufgrund des festen Kompressionsverhältnisses von 12:1 und den im Inneren des Gehäuses befindlichen Einstellmöglichkeiten der Regelzeiten sehr eingeschränkt.

Mit dem kurz nach der Veröffentlichung des »175« erhältlichen Modell »176« wurden diese Einschränkungen allerdings beseitigt. Hier ließen sich nun Kompressionsverhältnisse von 2:1, 4:1, 8:1 und 12:1 auswählen, und die Regler für die Attack- und Release-Zeit befanden sich auf der Gerätefront. Die Universal Audio Kompressoren/Limiter 175 und 176 sind zwar nicht so bekannt wie ihr Nachfahre, der 1176, doch kommen beide Modelle bis heute in einigen Studios zum Einsatz und werden von vielen Profis hochgeschätzt.

Die Anfänge

Zugegeben, wir sind mit unseren Glückwünschen zum Jubiläum ein wenig spät dran, da das Entwicklungsdatum des 1176 als 20.06. 1967 angeben wird. Alles fing jedoch schon in den frühen 1960er-Jahren an, als viele Hersteller von Audio-Equipment Abschied von der Röhre nahmen und ihre Verstärkungsstufen mit Transistoren ausstatteten. So experimentierte auch der Gründer von Universal Audio, Bill Putnam, mit Transistor-Schaltungen, was in dem »1108«-Preamp-Modul resultierte (angelehnt an seinen frühen Röhrenvorverstärker »108«). Dieser Mikrofonvorverstärker nutzte eine einzige Verstärkungsstufe, die mit einem Feld-Effekt-Transistor (»FET«) aufgebaut war.

Aufgrund seiner extrem schnellen Regelzeiten und einem Kompressionsverhältnis von bis zu 20:1 wird der 1176 nicht nur als »Kompressor«, sondern auch als »Peak Limiter« bezeichnet.
Es müssen nicht immer alle Buttons sein: Der mit 13 Grammys ausgezeichnete Mixing-Engineer Tom Elmhirst (Amy Winehouse, Adele uvm.) nutzt beim 1176 auch eine Kombination der Ratio-Buttons 4:1 und 8:1 — Probieren geht ja bekanntlich über Studieren.

Nach der erfolgreichen Markteinführung des 1108-Transistorverstärkers machte sich Bill Putnam 1966 an die Überarbeitung des Röhrenkompressors Modell 176. Für die Regelung der Kompression und die gesamte Verstärkung kamen nun ausschließlich Feld-Effekt-Transistoren zum Einsatz, und zur Ausgangsverstärkung wurde das Schaltungsdesign des 1108-Mikrofonvorverstärkers genutzt.

Auch bei diesem Transistor-basierenden Design von Putnam wurde eine »1« vor den Modellnamen des Vorgängers gestellt. Damit war der Grundstein für die erste Version des 1176 gelegt, die 1967 als der erste kommerziell erhältliche FET-Kompressor vermarktet wurde. Der Preis des Mono-Kompressors betrug bei seiner Markteinführung 489,– Dollar.

Aufbau und Funktionsweise

Beim 1176 handelt es sich um einen Rotationspunkt-Kompressor, dessen Threshold nicht veränderbar ist. Um diesen zu überschreiten und damit Signalanteile zu komprimieren, wird die Eingangsverstärkung (Input) genutzt. Je stärker ein Signal verstärkt wird, desto mehr Signalanteile liegen über dem fixen Threshold. Da das Signal durch die Kompression im Pegel verändert wird, dient die Ausgangsverstärkung (Output) der Nachregelung und bestimmt den finalen Ausgangspegel.

Das Ein- und Ausschalten der Kompression wird durch die Regelzeiten beeinflusst, die bei einem FET-Kompressor extrem schnell arbeiten können. Dies wird besonders bei der Attack-Zeit deutlich, die selbst bei der längsten Einstellung (800 μs) unter einer Millisekunde liegt. Der Regelbereich bietet in diesem Fall eine Auswahl zwischen »sehr schnell« und »extrem schnell« an. Einen schnelleren Kompressor gab es zur Zeit der Markteinführung des 1176 nicht, und auch in der heutigen Zeit ist kaum ein schnellerer Hardware-Kompressor erhältlich. Bei Plug-ins sieht das jedoch anders aus.

Aufgrund seines »Feedback« Designs, bei dem der Sidechain-Detektor hinter dem eigentlichen Regelelement liegt, weist der 1176 jedoch eine gewisse Programmabhängigkeit auf. Das heißt, dass die Regelzeiten in Bezug auf das jeweilige Eingangssignal etwas variieren und nicht exakt dem Datenblatt entsprechen.

Settings und Tricks

Wenn es um »typische« Einstellungen beim 1176 geht, fällt schnell das Stichwort »Dr. Pepper«. Der amerikanische Softdrink-Hersteller empfahl, das Getränk um »10 o’clock, 2 o’clock and 4 o’clock« zu trinken. Übersetzt auf die Parameter des 1176 heißt dies: Attack auf 10 Uhr, Release auf 14 Uhr und eine Ratio von 4:1. Diese Einstellung wird oft als guter Startpunkt für die Kompression einer Gesangsstimme genannt. Die Kompressionsstärke wird anschließend über den Input-Regler kontrolliert und der Ausgangspegel mit dem Output-Regler eingestellt.

Die bekannteste Einstellung ist wohl der »All Buttons«-Mode, der in der Industrie viele Namen trägt. Ob »Nuke«, »British Mode« oder »Four Button Trick«: Werden alle vier Ratio-Drucktaster gleichzeitig gedrückt, so ändert sich das Verhalten des Kompressors drastisch. Während sich das Kompressionsverhältnis im Bereich von 12:1 bis 20:1 bewegt, verschieben sich die Arbeitspunkte der Kompression, und der Anteil der Verzerrungen steigt deutlich, vor allem im tieffrequenten Bereich. Die Regelzeiten spielen verrückt, und die Programmabhängigkeit rückt stärker in den Vordergrund. Initiale Transienten werden betont und der Ausklang wie bei einer Art Umkehrung aus dem Signal »gesaugt«. Dass dies besonders auf Schlagzeug-Raumaufnahmen für Spaß sorgt, haben viele Aufnahmen der 70er-Jahre bewiesen.

Kompressor-Legende 1176
Den klassischen FET-Kompressor gibt es in vielen Varianten. In diesem Rack zu sehen sind (von oben nach unten) die Stereoversion »UREI 1178«, die Neuauflage »1176LN Reissue« von Universal Audio, der originale »Blackface« Revision F, der erschwingliche WA76 von Warm Audio und der Purple Audio MC77. (Bild: Stephan Lembke, Marc Bohn)

Ein weiterer Trick ist die Nutzung des 1176 zur Klangfärbung eines Signals und als Sättigungswerkzeug. Hierfür wird die Kompression umgangen (Attack-Regler auf Linksanschlag, bis es klickt), und lediglich die Input- und Output-Regler werden verwendet. Aufgrund der hohen Eingangsverstärkung ist es sogar möglich, den 1176 als Mikrofonvorverstärker zu betreiben. Das Mikrofon sollte dafür allerdings schon einen recht hohen Output aufweisen und keine Phantomspeisung benötigen. Dass auf diese Weise kein Hi-Fi-Sound zu erwarten ist, sollte klar sein.

Bluestripe, Black- & Silverface

Unter dem Firmennamen »Universal Audio« wurden die ersten 1176 mit silberner Frontplatte, einem blauen Streifen im Bereich des VU-Meters und einer roten Betriebsleuchte hergestellt. Es handelt sich hierbei um die Revisionen A und AB aus dem Jahr 1967 und die Revision B von 1968. In Anlehnung an ihr Erscheinungsbild werden Geräte dieser Serien als »Bluestripe« bezeichnet. Der Bluestripe ist mit etwas weniger als 1.000 Exemplaren der seltenste Vertreter der 1176-Modellreihen.

Durch Brad Plunkett, den Entwickler des Universal Audio LA-3A-Kompressors, wurde ein »low noise«-Modul in den Signalweg des 1176 integriert. Somit konnte das Eigenrauschen des Kompressors um circa 6 dB reduziert werden. Dieser neue 1176LN (»LN« als Zusatz für »low noise«) wurde zudem mit einer schwarzen Front ausgestattet, was ihm den Spitznamen »Blackface« einbrachte.

Die darauffolgende Revision D baute die Schaltung der Revision C einschließlich des Low-Noise-Moduls auf einer neu designten Platine auf. Statt der roten Betriebsanzeige über dem VU-Meter prangte dort nun der Firmenname UREI (United Recording Electronics Industries), den Bill Putnam seit 1967 anstelle von Universal Audio nutzte.

Der Revision E (1973) wurde ein umschaltbares Netzteil spendiert, sodass die 1176er weltweit ohne Transformer genutzt werden konnten. Da die Revisionen C bis E (rund 1.500 Exemplare) auf dem alten 1176- Design mit zusätzlicher Low-Noise-Schaltung beruhen, gehören sie zu den begehrtesten 1176-Varianten.

Bei Revision F wurde die Ausgangsverstärkung vom 1108-Vorverstärker (Class A) in die Gegentaktschaltung (Class B) des »1109«-Vorverstärkers geändert und der gleiche Ausgangstransformer wie beim LA-3A-Kompressor eingesetzt. Dies erhöhte den Output des 1176. Zusätzlich wurde der Transistor im Schaltkreis des VU-Meters durch einen Operationsverstärker ersetzt. Von der Revision F wurden annähernd 4.500 Geräte gefertigt.

Die darauffolgende Revision G setzte statt des Eingangstransformers auf einen Operationsverstärker und beseitigte die Programmabhängigkeit des Kompressors. Die rund 600 Exemplare der Modellreihe waren die letzten 1176 mit schwarzer Frontplatte.

Bei Revision H wurde zwar ein neues VU-Meter verwendet, doch in erster Linie bezogen sich die Veränderungen gegenüber der Revision G auf kosmetische Anpassungen. So erhielt der neue »Silverface« eine silberfarbene Front (wohl gemerkt ohne den »Bluestripe«) und einen roten »Off«-Schalter. Das Universal-Audio-Branding wurde entfernt und ein neues UREI-Logo auf der rechten Geräteseite angebracht. Dies war die letzte Revision des originalen 1176, bis die Firma Universal Audio im Jahr 2000 die Neuauflage der Revision E veröffentlichte.


Produktdesign aus vergangenen Zeiten: Der Umgang mit dem 1176 ist für heutige Verhältnisse etwas ungewohnt. Wer beispielsweise nach einem Threshold-Parameter sucht, wird beim 1176 nicht fündig, ebenso fehlt ein Bypass-Schalter. Daher sollte man sich wirklich im Detail mit der Bedienung auseinandersetzen, um diesen Kompressor besser zu verstehen.

Der Input-Regler verfügt mit über 45 dB über eine Eingangs - verstärkung mit jeder Menge Reserven (vor allem im digitalen Zeitalter). Durch diese Verstärkung werden Pegelanteile des Signals über den festen Schwellenwert (Threshold) in die Kompression geregelt.
Der durch die Kompression des Signals verlorene Pegel wird mit dem Output-Regler wieder aufgeholt. Somit kontrolliert dieser Parameter den finalen Ausgangspegel des 1176.
Das Ausschaltverhalten der Kompression wird durch den ReleaseParameter kontrolliert. Die Beschriftung des Reglers weist allerdings keine realen Werte, sondern lediglich eine Bezifferung von 1 bis 7 auf. Gewöhnungsbedürftig ist, dass die schnellste Release-Zeit von 50 Millisekunden bei Rechtsanschlag, also der Ziffer 7, eingestellt wird. Die maximale Release-Zeit von 1,1 Sekunden wird bei Linksanschlag (»1«) erreicht. Je kleiner die Ziffer, desto langsamer arbeitet der Kompressor.
Mit dem Attack-Regler wird die Einschaltzeit der Kompression eingestellt. Beim 1176 ist sie im Gegensatz zu anderen Kompressoren jedoch immer extrem schnell und reicht von 20 Mikrosekunden (!) bei Rechtsanschlag bis 0,8 Millisekunden auf Linksanschlag. Dreht man den Regler beim Linksanschlag noch weiter, so wird die Kompression deaktiviert, und Input- und Output-Regler kontrollieren lediglich die FET-Verstärkung.
Mithilfe der vier ineinandergreifenden Drucktaster wird das Kompressionsverhältnis (Ratio) angewählt. Bei der Kompression stehen 4:1 und 8:1 zur Verfügung, während 12:1 und 20:1 in den Bereich des Limitings übergehen. Die verschiedenen Ratios verhalten sich unterschiedlich, weshalb Input- und Output-Regler bei einem Wechsel entsprechend angepasst werden sollten. Mit etwas Übung ist es möglich, mehrere Taster gleichzeitig zu drücken (z. B. »All Button«-Mode), wodurch das Verhalten des 1176 deutlich geändert wird.
Rechts neben dem VU-Meter kann dessen Anzeige umgeschaltet werden: Mit »GR« wird die optische Kontrolle über die tatsächliche Pegelabsenkung (Gain Reduction) ermöglicht. Ist der Druckknopf »+4« oder »+8« aktiviert, zeigt das VU-Meter den Ausgangspegel. »+4« bezieht sich dabei auf das klassische Tonstudio-Metering, während »+8« dem Rundfunkbereich entstammt. Gemeint sind mit den Zahlen die Ausgangspegel in dBm (Dezibel Milliwatt), die jeweils am Ausgang anliegen, wenn das VU-Meter 0 dB anzeigt.
Die kleine Stellschraube zwischen Input- und Output-Regler dient der Kalibrierung des VU-Meters. Um versehentliches Verstellen zu vermeidern, ist dieser Parameter glücklicherweise schwer erreichbar.
Die Originalversion von UREI wird mithilfe eines Trennstegs (»Barrier Strip«) in den Signalweg integriert. Diese konnten bei spä- teren Revisionen jedoch mit dem »Model 301«-Adapter verdeckt werden, der über XLR-Verbindungen verfügte. Und auch an den Stereobetrieb wurde gedacht: Der optional erhältliche Stereoadapter »1176SA« verbindet zwei Mono-Einheiten über die rückseitige Buchse.

Hardware-Nachbauten

Aufgrund seiner Beliebtheit wird der 1176 mittlerweile von einigen Herstellern kopiert oder als Orientierung für einen neuen Kompressor genutzt. Zu den Vorreitern bei den 1176-Hardware-Klonen gehört Andrew Roberts mit seinem Purple Audio MC77. Dessen Vorgänger, der MC76 (»MC« als römische Ziffern für »1100«), wurde im Jahr 1997 als einer der ersten Nachbauten des klassischen Rotationspunkt-Kompressors veröffentlicht. Roberts, der immer wieder die originalen 1176-Kompressoren überholte und reparierte, sorgte bei seinem Klon der Revision E für eine stabilere Konstruktion und integrierte spezielle Ein- und Ausgangs-Transformer. Der MC76 erlangte damit als erster 1176-Klon eine hohe Wertschätzung in der Studioszene und war bis zur erneuten Markteinführung des Universal Audio 1176LN-Reissue die bekannteste Alternative zu einem originalen Vintage Modell. Der Nachfolger des MC76 mit der Bezeichnung MC77 wurde im Funktions – umfang durch einen »True Bypass«, einen Stereolink und einen Sidechain-Insert-Loop erweitert, die direkt auf der Gerätefront schaltbar sind.

Kompressor-Legende 1176
Das blaue UREI-Logo wurde für die Revisionen H verwendet. Die unter der Modellbezeichnung »1178« laufende Stereo – version des 1176 (Rev H) weist das gleiche Logo auf. Auf den roten Ausschalter wurde jedoch verzichtet. (Bild: Stephan Lembke, Marc Bohn)

Als weiterer Meilenstein im Nachbau des 1176 sollte der »WA76« von Warm Audio genannt werden. Dieser 1176-Klon wurde 2014 veröffentlicht und ist ebenso wie die anderen Produkte von Warm Audio im unteren Preissegment angesiedelt. Das Preis/Leistungs-Verhältnis war bei der Markteinführung unschlagbar, was dem WA76 eine weite Verbreitung im Home- und Projektstudiobereich bescherte. Die Beliebtheit des 1176 als DIY-Projekt für den Hobby-Elektrotechniker nahm durch die Veröffentlichung des WA76 rapide ab: Zum Preis eines fertig aufgebauten und professional verarbeiteten WA76 waren selbst die Teile zum eigenen Nachbauversuch kaum zu beschaffen.

Seit dem WA76 wurden in den letzten Jahren viele weitere 1176-Klone in verschiedensten Bauweisen veröffentlicht. Neben Versionen im 500er-Format sind nun auch zahlreiche Modelle mit zusätzlichen Funktionen erhältlich, die sich immer weiter vom eigentlichen 1176-Konzept entfernen.

Plug-in-Emulationen

In der Welt der Plug-ins hat der 1176 schon seit den ersten Emulationen von Hardware-Klassikern einen festen Platz im Programm vieler Entwickler. An erster Stelle ist hier natürlich Universal Audio Digital (UAD) zu nennen, die mittlerweile schon einige Neuauflagen ihres digitalen 1176 herausgebracht haben und mit der »Classic Limiter Collection« seit 2012 eine sehr umfassende Reproduktion der 1176-Historie vornehmen.

Der IK Multimedia »Black 76« aus der T-RackS-Reihe orientiert sich in puncto Parameter ebenfalls recht nah am Original und birgt auch Optionen wie den »All Buttons«- Mode oder das Umgehen der Kompressionsstufe. Ein interessanter Zusatz ist die Möglichkeit, den linken und rechten Kanal im Stereobetrieb getrennt voneinander einzustellen. Zudem kann der Black 76 mit der integrierten MS-Matrix genutzt werden, was eine separate Bearbeitung von Mitten- und Seitensignalen ermöglicht.

Der FET Compressor von Softube aus dem Jahre 2009 bringt viele interessante Neuerungen gegenüber einem klassischen 1176 mit sich, ohne seine Wurzeln zu verleugnen. Alle Features eines 1176 sind vorhanden, doch ist die Bedienung aller Parameter (auch der Ratio) stufenlos. Als Zusatzfunktion ist beim FET Compressor ein Mix-Regler zur parallelen Kompression vorhanden, und der Sidechain-Detektor lässt sich bearbeiten. Neben einfachen Filtern steht hier auch ein »look-ahead«-Delay zur Verfügung, um den Kompressor schneller reagieren zu lassen und dadurch weniger Artefakte zu erzeugen.


Als Plug-in hat der 1176 natürlich ebenfalls einen festen Platz in den virtuellen Racks zahlreicher DAWs gefunden.

Mit der »Classic Limiter Collection« deckt Universal Audio einen Teil der Firmenhistorie in Plug-in-Form ab. Der frühe »Bluestripe« und der »Blackface« sind die Vintage-Klassiker, während der 1176AE ein digitales Abbild der auf 500 Geräte limitierten »Anniversary Edition« ist.
Wie der Name verrät, handelt es sich beim digitalen Klon »Black 76« des italienischen Plug-in-Herstellers IK Multimedia um eine Nachbildung der Revision E, also des 1176LN »Blackface«.
Auf den ersten Blick anders: Der FET Compressor von Softube orientiert sich vom Design her an den Hi-Fi-Klassikern der 80er-Jahre und nicht am Klassiker von Bill Putnam.

Anniversary Edition

Im Jahr 2008 brachte Universal Audio die »Anniversary Edition« unter der Bezeichnung »1176AE« mit einer limitierten Auflage von 500 Geräten auf den Markt. Der aufmerksame Leser wird sich an dieser Stelle die Frage stellen, warum der 1176AE denn 41 Jahre nach seiner Markteinführung mit einer Jubiläums-Edition bedacht wurde. Tatsächlich geht es hier jedoch um das 50-jährige Jubiläum der Gründung von Universal Audio durch Bill Putnam im Jahr 1958. Dass der 1176 als Jubiläums-Exemplar bedacht wird, ist dennoch kein Zufall. Bei der Firmen-Neugründung im Jahre 1999 durch Bill Putnams Söhne Jim und Bill Jr. war der »Universal Audio Reissue 1176LN« das erste Produkt, welches Universal Audio im Jahr 2000 veröffentlichte. Damit wurde zudem das (fast) zehnjährige Bestehen des neuen Unternehmens gefeiert.

Dass nun im Jahr 2017 kein offizielles 50-jähriges Jubiläum des 1176 begangen wird, sollte also kaum verwundern. Wir können jedoch gespannt auf 2018 oder 2019 blicken, wo es ja wieder Grund zum Feiern gibt. Vielleicht mit einer weiteren »Anniversary Edition«?

Der MC77 ist selbst schon zum Studioklassiker aufgestiegen. Der lilafarbene 1176-Klon mit der unverwechselbaren Frontplatte wird in Fachkreisen als der »New York«-Style-1176 bezeichnet.
Originalgetreue Features: Der 1176-Klon von Warm Audio orientiert sich sehr nah an der Revision D. Im Innern des WA76 kommen jedoch Ein- und Ausgangtransformer von Cinemag zum Einsatz.

United Western Recorders

Bill Putnam war einer der erfolgreichsten Tonstudiobetreiber der USA. Er besaß verschiedene Tonstudios in mehreren amerikanischen Städten wie Chicago, New York, San Francisco und Los Angeles. Mit seinem Umzug von Chicago an die amerikanische Westküste nach Hollywood wurde die »United Recording Corporation« gegründet. Durch den Zusammenschluss mit dem benachbarten »Western Studio« wurde das 1961 gegründete »United Western Recorders« eines der erfolgreichsten eigenständigen Tonstudios weltweit. In den 1980er-Jahren wurde der Studiokomplex verkauft und unter dem Namen »Ocean Way Recording« von Allen Sides betrieben. Doch Ocean Way Recording verkleinerte sich und teilte die Räumlichkeiten wieder auf. Heute sind die Studios unter den Namen »United Recording Studios« und »EastWest Studios« (ehemals »Cello Studios«) aktiv.


Bill Putnam

Bill Putnam wird nicht umsonst als der »Vater der modernen Aufnahme« bezeichnet. Milton Tasker »Bill« Putnam gründete mit »Universal Recording« 1947 eines der ersten kommerziellen Aufnahmestudios in Chicago. Außer mit Akustikdesign und der Entwicklung von Audio-Equipment war Putnam als Engineer, Produzent und Songwriter erfolgreich. Größen wie Chuck Berry, Duke Ellington und Frank Sinatra zählten zu seinen Kunden. Er war der erste Toningenieur, der in den USA die künstliche Hall-Erzeugung und die ersten Delay-Lines einsetzte. Für seine wegweisende Arbeit wurde der 1989 verstorbene Bill Putnam im Jahr 2000 posthum mit dem Technical Grammy Award ausgezeichnet.


Brad Plunkett

Als Brad Plunkett 1969 mit seiner Arbeit für UREI begann, hatte er bereits das Wah-Wah-Pedal für die amerikanische Thomas Organ Company entwickelt, der es über den britischen Hersteller VOX verkaufte. Bei UREI war der LA-3A das erste Produkt, das von dem

29-jährigen Elektrotechniker entworfen wurde. Plunkett war als »Director of Engineering« bei UREI ab 1969 für die Entwicklung des 1176 verantwortlich. Er war somit für die Veränderungen ab der Revision C verantwortlich, also ab dem »low noise«-1176LN mit der schwarzen Frontplatte.

 

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ein Kollege sammelt Tontechnik. Er hat sogar einige alte Modelle an das Museum abgegeben. Die haben sich sehr darüber gefreut.

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  2. Danke für den interessanten Beitrag!

    Offtopic: Mir ist das 0,5 HE Lüftungskonzept sehr positiv aufgefallen, aber welche Rackschiene benutzt du? Die marktgängigen schwarzen von z.B. Adam Hall lassen keine 0,5 HE Panäle ohne Lücken zu und die üblichen stufenlosen machen einen unschönen silbernen Rand….

    Würde mich über eine Antwort freuen.
    Liebe Grüße,
    Leon

    Auf diesen Kommentar antworten

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