Guitar, Bass & more

Two Notes Torpedo PI-101 im Test

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Besonders das Oldschool-Setup mit Mikrofon, abgestandener Musikerluft und plumpem Instrumentenlautsprecher ist ein analoges Domizil, welches auch heute nur schwer aus dem ansonsten digital bestimmten Studiobereich wegzudenken ist. Die Firma »Two Notes« hat sich an die Entwicklung einiger schöner Produkte mit dem Namenszusatz »Torpedo« gemacht, welche die Vorteile des klassischen Amp-Mikings mit den Vorteilen der Speaker-Simulation auf hohem klanglichem Niveau vereint.

 

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two-notes-torpedo
(Bild: THOMAS BERG, ARCHIV)

Der für viele immer noch tonangebende Umgang mit Speaker und Mikrofon erfordert nun mal auch Zeit, teure Geräte, verständnisvolle Nachbarn und gute Bandscheiben. Deswegen loten Hersteller und Musiker seit jeher Alternativen aus. Egal ob analog, digital, Algorithmus oder Faltung: Oft muss man Kompromisse bei den Zugriffsmöglichkeiten, der Vielseitigkeit oder beim Klang in Kauf nehmen. Zudem ist das individuelle Spiel samt Sound meist eng mit dem eigenen Setup aus Amp und FX verknüpft. In diesem Fall ist es nicht gerade optimal, sich für Aufnahmen allein auf schnödes digitales Modeling o. Ä. zu verlassen.

Die Hardwareprozessoren von Two Notes gelten bei vielen Gitarristen (noch) als Geheimtipp, was an den nicht gerade niedrigen Preisen dieser Rackgeräte liegen mag. Für das PI-101 haben die Two-Notes-Entwickler all die aus der Hardwarewelt gewonnenen Erfahrungen in ein Plug-in gegossen, das die freie Kombination von Amp, Speaker und Mikrofon erlaubt. Was diese Lösung außerdem so spannend macht, ist nicht nur der moderate Preis, sondern auch die Möglichkeit, eigene Amp/Speaker/Mikrofon-Setups als Impulsantwort in das Plug-in zu integrieren. Der Profiling-Amp fürs VST-Rack also? Sehr spannend!

Torpedo Features

Bei den Torpedo-Produkten wurde nicht allein auf die Paradedisziplin der variablen Mikrofonierung gebaut. Im Wohlfühlpaket ist neben der dafür vorgesehenen Auswahl an begehrten Lautsprecherboxen und Mikrofonen auch eine Endstufen-Instanz samt wichtigen Optionen zuschaltbar. Dieses Extra ist erfreulich, denn oft werden Speaker-Simulationen mit einem Preamp gefüttert, wobei dann ein Endstufensound Not tut. Des Weiteren befinden sich einige nützliche Shaping-Tools wie LoCut, EQ, Exciter und Kompressor mit an Bord. Somit müsste man bei Torpedo eigentlich von einer Poweramp-SpeakerCab-MicMicPreamp-Simulation mit großzügiger PostFX-Sektion sprechen, wenn man den gesamten Funktionsumfang zusammenfassen möchte.

Die seit Dezember letzten Jahres erhältliche Version 2 des Torpedo Plug-ins PI-101 ist in mehreren Ausführungen erhältlich. Die vorherige Version 1 (die nach nur einem halben Jahr abgelöst wurde) wird durch die größte Ausbaustufe mit dem Anhang »WoS« (»Wall of Sound«) ersetzt, und kostet weiterhin 236 Euro. Diese bietet 45 Cabinets und kann später erhältliche Two-Notes-Cabs importieren. Die abgespeckten Varianten »Vintage«, »Modern« und »Bass« kosten je 58 Euro und beschränken sich auf jeweils zwölf ausgesuchte Lautsprecherboxen. Ansonsten haben alle vier Versionen folgende Features:

Mit der kostenlosen und einfach zu bedienenden Zusatzsoftware »Torpedo Capture« kann man sein eigenes Equipment durchmessen und als Impulsantwort abspeichern (siehe Kasten). Prinzip bedingt ermöglichen diese Presets dann jedoch keinen Zugriff auf die Parameter der Mikrofonposition.

Es können beliebige Impulsantworten von Drittanbietern (Wav, Aiff, z. B. von RedWirez) importiert werden, wobei ebenfalls kein Zugriff auf die Mikrofonposition (+ Overload-Parameter) möglich ist.

Neu in V.2: Innerhalb des Plug-ins können bis zu 100 Simulations-Instanzen aufgemacht werden, wobei jede individuell in allen Parametern einzustellen ist, zuzüglich eigenem Volume und Panorama (also Stereo- Processing, ebenfalls neu in V.2). Somit sind Abnahmen mit mehreren Mikrofonen und/oder Amps und Cabs wie im echten Leben möglich, und das, ohne mehrere Plugins aufmachen zu müssen.

Optimaler Input

Um seine Gitarre zum Plug-in zu schicken, gibt es verschiedene Empfehlungen. Am besten ist es, wenn man den Endstufen-Speaker- Ausgang seines fetten Röhren-Amps mit einer Loadbox abgreift. In diesem Fall kann man bis zum Lautsprecherkabel sein gewohntes Setup nutzen, alles danach passiert dann am Rechner.

Zum Einspielen kann man sein Instrument so über den Amp abhören und hat für Aufnahmen ein optimales, latenzfreies »Monitoring«. Eine andere Möglichkeit ist, das Instrument über einen Preamp (als einzelnes Gerät oder am Vollverstärker abgegriffen) direkt in das Interface zu schicken. In diesem Fall kann das Plug-in auch noch den Job der Endstufe übernehmen.

Eine weitere, im Manual nicht explizit erwähnte Variante besteht darin, Gitarre oder Bass direkt in den Hi-Z-Instrumenteneingang einer Soundkarte einzustöpseln. In allen drei Fällen kann man natürlich auch seine sonstigen vorgeschalteten Geräte wie z. B. FX-Stompboxen wie gewohnt benutzen, wobei die Ergebnisse überall gut, wenn auch unterschiedlich sind (vor allem bezüglich Dynamik und Rauschabstand). Hi-Voltage-Röhrenvorstufen bieten auch hier immer noch eine andere Ansprache als eine 9V-Stompbox, andererseits kann eine schlechte Loadbox ebenfalls die Dynamik auffressen. Bevor man sich also ans virtuelle Mikrofonieren macht, lohnt es sich erst einmal, das persönlich beste Input-Signal klar zu machen.

Praxis

Auf meinem Test-iMac war über mehrere Tage nur ein Absturz zu vermelden, ansonsten lief die Software sehr stabil und erstaunlich Ressourcen-schonend. Auch kleine Latenzen (‹ 5 ms) für eventuelles Softmonitoring waren ohne Knackser möglich (mit RME Fireface 400).

Falls man ohne eigene Endstufe einspielt, kann man sich zunächst in der PowerAmp-Sektion austoben. Zur Auswahl stehen die Röhrentypen EL34, EL84, 6L6 und KT88 jeweils in Class-A(Single-Ended)- oder ClassAB-Schaltung. Ebenso markante Unterschiede treten bei der Umschaltung von Pentode zu Triode auf, wobei die Triode erwartungsgemäß weniger Headroom hat und schneller ausbricht (also eher für verzerrte Sounds sorgt). Frequenzanpassungen sind über »Presence« und »Depth« möglich. Der Link-Schalter entscheidet, ob bei Verwendung mehrerer Cabs diese über separate Amps oder einen gemeinsamen laufen, was dann auch den Rechner schonen würde. Als Nächstes darf man sich endlich eine der feinen Lautsprecherboxen aussuchen.

Alle Exemplare der WoS-Edition aufzuzählen wäre zu viel, aber alles, was Rang und Namen hat, findet sich in irgendeiner Form. In den kleineren Versionen sollte man vor dem Kauf gucken, ob einem was fehlt, denn hier kann man wie gesagt nachträglich keine Two-Notes-Cabs dazu laden.

Alle Boxen kann man von vorne und hinten abnehmen. Über den unscheinbaren Overload-Regler kann man die Verzerrungen des Speakers regeln. Als Nächstes darf man sich eines der acht Mikrofone aussuchen, wobei auch hier alles Wichtige abgedeckt ist: SM57, MD421, RE20, Beta52, R121, M160, U87, Dragonfly.

Dann geht’s ans Eingemachte: Über die Parameter »Distance« und »Center« kann man nun die Mikroposition virtuell im Raum bewegen. Die Distanz ist regelbar von 0 bis max. 3 m. Die Center-Position ist abhängig von der Distanz: Beträgt diese Null, dann ist »Center« von der Mitte der Kalotte bis zum Rand des LSs einzustellen. Bei maximaler Distanz ist die Verschiebung des Mikros von Mitte Kalotte bis 1 m seitlich von der Mitte entfernt zu wählen. In der Regel wird man die Drehregler aber gar nicht bemühen und das Mikro direkt mit der Maus im virtuellen Raum bewegen. Dieses Feature macht selbstredend Spaß und erleichtert das Prozedere ungemein.

Ein Mikrofonparameter, der seinen Zweck erst auf den zweiten Blick offenbart, nennt sich »Variphi«. Hier kann man beim Einsatz mehrerer Mikrofone mit der Phase experimentieren, und so durch KammfilterVerschiebungen auf etwas andere Weise den Frequenzgang dezent beeinflussen. Der Dry/Wet-Regler ist gegebenenfalls für Clean-Sounds interessant, dürfte aber meistens auf 100 % Wet sein Dasein fristen.

Zu guter Letzt befindet sich im Paket noch die Post-FX-Sektion. Diese ist ebenfalls auf schnelles »analoges« Arbeiten ausgerichtet und ist übersichtlich und einfach gehalten. Der selbsterklärende LoCut ist gefolgt von einem gut klingenden 5-Band-EQ, welcher je nach »Guitar/Bass«-Stellung seine Frequenzbänder ändert.

Weiter geht es mit einem 2-KnopfExciter, welcher für etwas Präsenz oder »Air« sorgen kann. Etwas gebräuchlicher ist der nachfolgende Kompressor samt Attack und Release, welcher zum Experimentieren mit Dynamik und Hüllkurve einlädt. Und zu guter Letzt noch ein gern gesehener Praxis-Assistent: Mit der Compare-Funktion kann man abgespeicherte Setups mit aktuellen Veränderungen auf die Schnelle vergleichen.

Sound

Ich muss leider mit den »Issues« anfangen, damit man mir die Pros abnimmt: Was beim ersten Hören die hohen Erwartungen leicht dämpft ist, dass die variable Mikrofonierung nicht ganz der Realität entspricht, sondern anscheinend etwas geschönt wurde. So fällt auf, dass die Mikrofonbewegungen nicht so stark zu Buche schlagen, wie sie sollten, und auch der Nahbesprechungseffekt nicht sehr authentisch wiedergegeben wird. Okay, das ist Meckern auf hohem Niveau, dies sollte man aber wissen, bevor man sich erhofft, hier eine hundertprozentige Abbildung der Realität kaufen zu können.

Allerdings kann ich nur raten, die Klangeinstellungen vor allem »mit den Ohren« zu machen − bekanntlich »hört« das Auge beim Arbeiten mit Plug-ins gerne mit −, denn nach etwas Herumspielen erkennt schnell das Potenzial dieses Plug-ins. Besonders die liebevoll hergerichteten Cabinet-Interpretationen wachsen einem schnell ans Herz und lassen manche Konkurrenzprodukte ganz schön alt aussehen. So ist z. B. ein Fender Bassman Piggy Back mit U87 abgenommen eine Wucht − sch…egal, wie das originale Setup im AB-Vergleich klingt. Auch Ansprache und Dynamik sind sehr gelungen und lassen glaubhaftes Amp-Feeling aufkommen.

Mit etwas Experimentierfreude kann man hier sehr amtliche Sounds abrufen, welche vor allem durch den authentischen Eindruck von Luft zwischen Speaker und Mikrofon vermittelt werden. Will sagen: Einem sterilen D.I.-Ton kann man durch die Summe der »unvollkommenen« Elemente Endstufe, Box, Speaker, Luft und Mikro realistisches Leben einhauchen (wenn auch mit leicht anderen Parameterwerten als im echten Raum). Das einfache Handling führt einen angenehm durch die nicht wenigen Optionen, wobei besonders die MultiCab/Mic-Neuerung eine große Spielwiese für den Herrn bzw. die Dame darstellt.

Torpedo Capture in der Praxis

Mit dem kostenlosen Programm »Torpedo Capture« kann man die eigene Box samt Mikro in einem »Snapshot« speichern, um sie dann in den Torpedo-Produkten in eingefrorener Form zu nutzen. Der Vorteil liegt auf der Hand: »Echte« Mikrofonierung bietet immer noch die meisten Variablen, welche in sorgfältiger Handarbeit nach Belieben und in Ruhe ausgelotet werden können. Wie aufwendig aber ist das Capturing, und wie klingt das Ergebnis im Vergleich zum Original? Um das herauszufinden, habe ich in einem kleinen AB-Vergleich normale Mikrofon-Aufnahmen gegen »torpedierte« Gitarrensignale antreten lassen − und bin zu interessanten und schon verblüffenden Ergebnissen gekommen. Für meinen A/B-Vergleich ging es mir um die Wirkung der Speaker/Mic-Kombination, diese sollten in der Impulsantwort verewigt werden, nicht der Amp. Also habe ich für die Aufzeichnung der Impulsantwort zunächst den Testton von Capture über eine neutrale PA-Endstufe an die 4x12er Marshall-Box geleitet. Dann habe ich bei unveränderter Mikrofonposition die Gitarre folgendermaßen aufgenommen: Gitarre -› Verzerrer -› Gitarrenverstärker -› Weber-Mini-Mass-Loadbox(Bypass) -› 4×12″-Box -› Mikros.

Dabei habe ich das Gitarrensignal zusätzlich mit dem Line-Out des auf Durchzug gestellten Weber Power-Attenuators aufgenommen. Dieses Signal soll nun im Sequenzer mit Torpedo samt eigener Captures gegen die richtigen Mikrofonsignale antreten.

Nach ein paar technischen Problemen und reger E-Mail-Korrespondenz mit Chefentwickler Guillame Pille liegt mir nun seit Anfang März eine brandaktuelle Version des Torpedo Capture vor, bei welcher ich im A/B-Hörvergleich Original und Plagiat nicht mehr auseinanderhalten könnte. Dreht man die samplegenau synchron angelegten Torpedo-Gitarren in der Phase, kommt man bei Summierung mit dem Original je nach Mikrofon auf eine Auslöschung von 15 − 22 dB. Das unterstreicht den beeindruckenden Höreindruck, zeigt aber auch, dass die Signale noch lange nicht identisch sind. Das erklärt sich einerseits durch die unterschiedlichen und fehlbaren Komponenten im Signalweg (vor allem die Differenz von Loadbox-Speaker- zum Line-Signal, aber auch die hier verwendete PA-Endstufe fürs Capture), andererseits durch die besagten Verzerrungen der realen, nicht eingefrorenen Lautsprecher. Dafür kann man dank Overload-Pot allerdings neue, realistische Übersteuerung herbeiführen. Zum Test der dynamischen Ansprache habe ich noch eine kurze Passage mit dem SM58 aufgenommen, bei der in der ersten Hälfte das Volume-Poti der Gitarre weit zurückgedreht ist und dann lauter wird. Auch hier gibt das Capture die Dynamik analog zum Original wieder.

Zuletzt habe ich noch einen Mix der drei Mikrofone verglichen. Dabei muss man beachten, dass beim Capturing alles vor dem Nutzsignal abgeschnitten wird. Somit sind die bei Torpedo zusammengemischten Signale automatisch phasensynchron. Für diesen Vergleich musste ich also die drei richtigen Mikros ebenfalls zeitlich auf eine Ebene bringen. Alternativ kann man auch mit dem Variphi- Parameter die Phasen der Captures verschieben, um die Kammfiltereffekte richtiger MultiMikro Aufnahmen zu bekommen.

Auch wenn die Cabinet-Vielfalt und die flexible Mikrofonierung von Torpedo auf den ersten Blick spektakulärer sind, finde ich die realistische Erstellung eigener Captures fast noch interessanter. Ob es nun für die heimische Soundbibliothek ist oder um den Studiosound fast 1:1 auf die Bühne zu bringen: Die kleine Zusatzsoftware hat es in sich und sollte ausprobiert werden!

Fazit

Torpedo ist auch als Plug-in eine professionell brauchbare Alternative zum analogen Miking. Die freie Platzwahl fürs Mikrofon sucht auf dem Markt Ihresgleichen, und durch den User-Mode mit Eigen- und Drittanbieter-IRs ist das Potenzial der Software quasi unbegrenzt. Wenn man sich step-by-step einen eigenen, auf sein persönliches InputSignal optimierten Sound zusammendreht, wird man mit Sicherheit einen hohen Mehrwert für seine Arbeit verzeichnen. Die drei abgespeckten Versionen sind für ihren Funktionsumfang fast geschenkt, zumal man im Alltag ja auch meistens auch mit 12 Cabs auskommt …

Nicht vergessen darf man bei aller Begeisterung, dass die Qualität des vorgeschalteten Preamps, der hier nicht enthalten ist, entscheidend die Güte des Gesamtsignals bestimmt − je besser der Preamp, desto besser der Sound, logisch.

Noch nicht Überzeugte sollten sich zumindest die »Torpedo PI-Free« Version runterladen, welche auf eine EL34-Endstufe, Marshall 4×12-Cab und Shure SM57 (was braucht man mehr?) beschränkt, aber im Gegenzug umsonst ist. Wer schon ein iLok2 hat, kann auch eine 15-Tage-Demo der WoS-Vollversion testen. Übrigens: Das Plug-in ist ausdrücklich auch als Nachbräuner für Synths, Orgeln, Digitalpianos usw. höchst interessant …

Hersteller/Vertrieb: Two Notes Audio Engineering / HL Audio

UvP: WoS: 236,− Euro, Vintage, Modern und Bass: je 58,− Euro, Free: kostenlos

www.hlaudio.de

+++ natürlicher, lebendiger Klang

+++ Dynamik

+++ Cab-Nachbildungen

+++ Torpedo Capture

−−− Mikrofonverhalten nicht hundertprozentig authentisch

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