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Toontrack EZbass – Virtual E-Bass Songwriting Tool im Test

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Braucht es wirklich noch eine neue E-Bass-Sample-Library? Nö! Aus diesem Grund haben die Entwickler von Toontrack für ihr neustes Softwareprodukt aus der EZ-Serie auch nicht nur zwei multigesampelte Instrumente, sondern darüber hinaus noch ein vollwertiges und umfangreiches Songwriting-Werkzeug-Set zusammen mit einem außergewöhnlichen Gesamtkonzept mit ins Paket gepackt. Willkommen im EZbass-Land!

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Mittlerweile stoßen virtuelle Instrumente in Dimensionen vor, die vor ein paar Jahren noch als reinstes Science Fiction gehandelt wurden. Dennoch haftet Sample-Libraries bis heute der Makel an, dass Frau oder Mann für die perfekte Illusion eines artikuliert gespielten Naturinstruments auf ausgefeiltester Multisample-Basis immer noch jede Menge an zeitaufwändigster Handarbeit anlegen muss, damit das letztliche Ergebnis überzeugt. Mit dem Ziel das Verhältnis von Editing und Musikmachen zugunsten des letzteren zu verschieben, wurde in der in Schwedens nördlichstem Landesteil Norrland beheimateten Stadt Umeå über die letzten Jahre einige Entwicklungszeit in ein neues Projekt gesteckt. Herausgekommen ist ein typisches Toontrack-Produkt, dass sich nicht schämt im Zeichen eines neu gedachten Workflowkonzepts Erwartungen einfach mal souverän zu übertreffen.

Die Editor-Ansicht des Audio Trackers inklusive Darstellung des eingelesenen Harmonischen Grundgerüsts des Audio-File

Zwei dickdrahtige Freunde

Die Teamverstärkung für die bereits etablierten Kollegen EZdrummer und EZkeys basiert zunächst einmal auf zwei charakterlich grundverschiednenen E-Bass-Modellen. Neben einer obligatorischen Jazzbass-Variante in Form einer „Vintage“ gelabelten und ebenso unverkennbar durch ein entsprechend abgerocktes Instrument in Olympic White visualisierten Library, findet sich noch eine als „Modern“ bezeichnete Sample-Version eines weiteren Fünfsaiters aus dem Hause Alembic. Dieses ausgesprochen vielseitig und nuanciert abgenommene Tiefton-Instrumentarium deckt tatsächlich bereits eine umfangreiche Palette der in der Praxis relevanten E-Bass-Sounds perfekt ab. Neben den enthaltenen Spielarten Finger, Plektrum und Slapping runden zudem alle nur erdenklichen Artikulationen wie Tapping, Alternate Picking, Flageolet, Ghost Slaps und Slides das Paket vorbildlich ab. Würde die Setupliste hier enden, hielte man schon jetzt ein knapp 3 GB großes Softwareinstrument der absoluten Spitzenklasse in Händen. Doch warum hier stoppen?

Spieltechniken lassen sich ebenso wie Velocity, Dynamik und Randomizer für jedes Event individuell setzen.

Songwriting Multi-Tool

EZbass verfolgt erfreulicherweise noch eine weitaus umfangreichere Agenda. Die Applikation, die sich sowohl standalone als auch mittels VST/AU-Schnittstelle in jeder DAW als Plug-in verwenden lässt, ist bei genauerer Betrachtung nämlich eher als vollwertiger Bassline- und Groove-Designer zu bezeichnen. Wählt man in einem leeren Fenster die Add-Groove-Funktion, lässt sich mit nur einem Klick ein achttaktiger Bass-Track erstellen der sich mit wenigen Handgriffen über die Zuweisung individueller Akkorde (Doppelklick auf Taktabschnitt) an einen vorhandenen oder im Entstehen befindlichen Song innerhalb der DAW anpassen lässt. Auch wenn man auf diese Weise bereits eine tighte Bassline für seinen Track erhält, macht so etwas natürlich erst so richtig Spaß, wenn man dem Ganzen die E-Bass-typischen Übergänge, Slides und melodischen Zwischentöne hinzufügt. Und genau dies wird nicht zuletzt durch den Einsatz des mitgelieferten Grid-Editors in Kombination mit einer Auswahl an stilechten Transitions zum reinsten Kinderspiel. Übergänge lassen sich von einem Akkord zum nächsten einfügen oder aber auch im Detail durch das markieren benachbarter Töne innerhalb eines Abschnitts im Editor. Ein simpler aber extrem anspruchsvoll klingender Basstrack ist auf diese Weise tatsächlich bereits in wenigen Minuten umsetzbar. Aber auch die musikalische Komplexität der Bassline lässt sich mittels der integrierten und handeingespielten MIDI-Grooves noch weiter verfeinern und einem Song so durch eine geänderte Phrasierung auf einfache Art zu mehr Ausdruck verhelfen. Mittels Tap2Find-Funktion lässt sich zudem durch einfache Rhythmus-Eingabe via Trackpad oder eine über MIDI eingespielte Melodie das am besten passende Besteck aus der mitgelieferten Groovesammlung fischen.

Diverse Spieltechniken sind im Angebot.

Kurz vor Magie

Wen es nach komplexeren Rhythmen und Bass-Styles verlangt, erhält über die Menüs Drums & Keys sowie den integrierten Audio Tracker Zugang zu zusätzlichen Features die teilweise fast ein wenig an Zauberei grenzen. Während der Import eines MIDI-File mit entsprechenden Keyboard-Harmonien und Grooves oder einem Drum-Track als Basis für eine passende sowie auto-generierte Bassline noch einigermaßen nachvollziehbar erscheint, bleibt einem bei den Ergebnissen die der Audio Tracker liefert wirklich der Mund offen stehen. Während des Tests habe ich den Audio-zu-MIDI-Converter neben den angedachten Kombis aus Gitarren-, Bassvorlage oder Rhythmus (je Transienten-reicher desto besser) auch mal bewusst mit relativ komplexen Audiofiles ganzer Songs gestresst. Auch in diesem Fall waren die durch die zugrundeliegende Algorithmik kreierten Ergebnisse wirklich bemerkenswert.

„…was klanglich aus dieser Software herauskommt, besitzt im Vergleich zu anderen weit verbreiteten Alternativen einen nahezu nicht mehr zu toppenden Grad an Authentizität.“

Lediglich bei tonal anspruchsvollen Vorlagen wie schnellen Modernjazz-Passagen und vielschichtigen sololastigen Tracks scheint die KI aktuell nicht mehr hinterher zu kommen (oder anders herum gesagt stünde die anschließende Bearbeitung des Outputmaterials wahrscheinlich in keinem Verhältnis mehr zur versprochenen Zeitersparnis). Dies ist aber natürlich auch alles andere als ihr Job. Interessant ist allerdings, dass selbst krudeste Ergebnisse immer noch den Eindruck vermitteln, als würden sie von einem versierten aber scheinbar komplett durchgeknallten Bassisten umgesetzt. Dies gibt aber umgekehrt auch einen Hinweis auf die Hauptstärke des EZbass. Denn was klanglich aus dieser Software herauskommt, besitzt im Vergleich zu anderen weit verbreiteten Alternativen einen nahezu nicht mehr zu toppenden Grad an Authentizität. Hinzu kommen noch ausgezeichnete Bass-Amp-Presets die neben Zerre, EQ und Multieffekten auch eine Fretless-Simulation bereithalten.

EZbass kommt mit einer reichhaltigen Auswahl an individuell eingespielten MIDI-Grooves die sich auf den eigenen Track anwenden lassen.

Die DAW in der DAW

Für die Bearbeitung des eigenen Bass-Tracks stellt EZbass in der Praxis tatsächlich so ziemlich alles zur Verfügung, was man von einer professionellen Editor-Umgebung erwarten kann. Angefangen beim selbsterklärenden Grid-Editor, dessen Konzept und Bedienung so ziemlich jedem seit grauster Atari-ST-Vorzeit bekannt sein dürfte, bis hin zur Wellenform-Darstellung innerhalb des getrackten Audiomaterials, in welcher sich ebenso hervorragend arbeiten lässt. Intuitives Arbeiten ist tatsächlich eine der maßgeblichsten Handschriften, welche sich nun schon seit Jahren quer durch alle und in besonderer Form durch die EZ-Line-Produkte aus Toontracks Entwicklungsschmiede zieht. Mit ein wenig Grundwissen im Bassspiel lassen sich innerhalb der EZbass-Umgebung wirklich exquisite Ergebnisse erzielen, die sich perfekt auf die eigenen Bedürfnisse zuschneiden lassen. Betreibt man das Programm als Plug-in erhält man grundlegend eine vollwertige (Vor-)Produktions-Umgebung innerhalb der eigenen DAW. Ein Konzept das vielleicht vielen erst einmal unnötig erscheinen dürfte, aber in der Praxis vorbildlich aufgeht und schnell überzeugt.

Conclusio Toontrack ist mit der Vorstellung von EZbass ein wirklich phänomenaler Wurf gelungen, welcher einmal mehr die Qualitätsansprüche der schwedischen Softwaremanufaktur weiter untermauert. Schneller und überzeugender als mit diesem Tool lässt sich eine Bassline heutzutage schon fast nicht mehr umsetzen. Da kann man auf dem Weg ins Studio schon mal glatt den Bassisten an der Raststätte vergessen. Nein im Ernst: Seit nett zu euren Bassisten! Es sind auch nur Menschen! Trotz allem ist es schön für den Ernstfall einen Freund der dicken Saiten zu kennen, der nicht nur immer Zeit hat, sondern darüber hinaus auch noch so gut wie keinen Schlaf braucht…

Beispielsounds:

Articulation Medley – Modern – Finger (DI)

Articulation Medley – Modern – Picked (DI)

Articulation Medley – Vintage – Finger (DI)

Articulation Medley – Vintage – Picked (DI)

Hersteller/Vertrieb: Toontrack

Internet: www.toontrack.com

Preis: 155,– Euro

Unsere Meinung:

+  Überragender Sound

+  Performante Technologie mit leistungsfähigen Analysealgorithmen

+  Einfache Bedienbarkeit

+  Preis

Mehr Infos findest du unter: www.toontrack.com/meet-your-new-bass-player

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Faszinierend, was man heutzutage alles mit SW machen kann. Ich bin old scool und spiele es lieber “handwerklich” ein, statt tausend Klicks zu machen:-) Es in echt einzuspielen ist auch ein Erlebnis mit dem und im Körper. Ist ähnlich wie nackte Mädels anschauen. Schön ja, aber berühren und fühlen ist dennoch anders – unvergleichbar beglückender;-)

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    1. … oder eben Männer … 😀
      Gruß aus der Redaktion

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  2. Das einzige was mich stört am Produkt sind die fehlenden Akkordoptionen und Septimen sowie fehlde möglichkeit verminderte oder Übermäßige Akkorde einzustellen. … hoffe da kommt ein update. . . Oder habt ihr rausgefunden wie das geht?

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    1. Vor allem in Hinblick auf die umfassenden Editor-Optionen, halte die „Reduktion“ auf die Grundakkorde in einem Produkt wie EZbass für ausgesprochen sinnvoll. Komplexere Akkorde erfordern bei der Bassline-Interpretation deutlich mehr Ressourcen und noch komplexere Algorithmen. Mit jeder hinzukommenden Information (Ton) steigt zudem auch der Interpretationsspielraum, welchen die KI im Sinne des Nutzers auszufüllen und zu bewältigen hat. Zudem: frag 10 Bassisten wie sie am liebsten einen G7/9/13 in ihre Line legen und du wirst 10 völlig verschiedene Antworten bekommen – selbst wenn die Mädels und Jungs auf dem gleichen stilistischen Spielplatz unterwegs sein sollten. Ich denke, dass die super zu bedienenden Editor-Features eine weitaus bessere Lösung darstellen als sich noch einmal durch tausend Interpretationsvarianten zu klicken – das würde dann nämlich am Ende alles andere als EZ!
      Mit Gruß von René Marx

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