Dynamisches Studiomikrofon

Das Shure SM7B im Test

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Dynamische Studiomikros gehören zu den stillen Helden. Alle reden von Großmembran-Kondensatormikrofonen, dabei wurden die Lead-Vocals vieler Top-Produktionen mit dem Shure SM7B aufgenommen!

sm7b-aufmacher

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Das Shure SM7B als ewigen Geheimtipp zu titulieren, ginge an der Realität vorbei: Gerade in amerikanischen Studios gehört es zur absoluten Standardausstattung, und zwar quer durch alle Genres von Country über Rock bis HipHop und Spoken Word. Dass es in Europa nie dieselbe Popularität erlebt hat, mag an der Preispolitik gelegen haben: Es wurde hierzulande deutlich teurer angeboten als im Shure-Mutterland USA. Bisher! Denn vor Kurzem hat Shure Deutschland den Preis drastisch gesenkt. Mit einem Straßenpreis von ca. 430 Euro gehört das Shure SM7B nun zu den günstigsten Studiostandards überhaupt.

Legendär

Kann man über das SM7B schreiben, ohne auf Michael Jackson sprechen zu kommen? Unmöglich! Von allen seinen Mikrofonen wählte der legendäre Toningenieur Bruce Swedien zielsicher – und der Mann besitzt eine ausgedehnte Sammlung – das SM7 aus, um die Lead-Vocals für Jacksons Megaseller Thriller aufzunehmen. Vom heutigen SM7B unterscheitet sich das originale SM7 übrigens nur in der verbesserten Brummunterdrückung. Eigentlich ist das Shure SM7B nämlich ein Broadcast-Mikrofon für Radiosprecher, und in solchen Umgebungen stehen häufig einstreufreudige Bildschirme. Anders als die großen Sendeanstalten hierzulande bevorzugen die unzähligen, oft winzigen amerikanischen Radiostationen bis heute meist Tauchspulmikros, sind diese doch sowohl in der Anschaffung als auch im Service kostengünstiger als die schmutz- und feuchtigkeitsempfindlichen Kondensatormikros. Das hat dem SM7 manche Film- und TV-Rolle eingebracht, etwa in der Kultserie Ausgerechnet Alaska (Northern Exposure) als Sprechermikro von „Chris in the Morning“.

>> Vocal-Recording: Mixtipps <<

Ähnlich wie sein Pendant RE-20 von Electro-Voice wurde das SM7 aber immer auch für die Musikproduktion zweckentfremdet. Besonders häufige Verwendung findet es seit jeher als Gesangsmikrofon für Rock-Shouter wie James Hetfield von Metallica, aber auch Bono von U2 und Anthony Kiedis von den Red Hot Chili Peppers zählen zu den prominenten Usern. Daneben findet es zudem auch als Allround-Instrumentenmikrofon Verwendung.


Mikrofon-Empfehlungen für’s Homerecording

In dieser Episode stellen wir euch unsere Mikrofon-Empfehlungen für euer Homestudio vor. 

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Konzept & Konstruktion

Seine Herkunft als Sprechermikrofon sieht man dem SM7B auf Anhieb an: Die Gabelaufhängung mit dem integriertem XLR-Anschluss ist für Kopfüber-Montage an einem radiotypischen Schwenkarm konstruiert. Für den Einsatz am normalen Mikrofonständer sollte man, wie im Manual beschrieben, das Mikro aus der Halterung nehmen und umgedreht wieder einbauen, sodass die Ausgangsbuchse auf der Rückseite des Stativgewindes zu liegen kommt.

Mit seiner beinahe zylindrischen Form strahlt das SM7B eine schlichte Eleganz aus. Anders als ein typisches Großmembran-Kondensatormikrofon wird dieses dynamische Studiomikro nicht von der Seite, sondern von vorn besprochen. Die Front wird von einem dünnen Schaumstoff-Poppschutz geschützt; ein dickerer Schaumstoff-Windschutz befindet sich im Lieferumfang, ist aber in den seltensten Fällen wirklich vonnöten. Shure empfiehlt den zusätzlichen Windschutz auch als Klangalternative für besonders grelle Stimmen.

Nimmt man den Poppschutz ab, offenbart sich sogleich die ebenso einfache wie clevere Konstruktion. Die Kapsel befindet sich nämlich nicht ganz vorn, sondern um etwa fünf Zentimeter nach innen versetzt in einem offenporigen Käfig aus Lochmetall. Somit wird der Sänger/Sprecher zum Abstandhalten gezwungen; man kann der Kapsel gar nicht so nahe kommen wie der eines SM57 oder SM58. Und wie jeder Mikrofonkenner weiß: Etwas Lippenabstand ist Grundvoraussetzung für einen überzeugenden Stimmklang mit guter Balance und klaren, unverzerrten Konsonanten. Stichwort SM57: Entgegen anders lautenden Gerüchten ist die Kapsel bzw. Cartridge des SM7B nicht identisch mit der des SM57. Obwohl gewisse konstruktive Ähnlichkeiten vorhanden sind, gibt es eine Reihe von Unterschieden, so arbeitet die SM7B-Cartridge mit einer etwas höheren Impedanz und ohne den für die charakteristischen, leicht nasalen SM57-Mitten mitverantwortlichen Step-up-Ausgangsübertrager.

SM7B_Kapsel
Clever: Fünf Zentimeter Lippenabstand sind beim Shure SM7B bereits fest eingebaut.

>> Vocal Recording Special: Perfekte Vocals <<

Auf seiner Rückseite bietet das Shure SM7B zwei nur mittels eines Schraubenziehers zu betätigende Schalter, mit denen sich die Bässe und Hochmitten auf den Besprechungsabstand bzw. die Stimmfarbe abstimmen lassen. Dazu bedient sich das SM7B einer passiven Filterschaltung aus Hochpass und Glockenfilter – Letzteres hat seine Einsatzfrequenz genau dort, wo die Tauchspulkapsel ihre Resonanzfrequenz aufweist. Aktiviert man das Glockenfilter (Stellung „Flat“) entsteht durch Kompensation der Shure-typischen Präsenzanhebung ein annähernd linearer Frequenzgang. Simpel, aber wirksam!

SM7B_Schaltung
Über eine passive Filterschaltung lässt sich Einfluss auf die Basswiedergabe und die Präsenzen nehmen.

Praxis

Das SM7B ist mit seiner Empfindlichkeit von nur 1,12 mV/Pa ein sehr „leises“ Mikrofon und erfordert einen hochwertigen Mikrofonvorverstärker, der auch in hohen Gain-Einstellungen noch gut klingt und rauscharm arbeitet. Für Sprache oder mittellaute Sänger sind knapp 60 dB Verstärkung vonnöten. Seine wahre Stärke sind aber ohnehin eher laute Stimmen. Überhaupt ist das SM7B eher ein „Männermikro“; butterweich hingehauchte Crooner-Vocals oder sexy Frauenstimmen sind nicht sein wahres Element.

Mit seinem geschickt implementierten Zwangs-Lippenabstand ist das SM7B die ideale Besetzung für notorische „Mikrofonfresser“. Sehr überzeugend ist auch der dünne Schaumstoff-Poppschutz, der nicht nur überaus effektiv Plosivlaute entschärft, sondern überdies mit seiner weichen Oberfläche Verletzungen vorbeugt und auch bei Lippenberührung kaum Geräusche von sich gibt. Damit ist das SM7B eine ausgezeichnete Wahl für Rock-Shouter, die mit diesem Mikro im Studio ähnlich energetisch agieren können wie mit ihrem gewohnten Bühnenmikro. Das macht das dieses dynamische Studiomikro zum beinahe unverzichtbaren Problemlöser für das ansonsten nicht immer glücklich verlaufende Zusammentreffen „Rampensau meets Recording Studio“.

Klanglich liegt das SM7B etwa auf halbem Weg zwischen einem guten Tauchspulmikofon für die Bühne und einem Großmembran-Kondensatormikro. Es besitzt deutlich vollere Bässe als etwa ein Shure SM58, die Mitten wirken weniger nasal und die Höhen etwas feiner. Insgesamt macht das SM7B einen erwachseneren und gediegeneren Eindruck als seine günstigeren Verwandten SM57 und SM58. Und doch bleibt dieser gewisse Shure-Faktor, jene Festigkeit und Durchsetzungskraft in den Mitten und Präsenzen, die Großmembran-Kondensatormikros oft vermissen lassen. Kurzum, das SM7B hat mehr Rock’n’Roll und Schmiss als die meisten Studiomikros. Genau das werden auch Rapper am SM7B zu schätzen wissen. Das Teil knallt! Zudem ist es wenig zischel-anfällig. Für etwas muffige Stimmen empfiehlt es sich, den Poppschutz abzunehmen; selbst mit der nackten Kapsel, nur durch ihren Metallkäfig geschützt, bleibt das SM7B relativ unempfindlich für Popplaute.

Durch seine angenehmen Handling-Eigenschaften, aber auch, weil es recht wenig Raumklang einfängt, ist es zudem ein sehr gutes Mikro für Homerecording in akustisch suboptimaler Umgebung. Daneben wird es in vielen Studios für live-ähnliche Setups eingesetzt, wenn Gesang und Instrumente gemeinsam aufgenommen werden. Weil das SM7B so gut mit minimalen Lippenabständen zurechtkommt, kann man auch unter solch schwierigen Bedingungen eine recht saubere Gesangsspur aufzeichnen.

>> Recording damals uns heute: Top-Engineers erinnern sich <<

Die beiden Klangfilter erweisen sich in der Praxis als sehr nützlich. Die gut dimensionierte Bassabsenkung hilft, zum Dröhnen neigende Stimmen in den Griff zu bekommen. Im „Bright“-Setting sorgt die natürliche Präsenzanhebung der Kapsel für Durchsetzungskraft; Tendenziell harte Stimmen entschärft das Präsenzfilter im „Flat“-Setting. Im Zweifelsfall sollte man eher Letzteres wählen, denn der durch das abgestimmte Passivfilter begradigte Frequenzgang lässt sich in der Nachbearbeitung besser mittels EQ formen.

Ansonsten eignet sich das SM7B auch für allerlei Instrumente. Delikat gezupfte Nylonsaitengitarren sind dabei weniger sein Metier als laute elektrische Instrumente und Percussion. Das SM7B ist ein prima Mikro für Gitarren- und Bassverstärkerabnahme. Hier kommt ihm auch wieder sein Präsenzfilter zugute, denn so gut die Shure-typische Betonung der Hochmitten auch oft klingt, man sollte sie nicht auf allen Signalen haben. Insofern ist das SM7B noch etwas universeller zu verwenden als sein ungleich günstigeres Brüderchen SM57. Die primäre Anwendung, für die man sich dieses Mikrofon zulegt, ist und bleibt aber die menschliche Stimme.

SM7B_Schalter
Mit den beiden Klangschaltern lässt sich der Sound auf den Lippenabstand bzw. die Stimmfarbe abstimmen.

Fazit

Das Shure SM7B ist ein tolles Mikrofon, das gerade unter erschwerten Bedingungen und in akustisch suboptimalen Umgebungen ausgezeichnete Ergebnisse liefert. Kaum ein Mikro ist so wenig poppempfindlich wie das SM7B, und kaum ein Studiomikro ist so wenig divenhaft im Handling. Von Voiceover bis infernalischem Death-Metal-Gekreische macht es so ziemlich jede vokalistische Anwendung mit. Dabei bleibt das SM7B immer ganz down-to-earth. Es ist kein magisches Wundermikrofon, das Stimmen auf Überlebensgröße aufbläst, auch für zarte Stimmchen eignet es sich weniger gut. Das SM7B ist ein Kumpeltyp – und genau das macht es zur bevorzugten Wahl all jener, die wissen, dass es vor allem auf die künstlerische Performance ankommt. Insofern ist das, was das SM7B zu etwas Besonderem macht, gar nicht mal sein wirklich hochwertiger und universeller Sound, sondern dass es dem Künstler und seiner Performance nicht im Weg steht. Ach ja, so ganz nebenbei ist das SM7B natürlich auch ein echtes Arbeitspferd im Radioeinsatz, das insbesondere für kleinere Privatsender oder Uni-Radios eine kosteneffektive Alternative zum Großmembran-Kondensatormikro darstellt.

Da freut es umso mehr, dass dieses Profi-Tool nun endlich auch in deutschen Landen zum korrekten Kurs angeboten wird.

Klangbeispiel Shure SM7B

Hier kannst du das Shure SM7B im direkten Vergleich zu Neumanns Einstiegs-Großmembran-Kondensatormikrofon TLM 103 hören! Beide Mikrofone wurden nebeneinander positioniert. Das SM7B befand sich in der Stellung „Bright“, die Bassabsenkung war deaktiviert. Als Mikrofonvorverstärker kam ein Universal Audio DCS Remote Preamp zum Einsatz. Als Recording-Programm wurde Cubase 5 verwendet.

Für einen realistischen Vergleich im Mix-Kontext stellen wir euch neben diesen beiden Klangbeispielen einen Backing-Track zur Verfügung. Alle Files sind auf die gleiche Länge geschnitten, sodass sie im Handumdrehen in die eigene DAW importiert werden können.

Download: SM7B_Klangvergleich

Viel Spaß beim Vergleichen!

Track: Sternradio: „Glüh die Röhre vor“ (Demo) © Sebastian Barth & Andreas Hau

Aufgepasst! In der Ausgabe von Sound&Recording 10/15 gibt es den Testbericht zum Zoom SSH-6, dem Stereo-Richtrohr-Mikrofonaufsatz!

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Was für ein Zufall am 22.11.2017 habe ich es bestellt und es kam 6.11.2017 an,also es hatte 2 Wochen Verspätung ungefähr.

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    1. Interessant, sehr interessant. Dr. Who

      Auf diesen Kommentar antworten
  2. Danke für den Bericht und den Vergleich.
    Leider scheint der Downloadlink nicht mehr aktuell zu sein.

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Hallo,
      Der Link ist wieder aktualisiert.
      Vielen Dank.

      Auf diesen Kommentar antworten

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