Das eigene Synthesizer-Museum

Samples oder virtuelle Schaltkreise? Vorteile, Nachteile, Beispiele

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Samples oder virtuelle Schaltkreise?

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Hardware als Samples

Wer auf der Suche nach den Klängen analoger oder auch digitaler Synthesizer vergangener Tage ist, kann entweder sein Sparschwein plündern und nach langwieriger Suche eines der Originale sein Eigen nennen, oder man lässt diesen Aufwand einfach die Plug-in-Hersteller für sich machen. Die Hardware-Schätze werden dort dann detailliert aufgenommen und aus den Samples wird dann eine Library gebaut. Als User kauft man diese zu einem Bruchteil des ursprünglichen Hardwarepreises und hat am Ende vielleicht nicht nur ein einzelnes Instrument, sondern ein ganzes Synthesizer-Museum zum Produzieren auf dem Rechner.

UVI und IK Multimedia verfolgen beim Erstellen ihrer virtuellen Nachbauten diesen Weg. Weitere Vertreter aus diesem Segment sind z. B. die Retro Machines MKII für Kontakt von Native Instruments oder die RetroMod Reihe von Tracktion.

Der Vorteil des Sample-Ansatzes: Man bekommt wirklich den echten Klang der jeweiligen Hardware. Je nachdem, wie detailliert die Aufnahmen erstellt wurden, kommt man den Originalen entsprechend nahe. Nachteile dieser Methode: Diese Bibliotheken nehmen viel Platz auf der Festplatte ein und was nicht als Sample vorliegt, hat man auch nicht als Klang. Alle Nuancen einzufangen – gerade bei einem analogen Vorbild – ist also praktisch unmöglich, aber vielleicht auch nicht immer nötig. Man bekommt dafür eine kuratierte Auswahl aus der Klangwelt des jeweiligen echten Originals.

Zudem bieten die modernen Player-Engines ausgetüftelte Parameter und Möglichkeiten, um das Maximale aus den Samples herauszuholen, diese zu verändern und anzupassen.

Der andere Ansatz: Schaltkreise digital nachgebaut

Es geht aber auch anders. Man kann die alte Hardware auch als virtuelle Schaltkreise nachbauen. Anstatt eine Aufnahme zu verwenden, wird der Klang durch das Nachbilden aller Bauteile und deren Verhalten errechnet. Der „Klang-Entstehungsprozess“ wird also nachgebaut. Man bekommt ein virtuelles Abbild der einstigen Hardware, was im Idealfall zum gleichen Klang führt – mit allen Einstellmöglichkeiten, die das Original hatte.

Diesen Ansatz findet man z. B. bei der V-Collection von Arturia (gerade in Version 9 erschienen) oder auch bei den Synths von u-he, Roland und Gforce. Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass man alle Parameter wie bei der Hardware stufenlos verändern kann. Der Klang wird dann wie im Original erzeugt und nicht als Aufnahme abgespielt. Die Plug-ins benötigen viel weniger Speicherplatz, dafür beanspruchen sie die CPU in der Regel deutlich stärker.

Beides kombiniert

Teile dieser Methode findet man auch in den Engines der Sample-Libraries wieder. Beispielsweise wird das Verhalten eines speziellen analogen Filters oder eines LFOs als virtuelles Modell eingebaut. Das macht die Klanggestaltung wieder flexibler und kombiniert so das beste aus beiden Welten.

Grundsätzlich haben beide Verfahren ihre Berechtigung und auch ihre Fangemeinde. Welches nun den „echteren“ Klang erzeugt, muss jeder selbst entscheiden.

Beispielhaft

In dieser Vorstellung geben wir einen Überblick über die beiden größten Sammlungen samplebasierter Libraries auf dem Markt.


UVI – Vintage Vault 4

Unmengen gesampelter Synthesizer-Perlen in der vierten Generation

UVI erweitert in regelmäßigen Abständen sein Portfolio an detailliert gesampelten Synthesizern und bündelt diese ebenso regelmäßig in größeren Paketen. Nun war es wieder so weit und UVI hat viele Neuheiten der letzten Monate im Vintage Vault 4 zusammengestellt. Es ist mittlerweile eine wirklich riesige Sammlung älterer, neuerer und zum Teil sehr seltener Hardware, die man so wohl niemals alle im Original besitzen wird. Ich hatte mir das Paket zum letzten Mal in Version 2 vor ein paar Jahren angesehen und seit dem hat sich allein der Speicherbedarf auf der lokalen Festplatte fast verdreifacht. Mit dem Paket bekommt der Nutzer nicht nur viele Neuerscheinungen der letzten Monate, sondern auch drei ganz frische Produkte: Hybrid 6000 (ein wiederentdeckter HT-6000), Bit Zone (ein italienischer 80er-Jahre Synth) und Prime 8+ (ein flexibler 808 Drummer). Insgesamt bekommt man eine Zusammenstellung von 36 UVI-Produkten mit über 70 Synths – da würde man auf eBay lange suchen müssen – und müsste auch den Platz für die ganze Hardware haben …

UVI (wie auch IK Multimedia) verwendet aus rechtlichen Gründen immer nur Fantasienamen, die an das Original angelehnt sind. Um die Inspirationsquelle für die jeweiligen Instrumente herauszufinden, lohnt ein Blick auf die Website und meist noch ein bisschen weitere Recherche. Das Tolle bei dieser großen Sammlung ist, dass man hier nicht nur Klassiker findet, wie etwa Geräte von Oberheim oder Moog und die Jupiter-Reihe (die hier Saturn heißt), sondern auch Raritäten und Prototypen, die wirklich kaum jemand sonst hätte verwenden können, wären sie nicht gesampelt worden. Es finden sich z. B. ein Voyetra Eight (PX V8), ein Akai AX80 (UVX 80) oder ein Moog Apollo (PX Apollo) neben vielen anderen Raritäten.

UVI spricht aber immer „nur“ von der Inspiration durch das Original für die jeweiligen virtuellen Instrumente, da immer auch kreative neue Patches mitgeliefert werden, die anders klingen, als es der Klang-Pate je getan hätte. Und das ist absolut kein Nachteil.

Viele der Instrumente haben wiederkehrende Bedienungskonzepte, sodass man sich auch bei den Neuzugängen gut zurechtfindet, wenn man schon früher mit UVI-Produkten gearbeitet hat.

Die drei Neuzugänge:

Prime 8+: Diese Bibliothek reiht sich in die vielen virtuellen Nachbauten der 808 ein und bietet 140 individuelle Kits, die durch analoge Signalketten und durch den Feinschliff von Chris Gehringer (Sterling Sound) vielfältig daherkommen. Der Charakter es Originals bliebt aber immer erkennbar. 1100 MIDI Grooves runden das Paket ab. Einzelpreis: 39€.

Hybrid 6000: Diese Reinkarnation der „HT-6000 Spectrum Dynamic Synthesis Workstation“ bringt neben den Presets des Originals auch neue Kreationen von UVI mit. Aus den 32.000 Samples entstehen so über 250 Presets, die als einzelne und gelayerte Instrumente verwendet werden können. Man kann zudem eine der vielen nach Genre sortieren Song-Ideen auswählen und passt anschließend alle Details nach den eigenen Wünschen an. Einzelpreis: 79€

Bit Zone: Der eher unbekanntere 80er Hybrid-Synth „Crumar Bit 99“ aus Italien stand Pate für dieses Instrument. Aus 29.000 Samples entstanden in der Produktion mehr als 370 Presets. Wer es breiter mag, schaltet optional den „SPX90 Symphonic Chorus“-Effekt dazu. Alles Samples wurden auf einem separaten Signalweg durch diesen zeitgenössischen Effekt von Yamaha aufgenommen. Mit den zwei Layern und ihren individuellen Einstellmöglichkeiten, den digitalen Oszillatoren, den analogen Filtern und den zwei separaten Arps kann man auch über die Presets hinaus kreativ werden. Einzelpreis auch hier: 79€

Hersteller: UVI
Website: https://www.uvi.net/vintage-vault-4#overview
Plattform: UVI-Workstation (Mac nativ M1/Win AU/VST2/AAX) (mitgeliefert) oder Falcon 2.5 (separat, kostenpflichtig)
Anzahl der Synths: 36 UVI Produkte im Bundle (über 70 einzelne Synths und über 100 Drum Machines)
Anzahle Presets: bis zu 14407 Presets
installierte Größe: 281GB
Listenpreis: 599€ (Rabatte durch Sales möglich)


IK Multimedia – Syntronik 2

Große Synth-Sammlung, die mit Version zwei um 11 neue Instrumente erweitert wurde Schon etwas länger als Vintage Vault 4 ist Syntronik 2 von IK Multimedia auf dem Markt. Es handelt sich auch um eine umfangreiche Sammlung klangerzeugender Schätze, die nun nochmals stark erweitert wurde. Alle Instrumente laufen in der hauseigenen Syntronik-Engine, können aber auch mit SampleTank 4 verwendet werden.

IK Multimedia weiß – wie auch UVI – die langjährige Erfahrung und die damit einhergehende stattliche Sammlung an Technologie-Knowhow perfekt in der Signalkette anzuwenden. Hochwertige Nachbauten analoger Filter wie auch ein Arsenal an sehr guten Effekten und Klangmodulen, die einige sicherlich aus T-Racks oder MixBox kennen, lassen die Samples lebendig werden und sind über diesen Weg auch vielfältig veränderbar. Das kann aber den Rechner trotz CPU-freundlicher Sample-Engine teilweise herausfordern. Vor allem, wenn man mehrere Sounds mit individuellen Signalketten gleichzeitig verwendet.

Syntronik 2 bringt neben vielen Klassikern (Matrix 12, OB-1, Waldorf Microwave,…) auch einige Raritäten und Legenden mit. Bei den neu hinzugekommen sind dies unter anderem:

GS-V (Yamaha GS-1): Dieser rare Synth aus den Anfängen der FM-Synthese von Yamaha wurde per Sampling für jeden zugänglich gemacht. 1980 ist er erschienen und es wurden davon in solider Holzbauweise nur relativ wenige Exemplare gebaut. Der GS-1 gilt als „direkter Vorfahre“ des legendären DX7.

Sorcerer (Moog Source): Aus dem Moog Source wurde bei Syntronik 2 der Sorcerer. Dieser Synth stammt aus den frühen 80ern und war unter anderem bei Depeche Mode oder New Order populär und wurde der Legende nach auch bei Blue Monday verwendet. In dieser virtuellen Reinkarnation des Synths bekommt man statt der 16 ursprünglichen Werkspresets ganze 87 Klänge mitgeliefert.

OSC-V (Oxford Synthesiser Company OSCar): Dieser britische Synthesizer stammt aus dem Jahr 1983. Insgesamt sollen 2000 Stück davon gebaut worden sein. Er basiert auf der subtraktiven Synthese, hatte aber bereits zwei digitale Oszillatoren und dazu analoge Filter. Die ursprüngliche Hardware war nur monophon spielbar (bei Sounds, die nur auf einem Oszillator basierten auch „duophon“). Darüber muss man sich aber beim virtuellen OSC-V keine Gedanken mehr machen.

Alle Synth gibt es auch einzeln, ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bieten aber die Bundles. Der ideale Einstieg ist das kostenfreie Syntronik CS mit 100 Presets zum Ausprobieren. Weitere Editionen sind Syntronik 2 SE, Syntronik 2 und MAX, die sich in der Anzahl der mitgelieferten Synths und die Anzahl der Presets unterscheiden. Noch mehr als bei UVI sollte man bei IK Multimedia auf die regelmäßigen Sales achten. Am besten fährt man immer mit den großen Bundles von IK Multimedia, die auch bei den Sonderaktionen zu sehr günstigen Konditionen angeboten werden. Dann erhält man neben Syntronik auch SampleTank und viele weitere Produkte als Paket.

Hersteller: IK Multimedia
Website: https://www.ikmultimedia.com/products/syntronik2/index.php?p=info
Plattform: eigenes Plug-in und SampleTank 4 (Mac/Win AU/VST2/AAX)
installierte Größe: bis zu 240 GB (Syntronik 2 MAX)
Anzahl der Synths: bis zu 33 Synths
Anzahle Presets: bis zu 5710 Presets
Listenpreis: 0€-249€ (Rabatte durch Bundles und Sales möglich)

Fazit

Welches der beiden riesigen Pakete das Richtige für die eigenen Produktionen ist, muss jeder selbst herausfinden. Falsch machen kann man aber mit beiden Sammlungen nichts. Die Hersteller haben die Samples sehr sorgfältig und in guter Qualität aufgenommen. Auch beide SampleEngines sind über die Jahre bereits sehr ausgereift und sie profitieren von den hochwertigen Effekten, die die Hersteller aus ihrem Portfolio integrieren.

Wenn man sich überlegt, was man früher (und auch heute noch) für die Originale hätte ausgeben müssen, sind diese Pakete großartige Kollektionen mit einer endlosen Auswahl an Klangmaterial. Ich vermute, dass kaum jemand je alle Presets verwenden oder auch nur durchhören wird.

Für alle, die trotzdem noch mehr wollen, gibt es aber weitere Optionen: Um durch weiteres Sounddesign mit endlosen Möglichkeiten ganz neue Klänge aus der Samplebasis entstehen zu lassen, ist z. B. Falcon 2 von UVI eine großartige Wahl. Der extrem mächtige Hybrid-Synthesizer schlägt aber nochmals mit 349€ zu Buche. Neben dem eigenen Sound-Universum von Falcon 2 hat man dort Zugriff auf alle VV4 Instrumente als Erweiterung und man kann dann alles miteinander kombinieren.

Für preisbewusste Nutzer empfehle ich es, den nächsten Sale bei IK Multimedia abzuwarten und dann gleich eines der Bundles zu kaufen.

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