Royer nicht so teuer

Royer Labs R-101 Bändchenmikrofon im Test

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Bändchenmikrofone – oder Ribbon-Mikes – gelten als empfindlich und schwierig in der Handhabung. Außerdem sind sie kostspielig, wenn man Wert auf Qualität legt. Es war die Firma Royer, die vor knapp 15 Jahren die Ribbon-Renaissance einläutete und nun mit dem R-101 erstmals ein Modell unter der magischen 1.000-Euro-Schallmauer anbietet.

ROYER LABS R-101
(Bild: Dr. Andreas Hau)

Ohne Frage hatte David Royer ein sensibles Gespür dafür, was die Recording-Welt braucht, als er Ende der 90er seine Royer Labs gründete und eine ins Abseits geratene Mikrofongattung wiederbelebte: das Bändchenmikrofon. Viele eher technisch orientierte Toningenieure können bis heute nicht viel mit Ribbon-Mics anfangen, sind ihre Datenblätter doch alles andere als spektakulär: geringe Ausgangsleistung, schwache Höhenwiedergabe. Noch dazu sind sie mechanisch empfindlich, und ihre natürliche Achtercharakteristik und der damit einhergehende starke Nahbesprechungseffekt machen die Positionierung nicht einfacher.

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Ja, stimmt alles! Und doch, aus irgendeinem Grund schwärmen alle Mikrofonenthusiasten von Bändchen. Die seltene Kombination aus lieblichen Höhen und Detailreichtum bilden einen willkommenen Gegenpol zum schrillen Höhen-Hype überzüchteter Kondensatormikros. Dabei sollte man Bändchen aber nicht als Ersatz für andere Mikrofonarten sehen, sondern als Ergänzung. Im Zusammenspiel verschiedener Klangcharaktere entsteht ein Gesamtbild mit Tiefe und Perspektive. Denn das, was viele für »flachen Digitalklang« halten, ist in Wirklichkeit oft das Resultat immer gleicher Mikrofonierung. Mit dem Royer R-121 kehrte eine wunderbare Klangfarbe wieder in den Malkasten der Engineers zurück, und nun soll dieser Sound auch für Home- oder Projekt-Studios erschwinglich werden.

Ausgepackt

Am Lieferumfang liegt’s schon mal nicht, dass das R-101 rund 500 Euro günstiger ist als das Royer Standardmodell R-121. Das R- 101 kommt in einem Aluköfferchen und wird mit einer Spinnenhalterung geliefert. Das Mikrofon selbst ist ein schwarzer Zylinder von 20 cm Länge und 36 mm Durchmesser, und es bringt ein knappes Pfund (483 g) auf die Waage. Im Gegensatz zu den höherpreisigen Modellen setzt Royer beim R-101 auf FernostZulieferer fürs Mikrofongehäuse und die elastische Halterung. Den eigentlichen Bändchen-Schallwandler baut Royer aber weiterhin selbst im kalifornischen Stammwerk.

Das R-101-Bändchensystem unterscheidet sich denn auch nur wenig von denen der höherpreisigen Modelle. Wie gehabt kommen starke Neodym-Magnete und ein hauchdünnes Aluminiumbändchen von nur 2,5 Mikrometer Stärke zum Einsatz. Kleiner Hinweis am Rande: Viele chinesische Bändchenmikros werben ebenso mit dünnen Bändchen − da wurden aber einfach die Spezifikationen der kopierten Originale abgeschrieben! Tatsächlich verwenden viele China-Bändchen deutlich dickere Folien.

Wie fast alle Bändchenmikrofone arbeitet das Royer R-101 bidirektional, d. h. mit Achtercharakteristik, denn das Aluminiumbändchen im Magnetfeld wird ja von Schallwellen aus dem vorderen Bereich genauso ausgelenkt wie von Schallwellen, die rück – seitig auftreffen. Royer-typisch ist das »Offset Ribbon«-Design, das sich David Royer sogar hat patentieren lassen. Und das funktioniert so: Traditionell versucht man, das Bändchen so exakt wie möglich in der Mitte des Magnetspalts aufzuhängen, damit sich für Vorderund Rückseite möglichst identische Frequenzgänge ergeben. Anders bei Royer: Hier wird das Bändchen bewusst etwas nach vorn versetzt eingespannt, sodass Vorder- und Rückseite etwas unterschiedlich klingen. So erhält der Anwender zwei Klangvarianten, aus denen er je nach Anwendung auswählen kann.

Praxis

Was sofort positiv auffällt, ist, dass das R-101 für ein Bändchen einen ziemlich hohen Output von knapp 4 mV/Pa durch die XLR-Buchse drückt. Damit sind auch an etwas einfacheren Mikrofonvorstufen rauscharme Ergebnisse zu erzielen. Liefert das Einsteigermodell nun den begehrten Royer-Sound? Aber ja! Zum Studiostandard wurde das R-121 nicht zuletzt durch seine überragenden Qualitäten bei der Verstärkerabnahme. Gerade in den für E-Gitarren relevanten Mittenfrequenzen agieren (gute) Bändchen sehr linear und verfärbungsarm. Ähnliche Plastizität ist mit einem dynamischen Mikro à la Shure SM57 nicht zu erreichen, und im Gegensatz zu einem Kondensatormikro lässt das Royer die Höhen niemals fisselig erscheinen.

Gegenüber dem R-121 (und anderen Bändchenmikros) agiert das R-101 in den tiefen Frequenzen gutmütiger. Das vereinfacht die Positionierung, denn der Nahbesprechungseffekt ist durch eine leichte Bassabsenkung teilweise kompensiert, sodass sich das R-101 etwas näher zur Schallquelle positionieren lässt, ohne dass es zu Tiefenmulm kommt. Gerade in kleinen Studios ist das von Vorteil, weil man so mehr Direktschall und weniger (meist unausgewogen klingende) Raumanteile einfängt.

Was das Royer R-101 von billigen China-Ribbons unterscheidet, ist ein deutlich feineres, subjektiv höher aufgelöstes Klangbild. Die höhere Investition macht sich durch einen weitaus größeren Aktionsradius bezahlt: Das R-101 ist auch für Akustikgitarren gut zu gebrauchen, insbesondere wenn leicht gedeckte Vintage-Sounds oder ein eher unauffälliger Klang als Gesangsbegleitung gewünscht ist. Auch für Percussion-Instrumente aller Art ist das R-101 bestens geeignet. Und auch wenn es nicht primär als Gesangsmikrofon konzipiert ist, lässt es für Vintage-Sounds nutzen bzw. für übermäßig präsente Stimmen. Auch für Sänger mit sehr scharfen S-Lauten ist das R-101 eine Alternative, denn Bändchen reagieren auf Zischlaute viel gutmütiger als Kondensatormikros. Zudem lässt sich der Klang sehr gut mit dem EQ formen, ohne dass es gleich unnatürlich klingt.

Wie bei allen Royer-Mikrofonen ist die Rückseite die mit dem höhenreicheren Klangergebnis. Wobei wir − wie unsere Frequenzmessungen deutlich zeigen − nicht von einem Treble-Boost reden, sondern von einem etwas weiteren, weicher auslaufenden Höhenfrequenzgang, während die Vorderseite eine scharfe Einkerbung bei ca. 13 kHz aufweist. Mithin liegt das wahre Potenzial dieses Mikros auf der Rückseite. Verkehrte Welt! Also: Umdrehen und den Polarity-Schalter am Preamp betätigen, damit das Mikro wieder in Phase ist.

Und wo wir schon bei Royer’schen Idiosynkrasien sind: Die Hersteller- Frequenzplots sind bei Royer traditionell frei erfunden − Bändchenmikrofone, die bis knapp 20 kHz linear übertragen, gibt es schlicht überhaupt nicht. Ihre Wirkung haben diese Plots dennoch nicht verfehlt: In etlichen englischsprachigen Rezensionen wurden diese Fantasiekurven abgedruckt bzw. zur Klangbeschreibung paraphrasiert. Jaja, die Macht der Suggestion …

ROYER-LABS-R-101-1
(Bild: Dr. Andreas Hau)

Fazit

Das Royer R-101 bietet alles, was ein gutes Bändchenmikrofon auszeichnet, nämlich jene seltene Kombination aus Weichheit und Detailreichtum, dazu neutrale, verfärbungsarme Mitten. Wie kaum anders zu erwarten, macht es eine hervorragende Figur bei der Verstärkerabnahme. Anders als billige China- Ribbons taugt das Royer aber auch für akustische Instrumente, denn es wirkt trotz seiner lieblichen Höhen niemals künstlich oder gefiltert. Die leicht zurückgenommenen Bässe vereinfachen die Positionierung und lassen kürzere Mikrofonabstände zu. Auch ist das R-101 längst nicht so pegelschwach wie andere Bändchen.

David Royer hat ganze Arbeit geleistet: Das R-101 ist ein nahezu ideales Einsteiger-Bändchen mit dem professionellen Sound der Oberklasse. Mit einem Ladenpreis von knapp 900 Euro ist es gewiss immer noch nicht billig, aber unterm Strich jeden Cent wert.

Hersteller/Vertrieb

Royer Labs / S.E.A. Vertrieb

UvP/Straßenpreis

1.073,− Euro / ca. 880,− Euro

www.royerlabs.com

www.sea-vertrieb.de

+++ feinzeichnender Ribbon-Sound

+++ recht hohe Empfindlichkeit

++ teilkompensierter Nahbesprechungseffekt

– Rückseite klingt deutlich besser als Vorderseite

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Nirgendwo konnte ich bisher ausmachen, ob ein Bändchenmikro auch für Gesangsaufnahmen eingesetzt wird. Wer gibt mir eine Antwort?

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