Zurück in die Achtziger

Oberheim OB-X8 – analoger polyfoner Synthesizer im Test

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43 Jahre nach Veröffentlichung des OB-X lässt Tom Oberheim in Kooperation mit Sequential und Focusrite seinen ersten speicherbaren polyfonen Synthesizer auferstehen und sorgte so für eine der heißesten Branchenneuigkeiten dieses Jahres. Man darf gespannt sein, welchen Stellenwert ein solches Instrument heute einnehmen kann.

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Der OB-X8 versteht sich nach Einschätzung der Kernentwickler Tom Oberheim, Dave Smith, Markus Ryle und Tony Karavidas als neues Instrument, das auf die lange Historie analoger Synthesizer zurückblickt. Es soll die Eigenschaften von OB-X, OB-Xa und OB-8 in sich vereinen und sogar eine Prise SEM ergänzen. Basis des Instruments sind klassische diskrete und Curtis-basierte Oberheim-Schaltungen, die in SMD-Technik umgesetzt und mit den Originalen abgeglichen wurden. Sequential brachte ergänzend Erfahrungen aus der Entwicklung des Prophet-5 Rev 4 in das Projekt ein. Und so geht der OB-X8 durchaus mit dem klanglichen Anspruch einer Neuauflage an den Start, vor allem aber als Instrument, das den Gedanken der Originale fortführt.

Ganz der Alte

Äußerlich trifft Oberheim den Nagel auf den Kopf. Der OB-X8 ähnelt dem OB-X, fällt aber weniger tief aus. Die Verarbeitung ist überzeugend robust und wird durch dekorative Holzseitenteile aufgemotzt. Die Regler sind übersichtlich angeordnet, mit generösem Abstand verteilt und vorbildlich stabil. Da sehe ich auch über kleinere Schwachstellen hinweg, wie etwa das Loch um die beiden Modulationshebel. Der OB-X8 wartet mit einem kleinen OLED-Display auf, mit dem sich weitere Funktionen aufrufen und Klänge benennen lassen.

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Tom Oberheim am neuen OB-X8 (Bild: © Rob Villanueva)

Die anschlagsdynamische, Aftertouch-fähige Klaviatur umspannt fünf Oktaven und wird durch besagte Lever und einen Arpeggiator ergänzt. Auf der Rückseite finden sich drei Pedaleingänge (Sustain, Volume, Filter) und ein Trigger-Eingang für den Arpeggiator. Hinzu kommen unsymmetrische Stereo- und Monoausgänge, MIDI, USB und der Stromanschluss. Über den Arpeggiator-Eingang lassen sich sogar alte Klänge von Kassettenspeichern einspielen. Schließlich hat Oberheim dem OB-X8 eine frontseitige Kopfhörerbuchse spendiert.

Der Blick ins Innere ist ernüchternd. Die Hauptplatine fällt erstaunlich klein aus und beinhaltet neben der zentralen CPU vier Stimmen. Eine Tochterplatine ergänzt vier weitere Stimmen. Hinzu kommt ein Schaltnetzteil sowie das Panel für die Bedienelemente. Logos und Beschriftungen lassen erkennen, dass der OB-X8 bei Sequential gefertigt wird.

Bezüglich der Klangerzeugung gibt sich das achtstimmige Testgerät geradlinig: Die Klangbasis legen zwei diskret aufgebaute Oszillatoren, die sich hart synchronisieren und kreuzmodulieren lassen. Sie bieten jeweils Sägezahn und/oder ein breitenvariables Rechteck, sind frei in der Frequenz regelbar und werden um einen Rauschgenerator komplettiert. Die Mischung erfolgt zunächst per Knopfdruck und mündet in das Filter, das sich zwischen OB-X (diskret, 12 dB Tiefpass) und dem Curtis 3320 des OB-Xa/OB-8 umschalten lässt (Tiefpass mit 12/24-dB-Umschaltung). Von hier wandert das Signal über den VCA in eine Panning-Stufe und schließlich auf den Stereoausgang.

Die Modulatoren in Form getrennter ADSR-Hüllkurven für Filter und VCA, ein stimmbasierter LFO mit Routing auf das Filter, die Pulsbreiten, Tonhöhe und die Lautstärke sowie ein dedizierter Vibrato-LFO werden allesamt über eine CPU errechnet. Die Hüllkurven sollen so die Charakteristik der früheren Curtis-Bauteile nachbilden und sind sogar zwischen den Regelzeiten von OB-X/OB-Xa und OB-8 umschaltbar.

Zusammenfassend ist die Umsetzung der einzelnen OB-Modelle nicht komplett vollständig, sondern eher eine reflektierte Fusion mit einigen Modernisierungen. Dazu gehört die Möglichkeit, mit Splits- und Layern à vier Stimmen zu arbeiten, was im OB-X nicht vorgesehen war.

Innenleben
Zwei vierstimmige Voice-Boards und SMD-Technik: Im OB-X8 ist die Technik deutlich geschrumpft.

Sekundärfunktionen

41 Funktionen lassen sich über die sogenannte Page 2 aufrufen. Sie sind über das Display zugänglich, können aber teils auch wie im OB-8 per Kurzbefehl erreicht werden, leider nur ohne Gehäuseaufdruck.

Bereit stehen diverse Parameter, die man aus dem OB-8 kennt oder zur sinnvollen Ergänzung der Funktionalität. So gibt es endlich einen Mixer für die Oszillatoren und das Rauschen, den ich mir persönlich sogar auf der Oberfläche gewünscht hätte. Auch die Pulsbreiten der VCOs lassen sich getrennt justieren, das Hüllkurvenverhalten umschalten, ergänzende Wellenformen für den Vibrato-LFO auswählen, das Keyboard-Tracking und das Portamento steuern, erweiterte LFO-Parameter nutzen und der Unisono-Modus konfigurieren. Das Highlight sind die zusätzlichen Filtertypen Hochpass, Bandpass und Notch auf der Basis des SEM. Sie sind zwar nicht überblendbar, erweitern das Klangspektrum aber signifikant.

Das Panning lässt nicht mehr wie früher pro Stimme einstellen, sondern in mehrere Modi mit gestufter Stereobreite pro Preset speichern.

Eine weitere Neuerung ist der Vintage-Regler, der stimmenspezifische Schwankungen im Klang ergänzen kann und damit die Lebendigkeit erhöhen soll. Die bauteilbedingt »perfektere« Konstruktion und präzisere Kalibrierung durch digitale Routinen führt zu einer stabileren Klangbasis, die sich mit diesem Regler wieder aufbrechen lässt.

Filter
Im Filterbereich ist die Auswahl mit sechs Typ größer denn je. (Bild: © Rob Villanueva)

Praxis

Die Klangformung am OB-X8 gelingt aufgrund der generösen Bedienoberfläche mustergültig. Dabei interagieren musikalische Inhalte und Klangformung flüssig miteinander – eine Eigenschaft, die sich gar nicht hoch genug bewerten lässt. Jeder Klang wird im Nu transformiert, was wesentlich zum musikalischen Ausdruck beiträgt und spielerisch zu neuen Klängen führt. Hinzu kommt die Steuerung über die Spielhilfen und Pedale. Oberheim ist für seine rückfedernden Lever bekannt, die Pitchbends und die Vibrato-Modulation auslösen. Die ungewollten Trigger des frühen Testgerätes treten hoffentlich in der Serie nicht mehr auf.

Ergänzend gibt es besagten einfachen Arpeggiator, der pro Layer aktiviert werden kann. Sämtliche Einstellungen sind in den Presets speicherbar. Darüber hinaus hält der OB-X8 eine Hold-Funktion und einen Akkord bereit. Schließlich ermöglicht die MIDI-Implementation eine zeitbasierte Parametersteuerung aus der DAW.

Konzeptionell sind die Sekundärfunktion weniger direkt erreichbar. Ein Drama ist der Umweg über das Display aber nicht.

Die Klaviatur spielt sich straff. Anschlagsdynamik und monofoner Aftertouch sind gegenüber den Originalen ein großer Schritt vorwärts. Sie lassen sich pro Preset auf das Filter, den VCA und LFO-Modulation routen.

Der Speicherbereich wurde deutlich erweitert und bietet fünf Preset-Bänke mit bis zu 128 überschreibbaren Sounds, die sich über das Display oder in Achterbänken am Instrument aufrufen lassen. Neben einer Auswahl neuer Klänge findet man die Presets der Originale einschließlich des Modells OB-SX im Testgerät – ein wenig Nostalgie muss sein. Split- und Layer verfügen über jeweils eigene 128 Speicher, die enthaltene Klänge leider nur referenzieren. Dabei stört mich, dass diese Sounds keine dedizierten Namen haben.

Stichwort Display: Die beiden Encoder wurden links und rechts vom Display platziert und versperren regelmäßig die Sicht – ein konzeptioneller Fehler. Ebenso irritierend finde ich, dass der OB-X8 nicht den aktuell bewegten Parameter im Display anzeigt, genau das dann aber bei der Anwahl der Sekundärparameter tut. Es gibt also Raum zur Nachbesserung.

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Die Rückseite bietet natürlich MIDI, aber auch Pedaleingänge. (Bild: © Rob Villanueva)

Klang

Zur größten Stärke des OB-X8 gehören die mehrstimmigen flächigen Klänge. Erwartungsgemäß findet man hervorragende Bläser, Streicher und andere Analog-Pads, die in der Tat nach Oberheim klingen! Der OB-X8 deckt einen Bereich von Elektronik über Synth-Pop bis hin zum Pop und Rock mit wunderbaren Ergebnissen ab und spielt dabei seine Wärme, Breite, aber auch das offene Filter mit seiner eingebetteten, kaum den Pegel verändernden Resonanz aus. So entsteht die firmentypische Kombination aus Fundament, Klangfülle und Luftigkeit – ein überwiegend gefälliger, aber nicht braver Charakter.

Hervorzuheben ist der Mehrwert der regelbaren Mixerstufe, der individuellen Pulsbreiten sowie der Vintage-Regler, mit dem sich die Lebendigkeit spürbar steigern lässt. Dazu gelingen dem OB-X8 mithilfe der Hoch- und Bandpassfilter auch ungewohnt schlanke Klänge, mit denen die Originale nicht aufwarten konnten. Das gilt auch für das Notchfilter, das bei LFO-Modulation Phaser-artige Klänge liefert.

Bassbereich kann der OB-X8 ungemein drücken, erst recht im Unisono-Betrieb. Hier finden sich auch richtig gute Stabs. Gesteigerte Klangfülle und Komplexität lassen sich über Layer-Sounds erreichen. Mit vier verbleibenden Stimmen wird es jedoch schnell knapp, sodass ich angesichts der kompakten Voice-Boards an eine 16-stimmige Version gedacht habe.

Auch wenn Oberheim-Synthesizer nicht für ihre rasanten Hüllkurven bekannt sind, gelingen dem OB-X8 auch erstklassige Sequenzer-Sounds. Auch die Sync-Sounds sind prägnant, bieten aber keine unabhängige Modulationsintensität für die Filterhüllkurve.

Sogar ansprechende, einfache FM-Sounds mit analogem Charakter gelingen per Kreuzmodulation ebenso wie glockiges E-Piano mit Retro-Tremolo. Und schließlich hat das Instrument auch einige Noise-Effekte auf Lager.

Display
Das kleine Display bietet Zugang zu den Sekundärfunktionen. (Bild: © Rob Villanueva)

Fazit

Mit dem OB-X8 gelingt Oberheim eine beeindruckende Rückkehr in den Synthesizermarkt. Das Gerät wirft den Blick zurück und versucht, die Stärken der klassischen OB-Serie einzufangen und eine Prise SEM hinzuzufügen. Funktional ist man den Originalen tatsächlich auf der Spur, fügt aber Erweiterungen wie MIDI, erhöhte Speicherkapazität, Anschlagsdynamik und Aftertouch hinzu. Ergänzend wurde die Klangerzeugung effektiv, aber respektvoll aufgewertet. Insbesondere die ergänzenden Filter-Modi stellen für mich ein Kaufargument dar. Ein Modulationsmonster wird der OB-X8 deshalb aber nicht – er bleibt stets überschaubar, und das ist gut so.

Klanglich würde ich den OB-X8 direkt in die Topliga der aktuellen Analogsynthesizer einordnen. Hinzu kommt eine ergonomische Bedienoberfläche, die schlicht Spaß macht. Die Klangerzeugung liefert die gewohnten Oberheim-Stärken in Form von Wärme, Breite und Luftigkeit. Ein wirklich toller Synthesizer, der sich zudem hörbar von seinen wenigen Mitbewerbern von Sequential, Moog, Black Corporation und Baloran abgrenzt.

Gleichzeitig sollte man aber auch fairerweise feststellen, dass der OB-X8 die Originale klanglich nicht ersetzt, die zu Recht als Klassiker gelten, längst schwer erhältlich sind und zu Liebhaberpreisen gehandelt werden.

Mit einem Preis von 5.599 Euro fällt der OB-X8 teurer als der Prophet-10 aus und bildet mit Balonrans The River und dem Moog One das derzeitige Spitzentrio im Synthesizerbereich. Die Entscheidung für eines dieser Geräte fällt geschmacklich aus und freut sich ebenso über eine Kombination. Für meinen Teil habe ich den OB-X8 liebgewonnen und könnte ihn mir absolut als Ergänzung meiner Sammlung vorstellen!


Im aktuellen Vergleich:

Ich konnte den OB-X8 mit einem Prophet-10 (Rev 4), Prophet-6 und OB-6 vergleichen, die allesamt aktuell bei Sequential gefertigt werden.

Verglichen mit dem Prophet-6 und OB-6 klingen Prophet-5/10 und OB-X8 ein Stück lebendiger und tragen mehr Vintage-Charakter in sich. OB-6 und Prophet-6 klingen hingegen aufgeräumter und moderner.

In dieser Runde bietet der OB-X8 den gleichermaßen wärmsten und offensten Klang, während der Prophet-10 Rev 4 muskulöser und kompakter aufspielt und beherzter nach vorne schiebt. Er hat für mich die Nase bei Bässen und kurzen Sounds mit elektronischem Charakter vorn, während der OB-X8 eher bei Flächen punktet. In beiden Geräten findet sich ein CEM3320-Filter, das durchaus unterschiedlich klingt. So gibt es im OB-X8 weiterhin keine Selbstoszillation, wohl jedoch im härter zupackenden Rev 4.

OB-X vs OB-X8_ed


Im Vergleich zum Original

Wie nahe der OB-X8 seinen Vorgängern kommt, konnte ich im Direktvergleich mit einem achtstimmigen OB-X herausfinden.

Zwar klingt der OB-X8 durchaus nach Oberheim, dann aber doch ein gutes Stück moderner. Dabei kann er klanglich das Original nicht ersetzen, das im Direktvergleich lebendiger, wärmer, druckvoller und gleichzeitig offener daherkam. Die Reglerskalierungen schienen mir stimmiger und die Extrema von Hüllkurven und Filterresonanz gleichzeitig ausgeprägter. Der OB-X8 klingt dagegen eindimensionaler und sitzt weniger stimmig in Mischungen. Es blieb die Erkenntnis, dass sich der Zauber eines solchen Instruments eben doch nicht gänzlich einfangen lässt. Warum das so ist, wäre sicherlich eine gesonderte Reportage wert.

Vergleich Modern


Hersteller: Oberheim
Internet: https://oberheim.com
UvP: 5.599,– Euro

Unsere Meinung:
+ moderne Fusion aus OB-X, OB-Xa und OB-8
+ zusätzliche SEM-Filtertypen
+ großzügige Bedienoberfläche, robuste Verarbeitung
– Verzicht auf Beschriftung der Page-2-Funktionen am Gerät
– Display-Encoder ungünstig platziert

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Es wird immer von OB-X, OB-Xa und OB-8 gesprochen, wo lässt sich dann jedoch Xpander/Matrix12 (klanglich) einsortieren?

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  2. Danke, das ist ein richtig guter Test. Vor allen Dingen seriös kritisch , aufgrund eines echten Vergleichs mit einem Original non-SMD OBX.
    Ich kann die Erkenntnisse des Tests zu 100 % bestätigen, dies gilt übrigens ebenfalls für den SMD basierten P5/10.
    Sequential baut sehr gute analoge Synthesizer, aber man kann mit SMD Technik den jahrzehntelangen gealterten Klang diskreter Elektronik nicht mal eben kopieren. Da hilft auch kein “Retro Knopf”, der die Stimmen etwas gegeneinander verstimmt. Das sollte jeder wissen und man sollte vor einer solch teuren Anschaffung durchaus einmal die Plugins Repro und OPX_II im Vergleich zu den “Neuen Originalen” anhören, wenn es nicht so sehr auf die haptische Direkbedienung am Gerät ankommt.

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    1. Hab immer gedacht SMD ist auch diskret, die Bauteile nur kleiner. Und Curtis-Chips waren ja auch schon früher drin. Die sind ja auch nicht diskret.
      Die digitalen Hüllkurven könnten ein Problem sein.

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