Brass-, Strings- und Woodwind-Libraries

Native Instruments Symphony Series im Test

Anzeige

Volle Breitsaite

Seit Native Instruments kürzlich die elfte Version ihres Komplete-Pakets veröffentlicht hat, haben in die Ultimate-Version so ganz still und leise auch drei abgespeckte Ableger der Symphony Series aus eigenem Hause Einzug gehalten: die Symphony Essentials mit Brass, Strings und Woodwind. Der edle Grundsound der großen Libraries ist zwar auch in den kleineren Versionen enthalten, aber wenn es mehr in die Tiefe und damit in den Bereich der Orchestersimulation gehen soll, haben die Symphony Series einfach sehr viele sinnvolle Features mehr zu bieten. Für uns jedenfalls Grund genug, ins Horn zu stoßen und sich die großen Geschwister einmal näher anzuschauen.

Anzeige

Bei all den zahlreichen, teils ausgereiften Produkten, die es mittlerweile im Segment der Orchester-Libraries auf dem Markt gibt, stellt sich zwangsläufig die Frage, ob es wohl ein erfolgsversprechendes Unterfangen ist, weitere Libraries zu veröffentlichen, die sich auf die reine Simulation von Orchesterinstrumenten konzentrieren. Glücklicherweise gibt nicht nur der Blick in die Credits Grund zur Annahme, dass diese Frage positiv beantwortet werden könnte. Mit Soundiron und Audiobro stehen hier nämlich zwei Namen im Abspann, die für ihre hochwertige Libraries bekannt sind. Kommt dann zum ersten Mal der cremige Sound zu Ohren und hält man sich gleichzeitig den Preis vor Augen, wird schnell klar, dass diese Libraries definitiv weitaus mehr als nur ein neuer Spross im Dickicht des Orchestersimulationsdschungels sind.

Struktur

Brass und Woodwind sind ähnlich aufgebaut, aber jeweils in zwei separate Libraries unterteilt, nämlich in eine Solo- und in eine Ensemble-Variante. Beide sind mit unterschiedlichen Artikulationen und erfreulicherweise auch mit einer nicht zu verachtenden Anzahl an aussagekräftigen Effektspielweisen, wie Glissandi, Cluster, Falls etc., ausgestattet.

Die Strings allerdings sind ausschließlich in einer Ensemble-Version erhältlich, aber selbstverständlich aufgeteilt in ihre einzelnen Instrumentengruppen. Soloinstrumente, wie die Stimmführer bei Audiobros großer Streicher-Library LA Scorings Strings, sucht man also leider vergebens. Dafür wurden aber erfreulicherweise die Gruppen des Streichorchesters, ähnlich zur großen LASS, ebenfalls in Divisi gesampelt. Das ermöglicht einerseits einen lebendigeren Klang, aber der größte Vorteil liegt in der Möglichkeit, die einzelnen Stimmen des Streichorchesters realistischer aufzuteilen. Denn mit den Divisi kann man mehrstimmig spielen, ohne dass sich die Stimmen zu einem immer größer werdenden Streichapparat addieren. Und das Beste daran: Mit der Auto-Divisi-Funktion werden die Stimmen automatisch aufgeteilt, sodass der Größeneindruck des Streichorchesters gleichbleibt, auch wenn unterschiedlich viele Stimmen spielen.

Bei einer einstimmigen Melodielinie z. B. werden die Divisi automatisch unisono gespielt bzw. bei einer mehrstimmigen Linie entsprechend aufgeteilt. Das geht solange gut, bis die Anzahl der gleichzeitig gespielten Stimmen die der vorhanden Divisi übersteigt. Dann nämlich wächst die Größe des Streichapparats selbstverständlich doch heimlich mit anstatt die zusätzlichen Stimmen einfach wegzulassen.

Als weiteres, sehr sinnvolles Feature ist es bei allen Libraries möglich, zusätzlich zum normalen, vorgemischten Stereosound aus drei Mikrofonpositionen, nämlich Close, Mid und Far, zu wählen. Diese sind untereinander in der Phase abgeglichen und lassen sich somit ohne Auslöschungen mischen, sodass der Sound in Bezug auf Präsenz und Entfernung an die restlichen Instrumente der Musik angepasst werden kann bzw. im späteren Musikmix eine Tiefenstaffelung möglich ist.

Praxis

Die Libraries kommen alle mit der gleichen, übersichtlichen Oberfläche daher, die auf ein zügiges Arbeiten ausgelegt ist. Wenn es mal richtig schnell gehen soll, ist bei den Woodwind- und Brass-Libraries auch immer ein Kontakt-Instrument vorhanden, bei dem die Instrumente der Gruppe bereits über die komplette Tastatur gemappt sind. So lässt sich in Windeseile ein mehrstimmiger Satz z. B. der Blechbläser live einspielen und gleichzeitig die Dynamik mit dem Modulationsrad fahren − fertig. Sollten die Split-Punkte einmal nicht zur Lage der Stimmführung passen, sind diese ebenfalls mit wenigen Klicks angepasst.

Das ist wirklich ein enormer Timesaver und funktioniert oftmals erstaunlich gut. Das Ganze sollte aber nur mit gutem Gewissen gemacht werden, wenn die Instrumente nicht allzu prominent im Vordergrund stehen und musikalisch nicht allzu anspruchsvoll spielen. Für diese Fälle sind dann nämlich die Kontakt-Instruments der einzelnen Ensemblegruppen besser geeignet, die weitaus mehr Features, mehr Artikulationen etc. zu bieten haben.


Großer Sound und einfaches Handling zeichnen die Symphony Series aus. Die sehr reduziert wirkende Hauptoberfläche bietet die nötigsten Optionen, um den Sound oder die Spielweise schnell beeinflussen zu können. Dabei wechseln oftmals die Parameter, je nach geladenem Instrument und passend zu dessen Artikulationen. Geht man dann etwas mehr in die Tiefe, gibt es eine Menge weiterer Konfigurationsmöglichkeiten zu entdecken.


Im praktischen Einsatz machen die Libraries der Symphony Series eine gute Figur. Sie sind übersichtlich und logisch aufgebaut, es ist so gut wie keine Einarbeitungszeit nötig, und man kann sofort mit den sehr gut einsetzbaren Sounds loslegen. Das Einzige, was mich bei der Arbeit mit den Libraries immer wieder gestört hat, ist die teilweise recht unlogische Position der Keyswitches, um die Artikulationen umzuschalten. Gerade bei Woodwind und Brass kommt es nämlich immer wieder vor, dass die Keyswitches unterhalb des Bereiches eines 88-Tasten-Masterkeyboards liegen − und das, obwohl auf der Klaviatur oftmals woanders noch Platz dafür vorhanden gewesen wäre. Es ist zwar kein Problem, die Keyswitches anzupassen oder diese zur Not schnell mit der Maus in den Sequenzer zu klicken, aber wirklich komfortabel ist das nicht und vor allem unnötiger Aufwand für eine solch zentrale und häufig genutzte Funktion.

Ob man mit den abgespeckten Versionen, also den in Komplete Ultimate beigelegten Symphony Essentials, sehr weit kommt, ist eher vom Einsatzgebiet abhängig und sollte im Bedarfsfall genau hinterfragt werden. Für Pop-Arrangements oder um die Farbpalette seines Setups angenehm zu erweitern, ist das sicherlich in Ordnung. Dann wird das Eis aber auch schon dünn. Komplete-Ultimate-Besitzer sind in der komfortablen Lage, das bequem beäugen zu können. Aber auch für normale Komplete-Besitzer lohnt sich ein Blick in ihr Benutzerkonto, denn für diese werden ebenfalls vergünstigte Preise für die Symphony Series angeboten.

Sound

Aber kommen wir zu essenzielleren Dingen, nämlich dem Sound. Denn dieser ist über jeden Zweifel erhaben. Die Symphony Series klingen so, wie man es bei Orchesterinstrumenten für Filmmusik hören möchte, wobei es mir hier gerade die Ensemble-Instruments angetan haben. Bei diesen ist ein sehr geschmeidiger und voller Klang zu vermelden, der eine stattliche Größe suggeriert und auf Anhieb ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Das Holz ist hier schön voll, charakterstark, hat eine angenehme Färbung und ist auch in den tieferen Lagen präsent. Für das Blech gilt das Gleiche, wobei hier die Ensembles zusätzlich sehr kraftvoll und mächtig klingen können.

Die Streicher haben einen sehr wertigen, breiten und ausdrucksstarken Sound, ganz ähnlich zur LASS, der hauseigenen Streicher-Library von Audiobro. Diese hat zwar wegen der größeren Anzahl an Divisi und vieler weiterer Features eine größere Detailtreue, aber verstecken muss sich die Strings-Library der Symphony Series deswegen beileibe nicht. Im Gegenteil, sie macht auch mit den vergleichsweise reduzierten Features immer noch eine sehr gute Figur, vor allem, wenn man bedenkt, dass sie weniger als die Hälfte der LASS kostet.

Die Soloinstrumente der Bläser sind insgesamt auch gelungen, obwohl der Klarinette und dem Saxofon teilweise ein wenig mehr Lebendigkeit gutgetan hätte. Außerdem könnten die Blechsolisten bei höheren Lautstärken oftmals noch mehr zupacken. Gerade hier wären Aufnahmen im Fortissimo sicherlich eine Bereicherung gewesen, die sich beim Holz eher verschmerzen lassen.

Die verschiedenen Mikrofonpositionen wurden meiner Meinung nach sehr geschmackvoll gewählt, womit sich bei allen Libraries nochmals gehörig am Sound drehen lässt, was eine enorme Flexibilität mit sich bringt. Bei den Artikulationen sind die üblichen Verdächtigen an Bord und bei den Bläsern, je nach Instrument, darüber hinaus teilweise auch exotischere Spielweisen oder Dämpfer. Staccati liegen erfreulicherweise oftmals in Doppel- oder Trippelzungen vor, die u. a. in Kombination mit dem äußerst gefälligen Arpeggiator viel realistischere Patterns ergeben, als das bei Verwendung normaler Staccati der Fall ist.

Zusätzlich zu den Standardartikulationen wurde je nach Instrument eine stattliche Anzahl ausgefallener Effektspielweisen aufgenommen, die oftmals die Möglichkeiten und Eigenheiten der jeweiligen Instrumente ausloten. Das kann eine echte Bereicherung sein, wenn es musikalisch etwas schräger und lebendiger werden darf, und wäre in dieser Art mit normalen Samples einfach nicht machbar.

Fazit

Ich bin beeindruckt. Still und leise hat sich Native Instruments in die obere Liga der Orchester-Library-Hersteller eingeschlichen und das mit einem filmmusiktypischen Sound, der einem, je nach Instrumentengruppe, wegbläst oder dahinschmelzen lässt. Um die Libraries in dieser Preisklasse ansiedeln zu können, waren auch Kompromisse nötig, die teilweise das letzte Quäntchen an Detailtreue oder differenzierteren Artikulationen gekostet haben. Das muss in der Praxis aber nicht unbedingt dramatisch sein, denn die gängigsten Anwendungsfälle im Bereich Film- oder Games-Musik lassen sich mit den Symphony Series sicherlich problemlos bestreiten. Es ist eher der beeindruckende Sound, kombiniert mit effektivem Handling und einem vergleichsweise recht attraktiven Preis, was die Symphony Series so interessant macht. Wer darüber hinaus die Möglichkeit eines Upgrades hat und im Bereich Filmmusik oder Musik für Games unterwegs ist, für den ist es fast schon ein unmoralisches Angebot − um in der Filmsprache zu bleiben …


+++ Sound

++ Handling und Flexibilität

+ Preis-/Leistungs-Verhältnis

–– Keyswitches oftmals außerhalb einer 88-Tasten-Klaviatur

Hersteller/Vertrieb Native Instruments

www.native-instruments.com

UvP String Ensemble 499,— Euro

UvP Brass Solo / Ensemble / Collection 299,— / 399,— / 499,— Euro

UvP Woodwind Solo / Ensemble / Collection 299,— / 399,— / 499,— Euro


Über den Autor: Frank Schreiber ist Filmkomponist und Sounddesigner. Seit seinem Diplom an der Ludwigsburger Filmakademie arbeitet er hauptsächlich in den Bereichen Film und Werbung. Hierfür komponiert und produziert er Musik in den unterschiedlichsten Stilen, von elektronischen Tracks bis hin zu klassischen Scores. Weiterhin hat er einen Lehrauftrag für Filmmusik am Institut für Musik der Universität Oldenburg und liebt musikalisch alles, was künstlerisch ansprechend und gut gemacht ist … außer Volksmusik.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.