Der legendäre Moog

Minimoog-Story – Vom Werkstatt-Schrottplatz zum Welterfolg

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Moog Minimoog LTM
(Bild: Dieter Stork)

Er ist das Urviech, der Protosynth, das Maß aller Dinge im Synthesizer-Universum: der Minimoog. Alle späteren Synths mussten sich mit ihm vergleichen lassen. Meist ging der Vergleich zu ihren Ungunsten aus, und es hieß: Klingt nicht ganz so fett, warm oder breit wie die Moog-Legende. Die Entstehungsgeschichte des archetypischen Klassikers verlief jedoch alles andere als gradlinig.

Angefangen hat die legendäre Synthschmiede Moog als kleine Boutique-Firma (R.A. MOOG) in Trumansburg, New York. In den 40er- und 50er-Jahren erwachte nicht nur in den USA eine technikbegeisterte Bastlerszene, die sich auf alles stürzte, was mit Strom zu tun hatte, egal ob es ein Radio, ein elektrischer Türöffner oder ein Verstärker war. Der junge Bob Moog baute mit 15 Jahren seinen ersten Klangerzeuger. Er besorgte sich einen Theremin-Bausatz und verbesserte ihn. Dann begann er, eigene Theremin-Varianten herzustellen, und gründete seine eigene Firma. Das Instrument wurde die erste große Liebe des Synthesizer-Visionärs, und er ist ihr bis zu seinem Tod im Jahr 2005 treu geblieben. Bis heute ist Moog Music der führende Theremin-Anbieter.

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Kontakte

Moog fertigte Anfang der 1960er-Jahre neben Thereminen auch Gitarrenverstärker und arbeitete mit Walter Sears zusammen, einem Musiker, Geschäftsmann und Pornofilmproduzenten, der auch Tubas herstellte. Diese vielseitige Persönlichkeit lud ihn zu einer kleinen Musikmesse ein, wo Moog den Komponisten Herb Deutsch traf und eine fruchtbare Freundschaft ihren Anfang nahm. Deutsch besuchte Moog oft in seiner kleinen Werkstatt in Trumansburg und war beeindruckt von Moogs Experimenten mit zwei spannungsgesteuerten Oszillatoren, die sich gegenseitig modulierten und ziemlich kranke Sounds generierten.

Irgendwann im Sommer 1964 meinte der Komponist zum Tüftler: »Es wäre toll, wenn man den Sound mit einem Tastendruck kontrollieren könnte.« Moog meinte trocken: »Geht klar, geh in den Drugstore und besorg mir einen Klingelknopf.« Herb Deutsch lief los, investierte 35 Cents und kehrte zur Werkstatt zurück. Moog brachte zwei Schalter für Envelope und Trigger an dem Klingelknopf an, und der moderne Synthesizer war mehr oder weniger geboren.

Synthesizer waren in den 50er- und frühen 60er-Jahren lochkartenbetriebene Monstersysteme, die nicht in Echtzeit gespielt werden konnten. Bob Moog kombinierte 1964 einen spannungesteuerten Oszillator mit einem ebenfalls spannungsgesteuerten Verstärker und einer Tastatur und machte den Synthesizer intuitiv und in Echtzeit spielbar. Auch Geschäftspartner Walter Sears drängte Moog, alle Synthesizer mit Keyboards auszustatten.

In den folgenden Jahren baute Moog wunderbare Modularsysteme, die ihren guten Klang u. a. auch dem genialen Moog-Kaskadenfilter verdankten.

Hardwired!

Der erste größere Erfolg für Moog kam dann durch die Zusammenarbeit mit Wendy Carlos, deren Millionenseller Switched On Bach die Firma Moog größer werden ließ. Bob Moog konnte jetzt (d. h. 1969) viele Mitarbeiter einstellen, darunter auch die Ingenieure Jim »Scotty« Scott und Bill Hemsath, ohne den es den Minimoog vermutlich nicht geben würde. Er war unter anderem damit beschäftigt, Musikern die Standard-Patches auf den Modularsystemen zu zeigen und die Synths für Live-Gigs wie das berühmte »Jazz In The Garden«-Konzert im MOMA 1969 in New York (u. a. mit Herb Deutsch und Hank Jones) vorzubereiten.

Dabei bemerkte Hemsath, dass er im Grunde immer das gleiche Patch steckte und dass man dieses eigentlich auch in einem kompakten und unkomplizierten Gerät fest verkabeln könnte. Er begann, sich während seiner Mittagspausen im Moog-»Schrottplatz«, wo defekte und ausgemusterte Module gelagert waren, herumzutreiben, suchte sich die benötigten Teile zusammen und baute einen kleinen, transportablen Synth ohne Patchkabel, den er »Min« taufte, der Name wurde vom Firmenchef dann in Minimoog geändert. Seitlich vom dreioktavigen Keyboard brachte er ein kleines Pitch-Poti an. Bob Moog war zu dieser Zeit oft geschäftlich unterwegs oder hielt Vorträge und war anfangs nicht wirklich begeistert von dem Projekt; erst später erkannte er das kommerzielle Potenzial des kompakten Hardwired-Synths.

“Ein Rechenfehler war die Grundlage für ein Klangcharakteristikum des Minimoogs”

Model B

Zum Jahreswechsel 69/70 befand sich die Firma in einer Krise, da der »Switched On Bach«-Hype mit seinen vielen Nachahmern und damit auch das Interesse an Modular-Synths abflaute. Jim »Scotty« Scott erinnert sich: »Die Lieferanten konnten nicht bezahlt werden, und wir pulten buchstäblich Transistoren aus Löchern im Fußboden, die dort reingerutscht waren.« Zusammen mit seinen Kollegen entwickelte Hemsath den Kompaktsynth weiter und spendierte der nächsten Version B einen zusätzlichen Oszillator sowie ein smarteres, modernes Bedienpanel und Gehäuse. Auf der Bedienoberfläche wurde der Signalfluss jetzt von links nach rechts logisch abgebildet. Hemsath verbaute außerdem Kippschalter für das Routing des Signals, die der Musiker auch auf einer dunklen Bühne ertasten konnte.

Sun Ra: Galaktischer Minimoog

Ins musikalische Universum wurde der Minimoog durch das Avantgarde-Space-Jazz-Genie Sun Ra gebeamt, welcher der erste Minimoog-User war. Sun Ra, der sich schon seit den 50er-Jahren für elektronische Sounds und Klangerzeuger interessierte und neben diversen Orgeln auch den Röhren-Synth Clavioline einsetzte, wurde von Bob Moog eingeladen, seine Firma zu besuchen. Das komplette 14-köpfige Sun Ra Arkestra erschien und testete diverse Moog-Geräte aus. Begeistert war Sun Ra besonders von dem kleinen Model-B-Synth; er lieh sich das Instrument aus und verwendete es auf der Bühne und im Studio.

Der Musiker und Moog-Mitarbeiter Jon Weiss, der später Mick Jagger beibrachte, wie man einen Synthesizer bedient, sah den Minimoog-Prototypen, der mittlerweile schon diverse kleinere Defekte aufwies, bei einem Sun-Ra-Konzert in New York und war begeistert: »He made sounds with it like you never heard in your life … nothing was working but it was fabulous!« Ende 1969 entstanden zwei Sun-Ra-Alben, die zu den ersten gehören, auf denen ein Minimoog zu hören ist (My Brother The Wind und Space Probe, released 1970). Sun Ra setzte später eine Zeitlang zwei Minimoogs gleichzeitig ein, um duofon spielen zu können.

Model C

Bob Moog war mittlerweile vom dem Projekt überzeugt und beauftragte ein Team mit dem Design für den finalen Minimoog. Das Ergebnis waren futuristisch-spacige Entwürfe mit slicken, geschwungenen Plastikgehäusen. Als er die Designvorschläge jedoch einigen Musikern präsentierte, erlebte Bob Moog eine Überraschung, denn diese lehnten das Sci-Fi-Design ab und sprachen sich für eine einfachere, bodenständigere Variante mit Holzgehäuse aus, die dann auch realisiert wurde. Moog ließ dann das praktische Kipp-Panel patentieren, sodass niemand anderes es verwenden konnte. Das Gehäuse für die Version Model C, von dem vier Stück hergestellt wurden, besteht aus dem Walnuss-Holz, das auch für die Modular-Synths verwendet wurde; die Firma, die zu diesem Zeitpunkt so gut wie pleite war, hatte glücklicherweise noch Holzvorräte.

Elektronik und furchtbare Irrtümer

Bob Moog und Bill Hemsath nahmen sich die Oszillatoren des Modularsystems und modifizierten sie für den Minimoog. U. a. machten sie die VCOs weniger temperaturempfindlich und damit stimmstabiler. Jim Scott vereinfachte Bob Moogs Kaskadenfilter sowie den Hüllkurven-Generator und den VCA des großen Modularsystems, um diese Bauteile kostengünstiger herstellen zu können.

Ein Rechenfehler war die Grundlage für ein Klangcharakteristikum des Minimoogs: Bill Hemsath berichtet in einem Interview, dass der Grund für die typische Übersteuerung des Lowpass-Filters auf einem Irrtum in den Berechnungen des Signalflusses beruht.

Model D

Die finanzielle Lage bei Moog wurde Ende 1969 immer kritischer; Bob Moog war wieder einige Wochen unterwegs und hatte angeordnet, zehn Model-D-Prototypen (handgelötet) zu fertigen. Danach sollte das serienreife Model E folgen. Die Moog-Ingenieure berieten sich kurz und erkannten, dass sie bald keinen Job mehr haben würden, wenn sie nicht schnell ein fertiges Produkt präsentierten. Sie beschlossen, sofort in die Serienfertigung einzusteigen, verzichteten auf die zeitraubende Löterei per Hand, stellten die Platinen her, und das Model D, der eigentliche Minimoog war geboren.

Als Bob Moog zurückkam, war er wegen der eigenmächtigen Handlungsweise seiner Mitarbeiter zuerst ziemlich sauer, und es folgte eine Standpauke. Schließlich wurde der Minimoog (D) aber doch auf der AES im Oktober 1970 vorgestellt, und ein Model E hat es nie gegeben.

Erfolg

Das innovative Instrument kostete 1.195,− US-Dollar und wurde begeistert von den Händlern und Musikern angenommen. Zur Überraschung aller gingen die Bestellungen durch die Decke; insgesamt wurden bis heute mehr als 13.000 Minimoogs gefertigt. Allerdings verhinderte der Minimoog-Erfolg nicht, dass R.A. Moog von Bill Waytena (Musonics) übernommen wurde und viele Ingenieure die Firma verlassen mussten, darunter Bill Hemsath und auch Jim Scott, der aber später zu Moog zurückkehrte und den Micromoog konzipierte.

The rest is history

Der Minimoog ist das Gemeinschaftsprodukt des genialen Bob Moog, der die technischen Grundlagen (u. a. mit der Spannungssteuerung und dem Kaskaden-Filter) gelegt hat, und der Initiative seiner cleveren Ingenieure (insbesondere Bill Hemsath), die fast alle selbst Musiker waren und genau wussten, wie ein praxistaugliches, innovatives Instrument auszusehen hat. Es hat den Sound der populären Musik bis heute geprägt.

Die Fotos von Model A bis C wurden uns freundlicherweise von David Kean/Audities Studio (www.auditiesstudio.com) zur Verfügung gestellt.

 



Moog Minimoog LTM
(Bild: Dieter Stork)

Minimoog-Story, Pt.2

Legendärer Analogsynthesizer

Es gibt Dinge, deren Design man nicht (oder nur minimal) verbessern kann; dazu gehören z. B. so unterschiedliche Objekte wie z. B. der Löffel … oder der Minimoog! Klar, man kann den legendären Synth midifizieren oder ihm eine anschlagsdynamische Tastatur verpassen, aber das Grundkonzept ist unverwüstlich und gehört zu den Highlights der klassischen Moderne.

Äußerlich überzeugt der Minimoog schon dadurch, dass er mit seinem Walnussgehäuse und seiner »ernsthaften«, großzügig dimensionierten Bedienoberfläche wie ein Musikinstrument aussieht und nicht wie ein futuristisches Spielzeug. Alles ist auf maximale Bedienfreundlichkeit und Transparenz ausgerichtet: What you see ist was du hörst, denn der Signalfluss des Synthesizers ist auf dem Bedienpanel logisch nachzuvollziehen.

Äußeres und Klangerzeugung

Links befindet sich die Controller-Sektion für die Einstellung von Portamento, Master-Tune und Modulation-Mix. Man kann stufenlos zwischen dem VCO 3 und dem Noise-Generator als Modulationsquelle überblenden. Daneben die übersichtliche Oszillator-Bank mit den drei VCOs, dem Noise-Generator, mit Pink- und White-Noise, den Fuß- und sechsstufigen Wellenformschaltern für Dreieck, Sägezahn, ein Mix aus den beiden und drei Rechteck-Varianten. Die Signale der VCOs laufen in den weiter rechts gelegenen Mixer, wo auch Noise hinzugeregelt werden kann − außerdem lässt sich ein extern eingespeistes Signal zumischen. Weil der Minimoog zwei (Mono-)Ausgänge (High und Low) besitzt, die parallel aktiv sind, war und ist es ein übrigens beliebter Trick, den einen Output einfach per Klinkenkabel in den External Input zu schicken und ihn dem Gesamtsound hinzuzumischen, was zu leichten bis extremen Verzerrungen führt.

Rechts vom Mixer liegt die Filter-Abteilung (hier »Modifiers« genannt) mit den dreistufigen (sehr schnellen) Hüllkurven für VCF und VCA, die eine ADS-Charakteristik (Attack, Decay, Sustain) aufweisen, wobei der Decay-Poti beider Kurven durch Umschalten auch die Release-Phase regeln kann − ansonsten liegt das Release fix bei ca. 10 ms.

Abgerundet wird das Ganze durch die Output-Sektion mit Volume-Regler und Kopfhörerausgang. Sehr praxisnah ist die Integration eines 440-Hz-Stimmtones und der Möglichkeit, das Ausgangssignal zu muten, sodass man mit dem Kopfhörer in einer Live-Situation vorhören kann, was man am Minimoog geschraubt hat, bevor er auf die Menschheit losgelassen wird.

Dreh am Rad …

Zu den genialen Features des Synths gehört natürlich die Spielhilfen-Abteilung mit Pitch- und Modulations-Rad. Nur wenige Konkurrenten wie z. B. Roland entwickelten hier eigene Lösungen (etwa der Roland-Bending-Hebel oder der Korg-Joystick); der Großteil der Hersteller kopierte einfach das klassische Minimoog-Wheel-Outfit.

Trotz eines überzeugenden Produktdesigns war es gar nicht so einfach, das neuartige Produkt »Synthesizer« an den Mann zu bringen; hier war Moog auf eine ungewöhnliche Persönlichkeit angewiesen, die in der Moog-Historie eine wichtige Rolle spielte.

Tacos und Analogsynths

David Van Koevering performte als Wunderkind in lokalen TV-Shows, arbeitete im musikpädagogischen Bereich und wurde dann zu dem Mann, der den Minimoog auf die Straße brachte. Er lernte Bob Moog während eines Gershon-Kingsley-Konzerts in der Carnegie Hall kennen, man freundete sich an, und Van Koevering erwarb ein Moog Modularsystem, was für ihn damals eine budgetzerfetzende Investition war. Um das teure Gerät zu refinanzieren, brachte er zwei eigentlich inkompatible Welten zusammen und organisierte Synthesizer-Edutainment-Shows in der Fastfood-Kette Taco Bell; bezahlt wurde er von beiden Firmen.

The Island of Electronicus

Van Koevering war ein Marketing-Genie und konnte Eskimos Schneebälle verkaufen. An der Küste Floridas organisierte er 1971 unter dem Titel »The Island Of Electronicus« psychedelische Moog-DemonstrationShows mit spaciger Lightshow, einer fetten PA und einer mit »Love & Peace«-Backdrops geschmückten Bühne, auf denen Van Koevering und manchmal auch Bob Moog himself Minimoogs vorführten. Das Publikum saß auf Kissen auf dem Boden und konnte interaktiv am Soundgeschehen teilnehmen, da einige im Saal platzierte und mit Kopfhörern ausgestattete Minimoogs zum Mitspielen einluden und bei Gefallen vom Zeremonienmeister Koevering auf die PA gelegt wurden. Begleitend gab es Radiojingles (»The Moog Synthesizer is here now … to stimulate your feelings, thoughts and your love …«). Die Aktion war ein voller Erfolg. Moog rief das »Island Of Electronicus« übrigens auf der NAMM 2016 wieder ins Leben.

In den Musikgeschäften weigerte man sich Anfang der 70er-Jahre jedoch, das exotische Instrument mit 44 Reglern und Tastern ins Sortiment zu nehmen, woran auch die wenig beachtete Moog-Demonstration auf der NAMM 1971 nichts änderte.

Man with a mission

Van Koevering bereiste daher die Musikgeschäfte als Moog-Erweckungsprediger und erschuf einen Markt, den es vorher nicht gab. Er präparierte die Geräte mit farbigem Tape, um Sound-Presets zu markieren, rekrutierte weitere Moog-Salesmen und stellte Rock-Bands den Minimoog leihweise für einen Gig zur Verfügung. Nach dem Gig und den Reaktionen des Publikums auf die spacigen Geräusche kratzten viele angefixt ihre letzten Dollars zusammen, um das magische Instrument behalten zu können. Er verließ keine Stadt, wenn er nicht mindestens einen Minimoog verkauft hatte. Nachdem der Investor Waytena die in finanzielle Schieflage geratene Firma übernommen hatte, machte er Van Koevering zum Moog-Vizepräsidenten, der bald ein weltweites Vertriebsnetz aufbaute.

Play it loud

Auch im Profilager wurde der Minimoog immer populärer. Bekannte Musiker wie Keith Emerson, Gary Wright oder Rick Wakeman wurden von Moog mit Minimoogs ausgestattet, und der Traum vieler Keyboarder, endlich mal dem Gitarristen (auch lautstärkemäßig) auf Augenhöhe solistisch zu kontern, wurde mit der neuen Synthesizer-Generation Realität. Alle wollten damals so klingen wie Keith Emerson, dessen mit dem Moog Modular aufgenommenes Solo auf ELPs Hit Lucky Man stilbildend wirkte, obwohl es ein eher zufällig mitgeschnittener First-Take-Soundcheck war, den der Tastenzauberer anfangs geringschätzte.

Der Minimoog wurde in fast allen Lagern der Popmusik eingesetzt: Jazz-Pianist Chick Corea war einer der ersten, die das kunstvolle Solieren unter heftigem Einsatz von Pitch- und Modulationsrad kultivierten. Kraftwerk, Pink Floyd, Bob Marley, Michael Jackson und zahllose andere Künstler verwendeten den monofonen Klassiker live und im Studio. Der britische Produzent und Minimoog-Fan Tim Simenon aka Bomb The Bass nahm ein komplettes Album auf, bei dem alle Instrumental-Sounds (inkl. Drums) ausschließlich aus dem Minimoog kamen (Future Chaos 2008).

Auf www.keyboards.de zeigt dir in unserem Video-Tutorial »How To Synth« Autor Thomas Adam, wie man den Billie-Jean-Basslauf mit einer Minimoog-Emulation am Rechner nachbaut.

Breitseite

Was den Minimoog bis heute zu einem Faszinosum macht, ist neben seinem gelungenen Design vor allem sein Klang. Attribute wie »fett« oder »warm« können den organischen, raumgreifenden und äußerst durchsetzungsfähigen Sound nur unzureichend beschreiben. Die leichte Oszillatordrift, die bei den früheren Modellen noch krasser war, und die − auf einem Rechenfehler beruhende − Übersteuerung des Lowpass-Filters lassen den Klang nie starr oder leblos wirken.

Den Synth in einem dichteren Arrangement unterzubringen kann einem Kampf mit einer armdicken Pythonschlange ähneln: Es ist kein Zufall, dass der Minimoog im Vergleich zu den schlanker klingenden Roland-Synths im Techno-Bereich kaum eine Rolle gespielt hat. Um sein breites Signal zu zähmen und den Drum-Track nicht wegzudrücken, bedarf es aber je nach Sound-Einstellung ein gutes Outboard-Equipment und Know-how.

Obwohl die Klangerzeugung des Minimoog einfach gehalten ist und er keine speziellen Features wie etwa Ringmodulator, PWM oder Oszillator-Sync besitzt, kann man dank Noise-Generator und der Möglichkeit, den dritten Oszillator als ultraschnellen LFO einzusetzen, auch überzeugende metallische und geräuschhafte Klangspektren erzeugen.

Minimoog heute

Wer heute einen Minimoog erwerben will, kann sich auf dem Gebrauchtmarkt umschauen oder ein nagelneues Exemplar erwerben, denn Moog hat den Klassiker im letzten Jahr noch einmal aufgelegt. Die Produktion wurde zwar dieses Jahr wieder eingestellt, einige Exemplare sind aber noch zu haben (für ca. 3.900,− Euro). Eine Alternative von Moog wäre der Minimoog Voyager, der eine Vielzahl moderner Features bietet und in vielen Varianten, die allerdings nicht mehr alle produziert werden, gefertigt wurde. Auch der deutlich günstigere neue Subsequent 37 ist ein interessanter Kandidat.

Behringer Model D

Fertig angerichtet für das allgegenwärtige Eurorack: Behringers Minimoog-Mini-Clone Model D  kann auch standalone arbeiten und ist zum Kampfpreis von ca. 350,- Euro auf dem Markt. Auf der Superbooth 2017 hat der Prototyp klanglich schon einen guten Eindruck hinterlassen.

Hier findest du den Testbericht des Berhinger Model Ds von den Kollegen von Keyboards. 

Roland SE-2

Roland hat im Rahmen seiner Boutique-Serie nach langer Zeit mit dem SE-2 wieder einen vollanalogen, monofonen Synth im Programm, der als kompakte Minimoog-Alternative fungieren könnte. Entwickelt wurde der neue Roland-Spross in Zusammenarbeit mit Studio Electronics, die seit 1981 analoge Synths fertigen und schon früh sehr gut klingende Moog-Clones wie den SE-1 herausgebracht haben.


Die Entwicklungsgeschichte des Minimoog

Angefangen hat die legendäre Synthschmiede von Bob Moog als kleine Boutique-Firma R.A. MOOG in den 50er- und 60er-Jahren in Trumansburg, New York. Auf einer kleinen Musikmesse traf Bob Moog damals den Komponisten Herb Deutsch, und eine fruchtbare Freundschaft nahm ihren Anfang. Im Sommer 1964 hatte Deutsch die Idee, den Sound mit einem Tastendruck kontrollieren zu können. Moog meinte trocken: »Geht klar. Geh in den Drugstore und besorg mir einen Klingelknopf.« Herb Deutsch lief los, investierte 35 Cents und kehrte zur Werkstatt zurück. Moog brachte zwei Schalter für Envelope und Trigger an dem Klingelknopf an, und der moderne Synthesizer war mehr oder weniger geboren.

Bob Moog kombinierte 1964 einen spannungesteuerten Oszillator mit einem ebenfalls spannungsgesteuerten Verstärker und einer Tastatur und machte den Synthesizer intuitiv und in Echtzeit spielbar. Geschäftspartner Walter Sears drängte Moog, alle Synthesizer mit Keyboards auszustatten. Zum Jahreswechsel 69/70 befand sich die Firma in einer Krise. Bob Moog war mittlerweile vom dem Projekt überzeugt und beauftragte ein Team mit dem Design für den finalen Minimoog. Das Ergebnis waren futuristisch-spacige Entwürfe mit slicken, geschwungenen Plastikgehäusen. Als er die Designvorschläge jedoch einigen Musikern präsentierte, erlebte Bob Moog eine Überraschung, denn diese lehnten das Sci-Fi-Design ab und sprachen sich für eine einfachere, bodenständigere Variante mit Holzgehäuse aus, die dann auch realisiert wurde. Das Gehäuse für die Version Model C, von dem vier Stück hergestellt wurden, besteht aus dem Walnussholz, das auch für die Modular-Synths verwendet wurde. Die Firma, die zu diesem Zeitpunkt so gut wie pleite war, hatte glücklicherweise noch Holzvorräte. Bob Moog und Bill Hemsath nahmen sich die Oszillatoren des Modularsystems und modifizierten sie für den Minimoog. Jim Scott vereinfachte Bob Moogs Kaskadenfilter sowie den Hüllkurven-Generator und den VCA des großen Modularsystems, um diese Bauteile kostengünstiger herstellen zu können.

Bill Hemsath berichtet in einem Interview, dass der Grund für die typische Übersteuerung des Lowpass-Filters auf einem Irrtum in den Berechnungen des Signalflusses beruht.

Die finanzielle Lage bei Moog wurde Ende 1969 immer kritischer; Bob Moog war wieder einige Wochen unterwegs und hatte angeordnet, zehn Model-D-Prototypen (handgelötet) zu fertigen. Danach sollte das serienreife Model E folgen. Die Moog-Ingenieure berieten sich kurz und erkannten, dass sie bald keinen Job mehr haben würden, wenn sie nicht schnell ein fertiges Produkt präsentierten. Sie beschlossen, sofort in die Serienfertigung einzusteigen, verzichteten auf die zeitraubende Löterei per Hand, stellten die Platinen her, und das Model D, der eigentliche Minimoog, war geboren. Als Bob Moog zurückkam, war er wegen der eigenmächtigen Handlungsweise seiner Mitarbeiter zuerst ziemlich sauer, und es folgte eine Standpauke. Schließlich wurde der Minimoog (D) aber doch auf der AES im Oktober 1970 vorgestellt, und ein Model E hat es nie gegeben.

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Tolle Geschichte – mich sehr tief berührend. Habs damals Ende der 60ger miterlebt und ein Freund von mir hat auch eigene Synths entwickelt und gelötet. Emerson, Lake & Palmer in Quadrophonie war DAS Erlebnis mit den Kleiderschrank großen Synths auf der Bühne. Ich bin kein Analogfanatiker und auch kein Digitalnerd. Beides hat seine Daseinsberechtigung.
    Für mich als Musiker und Klangmeister zählt einfach der Klang – wie der erschaffen wird ist mir im Prinzip egal, solange dieser wohltuend klingt und wirkt… Ein wenig traurig finde ich es, dass heute überwiegend nur noch am PC geklickt wird :-))

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