10 Sekunden, die die Hip-Hop-Welt verändern

Love The Machines: E-mu SP 1200 Sampling-Drumcomputer

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(Bild: : Dieter Stork, Bernhard Lösener, Vintek)

Die SP 1200 ist zusammen mit ihrer Vorgängerin SP-12 ein ewig strahlender Stern am Hip-Hop-Himmel. Sie ist das bis heute heißbegehrte Sampling-Super-Tool legendärer Acts wie EPMD, Pete Rock oder Cypress Hill.

Der 1987 vorgestellte Sampling-Drumcomputer SP 1200 und seine Vorgängerin SP-12 von E-mu Systems machten moderne Hip-Hop-Produktionen erst möglich. Bei legendären Alben wie EPMDs Strictly Business oder Tracks wie They Reminisce over You (T.R.O.Y.) von Pete Rock kam die Groove-Geheimwaffe von E-mu zum Einsatz. Die SP 1200 prägte die bis in die 90er-Jahre reichende goldene Ära des Hip-Hop. In den Händen von Acts wie Public Enemy, Beastie Boys, Gang Starr, Main Source, The Notorious B.I.G. und natürlich EPMD wurde die SP 1200 zur Allmachts-Groove-Maschine. Auch abseits der Hip-Hop-Szene fand die SP 1200 Verwendung. U. a. wurde sie von Roni Size, Todd Terry, Freddy Fresh, Daft Punk, The Prodigy und − ähem … − Phil Collins eingesetzt. Die einzige echte Konkurrenz war die Akai MPC 60, die 1988 auf den Markt kam und mehr Samplezeit bot, aber einen etwas anderen Grundsound hat.

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Drumulator

E-mu Systems hatte mit dem Emulator, der 1980 die Sensation auf der NAMM war, Pionierarbeit bei den samplebasierten Produktionswerkzeugen geleistet. Der nächste Schritt war ein Drumcomputer, der 1983 auf den Markt gekommene Drumulator. Er wurde mit ca. 5.000 verkauften Exemplaren zum ersten großen kommerziellen Erfolg für die amerikanische Firma, denn er war mit 995 Dollar deutlich günstiger als die mehr als doppelt so teure Konkurrenz von Linn (die Linndrum kostete ca. 2.500 Dollar) oder Oberheim und arbeitete mit zwölf gesampelten 8-Bit-Sounds.

E-mu Systems wurde jetzt von einer eher kleinen Boutique-Firma zu einem relativ großen Hersteller und erzielte (trotz zwischenzeitlicher finanzieller Probleme) mit dem Emulator II einen weiteren Erfolg. Als Nächstes stand die Entwicklung einer Sampling-Rhythmusmaschine an, die ursprünglich »Drumulator 2« heißen sollte. Dabei konnte sich die E-mu-Crew die Erfahrungen, die man beim Bau des Emulators II gemacht hatte, zunutze machen.

SP-12

Die SP-12 kam 1985, ein Jahr vor dem Akai MPC 60 (SP bedeutet so viel wie »Sampling Percussion«, und die »12« steht für »12 Bit«) auf den Markt und verwies die Konkurrenten Oberheim DMX und Linn 9000 auf ihre Plätze. Einige Chips im Inneren der Maschine, auf denen die Bezeichnung »Drumulator 2« zu lesen ist, verweisen noch auf den alten Projektnamen. Auf den Chips haben die Scherzkekse von Emu Systems übrigens auch noch kranke Sprüche wie »Paul is dead« spiegelverkehrt aufgedruckt.

Wer heute eine SP 1200 erwirbt, sollte das Diskettenlaufwerk durch einen HXC-Cardreader ersetzen. (Bild: : Dieter Stork, Bernhard Lösener, Vintek)

Das Design der SP-12 mit ihrem großen, blauen und stabilen Plastikgehäuse ist vom Emulator-2-Design geprägt. Wie bei dem Sampler ist das großzügig und übersichtlich gestaltete Bedienpanel in klar abgegrenzte Sektoren gegliedert, die nach kurzer Eingewöhnungszeit ein zügiges Arbeiten ermöglichen. Es gibt acht anschlagsdynamische Pads, denen man 32 Sounds aus vier Bänken zuordnen kann. Die großzügig dimensionierten Fader dienen der Einstellung von Parametern wie Volume, Decay und Tune. Die Programmierung des sehr tighten Sequenzers lässt sich sowohl in Realtime oder im Step-Modus vornehmen. Pro Step kann man wahlweise individuelle Tune- oder Decay-Werte eingeben. Der Speicher fasst 5.000 Noten, mit denen man bis zu 100 Patterns erstellen kann, die wiederum zu maximal 100 Songs verkettet werden können. Im Song-Modus sind auch Tempowechsel programmierbar, wobei die Zeit des Übergangs von einem Tempo ins andere frei bestimmbar ist. Die höchste Quantisierungsauflösung sind 32stel-Triolen. Ein einstellbarer Swing-Faktor ist natürlich auch vorhanden.

Mit dem unkomplizierten Sequenzer lässt sich entspannt arbeiten, da viele Funktionen wie etwa die Quantisierung bei laufendem Groove gewechselt werden können. Zudem lassen sich unterschiedliche Parameterwerte (Tune oder Decay) pro Step programmieren. Die SP-12 bietet übrigens interne ROM-Sounds, die von Prairie Prince, dem Schlagzeuger der Tubes, erstellt wurden.

Ein ungewöhnliches Feature ist das dynamische Filter, welches das Signal der ersten beiden Einzelausgänge beeinflusst. Das Sample durchläuft ein mit SSM-2044-Chips (die u. a. auch im SCI Prophet-5 verbaut wurden) ausgestattetes Bandpassfilter, dessen Frequenz sich abhängig von der Lautstärke des Signals verändert. Während die Ausgänge 7 und 8 das ungefilterte Signal ausgeben, wird es bei den anderen mit einem fixen EQ versehen, um den harschen 12-Bit-Klang etwas zu mildern. Alle Einzelausgänge können, abhängig davon, ob man ein normales Klinkenkabel oder ein Stereoklinkenkabel verwendet, auch ohne Filter genutzt werden.

Die Hip-Hop-Fraktion liebte die Maschine aber vor allem wegen der Möglichkeit, eigene Samples zu kreieren. Diese konnten auf acht batteriegepufferten Speicherplätzen abgelegt werden. Die Samples und Sequenzerdaten der SP-12 lassen sich auf Kassette speichern.

Einer der Nachteile der SP-12 war der eher magere Samplespeicher von nur 1,19 Sekunden. Um Abhilfe zu schaffen, bot E-mu Systems das Turbo-Upgrade zum stolzen Preis von ca. 2.500 Mark an, mit dem das Sample-RAM auf 4,76 Sekunden erweitert werden konnte. Klingt aus heutiger Sicht mager, aber Samplezeit war das Gold der 80er-Jahre. Außerdem erhöhte sich bei der Turboversion die Sequenzerkapazität auf 15.000 Noten, und es gab einen Anschluss für ein externes 5,25″-Diskettenlaufwerk. Die 1984 herausgekommene SP-12 Turbo bekam eine gute Resonanz vor allem in der Hip-Hop-affinen Produzentenszene und wurde von vielen Acts genutzt.

Die SP 1200 bietet rückseitig u. a. acht Einzelausgänge, eine MIDI- und eine SMPTESchnittstelle. (Bild: : Dieter Stork, Bernhard Lösener, Vintek)

SP 1200

1987 kam als Nachfolger die SP 1200 auf den Markt. Äußerlich unterscheidet sie sich von der SP-12 durch ihr graues Gehäuse und etwas andere Aufdrucke, die Bedienelemente und das Design sind aber ansonsten gleich. Als herausragendes Feature des Gerätes galt damals das integrierte 3,5″-Diskettenlaufwerk. Damit gehörten die teilweise halbstündigen Ladezeiten des Vorgängers der Vergangenheit an. Auch das MIDI-Sample-Dump-Protokoll wurde nun endlich unterstützt. Die SP 1200 bietet zwar keine ROM-Sounds, dafür aber mehr Samplezeit, was neben dem Laufwerk ein entscheidender Vorteil gegenüber der SP-12 ist (s. u.). Außerdem liegt die Kapazität des Sequenzers jetzt bei 20.000 Noten. Ansonsten bietet die Maschine alle Features ihres Vorgängers. Die aktuelle Softwareversion der SP 1200 ist übrigens OS 1.2.

10 Crunchige Sekunden

Das allerwichtigste Feature der SP 1200 (die im Gegensatz zur SP-12 übrigens ohne Bindestrich geschrieben wird) war natürlich der größere Samplespeicher, der 10 Sekunden fasst. Damit konnten jetzt komplette Beatproduktionen auf einer Maschine gemacht werden. Gegenüber der SP-12 (27,5 kHz) wurde die Samplefrequenz der 12-Bit-Sounds übrigens minimal (auf 26,04 kHz) verringert. Trotzdem ist die Länge eines Samples wegen der internen Speicherstruktur auch bei der SP 1200 auf 2,5 Sekunden begrenzt. Daher galt es, trickreich um jede Sekunde zu kämpfen: Viele Produzenten sampelten die Sounds von Vinyl-Alben, die auf 45 RPM abgespielt und im Sampler wieder runtergepitcht wurden.

(Bild: : Dieter Stork, Bernhard Lösener, Vintek)

Ol´ Dirty Bastard

Klanglich überzeugen sowohl SP 1200 als auch die SP-12 durch einen crunchigen, druckvollen Sound-Charakter mit der richtigen Portion Schmutz, der auch auf die Samplerate von 12 Bit zurückzuführen ist. Die SP-Maschinen sind nicht nur auf Hip-Hop-Tracks, sondern auch auf vielen Pop-Produktionen der 80er zu hören. Bis heute versucht man mehr oder weniger vergeblich, diesen klassischen Sound mit Software zu emulieren. Die anhaltende Beliebtheit der Maschine führte dazu, dass E-mu sogar noch 1990 eine baugleiche Re-Issue-Version der SP 1200 herausbrachte, die 2.495 Dollar kostete und vorwiegend in schwarz gehalten war.

SP-Wiedergänger

Die hohen Gebrauchtmarktpreise, die sich anscheinend nur in eine Richtung (nach oben) entwickeln, haben das amerikanische Start-Up »Isla Instruments« dazu gebracht; einen Klon der SP 1200 zu bauen. Er nennt sich SP 2400 und soll Ende 2019 für 949 Dollar zu haben sein. Die Isla-Maschine verfügt über einen wählbaren LoFi-Mode mit dem Sound des Originals, eine USB-Schnittstelle, einen Looper-Mode und vieles mehr. Neben dem klassischen SP 1200-Sound (12 Bit, 26,04 kHz) lässt sich das Gerät auch mit einer 24-Bit/48-kHz-Engine betreiben.

Die SP 1200 stellte uns freundlicherweise der holländische Vintage-Spezialist Vintek (www.vintek.nl), der immer wieder interessante Geräte anbietet, zur Verfügung gestellt.

(Bild: : Dieter Stork, Bernhard Lösener, Vintek)

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