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HEDD Audio HEDDphone – Kopfhörer im Test

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(Bild: Dr. Andreas Hau)

Über die letzten Jahre haben immer mehr Lautsprecherhersteller auch Kopfhörer ins Portfolio aufgenommen. Diesem Trend schließt sich nun der Berliner Hersteller HEDD Audio an – aber keineswegs mit einem Me-too-Produkt, sondern mit einem höchst ambitionierten Projekt: Der HEDDphone ist der erste Kopfhörer überhaupt, der auf Air Motion Transformer setzt, die konventionellen Tauchspul-Schallwandlern in vielerlei Hinsicht überlegen sind.

Air Motion Transformer – dieser einst so exotische Schallwandlertyp, entwickelt vom Deutsch-Amerikaner Oskar Heil, hat in den letzten 20 Jahren einen wahren Siegeszug angetreten. Zumindest im professionellen Bereich, seit die Firma ADAM Audio damit begann, ihn in ihren Studiomonitoren als Hochtöner einzusetzen. Klaus Heinz war es, der diese Technologie zu ADAM brachte und dort zum X-ART-Hochtöner weiterentwickelte. 2015 gründete er schließlich sein eigenes Unternehmen, Heinz Electrodynamic Designs, kurz HEDD, um seine Visionen noch konsequenter zu verfolgen.

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Das Besondere am Air Motion Transformer ist, dass die Membran nicht nach vorne und hinten ausgelenkt wird. Stattdessen wird eine gefaltete Membran wie eine Ziehharmonika auseinandergezogen und zusammengepresst. Dabei wird die Luft in den Falten herauskatapultiert bzw. eingesogen, und zwar viermal so schnell wie bei einem üblichen Dome Tweeter. Daraus ergibt sich eine exzellente Transientenwiedergabe. Einen Nachteil hat der Air Motion Transformer aber auch: Aufgrund des breiten Spalts, in dem die Membran aufgehängt ist, sind sehr starke Magneten erforderlich, um die elektrisch leitende Membran per Induktion zu bewegen. Daraus ergeben sich ein relativ hohes Gewicht und eine gewisse Baugröße.

Hier gut zu erkennen: die gefaltete Membran des Air Motion Transformers (AMT) (Bild: Dr. Andreas Hau)

The Monster Is Loose

Das erklärt denn auch das monströse Format des HEDDphone: Die Ohrmuscheln sind fast quaderförmig mit Abmessungen von etwa 110 x 95 mm und einer ungewöhnlichen Tiefe von ca. 68 mm. Mit einem Gewicht von 718 g wiegt der HEDDphone zwei bis dreimal so viel wie ein üblicher Studiokopfhörer. Es ist der mit Abstand größte und schwerste Kopfhörer, den ich je in Händen hielt. Gemessen daran ist der Tragekomfort überraschend hoch. Das Gewicht lässt sich nicht leugnen, und man spürt auch eine gewisse Massenträgheit, wenn man den Kopf bewegt. Aber sobald man sich ein bisschen daran gewöhnt hat, trägt sich der HEDDphone auch über längere Zeit recht angenehm. Der Anpressdruck liegt im mittleren Bereich. Die weichen Polster an den Ohrmuscheln und dem verstellbaren Kopfband lassen keine Druckstellen aufkommen. Platz für die Ohren ist reichlich vorhanden; selbst große und abstehende Lauscher sollten sich frei entfalten können.

Die gesamte Konstruktion besteht fast durchgehend aus Metall und ist äußerst robust; die Oberflächen wirken so makellos und edel, wie man es bei einem Kaufpreis weit über der 1.000er-Marke erwarten darf. Das Faszinierende an diesem Premium-Kopfhörer ist aber die dahinterstehende Technologie. Der Air Motion Transformer (AMT) wird hier ja nicht als Hochtöner eingesetzt, sondern für den gesamten Hörbereich. Das dürfte einige Entwicklungsarbeit gekostet haben. HEDD spezifiziert den Frequenzgang mit 10 Hz – 40 kHz, d. h. bis weit über das menschliche Hörvermögen hinaus. Mit einer Impedanz von 42 Ohm gehört der HEDDphone zu den niederohmigen Kopfhörern. Seine Empfindlichkeit liegt jedoch bei nur 87 dB SPL für 1 mW. Zum Vergleich: Viele neuere Kopfhörer mit konventionellen Tauchspul-Schallwandlern erreichen Werte über 100 dB SPL. Der Hersteller empfiehlt daher einen kraftvollen Kopfhörerverstärker. Das mitgelieferte Kabel ist stoffummantelt und wirkt sehr hochwertig. Es wird an beiden Hörermuscheln über vierpolige Mini-XLR-Steckverbinder angeschlossen. Am anderen Ende des 2,20 Meter langen Kabels befindet sich ein 6,3-mm-Klinkenstecker. Optional erhältlich sind ein 1,2 m kurzes Kabel mit Miniklinke für mobile Player und ein symmetrisches Kabel von 2,20 m mit 4-Pol-XLR-Steckverbinder für audiophile Kopfhörerverstärker mit entsprechendem Anschluss. Eine symmetrische Beschaltung verbessert nochmals die Kanaltrennung. Diese ist aber auch beim mitgelieferten unsymmetrischen Kabel sehr gut aufgrund der beidseitigen Kabelführung, die sicherstellt, dass die Masseleitung für beide Muscheln gleich lang ist.

Praxis

Man sieht es schon an den Muschelabdeckungen aus perforiertem Stahlblech: Der HEDDphone ist ein offener Kopfhörer. Ein extrem offener: Außenschall wird so gut wie gar nicht gedämpft, und was man auf dem HEDDphone hört, bekommt jeder mit, der sich im selben Raum befindet. Anders als in einer Lautsprecherbox arbeiten die AMT-Treiber im HEDDphone somit ihrer eigentlichen Natur entsprechend als akustischer Dipol.

Das Klangbild wirkt extrem ausgeglichen und natürlich. Ich kann in keinem Bereich Überbetonungen ausmachen; Bässe, Mitten und Höhen sind in einer perfekten Balance. Auch schmalbandige Resonanzen treten nirgends auf. Wer dachte, die AMT-Schallwandler könnten Schwierigkeiten mit tiefen Frequenzen haben, da man sie bislang ja nur als Hochtöner kennt, sieht sich eines Besseren belehrt. Die Basswiedergabe wirkt absolut souverän, ungezwungen und definiert. Auch ist keinerlei künstliche Schärfe in den Höhen zu bemerken. Die Darstellung wirkt vollkommen natürlich. Zischlaute und Jazz-Becken werden sehr fein aufgelöst, ohne zu nerven. Die exzellente Transientenwiedergabe ist gerade in den Höhen offensichtlich, aber wenn man genauer hinhört, merkt man, dass auch die tieferen Frequenzbereiche sehr transparent dargestellt werden.

Es ist gar nicht so leicht, den HEDDphone-Sound zu beschreiben, denn im Grunde gibt es ihn gar nicht. Viele Premium-Kopfhörer haben spezielle Eigenschaften, die einem ein spontanes »Wow« entlocken. Mitunter verfliegt die Begeisterung aber bald wieder. Beim HEDDphone verlief meine Begegnung anders: Beim ersten Aufsetzen war ich vom hohen Gewicht etwas irritiert und fragte mich beim Sound, was denn nun das Besondere daran sei. Nach einiger Zeit stellte ich fest, dass a) das Gewicht überraschend mühelos zu tragen ist und b) das Besondere am Sound genau die Abwesenheit von »Besonderheiten« ist: Kein Frequenzbereich wird herausgehoben; Klangdetails werden weder verschleiert noch künstlich zutage gefördert. Die Stereodarstellung ist breit, aber nicht überbreit, bei ausgezeichneter, sehr präziser Ortung. Auch Hallräume werden fein aufgelöst. Instrumente und Stimmen wirken sehr konkret und unvermittelt. Es ist die vielleicht natürlichste Klangdarstellung, die ich je erlebt habe.

Zu den wenigen Schattenseiten des HEDDphone gehört die geringe Empfindlichkeit. An so manchem Mobilgerät ist keine ausreichende Abhörlautstärke zu erreichen. Die meisten Kopfhörerausgänge an Audio-Interfaces reichen gerade so, es bleiben aber nur geringe Reserven für unfertige Tracks bzw. Einzelspuren, die üblicherweise ja viel »leiser« sind als gemasterte Songs. Die Empfehlung des Herstellers, einen kraftvollen Kopfhörerverstärker zu verwenden, ist also ernst zu nehmen. Kritisieren könnte man außerdem, dass die Ausrichtung nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, sondern nur über ein diskretes L bzw. R am Kopfband. Zu den speziellen Eigenheiten der ART-Treiber gehört, dass beim Aufsetzen mitunter Knistergeräusche der Membranfolien auftreten. Die verschwinden aber, sobald der Kopfhörer seinen optimalen Sitz gefunden hat.

Die Hörermuscheln sind ungewöhnlich tief; der Schallwandler ist daher etwas weiter vom Ohr entfernt als üblich, was zum besonders natürlichen Klangbild beiträgt. (Bild: Dr. Andreas Hau)

Fazit

Der HEDDphone ist mehr als nur ein neuer Premium-Kopfhörer, es ist ein kühnes Statement. Den inzwischen als Hochtöner etablierten Air Motion Transformer für die Kopfhörerwiedergabe zu nutzen, hat sich bislang niemand getraut, und wenn man sich den HEDDphone anschaut, ahnt man warum: Um auf ausreichende Empfindlichkeit zu kommen, ist ein hoher Aufwand nötig. Der HEDDphone ist der mit Abstand größte und schwerste Kopfhörer, den ich bislang testen durfte. Und trotz der vergleichsweise großen Schallwandler ist ein muskulöser Kopfhörerverstärker vonnöten, um auf angemessene Lautstärke zu kommen. Aber die Wiedergabeeigenschaften rechtfertigen den Aufwand. Das Klangbild ist extrem ausgeglichen, transparent und impulsfreudig. Dennoch driftet der HEDDphone nicht ins Über-Analytische ab; der Eindruck bleibt stets homogen und organisch.

Der HEDDphone ist somit eine ausgezeichnete Wahl für alle, die einen Kopfhörer für Mixing und Mastering suchen. Man kann sich mühelos auf Details konzentrieren oder das Gesamtbild betrachten. Die Fokusverlagerung fällt sehr leicht. Das extrem offene Klangbild kommt der Wiedergabe auf einem hochklassigen Lautsprechersystem in einem perfekten Raum recht nah. Insofern ist der Preis, auch wenn er zunächst sehr hoch erscheint, durchaus gerechtfertigt. Ein beeindruckendes Debüt – Kompliment an die Entwickler!


Hersteller: HEDD Audio GmbH

UvP/Straßenpreis: 1.700,– Euro / ca. 1.699,– Euro

Internet: www.hedd.audio

Unsere Meinung:
+++ extrem offenes Klangbild
+++ perfekt ausgeglichene Frequenzdarstellung
+++ hohe Impulstreue
+ guter Tragekomfort, trotz hohem Gewicht
– erfordert einen kraftvollen Kopfhörerverstärker

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hört sich sehr interessant an, das Teil. Wäre ein ebenso interessanter Vergleich mit elektrostatischen Kopfhörern, wie die Stax. Diese habe ich seinerzeit als die “natürlichsten” Wiedergabe Schallwandler am Ohr erlebt.
    Der aufgerufen Preis hats in sich, aber alles was gut ist, kostet bissl mehr:-)
    Auf jeden Fall – DANKE für den Bericht.

    Auf diesen Kommentar antworten
  2. Ich arbeite hauptberuflich als Toningenieur und habe den Hedd getestet und vergleichen mit Focal MG Professional (1.450€) und Audeze LCD-X (1.300€) sowie einem sennheiser HD600 (300€).

    Ich sehe das teilweise deutlich anders:

    Also in Sachen Auflösung braucht man nicht zu reden. Der Kopfhörer ist was die Aufteilung von Frequenzen – besonders in den Höhen – deutlich transparenter und feiner. Das hier man sofort.
    Wo der Kopfhörer aber hinter Audeze und Focal ist, das ist die Räumlichkeit und Tiefenstaffelung. Der Focal schlägt hier alle anderen um Längen. Beim Focal kann man Echos und hallräume sehr genau erkennen – und das auf ganz natürliche Art und Weise. Hier ist der Hedd auf Platz 3.

    Ich persönlich hatte beim Hedd immer das Gefühl, dass ich einen leichten Druck auf den Ohren habe ähnlich wie im Flugzeug, wodurch ich immer das Gefühl hatte, dass der Frequenz Verlauf in den Mitten etwas zu sehr zurück genommen ist. Es kann natürlich auch umgekehrt sein: durch die empfundene „Smilekurve“ der Frequenzen entsteht das Gefühl, dass man einen Druck auf den Ohren hat, weil dann nämlich genau dieser Eindruck entsteht. Ich hatte das Bedürfnis, den Kopfhörer früher abzusetzen als andere, wobei auch der Audeze und sogar der Focal spürbar auf dem Kopf liegen.
    Durch den gefühlten Mangel in den Mitten hatte ich auch eher das Bedürfnis die Kopfhörer lauter zu stellen, was bei den anderen nicht der Fall war.
    Ich würde den Kopfhörer eher in die analytische Ecke stecken.
    Die Transienten werden – wie die feine Auflösung – sensationell dargeboten. Besonders im oberen Frequenz Bereich.

    Der Focal war im Bassbereich souveräner und half mir in diesem Bereich Entscheidungen im Mastering zu treffen.

    Der Focal klingt im Vergleich sehr warm und kompakt. Er fächert einzelne Frequenzen nicht so detailliert auf wie der Hedd. Dafür bietet er aber deutlich mehr „Transparenz“ in der Räumlichkeit und der Tiefenstaffelung. Auch im Bassbereich konnte er punkten.

    Fazit: es gibt wie bei Lautsprechern nicht den perfekten Kopfhörer. Aber mit 2 Modellen, die sich gegenseitig ergänzen, kann man souverän alle wichtigen Entscheidungen für Mixing und Mastering treffen.

    Was einem nun wichtiger ist: eine hohe Auflösung im (oberen) Frequenz Verlauf) sowie blitzschnelle Impulswiedergabe, oder aber präzisere Räumlichkeit und Tiefenstaffelung sowieso einen knackigeren Subbass, das muss man selbst entscheiden.

    Anmerkung:

    Was mir bei den Hedd Kopfhörern immer wieder auffiel:
    Gute Mischungen klangen gut. Schlechte Mischungen klangen schlecht. Aber jetzt: die Vocals, die unter normalen Bedingungen (EarPods, Auto usw.) im Bereich HipHop sehr fein ausgearbeitet klangen, klangen auf dem Hedd oft nicht „schön“. Das meine ich mit analytisch. Ich hätte sie niemals so gemischt, auch wenn dieser Sound im Endeffekt als Ziel gewollt wäre. Es würde nicht „richtig“ klingen. Aber das ist eine Frage, wie man gerne arbeiten möchte! Auch längst nicht jeder Lautsprecher gefällt einem. Und das ist ja auch eine wichtige Sache. Das ist eigentlich auch eine Sache, die dem Hedd nicht negativ zugeschrieben werden darf. Obwohl er eben einen Schuss zu wenig mitten hat, wodurch diese unschöne Trennung der Vocals zum Sound entstehen kann, der weiter unten im Frequenz Bereich spielt. Die Vocals sitzt dann irgendwie oben drauf und nicht im Mix. Das ist mir besonders aufgefallen.

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