Vintage-Keyboards für Liebhaber

Arturia V-Collection 5 im Test

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Arturias Software-Nachbildungen legendärer Analog Synthesizer sind äußerst beliebt, neben der liebevollen Darstellung der Plug-in-Oberflächen gelingt es den Franzosen immer wieder aufs Neue, vor allem in klanglicher Hinsicht mit neuen Remakes zu begeistern. Aber nicht nur berühmte Analog Synthesizer gehören zum stetig wachsenden Repertoire der Software-Experten aus Grenoble – seit einiger Zeit erweitert Arturia die feine Sammlung mit ebenso legendären Vintage Keyboards. Als Komplettpaket erreicht die Arturia V-Collection 5 einen neuen Level.

VCollection

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Ich kann mich noch sehr gut an den Moment erinnern, als Arturia mit dem Moog Modular V eine neue Ära der Software-Synthesizer einläutete. Mit Liebe zum Detail nachgebildet hatte ich eine Ikone der elektronischen Musik auf meinem Bildschirm. Und in genau diesem Moment sollte sich herausstellen, dass mein damals schon betagter Power Mac ausgewechselt werden wollte – der Modular V von Arturia brauchte damals viel, sehr viel DSP-Power. Aber der Sound! Das war eine ganz neue Kategorie von Software-Synthesizer. „TAE powered“ hieß das Zauberwort – Arturias True Analog Modeling, das die Nichtlinearitäten analoger Schaltungen im Rechner nachbildet, war der Grund für einen sahnigen und kraftvollen Analog-Sound, den man vorher aus einem Audiorechner nicht gehört hatte.

Heute darf man sich freuen, denn DSP-Leistung der aktuellen Rechner ist kein Thema mehr, und den Modular V liebe ich noch immer für seine mächtigen Bässe und kantig scharfen Sequenzer-Sounds.

Inzwischen hat Arturia eigentlich alle Analog Synthis nachgebaut, die Rang und Namen haben wie z.B. Yamaha CS-80, Oberheim Matrix-12, Oberheim SEM, Roland Jupiter-8, ARP 2600 und aktuell eben das NED Synclavier, das mit Erscheinen der Arturia V-Collection 5 herauskam.


Sound&Recording – Drum Recording Special

sr_0716_1Die Sommer-Ausgabe 07-08/16 von Sound&Recording steht ganz im Zeichen der Königsdisziplin im Studio – den Schlagzeug-Aufnahmen. In unserem Drum Special haben wir über 100 Mikrofone an den Drums miteinander verglichen. Udo Masshoff gibt euch Tipps, zum Stimmen des Schlagzeugs für eure Recordings. Außerdem beschäftigen wir uns mit den Themen Drum Editing in Studio One 3, mobilen Drum Recordings und damit, wie ihr mit NI Massive einen Layer für die Kick Drum basteln könnt.

 

Weitere Themen:

  • UAD Fender `55 Tweed – Software-AMP
  • iZotope VocalSynth – Vocal Effekte aus dem Rechner
  • Zu Besuch bei Boutique-Hersteller Royer Labs
  • Mixpraxis: Rik Simpson mischt Coldplay – Hymn For The Weekend uvm.

>> Die Sound&Recording-Ausgabe 07-08/16 könnt ihr hier versandkostenfrei bestellen <<


Die neue Arturia V-Collection entwickelt sich konsequent weiter, wobei Arturia allerdings nicht allein bei den Synthesizern bleibt – es geht eindeutig in Richtung Instrumenten-Sammlung, die eine weite Auswahl an Vintage Keyboards enthält. Neu dabei sind sogar ein akustisches Klavier, dann ein Fender Rhodes und mit Hammond B-3, Farfisa und Vox Continental das komplette Orgel-Setup. Alle neuen Software-Instrumente werden per Physical-Modeling synthetisch – also nicht mittels Sampling – erzeugt und bieten dementsprechend weitreichende Möglichkeiten, die Sounds individuell zu gestalten. Dabei gehen die Möglichkeiten oft weit über die (physikalsichen) Grenzen der originalen Instrumente hinaus. Sehr spannend für kreatives Sounddesign!

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Es liegt nicht an der Farbe des Klaviers, dass man mit diesem Upright spontan John Lennons Imagine spielt. Nicht jedes Pianomodell begeistert so sehr, aber die meisten Sounds wirken authentisch.

Piano V

Physical-Modeling-Pianos – bislang kannte man das eher aus dem Toulouser Terroir von der Appellation Modarrt. Nun auch gemodelte Klaviere aus Grenoble: Piano V beinhaltet verschiedene Flügel und Klaviere, die sich in Mikrofonierung und Raumsimulation variieren lassen. Arturia setzt hier allerdings nicht auf die Editierung des Klaviermodells an sich, sondern bietet vorgefertigte Grundmodelle an – Konzertflügel mit großem und einen mit intimerem Sound. Dann Uprights und einige bewusst sehr synthetisch klingende Varianten. Die Flügel klingen für meinen Geschmack im Mittenbereich generell aber sehr künstlich.

Dennoch: Man findet an dieser Stelle in der Arturia V Collection 5 sehr inspirierende und schöne Sounds. Am besten gefallen mir die Upright-Pianos, die wirklich sehr charmant klingen!

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Stage-73 V

Bleiben wir noch beim Thema Piano. Nach dem Wurlitzer V, das Arturia vor einigen Jahren herausbrachte, kommt nun ein weiteres E-Piano hinzu – wie der Name vermuten lässt eine Simulation des Fender Rhodes. Es berücksichtigt zwei Modelle: ein 73er plus Combo-Amp und ein Suitcase inkl. Preamp und Tremolo. Dazu gibt es vier Stompbox-Effekte, die unterschiedliche Gestalt annehmen können: Compressor, Analog Delay, Phaser, Flanger, Chorus, Overdrive. Der Combo-Amp ist dem Fender Twin Reverb nachempfunden und besitzt einen gut klingenden Federhall. Allein diese Klangkomponenten klingen schon authentisch, die beiden Pianos machen da keine Ausnahme.

Die Simulation der elektromagnetischen Pianos gelingt prima, dabei lassen sich beide im Grundsound und Klangverhalten justieren. Im Edit-Mode verschwindet der Deckel und gibt den Blick frei auf die Tines und Pickups, die sich mit wenigen Potis beeinflussen lassen. Auch eine frei einstellbare Dynamik-Kurve ist vorhanden.

Und der Sound? Ich sag’s gleich: Mein Favorit ist und bleibt das Scarbee Vintage Piano von Native Instruments plus Guitar Rig – im Basisklang und im Impact hat dieser Sound mehr Substanz. Dennoch ist das Arturia Stage-73 V eine hervorragende Alternative, die vor allem klanglich weitaus viel flexibler ist und als Modeling-E-Piano vielmehr dem AAS Lounge Lizard Konkurrenz macht. Was mir am Arturia E-Piano gefällt ist die einfache Handhabung, mit der man schnell Varianten des Rhodes-Sounds zaubert, mit denen man gar gerechnet hatte. Sehr schön auch das realistische Verhalten des Tine-Modells, wenn man im Bassbereich heftige geräuschhafte Attacks herausarbeitet – dafür müsste man an einem echten Rhodes ganz schön lange herumschrauben. Einfach coole smoothe Rhodes-Sounds zu spielen geht natürlich auch – die Presets enthalten alles was man braucht.

B-3 V

Oh nee – nicht schon wieder eine B-3-Simulation! Hatten wir davon nicht genug in letzter Zeit? Arturia hat sich natürlich auch hier etwas sehr cleveres ausgedacht. Zunächst einmal bekommt man eine State-of-the-Art-Nachbildung der elektromagnetischen Orgel, mit einstellbarem Leakage, Grundrauschen, Key-Click, Leslie und allem Pipapo. Kurz gesagt: Klingt so wie man sich das für Rock bis Jazz wünscht: Voll, warm, rotzig, röchelnd, fauchend, schreiend, strahlend.

Der Kick an der B-3 V ist für mich aber die komplexe Modulations-Sektion, die die einzelnen Drawbars automatisieren kann. Das geht per LFO, komplexen Wellenformen und per Step-Sequenzer. Und so hat man Orgelsounds noch nicht gehört. Einfach einen Ton oder einen Akkord spielen und es laufen die unterschiedlichsten Spektralverläufe ab, die einen von langsam mäandernd bis zu wundersam schillernden Klangfarben völlig mitreißen. Großartig!

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Überraschend und krass: Arturias Nachbildung des Synclavier ist ideal für die Konstruktion komplex modulierter Sounds – Harmonic und FM-Synthese der Spätsiebziger mit authentischem 8-Bit-Charme.

Synclavier-V

Das Synclavier war die Produktionsmaschine der 80er – damals mit integrierten Harddisk-Recording unerschwinglich und der Vorläufer der DAW, kurzum: aus dieser Kiste kam damals eine Vision von Sound, den man nur mit futuristisch beschreiben konnte. Die erste Version des Synclavier war zunächst aber ein reiner digitaler 8-Bit-Synthesizer mit FM- und Amplituden-Synthese – und darauf hat sich Arturia konzentriert. Es bietet 12 Partials, die in Tonhöhe und Amplitudenverlauf unabhängig voneinander gesteuert werden können. Ähnlich wie mit den Drawbar-Modulationen bei der B-3 V entstehen so wundersame Klangverläufe. Darüber hinaus kann jedes Partial individuell frequenzmoduliert werden, was dann sehr krasse und harsch klingende Klänge erzeugen kann. So könnte man ganz kurz das Tonerzeugungsprinzip erklären. Es geht natürlich noch ein wenig tiefer, und man kann sich in den Möglichkeiten verlieren, mit denen sich hier die wildesten Klangverläufe konstruieren lassen. Der 8-Bit-Charme der Sounds kommt gut rüber, trotzdem haben die Sounds Größe. Absolut überraschend und einfach krass. Wer Spaß an ereignisreichen komplexen Klangkompositionen hat, ist hier genau richtig.

Vintage Keyboards Galore

Auch die Combo-Orgeln Farfisa und Vox Continental sind liebevoll von Arturia nachgebildet – sie klingen richtig gut und haben den typischen Sound der analogen, per Frequenzteiler generierten Polyfonie. Es lassen sich sogar die einzelnen Stimmen individuell tunen – ein toller Spaß und für noch mehr cheesy Sound einfach klasse! Mein Favorit unter den Vintage Keyboards ist aber das Solina String Ensemble.  Auch das kann sehr cheesy und regelrecht spröde dahersägen. Man schaltet schnell den Ensemble-Effekt ein und gibt gerne etwas Reverb hinzu – und schon hat man die typischen 70er Stringsounds. Schnell noch den Phaser-Effekt hinzu – und schon klingt’s nach Jean Michael Jarre. Er hat den Stringsound – damals wie heute – aus der Heimorgel Eminent 310, die mit der Solina-Technik ausgestattet sind. Daher findet man in dem Faltungshall auch eine Version des Federhalls dieser Heimorgel für noch mehr Klangrealismus. Außerdem spannend ist der Blick unter die Haube. Klappt die Edit-Sektion auf, hat man den Zugriff auf die komplette Klangerzeugung und kann die unterschiedlichsten Varianten des Sounds gestalten, die damals mit dem Solina gar nicht möglich waren.

Neben dem Grundsound bekommt man alle Zutaten, mit denen damals unter Zugabe von Effekten klassische Stringsounds realisiert wurden, die deutlich größer klingen als man von der einfachen String-Sektion erwarten könnte. Alles das findet man im Solina-V von Arturia wieder.

Damals waren String Ensembles für viele Elektronikmusiker die ersten polyfon spielbaren Synthesizer, und auf genau diesen Pfaden inspiriert Arturias Solina-V zu einzigartigen Synthi-Sounds, die zwischen Joy Division und Tangerine Dream einie riesige Bandbreite an tollen Klangfarben liefern.

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Fazit

Arturias neue Version der V-Collection hat sich zu einer vielseitigen Instrumentensammlung entwickelt, die längst nicht mehr „nur“ das Thema Vintage Synthesizer in den Mittelpunkt stellt. Ohne Frage sind die liebevoll nachgebildeten Analog Synthesizer längst zu Klassikern geworden wie die Originale selbst. Es ist fantastisch, so viele verschiedene Analog Synthesizer im Zugriff zu haben, wobei man immer wieder feststellen darf, wie sehr das Konzept und Layout eines Analog Synthesizers einen zu sehr unterschiedlichen Sounds leiten kann.

Bei allen Instrumenten begeistern und inspirieren viele Presets ebenso wie die erweiterten Edit-Möglichkeiten. Wenn auch Akustikpiano und Rhodes mich nicht zu Begeisterungsstürmen verleiten können, die neu hinzugekommen Vintage Keyboards können das dafür umso mehr. Die Combo-Orgeln und ganz besonders das String Ensemble sind eine Wucht. Letzteres gehört ganz sicher in jede Sammlung und ist mit dem Synclavier schon allein den Preis der kompletten Arturia V-Collection wert! Zugreifen lohnt sich jetzt, denn beim derzeitigen Einführungspreis von 399,– Euro spart man 100 Euro.

Die Installation und Verwaltung der Instrumente ist über Arturias Software Center ein Kinderspiel und geht reibungslos von statten. Alles in allem: Klasse!

 UvP/Straßenpreis 499,– Euro / Update 199,– Euro  

Weitere Infos findet ihr unter www.arturia.com!

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ein sehr schöner Test. Natürlich kann man sich in endlosen Diskussionen darüber ergehen, ob das nun wirklich nach Moog und Oberheim, etc. klingt. Darum geht es aber meiner Ansicht nach nicht. Essenziell ist die Aussage, dass sich verschieden Synthesizer-Layouts zu unterschiedlicher Herangehensweise an die Klangprogrammierung verleiten lassen. Krass gegensätzlich bspw. ein Minimoor und das Synclavier. Am Moog ist man für gewöhnlich nach ein paar Minuten fertig, am Synclavier geht zuweilen schon mal ein ganzer Nachmittag drauf.

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