Mikrofone und Recording

Re-Amping: Wozu braucht man’s?

Anzeige

Seit einigen Jahren geistert ein Wort durch die Studioszene: Re-Amping. In dieser Folge erfahren Sie, was es damit auf sich hat, und obendrauf gibt’s einen Bauvorschlag für Ihre eigene Re-Amping-Box.

Anzeige

Gewöhnlich rede ich in diesem Workshop über Mikrofone. Heute geht es darum, Voraussetzungen zu schaffen, überhaupt ein Mikrofon aufstellen zu können. Viele Signale sind ja in Ihrer DAW gewissermaßen „gefangen”. Wie soll man ein Signal mikrofonieren, das bereits im Rechner vorliegt? Moment, höre ich Sie sagen, warum sollte ich das überhaupt wollen? Ist nicht der Sinn und Zweck eines Mikrofons, akustische Signale in elektrische zu überführen, um sie dann aufzuzeichnen? Kurze Antwort: Ja, klar. Für eine umfassendere Antwort müssen wir ein wenig weiter ausholen und einzelne Fälle betrachten. Zum einen gibt es Quellen, die direkt elektrische Signale abliefern, beispielsweise Synthesizer, Orgeln, E-Pianos oder E-Gitarren.

Bild 1: So lässt sich während des Einspielens von Gitarrenspuren unauffällig ein zusätzliches Direktsignal abzwacken. (Bild: Andreas Hau)

Auch wenn Sie nur gelegentlich E-Gitarren aufnehmen, ist Ihnen bekannt, dass der direkte Weg in den Rechner nicht der geeignetste ist: Über eine DI-Box oder einen Instrumenteneingang aufgenommen, klingen E-Gitarren steril und künstlich. Es fehlt das klangformende Element eines Gitarrenverstärkers und einer Gitarrenbox. Also nimmt man E-Gitarren über den Umweg des mikrofonierten Verstärkers auf. Nur so klingt die Gitarre so, wie wir sie alle lieben: kernig, rotzig, dreckig und mit einem Schuss Chaos. Ähnliches gilt, wenn auch nicht ganz so zwingend, für E-Bass, E-Pianos und Orgeln, die man ja auch gerne mal durch Mikrofonieren eines Verstärkers abnimmt, statt den direkten Weg über ein Kabel ins Audiointerface zu nehmen. Die leichte bis mittelschwere Verzerrung und Klangformung von einem Verstärker, aber auch die „Luft” zwischen Lautsprecher und Mikrofon geben dem Klangbild seine individuelle Note.

In einigen Fällen lohnt sich ein solches Vorgehen auch für Synthesizersounds. Damit sind wir noch nicht beim Re-Amping. Aber fast. Denn oft ist es ja so, dass man einen Sound erst mal auf direktem Weg im Rechner aufzeichnet. Wenn Sie Synthesizerparts einspielen, denken Sie wahrscheinlich noch gar nicht daran, diese per Verstärkermikrofonierung aufzunehmen. Die Erkenntnis, dass dieser Klang irgendwie steril wirkt, kommt meist erst beim Mix im Zusammenspiel mit „traditionellen” Instrumenten. Signale, die niemals innerhalb ihrer Aufnahmekette „Luft bewegt” haben, klingen mitunter zu perfekt, um mit den komplex-chaotischen mikrofonierten Signalen mit all ihren Rauminformationen,Verfärbungen, Phasenschweinereien und Resonanzen harmonieren zu können. Re-Amping dieser zu perfekten Signale kann Abhilfe schaffen.

Für Gitarristen

Re-Amping ist aber gerade auch für Gitarrenanwendungen interessant. Was, wenn man das Gitarrensignal trocken und unbehandelt per DI oder Instrumenteneingang aufzeichnet und es erst dann zum Verstärker schickt? Es ergäben sich enorme Möglichkeiten: Haben Sie schon einmal Gitarrenspuren gemixt, deren Zerrgrad Ihnen zu stark oder zu gering erschien? Oder wo der Sound generell nicht stimmte? Haben Sie sich im Nachhinein schon einmal gewünscht, ein anderes Mikrofon, eine andere Mikrofonposition oder einen ganz anderen Verstärker verwendet zu haben?

All das wird mittels Re-Amping möglich. Und noch mehr: Sie könnten beispielsweise ein und dieselbe (trockene) Gitarrenspur mehrfach durch verschiedene Verstärker mit unterschiedlichen Einstellungen jagen und so durch Kombination verschiedener Sounds ganz neue Mischklänge kreieren. So lassen sich beispielsweise ganze Gitarrenwände aufbauen, indem Sie unterschiedliche Verstärkersounds im Stereopanorama verteilen. Zudem können Sie durch die zeitliche Trennung von Einspielung und Aufnahme die optimale Mikrofonposition(en) in aller Ruhe durch Ausprobieren ermitteln, ohne die Geduld Ihres Gitarristen auf die Probe zu stellen. Noch praktischer wird die Chose, wenn Sie selbst Gitarrist sind, denn nun können Sie den Verstärker einstellen und das Mikrofon verschieben, vielleicht auch noch ein zweites für den Raumklang aufstellten, während Sie selbst Gitarre spielen – bzw. Ihr Re-Amping-Clone aus dem Rechner.

Abgezapft

Wie aber kommt man am günstigsten zu diesem „nackten” Gitarrensignal. Es ist ja kaum praktikabel, die Gitarre einfach in den Instrumenteneingang Ihres Preamps/Audiointerfaces zu stöpseln, und sich dann vorzustellen, wie es wohl klänge, hätte man einen röhrenden Marshall im Rücken. Eine gängige Methode, die sehr oft für Bass-Einspielungen genutzt wird – weil man da oft noch nicht weiß, ob man sich beim Mix für das DIoder das Amp-Signal, vielleicht auch eine Mischung der beiden entscheidet – ist, das reine Basssignal per DI-Box vor dem Verstärker abzuzapfen. Die meisten DI-Boxen verfügen neben dem eigentlichen DI-Ausgang über eine zweite Ausgangsbuchse, die schlicht mit der Eingangsbuchse parallel verdrahtet ist. Diese meist „Instrument Out” bezeichnete Buchse verbindet man mit dem Eingang des Bassverstärkers. Der Bassist/Gitarrist spielt also ganz normal über seinen Verstärker, dessen Box man mikrofoniert, und man zapft ihm heimlich das Direktsignal des Instruments ab.

Bild 1 zeigt eine empfehlenswerte und durchaus bezahlbare Luxusausführung dieser Variante, nämlich mit dem Groove Tubes The Brick (Infotest in S&R 01/2008), der anders als die meisten DI-Boxen eine wohlklingende Röhrenverstärkerstufe beinhaltet, die pfundiges Signal liefert. Dieses von Bass-Aufnahmen bekannte Setup mit DI-Abzapfung des Direktsignals eignet sich auch prima für Gitarreneinspielungen.

Man legt für jede Aufnahme eine zweite Spur an, auf der man zusätzlich zum mikrofonierten Verstärkersignal das unbearbeitete trockene Instrumentensignal aufzeichnet, das man später für Re-Amping-Verwurstungen nutzen kann, sollte man beim Mix mit dem während der Einspielung aufgezeichneten Resultat nicht ganz zufrieden sein oder wenn man diese Spuren durch zusätzliche Sounds anreichern möchte.

Abseits von Re-Amping können Sie diese Spuren auch für Gitarrensimulationen wie NI Guitar Rig, IK Multimedia Amplitube oder Softube Vintage Amp Room oder Hardwaresimulanten wie z. B. den Line 6 Pod nutzen.

Umgekehrt können Sie Ihre Gitarrenspuren auch mithilfe von Gitarren-Simulationssoftware einspielen. Die besseren Audiosequenzer geben Ihnen die Möglichkeit, entweder die Plug-in-Klänge fertig als Audiospur aufzuzeichnen oder eben den nackigen DI-Gitarrenklang aufzunehmen, der dann vom Plug-in in Echtzeit in „richtigen” Gitarrensound übersetzt wird.

In Cubase beispielsweise läuft das so, dass Sie im ersteren Fall das Simulations-Plugin in einen Slot des Eingangskanals laden, während Sie im letzteren Fall das Plug-in in einem Insert der betreffenden Audiospur nutzen. Letzteres Verfahren ist für Re-Amping interessant, denn statt das Gitarrensignal von der Simulationssoftware bearbeiten zu lassen, können Sie es auch per Re-Amping in einen „richtigen” Gitarrenverstärker schicken. Dieses Verfahren bietet sich gerade für audiotechnische Heimwerker an. Sie können Ihre Gitarrenspuren zu Hause, auch in der Mietwohnung und nach Mitternacht, unter Zuhilfenahme von Simulationssoftware einspielen – zum Monitoring können Sie ja Kopfhörer verwenden – und am nächsten Tag können Sie einzelne, besonders wichtige Spuren per Re-Amping im Proberaum, im Studio oder bei Freunden mit tollen Verstärkern per Mikrofon aufnehmen.

Das Problem

Klingt alles toll, aber wenn Sie nun versuchen, den Ausgang Ihres Audiointerfaces an einen Gitarren- (oder auch Bass-, Orgel-, Keyboard-) Verstärker anzuschließen, werden Sie mit einiger Sicherheit enttäuscht sein. Und zwar aus zwei Gründen: Erstens brummt es, und zweitens zerrt es. Darüber hinaus klingt es nicht so, als würde man das betreffende Instrument direkt in den Verstärker stöpseln. Letzteres gilt vor allem für Gitarren. Woran liegt’s? Nun, ein Line-Out ist kein Instrumentenausgang.

Das Brummen entsteht, weil es fast zwangsläufig zwischen Rechner und Verstärker zu Erdschleifen kommt, u. a. weil man in den seltensten Fällen den Computer und den Gitarrenverstärker in derselben Steckdose betreibt. Aber auch dann. Gitarrenelektronik ist für Brummen und Störgeräusche aller Art sehr anfällig. Line-Signale und Instrumentensignale unterscheiden sich recht deutlich voneinander, was Sie ja schon daran erkennen können, dass man für Gitarren und Bässe spezielle Instrumenteneingänge verwendet, denn über einen normalen Line-Eingang klingen Instrumentensignale schlapp und glanzlos. Fast alle Gitarren und die meisten Bässe verwenden hochohmige Tonabnehmer mit passiver Elektronik (d. h. die Reglung besteht nur aus ein paar Potenziometern und Kondensatoren, es wird keine aktive Verstärkung vorgenommen). Im Gegensatz dazu haben Line-Outs in aller Regel eine sehr niedrige Ausgangsimpedanz und einen hohen Pegel.

Außerdem sind Line-Ausgänge oft symmetrisch. Damit ein Gitarrenverstärker das bekommt, was er von einer E-Gitarre gewohnt ist, und entsprechend reagiert, müssen wir also eine hochpegelige, niederohmige, symmetrische Quelle in ein schwächeres, hochohmiges und unsymmetrisches Signal überführen. Aus audiotechnischer Sicht eine echte Degradierung, denn die meiste Studioelektronik tut genau das Umgekehrte, nämlich leise, störanfällige Signale in robuste Line-Signale umwandeln, die schadlos auch lange Kabelstrecken überstehen. Re-Amping ist aus Sicht eines „traditionellen” Toningenieurs also widersinnig.

Aber so ist nun mal der Rock’n’Roll: Chaos, Verzerrung, Klangmanipulation, Dreck – jede Quälerei des Audiosignals rechtfertigt die simple, rein subjektive Erkenntnis, dass das Resultat geil klingt.

Die Lösung

Was wir benötigen, ist also ein Gerät, das von „gut” (symmetrisch, niederohmig, hoher Pegel) nach „böse” (unsymmetrisch, hochohmig, relativ leise) wandelt und gleichzeitig Brummschleifen eliminiert. Obwohl die Idee des Re-Ampings nicht ganz neu ist, gibt es erstaunlich wenige Produkte, die diese Aufgabe übernehmen. Nicht wenige Toningenieure bzw. deren Assistenten haben in der Vergangenheit selbst entsprechende Geräte gebastelt. Die bekanntesten kommerziellen Lösungen stammen von der Firma Radial Engineering, die mit dem X-Amp eine aktive Re-Amping-Box anbietet, Kostenpunkt etwa 200 Euro.

Im Folgenden möchte ich Ihnen eine Selbstbaulösung beschreiben, die Ihnen einen kostengünstigen Einstieg in die Welt des ReAmpings bietet. In der einfachsten Variante kostet Sie das Gerät etwa 25 Euro in Bauteilen. Die Luxusvariante, die noch ein paar sinnvolle Extras bietet, kostet nur wenig mehr, ist aber ein wenig kniffliger im Aufbau. Beginnen wir mit der Minimalvariante. Diese besteht nur aus ein paar Widerständen und einem Übertrager. Ich habe mich bewusst auf kostengünstige und leicht zu beschaffende Bauteile beschränkt. In Sachen Übertrager ist hier die Auswahl nicht allzu groß. Fündig wurde ich bei der Firma Neutrik, die einen kleinen Übertrager im Sortiment führt, den Sie u. a. über Conrad Elektronik beziehen können.

Für unsere Re-Amping-Box bietet sich ein Übertrager mit hohem Step-up-Verhältnis an, weshalb ich mich für das Modell NTE 10/3 entschieden habe (Artikelnummer 515964, € 11,95). Dieses Modell kann entweder als 1:3- oder als 1:10-Übertrager eingesetzt werden, wobei sich für unsere Zwecke die 1:10-Konfiguration anbietet.

Wie Sie vielleicht noch aus früheren Folgen in Erinnerung haben, steigt die Impedanz (in etwa) im Quadrat des Übersetzungsverhältnis, bei 1:10 also um den Faktor 100. Interessanterweise ist es gar nicht so einfach zu sagen, wie hoch die Ausgangsimpedanz überhaupt werden soll, bzw. wie hoch die Impedanz eines passiven Gitarrentonabnehmers ist, die wir ja imitieren möchten. Gitarristen reden oft von Tonabnehmerimpedanzen, meinen aber den leicht zu messenden Gleichstromwiderstand. Der liegt meist bei 5 bis 20 Kiloohm, was aber nichts zu sagen hat.

Impedanz wird zwar auch in Ohm angegeben, ist aber kein Gleichstrom-, sondern ein Wechselstromwiderstand. Zudem ist Impedanz eines Tonabnehmers stark frequenzabhängig: Glaubhaften Studien zufolge erreicht der Tonabnehmer einer Fender Stratocaster im Bereich seiner Eigenresonanz Impedanzspitzen im Mega-Ohm-Bereich! So genau kann eine Re-Amping-Box einen Gitarrentonabnehmer nicht nachbilden, aber in der Praxis tut’s auch eine weitgehend frequenzunabhängige Impedanz im zweistelligen Kiloohm-Bereich.

Bild 2: So verhält sich der kleine NeutrikÜbertrager bei verschiedenen Quellimpedanzen von 150 bis 470 Ohm. Die Klangbeeinflussung lässt sich kreativ nutzen. (Bild: Andreas Hau)

Unser Neutrik-Übertrager ist für Quellimpedanzen von 200 Ohm ausgelegt und würde damit auf der Sekundärseite eine Impedanz von rund 20 Kiloohm erreichen. Meinen Experimenten zufolge kann man die genannte Quellimpedanz noch ein gutes Stück überschreiten. Das bietet sich sogar an, um kreative Klangveränderungen zu provozieren. Bild 2 zeigt den Frequenzverlauf bei verschiedenen Quellimpedanzen. Wie Sie sehen, wird der Klang bei steigender Impedanz mittiger, und genau das lässt sich nutzen, um z. B. einen drahtigen Single-Coil in einen fett klingenden Humbucker zu verwandeln. Passend dazu habe ich die Schaltung der kleinen Re-Amping-Box so angelegt, dass der Ausgangspegel mit steigender Impedanz lauter wird, denn ein typischer Humbucker ist ja deutlich lauter als ein üblicher Single-Coil, bringt den Verstärker also stärker ins Schwitzen.

Dem Übertrager als Herzstück unserer Re-Amping-Box ist ein Pad vorgelagert, das einerseits den Pegel reduziert, andererseits eine feste Quellimpedanz liefert, denn Line-Ausgänge können diesbezüglich stark variieren. Von einstelligen Ohmzahlen bis 1.000 Ohm ist alles drin. Das würde unsere Re-Amping-Box aber durcheinanderbringen. Der feste Widerstand zwischen den beiden Eingangsdrähten des Übertragers definiert die Quellimpedanz weitgehend unabhängig vom eingangsseitig angeschlossenen Gerät. Gleichzeitig dient das Pad natürlich der Pegelreduktion, denn erstens wäre der volle Line-Pegel zu viel für einen Gitarrenverstärker, zweitens ist der Neutrik-Übertrager unfassbar winzig, was bedeutet, dass er gerade im Bassbereich nicht mit allzu viel Pegel konfrontiert werden sollte, da es sonst zu Verzerrungen kommt. Meinen Messungen zufolge kommt er mit den um das Pad reduzierten Line-Pegeln aber gut zurecht. Je nachdem, ob Ihr Audiointerface symmetrische oder unsymmetrische Ausgänge hat, können Sie die Pegelreduzierung entweder als L-Pad oder als U-Pad aufbauen.

Bild 3: Der Minimalaufbau der Re-Amping- Box mit unsymmetrischem Eingang (Bild: Andreas Hau)

Bild 3 zeigt den Minimalaufbau mit unsymmetrischem Eingang, hier liegt ein großer Widerstand R1 in Serie mit der Signalader, und ein kleiner Widerstand R2, der die Quellimpedanz bildet, liegt parallel zur Primärspule des kleinen Übertragers. Beachten Sie, dass die Masse der Eingangsbuchse nicht mit dem Gehäuse verbunden sein darf, sondern nur mit dem Übertrager. Verwenden Sie für den Eingang unbedingt eine Kunststoff-Klinkenbuchse!

Für die Minimalversion benötigen Sie nur die wenigen Bauteile links. Mit ein paar zusätzlichen Potis und Kondensatoren (rechts im Bild) können Sie der Schaltung zusätzliche Klangvariationen entlocken.

Die Sekundärspule ist mit der Ausgangsbuchse verbunden. Hier können Sie eine Metall-Klinkenbuchse verwenden, die das Gehäuse mit der Masse des Gitarrenverstärkers verbindet. Es soll also schon eine Masseverbindung zum Metallgehäuse bestehen, aber eben nur an einer Seite, da sonst Brummschleifen entstehen. Der blaue Draht für die 1:3-Abzapfung bleibt unberücksichtigt. Knipsen Sie ihn ab, oder kleben Sie ihn irgendwo fest, wo er keinen Kontakt zu irgendetwas anderem bekommt (auch nicht mit dem Gehäuse!).

Bild 4: Der Minimalaufbau mit symmetrischem Eingang

Bild 4 zeigt den Aufbau mit symmetrischem Eingang. Hier liegen Widerstände in Serie mit beiden Signaladern. Die Abschirmung wird nicht angeschlossen; das Kabel ist dennoch geschirmt, weil es ja über die Ausgangsbuchse vom Audiointerface mit Masse verbunden ist. Ansonsten ist der Aufbau identisch mit der unsymmetrischen Variante.

Mehr Extras

 

Bild 6: In der Deluxe-Variante können Sie die Ausgangsimpedanz erhöhen – der Sound wird lauter und fetter – und verfügen wie bei einer Gitarre über ein Volume- und einen Tone-Regler zur Klangabstimmung.



Bild 6 zeigt, wie Sie, wie oben beschrieben, die Ausgangsimpedanz Ihrer Re-Amping-Box variabel gestalten können, indem Sie den Widerstand parallel zur Primärspule veränderbar machen. Sinnvoll ist nach meinen Experimenten ein Wertebereich von etwa 100 bis 600 Ohm. Wenn Sie sehr mittige Sounds mögen, können Sie auch noch etwas höher gehen, niedrigere Werte als 100 Ohm bieten sich nicht an, weil der Pegel dann zu sehr absinkt; bei Null ist logischerweise das Signal komplett stummgeschaltet.

Praktikabel ist daher ein 470-Ohm-Poti (linear) in Serie mit einem 100-Ohm-Widerstand. Je nachdem, wie hoch der Ausgangspegel Ihres Audiointerface ist, können Sie kleinere oder größere Widerstandswerte für den bzw. die Serienwiderstände verwenden. Für leisere Geräte mit –10 dBV Pegel bietet sich ein Wert im Bereich 5 Kiloohm an, für lautere können es Werte bis etwa 20 Kiloohm sein. Probieren Sie am besten zuerst 10 Kiloohm und vermindern oder erhöhen Sie den Wert, je nachdem, ob das Ausgangssignal für Ihren Gitarrenverstärker zu leise oder zu laut ist.

Da unsere Re-Amping-Box ja quasi eine virtuelle, zeitversetzte Gitarre darstellt, bietet es sich an, auch die üblichen Regelmöglichkeiten einer Gitarre zur Verfügung zu haben. Warum also nicht Lautstärke und Klangregler hinzufügen? Zumal der Lautstärkeregler einer Gitarre anders mit dem Signal interagiert, als wenn Sie z. B. den Pegel im Computer oder im Audiointerface reduzieren. Gitarristen kennen dieses Phänomen: Normale Lautstärkeregler schlucken etwas Höhenfrequenzen, machen den Klang milder. Was manchmal angenehm ist. Viele Gitarristen hätten gern das Umgekehrte, nämlich dass der Klang beim Zurückdrehen des Lautstärkereglers etwas heller wird.

Eine beliebte Schaltungsvariante ist daher ein kleiner Trick, den Fender mit der Telecaster einführte, der aber seitdem von vielen Herstellern übernommen wurde bzw. der viele Gitarristen selbst zum Lötkolben greifen lies. Verbindet man nämlich den Schleifer und das Ende des Potis mit einem kleinen Kondensator (z. B. 1 nF), können die Höhenfrequenzen quasi ungeregelt am Lautstärkepoti vorbeihuschen: Je weiter man den Regler zurückdreht, desto heller wird der Sound. Das ist sehr nützlich, um mit einem Verstärker ohne Kanalumschaltung von einem angezerrten mittigen Sound zu einem cleanen hellen Sound zu wechseln.

Viele klassische Gitarrensounds zwischen clean und crunch wurden durch zurückgedrehte Lautstärkepotis realisiert. Warum also nicht ein solches an unsere Re-Amping-Box anflanschen? Ähnliches gilt für das klassische Tone-Poti. Für besonders runde, jazzige Klänge ist eine gut funktionierende passive Tonblende oft viel brauchbarer als die vielen Regler eines Gitarrenverstärkers oder tausend Plug-ins in der Nachbearbeitung. Andererseits muss man nicht alles sklavisch nachbauen. Viele Gitarren besitzen ineffektive Tone-Potis, die erst gar nicht regeln, und dann wird’s schlagartig dumpf bis stockfinster. Die Tonblende unserer Re-Amping-Box funktioniert prinzipiell genau wie die üblichen Tone-Potis, sie ist nur etwas geschickter dimensioniert. Ein logarithmisches Poti sorgt für eine weiche Regelcharakteristik, und der etwas kleinere Kondensatorwert von 5,6 nF (sonst üblich sind 10 bis 50 nF) sorgt dafür, dass man selbst, wenn das Poti ganz zurückgedreht ist, einen milden, aber immer noch brauchbaren Ton erhält. Die Stärke der Wirkung des Tonreglers ist übrigens vom Impedanzregler abhängig: Je höher die Impedanz, desto mehr Höhen schluckt die Tonblende. Weil – Gitarristen wissen das – Tonregler und Lautstärkeregler auch voll aufgedreht den Klang ein wenig beeinflussen, aber auch um ein exakt reproduzierbares Setting zu haben, habe ich außerdem einen Schalter vorgesehen, der beide Regler aus dem Signalweg nimmt.

In meiner privaten Version habe ich dazu ein Poti mit eingebautem Schalter verwendet, wie Sie es vielleicht von Muttis Küchenradio kennen. Wenn Sie audiophil sind, können Sie auch einen separaten Schalter einbauen, der eingebaute Poti-Schalter sitzt nämlich eigentlich an der ungünstigen Position, wenn man das Poti zurückdreht. D.h. dass real ein gewisser Restwiderstand im Signalweg existiert, der den Klang ein wenig beeinflusst und den Pegel um knapp 1 dB absenkt. Ein separater Schalter erfordert aber eben ein zusätzliches Loch im Gehäuse.

Tipps für den Zusammenbau

Die Fertigung des Gehäuses ist tatsächlich auch die größte Herausforderung dieses kleinen Bastelprojekts. Für meine Luxusversion habe ich mich für ein Aluminiumgehäuse aus dem Conrad-Katalog entschieden (Artikelnummer 541630, € 11,63).

Die Gehäusebearbeitung gehört zu den etwas schwierigeren Übungen. Machen Sie sich Markierungen, und bohren Sie die großen Löcher für Buchsen und Potis mit einem kleinen Bohrer vor.

Das Gehäuse ist sehr massiv, erfordert aber auch eine einigermaßen kräftige Bohrmaschine, denn für die Klinkenbuchsen benötigen Sie einen Metallbohrer von 11 mm und für die üblichen Potis einen mit 10 mm Durchmesser. Mit dünneren Gehäusen dürfte der mechanische Teil etwas leichter fallen. Die Minimalvariante können Sie prinzipiell frei verdrahten, es sind ja nur zwei bis drei Widerstände und ein Übertrager. Für die Variante mit Reglern habe ich mich für eine kleine Lötleiste entschieden (bei Conrad Artikelnummer 532339, € 1,22 – nein, ich bekomme keine Prozente!) und diese mit einer Schraube und zwei Muttern als Abstandhalter am Gehäuse befestigt (s. Bild 8).

Bild 8: Eine Lötleiste erleichtert den Aufbau. Achten Sie darauf, dass die Kontakte nicht das Metallgehäuse berühren.

So wird der Aufbau übersichtlicher, und gleichzeitig können Sie die Schraube als Masseverbindung zum Gehäuse verwenden. Beim Verdrahten der Potis empfiehlt es sich, das Volume- und das Tone-Poti so zu drehen, dass sich die Anschlüsse gegenüberstehen. So lassen sie sich ohne Umwege miteinander verdrahten. Markieren Sie sich die Anschlüsse der Potis mit A = Anfang, S = Schleifer und E = Ende, um Verwechslungen zu vermeiden. Wenn Sie nach Bild 9 vorgehen, kann nicht viel passieren. Wie Sie sehen, habe ich so ziemlich alles beschriftet, und am besten tun Sie das auch (ein CD-Marker eignet sich wunderbar). Man verwechselt nämlich nur allzu leicht die Reihenfolge der Potis, weil man ja nun von unten auf die Regler schaut. Beachten Sie den zusätzlichen Schalter auf dem Volume-Poti (Bild 10). Bild 11 zeigt die fertige Re-Amping-Box. Wie Sie unschwer erkennen, habe ich den Impedanz-Regler mit „Balls” beschriftet. Denn was Impedanz ist, weiß so gut wie niemand, was unter „Balls” zu verstehen ist, ist allgemein bekannt, spätestens seit Olli Kahn das mal im TV erklärt hat.

So wird das Ganze verlötet. Beschriftungen mit einem CD-Marker beugen Verdrahtungsfehlern vor.

Fertig !

So, das wär’s für heute.

Bild 10: Die Verdrahtung von Volumeund Tone-Poti in Großaufnahme aus verschiedenen Perspektiven

 

So sieht das gute Stück fertig aus.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit ihrer Re-Amping-Box und bin überzeugt, dass Sie viele gute Anwendungen für sie finden. Glauben Sie mir, alleine das wundersame Erlebnis, einen Gitarrenverstärker wie von Geisterhand sozusagen autark Gitarrentöne spielen zu hören, ohne dass ein Gitarrist anwesend ist, ist schon das Eintrittsgeld wert.

Diese (und noch mehr) Klangvariationen bietet die Deluxe-Version durch verschiedene Impedanz-Settings und verschiedene Einstellungen der Volume- und Tone-Regler.

 

Und vergessen Sie nicht, dass man nicht zwangläufig nur E-Gitarren durch einen Gitarrenverstärker jagen darf. Wie wär’s mit einer Akustikgitarrenspur oder einem Rhodes-Sound, frisch aus dem Plug-in gepresst? Immer rein in die Röhre! Oder eine cheesy Drummachine, über einen Gitarrenverstärker mit schepprigem Federhall, vielleicht mit einem Raummikrofon abgenommen und dem Direktsignal als Lo-Fi-Reverb beigemischt? Da geht einiges!

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Danke für den tollen Artikel ! Schade, dass die Grafiken so schlechte Auflösung haben, dass man den Text der Legende (Kurvenbezeichnungen) nicht lesen kann.

    Auf diesen Kommentar antworten
  2. Hallo. Danke für den interessanten und Artikel und die vielen Hintergrundinfos.
    Bin gerade dabei, das Ding mir zu bauen. Dabei kamen mir ein paar Fragen:
    -Bild 4 und 4 sind identisch. Das kann doch wohl nicht sein, denn worin liegt dann der Unterschied zwischen symmetrisch und unsymmetrisch?
    – wenn ich die Schaltung in Bild 6 mit dem Foto der fertigen Box vergleiche, sin dort am 470Ω Pott ES und A vertauscht. Was stimmt nun?

    Auf diesen Kommentar antworten
  3. Du meine Güte! Ich wollte hier das Re-Amping erklärt bekommen und keine Doktorarbeit lesen …

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar zu Robert Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.