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Mixing Tutorial: Wie man ein Streichorchester mischt

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(Bild: Dirk Heilmann)

Ob für Klassik, Filmmusik oder für z. B. einen Popsong: In vielen Musikgenres werden heutzutage Orchester eingesetzt, um die emotionale Wirkung der Musik zu verstärken und das Ganze größer und epischer klingen zu lassen. Oft weiß man aber gar nicht, wie sich ein solches Orchester zusammensetzt oder aufgenommen wird, und oft auch nicht, wie man damit im finalen Mix umgehen soll. Meistens ist man mit den vielen Spuren überfordert, und das Resultat ist ein unnatürlicher Klang durch die viel zu starke Bearbeitung. In dieser Folge schauen wir uns typische Aufnahme- und Bearbeitungspraktiken bei einem Streichorchester einmal genauer an.

Auch wenn nicht jede Band, jeder Musiker, Produzent & Mixer täglich mit einem großen Orchester zu tun hat, ist es aus meiner Sicht trotzdem unglaublich hilfreich, ein Grundverständnis für den Umgang mit einem solchen Ensemble zu haben. Ein Orchester ist, einfach ausgedrückt, ein einziges, in sich abgestimmtes Instrument. D. h., alle einzelnen Musiker sind im Grunde nur Teil eines großen »Ganzen«.

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Klassisch wird das Orchester als ein Instrument hauptsächlich mit z. B. einer ORTF- oder AB-Anordnung (2 Mikrofone), einem Decca Tree (3 Mikrofonen) oder einer Kombination aus mehreren Anordnungen aufgenommen. Immer aus der Zuhörersicht. So bekommt man ein relativ genaues und stimmiges Abbild von dem gesamten Orchester. Auf diesen Hauptmikrofonen kann man sowohl die richtige Verteilung der Instrumente im Stereobild als auch den Gesamteindruck (Lautstärkeverhältnisse und gespielte Dynamik) des Orchesters im Raum erkennen. Deswegen sollte man vor der Aufnahme für die richtige Sitzordnung der Musiker bzw. Instrumentengruppen sorgen, denn es wird fast unmöglich, diese im Mix nachträglich zu verändern. Für Filmmusik oder eher klassische Anwendungen würde man z. B. ganz links mit den 1. Geigen anfangen und über die 2. Geigen, Bratschen, Cellos und Kontrabässe nach rechts gehen. Das kann aber für die Verwendung in z. B. einem Popsong auch leicht variiert werden.

Zusätzlich zu den Hauptmikrofonen werden die einzelnen Instrumentengruppen (und manchmal auch einzelne Musiker) mit weiteren Mikrofonen (Stützmikrofonen) aufgenommen. Somit hat man im Mix die Möglichkeit, das Verhältnis zwischen den Instrumenten zu verändern. Das könnte sehr hilfreich sein, wenn man in bestimmten Passagen z. B. die Kontrabässe verstärken möchte, um dem Ganzen etwas mehr Druck zu verleihen, oder wenn man die Geigen etwas lauter im Mix haben möchte, um das Ganze etwas schöner aufgehen zu lassen. Manchmal hat man auch einfach das Problem, dass einige Instrumente durch den Abstand zu den Hauptmikrofonen zu räumlich klingen. In diesem Fall könnte man sich mehr auf die Stützmikrofone verlassen, da diese deutlich näher an den Instrumenten stehen und damit auch viel trockener klingen.

Grundsätzlich hat das Mixen eines echten Orchesters sehr viel mit dem »Blenden« der Haupt- und der Stützmikrofone und Automation zu tun und weniger mit dem starken Bearbeiten der einzelnen Instrumente mit einem EQ oder Kompressor. Eine Orchesteraufnahme hat sehr viel Übersprechen, da die Instrumente mit einem gewissen Abstand mikrofoniert werden, um ihren natürlichen Klang zu behalten. Deswegen wirkt sich die Bearbeitung einer bestimmten Spur zwangsläufig auch auf die anderen Instrumente innerhalb des Orchesters aus. Bei einer solchen Aufnahme kommt man gerne mal auf insgesamt 6 bis 25 Mikrofone. Und das nur für Streicher. Das Ganze kann natürlich deutlich größer werden, wenn Bläser und andere Instrumente dazukommen. Im Mix verwendet man aber vor allem die Hauptmikrofone und fügt die Stützmikrofone meist nur relativ leise hinzu. Es sei denn, es ist etwas schiefgelaufen oder man hat ein Soloinstrument.

Für unser Beispiel hatte ich eine Streicheraufnahme, die für einen Popsong gemacht wurde. Dieses vergleichsweise kleine Orchester bestand aus 1. Geigen, 2. Geigen, Bratschen, Cellos und Kontrabässen. Keine Instrumentengruppe hatte mehr als sechs Musiker. Mikrofoniert wurde das Ganze mit einem Decca Tree, zwei AB-Pärchen und zwölf zusätzlichen Stützmikrofonen. Beim Mix habe ich mich vor allem für das Decca Tree entschieden und die Stützmikrofone nur ganz leise beigemischt, weil keines der Instrumente besonders im Vordergrund stehen musste, sondern das Orchester eher den Gesang und die Instrumente der Band unterstützen sollte.

Der UAD Fairchild 670 war der einzige Kompressor auf dem gesamten Orchester. Der UAD Manley Massive Passive wurde benutzt, um vor allem die Höhen zu boosten, und mit dem UAD Oxford Inflator wurden diese zusätzlich noch etwas gesättigt. Der UAD Lexicon 224 Reverb ließ das ganze Orchester noch etwas größer klingen, indem er den Ausklang deutlich verlängert hat.

Nachbereitung

Als Allererstes stand das Editieren der verschiedenen Takes auf dem Programm. Das Orchester hatte die verschiedenen Songpassagen in mehreren Durchläufen gespielt. Bei jedem Take wurden Kleinigkeiten vom Dirigenten angepasst oder alternative Versionen angeboten. Nachdem die besten Teile zusammengeschnitten wurden, ging es an das eigentliche Mischen.

Alle Spuren wurden auf einem Stereobus zusammengefasst und dort gemeinsam bearbeitet. Hier habe ich vor allem mit dem UAD Manley Massive Passive die Höhen ab 12 kHz ordentlich geboostet und ein wenig das Fundament um 100 Hz verstärkt. So klingt das Ganze durch die Höhen etwas schicker und durch den Bass auch größer. Ansonsten kam noch ein UAD Fairchild Kompressor zum Einsatz, um das Orchester an einer etwas lauteren Stelle im Song zu kontrollieren und maximal 1,5 dB zu komprimieren. Generell würde ich davon abraten, Streicher zu stark zu komprimieren, denn das kann sie ganz schnell leblos und »klein« klingen lassen.

Zum Schluss kam bei unserem Mix noch der UAD Oxford Inflator zum Einsatz, um die Streicher in den Höhen ein wenig zu sättigen. Im Screenshot sieht man, dass der Curve-Regler fast ganz oben bei +43,6 und der Effekt-Regler bei über 52% steht. Das ist schon relativ viel Sättigung. Aber in diesem Fall klangen die Streicher dadurch deutlich lebendiger, ohne dass es unschöne Nebenwirkungen gab. Da der Song eine seichte Pop Ballade ist, habe ich die gesamten Streicher noch zusätzlich in einen künstlichen Hall geschickt. Dafür kam das UAD Lexicon 224 zum Einsatz. Das gab den Streichern eine schöne Länge im Ausklang und ließ sie noch etwas emotionaler wirken.

Leider kann man bei Streichern nicht mehr so viel im Mix reparieren wie z. B. bei einem Schlagzeug. Deswegen muss man sich auch schon sehr viele Gedanken bei der Aufnahme machen und vor allem das Ganze als ein Instrument sehen, um einen ausgewogenen Sound zu bekommen. Das gilt natürlich nur für aufgenommene und nicht für programmierte Orchester – dort sind die Spielregeln etwas anders. Aber die sind auch alle sehr gut aufgenommen, und man kann sie so programmieren, wie man sie braucht. Somit entfällt hier das Mixen fast komplett.

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