Studiotipps: Kniffe, die die Welt verbessern

Mixing Tipps: Grenzen setzt nur unser Kopf

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Ohne eine Vision kann man nicht mischen. Das ist eigentlich logisch — wenn ich nicht weiß, wohin ich mit einem bestimmten Sound will, werde ich mit dem Mix wahrscheinlich nie fertig. Aber wie bekommt man eine Vision und ein Gefühl dafür, wohin die Reise gehen könnte? Woher weiß ich, wann eine Aufnahme gut genug ist?

Im Studio mit Björn Bohjar

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Jeder von uns hat sicher ein paar LieblingsCDs, die wir als Referenz ansehen und mit unseren Songs vergleichen. Das ist wichtig, gerade weil unsere Ohren sich an einen Sound sehr gut anpassen können. Mit der Zeit klingt eben alles ganz gut, und ohne einen direkten Hörvergleich wundern wir uns am nächsten Tag oder in anderer akustischer Umgebung sicher manchmal, was wir da fabriziert haben.

In den Studiotipps habe ich schon einige Tricks genannt, um unser Ohr zu überlisten. Sei es, dass wir alle Plugins einer Spur deaktivieren, die Lautstärke bei Bearbeitungen reduzieren oder mehrere Bearbeitungen gezielt mit der Variante ohne Bearbeitung vergleichen. Beinahe ebenso wichtig ist aber auch, ein Ziel im Hinterkopf zu haben. Wie kann so eine Spur denn eigentlich klingen? Wie klingt solch eine Aufnahme im Optimalfall? Das ist bisweilen schwierig zu sagen, weil wir beim Vergleichen unserer Referenz-Tracks selten die Einzelspuren hören, sondern ein fertig produziertes und gemastertes Endergebnis.

Übung macht den Meister

Es gibt im Internet etliche Seiten, wo du Multitrack-Aufnahmen kompletter Songs herunterladen kannst. Eine solche Seite ist die Seite von Telefunken Elektroakustik, und sie ist eigentlich dafür gedacht, unterschiedliche Nuancen edler Telefunken-Mikrofone und hochwertiger Preamps aufzuzeigen: Manley, Neve, API etc. − die Tracks sind allesamt mit bestem Equipment aufgenommen! Es sind jeweils unterschiedliche Kombinationen, sodass sich die Tracks später in deinem Audiosequenzer miteinander vergleichen lassen. Zudem gibt es immer einen einfachen Mix, damit du schon eine grobe Vorstellung des fertigen Songs bekommst.

Das Interessante daran: Die Tracks zeigen zum einen die Nuancen des eingesetzten Equipments, aber vor allem auch, dass ein Song mitnichten fertig ist, nur weil er mit hochwertigem Profi-Equipment aufgenommen ist! Mische die Songs nach deinem Geschmack, und entdecke die Unterschiede, warum eine bestimmte Aufnahme vielleicht besser in deinen Mix passt als eine andere. Und dann erkunde, ob du die anderen Spuren eventuell so anpassen kannst, dass sie im Mix funktionieren.

Das klappt oft recht gut, zumindest lassen sich die Unterschiede stark minimieren. Dieses Training hilft, denn häufig fehlt uns einfach ein professionelles Beispiel zum Vergleich. Brauchst du wirklich neues Equipment, oder gibt es andere Dinge, die du zuerst ausprobieren kannst?

Da überspricht ja auch alles

Ein Beispiel wäre von obiger Webseite etwa die Bassdrum im Song Rise Up Singing von Jackie Greene. Das legendäre U47 vor der Bassdrum nimmt auch unheimlich viel vom Rest des Schlagzeugs mit auf. Aber der Sound der Bassdrum ist klasse! Mische die beiden Mikros zusammen, komprimiere die Aufnahmen und programmiere ein frequenzselektives Gate − schon ist der Sound selbst isoliert perfekt! Anstatt bei deinem nächsten Song eine maximal mög – liche Trennung zwischen den Signalen zu erreichen, versuche lieber, einen ebenso natürlichen Sound der Bassdrum einzufangen, und nimm dir vielleicht diese Spur als Referenz. Auch wenn du kein U47 und keinen Manley-Preamp zur Verfügung hast − zumindest in die klangliche Richtung wirst du auch mit anderem Equipment kommen!

Vocals nach vorne

Um die zentralen Gesangsspuren einer Mischung weiter nach vorne zu holen, gibt es viele legendäre Tricks mit High-EndStudiotechnik. Einer ist beispielsweise, die Aufnahme recht drastisch zu komprimieren und auch zu verzerren. Das Ganze klingt für sich genommen völlig unbrauchbar, aber das komprimierte Signal wird dem Original lediglich dezent hinzugemischt. Im Ergebnis führt es dazu, dass die Aufnahme weiterhin natürlich klingt, aber die Sprachverständlichkeit wird durch das Anheben der Attacks erhöht und die Lautstärke wirkt insgesamt ausgeglichener.

In der letzten Zeit habe ich gerade für diese Aufgabe das Plugin DC8C 2 von www.klanghelm.com wieder entdeckt. Als Basis kann man das Preset “Lead Vocal Crunch” benutzen und dort in den Easy-Modus zurückschalten. Der Mix-Knopf gehört beim Einstellen der Kompression auf 100 % − wir wollen ja erst mal hören, was wir dort schrauben. Je nach Stimme mag ich insbesondere die Smooth- und Punch-Einstellung des Kompressors, die verzerrt die Stimme dezent und doch angenehm. Treshold und Ratio nun auf das Eingangssignal abstimmen, und dann abschließend drastisch den Mix-Knopf reduzieren.

Die klanglichen Ergebnisse stehen legendärer Hardware für diesen Zweck in nichts nach, und dabei kostet der Kompressor gerade mal 20 Euro!

>> Studiotipps: Kniffe, die die Welt verbessern – Klingt das jetzt besser oder schlecht? <<

Der Bassbereich

Die Abstimmung zwischen Bassdrum und Bass kann bisweilen etwas tricky sein. Wahrscheinlich routest du beide Signale ohnehin am Ende auf einen gemeinsamen Bus und komprimierst diese gemeinsam? Auch dort gibt es viele legendäre Studiotricks, aber ich möchte hier mal einen ganz einfachen Weg verraten, sofern du den SPL Transient Designer oder ein vergleichbares Plugin in deiner Sammlung hast. Den SPL Transient Designer gibt es übrigens nicht nur als Hardware-Original und als Plugin für die UAD-Plattform, sondern unter www.plugin-alliance.com auch als natives Plug in.

Füge dieses Plugin jeweils als letzte Instanz deiner Bass-Spuren ein, und route die Klänge danach auf einen gemeinsamen Kompressor. Mit dem Transient Designer kannst du den Attack und die Sustain-Phase deiner Sounds perfekt auf die nachfolgende Kompression abstimmen. Auf manche Peaks reagiert der Bus-Kompressor vielleicht zu stark, die kannst du mit dem Plugin vorher entschärfen und somit einen sehr gut abgestimmten Bassbereich erhalten. Du sparst dir mit diesem Trick die Fummelei mit weiteren Kompressoren oder EQs, nur um manche Sounds zu entschärfen oder nach vorne zu mischen.

Sounds in einen Mix einbetten

Manche Sounds sind recht schwierig in einen Mix einzubetten. Eine hohe Flöte schneidet sich oft durch ein noch so dichtes Playback − oder sie ist auch gleich zu leise! So mancher Sinus-Leadsound vom Synthesizer erleidet das gleiche Schicksal. In vielen großen Studios gibt es für solche Sounds beispielsweise ein Preset im Eventide H3000, mit dem man das Signal verzögert durch einen Stereo-Pitch-Shifter jagt. Die Attack-Phase des Sounds bleibt dann unbearbeitet, die Modulationen setzen erst später ein und zerstreuen das Signal lediglich in der Sustain-Phase ein wenig. Der Klangeindruck geht dann in Richtung eines sehr, sehr dezenten Vibratos. Im Mix geht der Effekt als solcher beinahe unter, schaltet man ihn jedoch weg, sticht das Signal wieder aus dem Mix heraus.

Falls du das Eventide H3000-FactoryPlugin besitzt, gibt es dort mit dem Preset Mini-Pitcher eine gute Basis. Reduziere dort einfach die Mix-Intensität, passe den PitchShifter an deine Vorstellung an, und mische die Bearbeitung lediglich dezent deinem Signal hinzu. Aber auch mit anderen Plugins lässt sich dieser Effekt nachbauen. Mit dem Metaplugin von www.ddmf.eu klappt das beispielsweise mit einem beliebigen Delay und Pitch-Shifter aus deiner Plugin-Sammlung. Je nach Mix und angestrebtem Sound-Ideal eignet sich als Delay auch ein Ping-Pong-Delay − wichtig ist nur, dass die Attack-Phase des Sounds unbearbeitet bleibt. Der Stereo-Pitch-Shifter sollte das Delay-Signal abschließend in der Stereobreite zerstreuen − eine Seite +9 Cent nach oben, die andere −9 Cent zu stellen nach unten ist ein ganz guter Ausgangspunkt für solche Experimente.

Fazit

Um eine Vision zu entwickeln, muss man erst einmal wissen, wie eine Referenz denn klingen könnte, und sich auch trauen, diese Klänge in die gewünschte Richtung zu bearbeiten. Vielleicht kommt deine Aufnahme nicht ganz an die Profi-Version heran, aber alleine schon das Hören und Vergleichen trainiert unsere Wahrnehmung und sorgt dafür, dass wir eine Vorstellung davon entwickeln, wie es denn klingen könnte. Mit dieser Vision im Hinterkopf sorgst du automatisch dafür, dass dein Mix sich in eine ähnliche Richtung entwickelt.

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