Hits in the Box nachgebaut

De/constructed: Of Monsters And Men: Alligator

Anzeige

In drei Schritten zum Hit! In dieser Workshop-Reihe zeigen wir, wie und mit welchen Tools sich aktuelle Charthits und klassische Stilrichtungen zu Hause am eigenen Rechner (nach-)produzieren lassen. In dieser Folge nehmen wir die Single Alligator der isländischen Folk-Indie-Rocker Of Monsters and Men unter die Lupe, die auf ihrem aktuellen dritten Longplayer Fever Dream erschienen ist. 

Anzeige

Style-Analyse

Of Monsters and Men verbindet man durch ihre erste und bis heute erfolgreichste Single Little Talks von 2011 am ehesten mit dem Genre Folkrock; schnell wurden Vergleiche mit der zeitgleich populären britischen Band Mumford & Sons gezogen. Auch die Besetzung mit E- und Akustikgitarre, Bass, Schlagzeug und der Live-Unterstützung durch Klavier, Akkordeon und Trompete passt in dieses Bild. Dennoch ist der Stil der fünfköpfigen Formation vielschichtiger, oft melancholisch, mit Singer/Songwriter-Anleihen gespickt und auf ihrem aktuellen dritten Album Fever Dream inzwischen auch mit elektronischen Sprenkeln versehen. Alles in allem wirkt der Sound kantiger, rockiger und weniger Hookorientiert, weshalb die Bezeichnung »Indie Rock« inzwischen deutlich mehr auf die Band zutrifft. Für die Umsetzung und Rockband-Simulation unseres Patterns im Stil von Alligator werden verschiedene Drum-, Gitarren- und Bassplayer verwendet, ergänzend kommen einige direkt in den Rechner gespielte Gitarren
hinzu.

Die Drums treiben den Song mit Viertelkick und einem sich durchziehenden Tom-Pattern passend zum bereits zügig gewählten Tempo von 120 bpm an. Akzentuierte Parts mit der gesamten Band in der BHook unterstreichen den Rockband-Charakter. Der Sound ist klar und knallig. Hierfür kommen verschiedene Instanzen der XLN Audio Addictive Drums 2 zum Einsatz. Verschiedene Instanzen deshalb, weil so für Kick, Snare, Toms und Overheads unterschiedliche Sound-Varianten und Kits flexibel vermischt werden können. Die Snare wird außerdem mit einem Sample gelayert, um ihr eine knalligere Attitüde zu verpassen. Hi-Hats sucht man aufgrund des durchgehenden Tom-Patterns und zugunsten eines zeitgemäßen Sounds ziemlich vergebens, einzig im Refrain ist eine mittels Native Instruments Driver nahezu bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Variante zu hören. Claps, Tambourine und einige Noises runden das Pattern ab und verleihen dem Gesamtsound weiteren Indie-Charme. Die Einzelsignale von Kick, Snare, Toms etc. werden klassisch in Gruppen versammelt, die dann wiederum in einer gesamten Drumgruppe als Kit verdichtet werden.

Der Bass spielt straighte Achtel, in den Strophen sogar fast durchgehend auf einem ostinaten, heruntergestimmten »Es«, was dem Song ein sehr solides Rock-Flair verleiht. Dafür geht im Chorus durch die Harmoniewechsel auf »C«, »Bb« und »As« sprichwörtlich die Sonne auf. Als Soundquelle spielt der Spectrasonics Trilian »TR-Five string Finger«-Fünfsaiter auf, durch einige separat gesetzte Slides wirkt die Bassline noch realistischer. Ein Synthbass aus Spectrasonics Omnisphere (»Bass of Reduction«) doppelt außerdem die gesamte Bassspur.

Die Gitarren werden in Alligator äußerst vielfältig und vielseitig eingesetzt. Sie reichen von atmosphärischen Feedbacks über straighte Achtel-Single-Note-Lines, hart links und rechts gepannte crunchige Chords bis hin zu stark angezerrten Powerchords. Für die Umsetzung haben wir uns für zwei Arten entschieden: Um das Konzept der Band-Simulation im Rechner weiterzuverfolgen, haben wir die Gitarrenlinien einmal mit der Musiclab RealLPC, einer Emulation einer Gibson Les Paul Custom eingespielt, und einmal unseren Autorenkollegen Jörg »Warthy« Wartmann gebeten, die Gitarren direkt per DI über die Soundkarte in den Rechner einzuspielen. Vielen Dank an dieser Stelle! Da die RealLPC ebenfalls ein reines DI-Signal ausgibt, kann der Sound nachträglich mit virtuellen Amps in jede gewünschte Richtung »verbogen« werden. Hierfür haben wir eine Kombination aus Native Instruments Guitar Rig sowie den UAD Marshall Amp JMC 2203 verwendet. Im Pattern sind meistens beide Varianten (RealLPC und real gespielt) gleichzeitig als Layer zu hören. Sämtliche MIDI- und DI-Files sowie die verwendeten Native Instruments Guitar-Rig-Presets stehen im Download-Ordner für eigene Experimente zur Verfügung.

Alligator am Rechner nachgebaut:

Für die Drums werden verschiedene Instanzen der XLN Audio Addictive Drums 2 mit den Indie-, Fairfax-Vol.-1- und United-Pop-Erweiterungen verwendet. (Kick: Indie »Indie Rock«, Snare, Hi-Hat: Indie »OH Mix«, Toms 1: Fairfax »Big Drums Big Room«, Toms 2: »Trigged And Ready«, Toms 3: United Pop »Processed Beat«).
Die Kick erhält im Waves SSL-EQ durch eine Anhebung im Frequenzbereich zwischen 4 und 6 kHz mehr Attack und durch Absenkung der unteren Mitten und Anhebung der Bassfrequenzen mehr Punch und Druck.
Ultimative Verzerrung der Hi-Hat mittels Native Instruments Driver Plug-in
Transient Designer und ...
... Bandmaschine (hier beide Steinberg Cubase) stehen hier exemplarisch für die Drums-Bearbeitung. Für einen knalligeren Sound wird auf vielen Kanälen der Attack angehoben, die Release eher reduziert. Die Bandmaschine sorgt für einen dichteren Sound und »analoge« Färbung.
Zu guter Letzt wird das gesamte Drumkit für einen dichteren Sound mit dem Steven Slate Virtual Mixrack EQ-ed und sowohl komprimiert als auch parallel komprimiert.
Überzeugenden Rock-Flair mit mehr Schmutz und Verzerrung erhält der Bass-Sound durch die hintereinander geschalteten Plug-ins Maserati GTI und ...
... CLA Bass aus der Waves Signature Serie.
Die DI-Signale der Gitarren wurden mit den virtuellen Pug-in-Amps aus Native Instruments Guitar Rig und ...
... dem UAD Marshall JMC 2203 bearbeitet.
Parallel Bus nach Star-Mixer Andrew Scheps: Sämtliche Mixkanäle werden über einen Effektweg in einen 1176 Kompressor geschickt und dort parallel komprimiert. Der Effektreturn wird für zusätzliche Dichte und Fatness dem Mix nach eigenem Geschmack zugemischt.
Die Gesamtsumme erhält etwas Bandsättigungssound durch die virtuelle Bandmaschine UAD Oxide Tape.
Das Arrangement in Cubase Pro 10.5

Arrangement & Master

Auf Alligator geben sich Of Monsters and Men für ihre Verhältnisse ungewöhnlich hart und rough. Dies wird schon im Intro deutlich, wo Gitarren-Feedbacks auf sich hypnotisch wiederholende Single-Notes und stehende Chords treffen und so Atmosphäre schaffen. Bass und weitere Gitarren setzen noch vor dem Schlagzeug ein, wodurch sich weitere Spannung aufbaut, die sich dann mit einem Vocal-Shout und dem Einsatz der Drums entlädt. Harmoniewechsel werden im Verse nur kurz angedeutet, bevor es dann doch wieder auf nur einem Akkord weitergeht. Erst im Chorus wird die Spannung durch weitere Harmonien aufgelöst. Dazu gibt es eine B-Hook, die durch das akzentuierte Bandspiel am energiegeladensten erscheint. Insgesamt ein ungewöhnlicher, aber in sich sehr stimmiger Aufbau, der eher an einen Dance-Build-Up erinnert als an Rock. Tatsachlich sind auch die meisten Songs des Albums am Laptop und nicht an der Akustikgitarre entstanden.

Der gesamte Mix wird in der Summe mit dem UAD Shadow Hills Mastering Compressor leicht komprimiert (1–2 dB Gain-Reduction) und mit dem Brainworx bx1 V3 Mastering EQ im Stereobild verbreitert (126 %). Die UAD Oxide Tape Machine färbt den Mix anschließend durch Bandsättigung, bevor der Maximizer aus iZotope Ozone 8 als finaler Limiter den Abschluss bildet.

Viel Spaß beim Experimentieren!


Downloads Videoworkshop hier downloaden

  • Klangbeispiel im Stil des Tracks Alligator
  • Drumkit im Battery 4-Format
  • Beispiel-Pattern in den Formaten: Steinberg Cubase Pro 10.5, Cubase Essential 4, Presonus Studio One 3, sowie als MIDI-File

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Immer wieder inspirierend diese Tutorials!!!

    Zumal, wenn man langsam fast alle Plugins hat oder zumindest, weiß, wie man sie adäquat ersetzen kann. Hat ja nicht jeder eine UAD-Karte.

    Aber diese Musiclab-Les Paul hat sich mit dem letzten Update echt stark verbessert. Die Schwäche dieser VST-Gitarren von Musiclab liegt (oder lag) bei den Samples. Da gab’s zu wenig Round-Robin-Samples z.B. . Der Sound war immer etwas steril deswegen. Aber das GUI und die Bedienung sind nicht schlecht.

    Die Battery-Samples klingen echt amtlich! Sehr geil würde ich mal sagen! Die alleine lohnen den Download!

    noch was zum Cubase-Projekt von Henning Verlage und Christian
    :
    Ich finde es ja klasse, dass es im Cubase-Projekt eine Marker-Spur mit den Songteilen gibt. Aber ich nutze dafür den Arranger-Track – selbst, wenn man seine tolle Funktionen für das probieren verschiedener Abläufe nicht nutzt, ist es rein optisch besser diese Spur mit der Songstruktur zu versehen.

    So sieht das “Of Monsters And Men”-Projekt bei mir aus:
    https://drive.google.com/file/d/1ClMYWRMRJTxVC4by41vxK1eAWNPOplG9/view?usp=sharing

    Eine Marker-Spur mit Cycle-Markern sind natürlich trotzdem nützlich – zum doppelklicken für die Loop-Region uns so… Oder man kann glaub ich die Abschnitte direkt per Shortcut anwählen und gleichzeitig wird hingezoomt. Sehr praktisch!.

    Ich nutze auch den Chord-Track. Obwohl ich sehr fit bin in Musiktheorie. Rein Optisch ist das schon nützlich. Und die zahlreichen anderen Features in Verbindung mit dem Akkord-TAB im Inspector oder z.B. die Auswahl “Akkordspur” für die Event-Farben in jeder MIDI-Spur rechts oben in Editor-Fenster (neben Velocity, Tonhöhe, Kanal etc…) sind nicht nur für den musikalischen Analphabeten interessant!

    Wäre vll. auch mal ein Thema für die “Cubase-Tipps” – der “Akkord-TAB” im Inspektor ist nämlich ziemlich Tricky in seiner Funktionsweise. So ganz habe ich das immer noch nicht gecheckt.

    VG Slashgad

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar zu Gerhard Binkele Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.