De/constructed Hits zum Nachbauen

Calvin Harris – Feels am Rechner nachgebaut

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In drei Schritten zum Hit! In dieser Workshop-Reihe zeigen wir, wie und mit welchen Tools sich aktuelle Charthits und klassische Stilrichtungen zu Hause am eigenen Rechner (nach-)produzieren lassen. Diesmal haben wir für euch die Single Feels von Star-DJ/Producer Calvin Harris unter die Lupe genommen, die mit Features von Pharell Williams, Katy Perry und US-Rapper Big Sean auftrumpft.

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Nach zahlreichen kommerziellen Erfolgen mit EDM/Dancepop-Tracks ist Funk Wav Bounces Vol. 1 eine Rückbesinnung auf Calvin Harris’ Groove- und Electropop-Wurzeln aus der Zeit seines Debütalbums I Created Disco. Es dominieren funkige Basslines, Disco-Beats, Retro-Keyboards und Vintage-Synths. Insgesamt versprüht das Album enorme Spielfreude, ordentliches 80s-Flair, gute Laune und einen frischen, sommerlichen Vibe. Hierfür spielte Multiinstrumentalist Harris sämtliche Instrumente komplett im Alleingang in seinem Studio in Los Angeles ein und holte nur für Songwriting und Gesang die jeweiligen Gaststars hinzu.

Style-Analyse & Main Synth

Für die Umsetzung im Rechner kommen verschiedene (Drumcomputer-)Samples, Spectrasonics Trilian und Omnisphere, MusicLab-Gitarren sowie Arturia Rhodes und Orgel zum Einsatz.

Drums: Der Drumgroove kommt mit 101 BPM, klassischen Kick-Betonungen auf „1“ und „3“, Snare-Schlägen auf „2“ und „4“ sowie einem Achtel-Hi-Hat Pattern mit einigen 16tel-Akzentuierungen entspannt und lässig daher. Schöner Trick dabei: Die Snare hat relativ viele Bassanteile, sodass trotzdem ein leichter Floor-To-The-Floor-Eindruck entsteht.

In den Credits wird eine Linn LM-2 aufgeführt, es kann aber alles sein, was soundlich in Richtung klassischer Durmcomputer/HipHop-Groove geht. Für unser Pattern haben wir eine Auswahl an Samples direkt im Arrangefenster gelayert.

Das Drumpattern läuft als Loop den gesamten Song hindurch, es werden lediglich kleine Mute-Breaks eingebaut und Percussion-Elemente zugefügt.

Bass, Keys & Gitarren

Bass: Die Bassline ist sehr rhythmisch, funky und melodisch und bildet zusammen mit dem Rhodes die Basis und musikalische Hook des Songs. Sie verläuft immer vom Grundton E über A und den Durchgangston G zu den Tönen F# und H. Rhythmische Akzente und Disco-Oktav-Sprünge sorgen für den funky Vibe. Grundlage für unser Pattern bildete ein Geerdes MIDI-File, das wir mit den passenden Instrumenten versehen haben. Das Schema wird einzig für den C-Teil/Rap-Part auf den Grundton „E“ reduziert, wodurch sich der Part deutlich vom Rest des Songs abhebt. Neben der Bassline ist das Rhodes das prominenteste Instrument im Mix und auch harmonische Basis. Es spielt über die Bassline das immer wiederkehrende viertaktige Akkordschema E-Moll, G-Dur, A-Dur, H-Dur, wobei „G“ Durchgangs-Chord ist, und das „F#“ der Bassline nur in der zweiten Hälfte vom Rhodes mit einem A-Dur-Akkord versehen wird, wodurch ein F#moll7 entsteht. Die Akkordfolge entspricht am ehesten Melodisch Moll, da die sechste und siebte Stufe erhöht werden und im Gegensatz zu den im natürlichen Moll zu erwartenden Akkorden A- und H-Moll die Dur-Variante gespielt wird. Gerade das macht den Reiz dieses Schemas aus. Im Chorus kommen dann noch eine Orgel und ein Pluck-Sound dazu, der die Offbeat-Gitarren doppelt.

Gitarren: Im Intro hört man eine Atmo, die mit einem Gitarrensound aus Omnisphere erzeugt, dann gebounced und rückwärts abgespielt wurde. Eine Mute-Guitar doppelt zur Verstärkung die Bassline. Außerdem spielen clean/crunchige Gitarren Ska-Akzente in den Offs und Funk-typische, rhythmische Einwürfe.



Funkige Basslines, Disco Beats, Retro-Keyboards und Vintage-Synths. Insgesamt versprüht das Album enorme Spielfreude, ordentliches 80s-Flair, gute Laune und einen frischen sommerlichen Vibe.

Die Slate Digital Virtual Tape Machine verleiht der Snare-Gruppe einen satteren Sound.
Sämtliche Drums werden mit dem Slate Digital FG-Stress-Distressor-Klon zusammengekittet und erhalten mehr Punch.
Der Trilian („Clean Fender Mute“) liefert auch Absetz- und Umgreif-Geräusche sowie Mutes und Stops, was die programmierte Bassline realistisch und lebendig klingen lässt.
Das Waves CLA Bass Plug-in sowie ein kleiner Raum aus dem im Native Instruments Komplete-Bundle enthaltenen Softube RC-48-Reverb sorgen für einen noch überzeugenderen Soundeindruck der Bassline.
Das Arturia Stage73 V ist ein sehr überzeugendes Rhodes-VSTi, dessen Sound sich direkt im Plug-in mit diversen Bodeneffekten gestalten lässt.
Die Gitarrenspuren werden mit MusicLabs Real Guitar und RealLPC abgespielt, die durch Gitarrenverstärker-Emulationen geschickt werden.
Die Synth-Sweeps werden durch Selbstoszillation der Filterresonanz und anschließender Automation der Cutoff-Frequenz im Native Instruments Mini-Moog-Clone Monark erzeugt.
Steinbergs Loopmash ermöglicht typische DJ-Effekte wie Stutter, Loop, Scratch, Tape-Stop und Rewind.
Ozone von iZotope ist ein mächtiges Mastering-Tool, das mittlerweile in der Version 8 vorliegt.
Das Pattern in Cubase Pro 9


Arrangement & Master

Arrangement: Interessant ist, dass es sich bei dem Pattern bis auf den C-Teil/Rap-Part um einen immer wiederkehrenden Loop handelt, der wie mit der Loopstation aufgenommen klingt. Dieser Vergleich ist gar nicht so abwegig, denn Calvin Harris hat sämtliche Instrumente selbst im Overdub-Verfahren eingespielt. Zur vorangegangenen Single Slide hat er hierzu ein aufschlussreiches Video ins Netz gestellt. Durch kleinere Variationen und Spielereien bleibt das Pattern durchgängig abwechslungsreich, zu nennen sind hier z. B. die kleinen Synth-Sweeps und Effekte, die zwischendurch immer mal wieder auftauchen.

Der C-Part wirkt wie ein komplett anderer Song, der kurz eingespielt wird. Um diesen Eindruck zu unterstützen, kommt ein Tapespin-Effekt aus Steinbergs Loopmash zum Einsatz, der per Automation auf dem Master kurz aktiviert wird. Ansonsten kommen auf dem Masterkanal der UAD Shadow-Hills-Summenkompressor mit einer beinahe unmerklichen Kompression und iZotope Ozone 8 mit Multibandkompression, etwas Stereoverbreiterung und dem Maximizer in IRC 4, Modern-Stellung zum Einsatz. Viel Spaß beim Experimentieren!

>>Hier geht es zum Download der Audio-Spuren<<

 


Calvin Harris

Calvin Harris ist ein schottischer DJ, Produzent, Sänger und Songwriter. Nach zunächst erfolglosen Versuchen, in der Musikbranche Fuß zu fassen, wurde er 2006 über die Musikplattform MySpace entdeckt. 2007 erschien sein Debütalbum I Created Disco mit der Electropop-Single Acceptable In The 80s, ein erster Achtungserfolg. 2009 folgte Ready for the Weekend, das direkt den Thron der britischen Charts erklomm. Den internationalen Durchbruch schaffte Harris mit seinem dritten Album 18 Months, das Features von Stars wie Rihanna (We found love), Florence Welch (Sweet Nothing) oder Ellie Golding (I Need Your Love) enthält. Alle neun daraus ausgekoppelten Singles erreichten die US Top 10, womit der bisherige Rekordhalter Michael Jackson überholt wurde. Auch die Singles Under Control, Summer und Blame von Harris’ viertem Album Motion von 2014 erreichten allesamt vordere Chartplatzierungen. Dieses Jahr erschien sein aktuelles Album Funk Wav Bounces Vol. 1, das vor Superstar-Features nur so strotzt und mit Slide und Feels wieder erfolgreiche Singles hervorgebracht hat.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Gibt es diesmal gar keine Daten zum rumspielen?

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    1. Hallo Dirk,
      Der Link ist nun im Text enthalten.
      Man findet die Dateien sonst auch immer in unserem Heftarchiv unter der jeweiligen Ausgabe (https://www.soundandrecording.de/heftarchiv/)
      Viel Spaß beim Nachproduzieren 🙂

      Auf diesen Kommentar antworten

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