Kolumne mit Peter Walsh

Über die Problematik mit den Indie-Bands

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Der Dunedin Sound

Ich hatte schon immer meine Probleme mit Indie-Bands.

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Für jemanden, der die meiste Zeit seines Lebens damit verbracht hat, ebensolche aufzunehmen, mag das ziemlich überraschend klingen. Versteht mich nicht falsch: Es ist nicht so, dass ich Indie-Musik nicht mag, ich liebe sie! Aber es ist das vielleicht am schwersten aufzunehmende Genre überhaupt. Und man will es ja auch gut aufnehmen.

Denn jede Band, je nach Herkunft, klingt anders. Sie repräsentieren einen Teil der Gesellschaft, der für gewöhnlich gegen das System rebelliert, es gibt selten ein anständiges Budget, mit dem man arbeiten kann, und außerdem hängen Indie-Bands typischerweise nicht gerne in Studios ab, sondern viel lieber spielen sie live oder gehen einfach in das nächste Pub. Und darin liegt mein Problem.

Einige der besten Indie-Aufnahmen klingen, als hätte jemand willkürlich ein paar Mikros zusammengeschmissen, diese an ein Uralt-Pult verkabelt und mal eben schnell auf Record gedrückt. Was verrückt klingt, ist oft genau das, was tatsächlich passiert ist.

Ich mochte es schon immer, die Sachen etwas mehr produziert klingen zu lassen. Ich nutze gerne das beste mir zur Verfügung stehende Equipment und nehme mir gerne die Zeit, die ich brauche. Ich gehe auch gerne in Pubs, aber nur dann, wenn das nicht gleichzeitig bedeutet, dass ich weniger Zeit im Studio habe. Ich wurde auch schon einige Male dafür kritisiert, dass Sounds zu aufpoliert klangen. Zu viel Reverb und Delay kann dazu führen, dass Sachen ziemlich glänzend klingen, und das ist Indie definitiv nicht.

Kürzlich wurde ich mit einem Sub-Genre des Indies vertraut gemacht, dass aus Dunedin kommt, der zweitgrößten Stadt von Neuseelands Südinsel. Ein Sound, der es wirklich wert ist, ihn mal anzuhören. Ich hatte von Bands gehört wie The Clean, The Verlaines und The Chills, aber wusste nicht, welche Popularität und welchen Einfluss sie in den 1980ern hatten.

Der Dunedin-Sound hat seine Wurzeln im Punkrock der 70er-Jahre und komplettiert diesen mit dem Psychodelic-Guitar-Sound von 1960er-Bands wie The Beatles, Beachboys und The Byrds.

Obwohl das ein sehr markanter Sound ist, wurde er auch oft mit einem »losen Drum-Stil, minimalen Bass-Lines, dröhnenden und klirrenden Gitarren, undeutlichen Gesang und viel zu viel Hall« beschrieben. Alles Eigenschaften, mit genau denen ich mich stark identifiziere und die zu vielen Aufnahmen passen, die ich über die Jahre gemacht habe.

Indie-Musik muss etwas rough sein. Es darf gerne etwas out of tune sein, vielleicht sogar out of time. Das macht einen Teil des Charmes aus, und das sind die Qualitäten, die ihre musikalische Identität definieren.

Meine eigene »Nah-Dunedin-Erfahrung« hatte ich, als ich 1986 das Album Heyday der australischen Band The Church produzierte. Da es hier sehr viele Ähnlichkeiten in Sachen Instrumente und Stil gab, haben Kritiker wie Fans Vergleiche zu dem gezogen, was in Dunedin zu der Zeit passierte, obwohl mir das damals gar nicht bewusst war. Ich glaube nicht, dass die Band damals darauf abzielte, und ich hatte auch eher einen kommerzielleren, Mainstream-mäßigen Ansatz verfolgt. Aber ich kann den Vergleich verstehen, besonders wenn ich es mir heute anhöre. Es hatte all diese Charakteristiken des undefinierten Dunedin-Sounds, aber es fühlt sich tighter an, hat mehr Klarheit im Mix, und die Lead-Vocals sind mehr im Fokus und weiter vorn.

Die Herausforderung für mich war und ist immer, eine Produktionstechnik zu entwickeln, die das Beste eines jeden individuellen Künstlers, mit dem ich zusammenarbeite, hervorbringt. Es soll glänzen, ohne dass die rauen Ecken und Kanten wegpoliert werden.

Und wenn das geschafft ist, geselle ich mich gerne zur Band in den Pub.

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ich glaube, The Church saßen schon immer zwischen den Stühlen mehrerer Richtungen und das meine ich eher positiv. “Heyday” hat eine besonders schöne, weiche psychedelisch-poppige Seite gezeigt und Peter’s Produktion ist hier sicher zu einem großen Teil dafür verantwortlich, obwohl die Band natürlich auch selbst all diese Elemente immer in sich trug – schon ein paar Platten vorher wurde ja mit Bob Clearmountain schon einen fast “Mainstream”- tauglicher Sound produziert.
    “Heyday” gehört zu den vielen wunderbaren atmosphärisch vielschichtigen Produktionen von Peter und ist bis heute meine Lieblingsplatte von The Church.
    Interessant wäre allerdings tatsächlich eine von Peter produzierte Platte von The Chills gewesen…

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