Seit rund 25 Jahren arbeitet Michael Schwabe in der Mastering-Branche, anfangs im »ursprünglichen« Skyline Studio in Düsseldorf, später hat er mit monoposto ein eigenes Studio aufgebaut, gemeinsam mit Toten-Hosen-Produzent Jon Caffery als Geschäftspartner. Neben den Toten Hosen zählen etwa Wir Sind Helden, Xavier Naidoo, Boss Hoss, Robin Schulz, Tim Bendzko oder die Beatsteaks zur Kundschaft. Wir werfen einen Blick auf das Konzept und die Arbeitsweise bei monoposto.
Im Monoposto-Studioraum schmückt Modellbaufotografie die Wände, Chef Michael Schwabe nennt die eigene Kunst »Toy Art«, kleine Figuren, die er vor Collagen inszeniert: »Geschichten entstehen dadurch, dass ich nachträglich die kleine und die große Welt zusammenschweiße.« Welten verbinden, mag der außenstehende Beobachter fantasieren, zählt auch zur übergeordneten Aufgabe eines Mastering-Studios, nämlich die Welt von Künstler und Produzent mit der des Hörers in Einklang zu bringen.
Schwabe hat im früheren Skyline-Studio − mittlerweile von Kai Blankenberg in anderer Umgebung neu gegründet − die Mastering-Abteilung mit aufgebaut, dort den Beruf in der Praxis gelernt, sein Architekturstudium irgendwann aufgegeben. Nach neun Jahren, um das Jahr 2000, machte er sich selbständig. Währenddessen baute er sein eigenes Mastering-Studio auf, mit dem Toten-Hosen-Produzenten Jon Caffery als Teilhaber. »Wir hatten vorher viele Toten-Hosen-Platten gemacht, darunter Opium fürs Volk«, meint Schwabe. Die Studiogemeinschaft sei für ihn eine ideale Ausgangslage gewesen: »Dadurch kamen Kunden wie Xavier Naidoo oder Boss Hoss. Von diesem Rückenwind konnten wir viele Jahre zehren.« Im Gebäude hatten sie gleich die gesamte Etage angemietet, erzählt er: »Wir waren optimistisch, dass es immer so weitergehen könnte.«
Da kam der Einbruch in der Musikwirtschaft dazwischen. »Das haben wir zum Glück überlebt, haben aber seitdem Räume untervermietet.« Übrig blieb der hintere Bereich, samt akustisch optimiertem Studio, Maschinenraum und Gästeraum-Loft mit Büro. Dadurch funktioniere die Kalkulation. Neben Schwabe mastert auch dessen Assistent Roy Recklies im Studio.
Akustik
Das Studio hat Schwabe von Grund auf planen lassen, samt Versorgungsleitungen für Frisch- und Abluft, Strom sowie eigener Erdung, die vom Maschinenraum bis ins Erdreich führt. Die Studio-Akustik hat Joan Trayter entworfen, ein mittlerweile verstorbener Akustik-Professor aus Spanien. »Joan Trayter hat eine trapezförmige Bauform vorgeschlagen. Es ging darum, keinen ›Schuhkarton‹ mit parallelen Wänden zu bauen. Meine akustischen Vorstellungen betrafen meinen Arbeitsplatz und die ungefähre Größe des Raumes. Die entstanden nach einem Besuch bei Sterling Sound in New York, wo ich bei Greg Calbi reinschauen durfte. Sein Raum war schlicht, recht groß und vor allem tief, was lange Basswellen erlaubte. Das war der Maßstab, an dem wir uns orientierten. Mit 45 m2 Innenmaß hat die Regie von monoposto eine angenehme und gut funktionierende Größe. Zu groß wäre auch nicht optimal, da wir mit erheblichen akustischen Problemen zu kämpfen hätten.«
Weitere Erkenntnisse bei Greg Calbi (s. a. Artikel in dieser Ausgabe ab Seite 20): »Bei Sterling standen die Boxen frei, mit deutlichem Abstand zur Wand − das war neu für mich. Dafür braucht man viel Platz zur Wand, da Bässe durch ihre kugelförmige Ausbreitung auch nach hinten drücken. Die kommen über die Wände verzögert als Reflexion zurück. Bei Boxen, die in die Wand eingelassen sind, ist das nicht der Fall, stattdessen wird allerdings die Wand als Schallquelle mit angeregt.« Im Monoposto-Raum befinden sich links und rechts neben den Boxen Kammern, die als Bass-Absorber dienen. »Dort fangen sich lange Wellen und kommen kaum zurück, sodass sie nicht mehr stören«, meint Schwabe.
Die verwendeten Materialien im Studio? »Mir ist ein Holzboden sympathisch, weil er weniger stark reflektiert als Stein. Harte Materialien wie Glas, Stein und Metall sollte man möglichst vermeiden. Wir haben dennoch Glas im Raum − Glastüren und einzelne Stellen im hinteren Bereich − aber in unkritischen Bereichen, und eben keine ganze Wand. Ich wollte, dass die Kunden sich wohlfühlen, schließlich arbeiten wir dort teilweise zehn, zwölf Stunden am Tag.«
»Weiche« Materialien? »Wer überall Stoff hat, bekommt ein ›totes‹ Ergebnis, mit dem man theoretisch sauber arbeiten kann, aber ein perfekter Arbeitsraum überträgt sich noch lange nicht auf die Außenwelt. In der ›normalen‹ Welt stehen die Boxen vielleicht ungünstig, Reflexionen entstehen − Räume klingen alle unterschiedlich. Mit anderen Worten: Man muss lernen, Schwächen einkalkulieren zu können. Es gibt nichts Schlimmeres für einen Mastering-Engineer als die Aussage: ›Bei dir im Studio klang alles toll, und zu Hause klang das nicht mehr!‹ Mit einer hundertprozentigen Akustik würde genau das passieren.« Seine Akustik sei immer noch lebendig. »Ich hatte auch die Decke lange nicht abgehängt, weil mich das nicht gestört hat. Das habe ich nachgebessert, und das war auch gut so − aber manche Dinge sind für den beruflichen Erfolg nicht hundertprozentig ausschlaggebend. Eine perfekte Akustik bringt nicht automatisch Kunden.«
Die eigentliche Aufgabe: »Wir kennen Mastering heute eher als Lautmachen − wenn’s dann noch gut klingt, umso besser. Früher war Mastering eine große Baustelle! Inzwischen geht es wieder in die Richtung, weil viele Produktionen in Eigenregie − ohne Produzenten − entstehen. Das Team ist unter Umständen fleißig, lässt sich Zeit und erreicht ein schönes Ergebnis, das allerdings den Ansprüchen noch nicht ganz genügt. Deswegen ist Mastering besonders wichtig geworden. Wir übernehmen mit Stem-Mastering immer häufiger einen Teil des Mixes. Das ist Chance und Risiko − die Entscheidung wird auf den allerletzten Moment verschoben, und dann ist Abgabe. Zudem besteht die Gefahr, dass ein guter Mix durch Stem-Mastering wieder ›auseinanderbröselt‹. Man erreicht nicht zwangsläufig die gleiche Einheit. Wenn jemand richtig gut mischen kann, ist das immer noch sehr viel wert.«
Equipment
Als Boxen hat sich Schwabe für B&W Nautilus-802-Modelle entschieden. Zur Klangbearbeitung verwendet er unter anderem einen GML 8200-Equalizer. »Mit GML arbeite ich seit 25 Jahren und finde ich fantastisch − das ist Teil meiner Klangästhetik. Im Laufe der Zeit sind etwa ein Kush Audio Clariphonic oder ein Drawmer S3-Multiband-Kompressor hinzugekommen.« Auch der Manley Massive-Passive-Equalizer zählt zu seinen Lieblingswerkzeugen: »Beim Massive Passive arbeite ich zum Beispiel gerne mit dem Q-Faktor; der hat die Besonderheit, dass sich bei breiterer Flankensteilheit auch die Energie am Peak reduziert. Stelle ich ihn schmalbandiger ein, wird der Peak höher. Dadurch kann ich fokussieren − die Stimme herausschälen oder die Gitarre, zum Beispiel den entscheidenden Twang, featuren. Wenn ich’s ein bisschen lauter haben möchte, drehe ich nicht am Gain, sondern am Q-Faktor.«
Was die klangliche Arbeitsweise angehe, gebe es zwei Philosophien: »Von Darcy Proper (Mastering-Engineerin in den niederländischen Wisselord Studios; Anm.d.Red.) habe ich gehört, dass sie lange Zeit eher Klang ›rausgezogen‹ hat − das entspricht einem ›analytischen‹ Ansatz. In den letzten Jahren hat sie stattdessen aktiv Frequenzen reingedreht. Ich bin auch jemand, der gerne reindreht − das ist meine Auffassung von diesem Beruf. Ich möchte den Menschen sozusagen mehr geben, und bin weniger der analytische Nörgler, der überall Fehler moniert und rauszieht. Wir brauchen beides, die Probleme muss man schließlich in den Griff kriegen. Aber ich möchte mehr musikalischen Klang vermitteln statt lediglich weniger Probleme, ich möchte bereichern. Ich will die positiven Dinge erkennen und hervorheben. Umgekehrt gilt: Wenn ein Mix sehr gut ist und ich wenig mache, ist das auch ein Lob für den Mischer, weil nichts repariert werden musste!«
Wie er die eigentliche Arbeit beginnt? »Ich muss wissen, mit welcher Art von Songs ich es zu tun habe, und ich muss die lauten Stellen kennen. Da lohnt auch eine Frage bei den Produzenten oder der Band, was für sie der lauteste Song ist, weil es manchmal unterschiedliche Auffassungen gibt.« Sein Ansatz? »Ich beginne gerne mit dem lautesten Song. Dadurch habe ich die oberste Markierung festgelegt. Alles andere ist relativ dazu dynamischer. Manchmal mache ich mir ein kleines Sample der Stelle, etwa 30 Sekunden. Jeden Song des Albums, den ich neu mache, kann ich immer mal wieder damit vergleichen; neben einer Ballade muss der laute Song richtig dengeln. Wenn das nicht der Fall ist, weiß ich, dass die Ballade gerade zu laut ist.«
Referenzen
Die Monoposto-»Klangästhetik«? Neben den Toten-Hosen-Alben der letzten 15 Jahre − darunter etwa das Unplugged-Album Nur zu Besuch − verweist Schwabe auf die Produktionen von Xavier Naidoo und Söhne Mannheims. Als weitere klangliche Referenzen empfiehlt er das Ich-und-Ich-Album Vom selben Stern, Deins & Done von Meret Becker sowie aktuell Heinz Rudolf Kunzes Meisterwerke/Verbeugungen.
www.monoposto.de