Jim Abbiss

Produzent der Arctic Monkeys, Editors, Kasabian …

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Es ist ebenso wie eine weitere Produktion von Abbiss, „The Back Room” von den Editors (2005, erreichte Platz 2 der UK-Charts) für den Mercury Music Preis 2006 nominiert. Der Mann hat außerdem „Withing Hour” von Ladytron (2005) und Kasabians Debutalbum (2004) koproduziert und wirkte bei Aufnahmen von Placebo, Suede, Lamb, Unkle, Clearlake, Goldfrapp und vielen anderen mit. Außerdem produzierte er das neue Album „Empire” von Kasabian.

(Bild: Paul Tingen)

Das ist eine eindrucksvolle Erfolgsserie, die Abbiss für viele Nachwuchsbands zur Nummer 1 der anzurufenden Produzenten machen müsste. Komischerweise ist aber sehr wenig über diesen Mann bekannt. Wenn man nach seinem Namen googelt, kommen nur ein paar Treffer über seine Erfolge und ein paar Nennungen durch Bands, die mit ihm gearbeitet haben – wobei er meistens dafür gelobt wird, dass er die Bandmitglieder davon abhielt, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Man kann also annehmen, dass Abbiss geschickt im Umgang mit Menschen ist. Es gibt außerdem eine kurze Notiz, dass er 1998 bei „Psyence Fiction” von Unkle mitarbeitete und wie er dieses Projekt „Low-Fi” halten konnte. Und das ist schon so ungefähr alles. Einer der Gründe für diesen dramatischen Mangel an Informationen ist, dass Abbiss bis heute fast keine Interviews gegeben hat.Wie er uns im Mischraum des Olympic Studios in West London sagte, liegt das daran, „… dass ich meine Arbeit im Studio für die Basis der Arbeit der Künstler halte. Ich hasse die Entwicklung unserer Branche, bei der Leute heute ihre Rolle für wichtiger halten als das eigentliche Ziel. Wir sind dazu da, die gute Idee anderer Leute richtig aufzunehmen. Es geht nicht darum, mein Ego mit einer Scheibe zu verewigen. Ich will Leuten helfen, ihre Ideen aus einem Paar Lautsprechern kommen zu lassen, damit sie sofort nach Hause rennen wollen, damit sie es ihren Freunden vorspielen können. Das macht mich an.”

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Da man sehr wenig Fakten hatte, versuchte man, Abbiss in Schubladen für „Electronic Rock”- oder „Indie Rock”-Produzent abzulegen – vermutlich, weil bei vielen seiner Produktionen elektronische Sounds und Heavy-Gitarrensounds vorkommen. Abbis verwehrt sich allerdings gegen solche Kategorisierungen: „Ich hasse es, in eine Schublade gesteckt zu werden. Ich wollte nie Teil einer bestimmten Bewegung sein, denn ich kann mir nichts Langweiligeres vorstellen. Davon ausgehend kann ich allerdings sagen, dass ich gerne mit jungen Bands arbeite, weil ich dabei genauso viel Spaß habe wie mit 14 Jahren, als ich selbst mit einer Band aufnehmen wollte. Junge Bands sind enthusiastischer: Sie wollen einfach das rote Aufnahmelicht sehen und loslegen.

Von den Songs abgesehen ist mir für die Arbeit mit einer Band wichtig, dass sie einen eigenen Charakter hat und an sich glaubt. Ich kann etwas Gitarre, Keyboards und Bass spielen sowie programmieren und komponieren. Aber es macht mich nicht an, mit jemandem zu arbeiten, dessen Ideen nicht besser sind als meine eigenen. Ich möchte mit Leuten arbeiten, die ich faszinierend finde, damit ich das Beste aus ihnen nur rausholen kann, wenn ich mich auch selbst anstrenge. Die Arctic Monkeys sind zum Beispiel brillante Musiker, und Alex ist ein großartiger Sänger. Wie viele der klassischen britischen Gruppen bis zurück zu den Beatles spielen sie keine komplizierten Sachen, wenn der Sänger singt – aber dazwischen machen sie wirklich interessante Sachen.”

Arctic Monkeys (Bild: Domino / Rough Trade)

Routinearbeit und Kreativität

Abbiss’ Ansichten reflektieren seine musikalischen Anfänge als Teenager in den frühen 80ern, als er in Gitarrenbands spielte, sich mit elektronischen Sounds beschäftigte und einen Drumcomputer bastelte. Er ließ sich vom „Do It Yourself”-Ansatz der späten Punkbands und „… der ursprünglichen Indie-Musik Welle in UK und den frühen Elektro-Sounds aus den USA …” inspirieren. Als er merkte, dass er kein wirklich herausragender Musiker war, fing er an, als Ton-Assistent in den Spaceward Studios in Cambridge zu arbeiten, wo ihm Chef-Tonmeister Owen Morris erste solide Grundlagen beibrachte. Ein Jahr später zog Abbiss nach London und absolvierte im Power Plant Studio den normaleren Spießrutenlauf vom Kaffekocher über Bandmaschinen-Bediener („Tape-Op”) und Assistenten, bevor er selbst leitender Tonmann im Maison Rouge wurde. Als dieses Studio 1990 zumachte, wurde Abbiss freier Tonmann. Einige Jahre lang übernahm er jede Session, um überleben zu können und Erfahrung zu sammeln. Schnell wurde er sehr erfolgreich und konnte sich seine Kunden aussuchen. Er machte Aufnahmen, Mischungen und Remixes für beispielsweise Björk, Massive Attack, The Verve, Sneaker Pimps, System 7 oder David Gray.

Gegen Ende der 90er hatte Abbiss allerdings das Gefühl, dass sein Hauptjob zur nervenden Routine wurde. „Ich stellte fest, dass ich ständig endlose Sessions machte, von denen ich manche eigentlich gar nicht machen wollte und andere sofort wieder vergaß. So nahm ich mir in den späten 90ern eine Auszeit, um wieder zu spielen und zu komponieren. Ich unterschrieb einen Verlagsvertrag mit Chrysalis, wobei ich nicht unbedingt Karriere machen wollte, sondern weil Aufnehmen und Mischen nicht genau das war, was ich machen wollte – ich wollte eigentlich immer Produzent sein. Nachdem ich ein paar Jahre frei hatte, kam ich erholt zurück zur Studioarbeit und sah mich nach Bands um, mit denen ich wirklich arbeiten und kreativ sein wollte.”

Die Abbiss-Produktion „The Back Room“ von den Editors (rechts) erreichte Platz 2 der UK-Charts und wurde für den Mercury Music Preis 2006 nominiert. (Bild: Paul Tingen)

Abbiss’ Richtungswechsel trug durch seine Mitarbeit bei „Psyence Fiction” von Unkle sofort Früchte. James Lavelle lud ihn zunächst für zwei Wochen zu diesem Projekt ein – und daraus wurden dann neun Monate. Lavelle und Unkle-Mitarbeiter DJ Shadow beschrieben Abbiss in Interviews als das inoffizielle dritte Mitglied von Unkle. „Es war ein faszinierendes Projekt”, sagt Abbiss, „und ich empfand Shadow als sehr inspirierend bei der Arbeit. Seine Aufmerksamkeit für Details war unglaublich. So wollte er zum Beispiel einmal den Basssound in einem Track fünf Mal ändern. Er kannte die technischen Ausdrücke nicht und wusste nicht, wie das Pult funktioniert, und fragte deshalb nach Sounds, die ein bestimmtes Gefühl erzeugen. Er sagte Sachen wie: „Der Mittelteil soll ein Gefühl vermitteln, als ob ein Flugzeug über dich fliegt und du dadurch fast taub wirst.” Die Art, wie er an Musik herangeht, ließ mich meine Art, Sound zu machen, völlig überdenken. Das Mischpult wurde wieder ein viel kreativeres Werkzeug für mich.”

Kaum Notizen

Die Arbeit mit Unkle sowie die beiden Jahre, die Abbiss mit Komponieren verbracht hatte, halfen ihm, sich klar darüber zu werden, wie er im Studio arbeiten will: „Ich hatte im Lauf der Jahre vier Programmierräume, in denen ich für mich selbst komponierte und viel Dance-Sachen machte”, erklärt er. „Aber immer in einen Kasten zu starren fand ich langweilig. Mir wurde klar, dass ich mich in einem richtigen Studio mit massenhaft Equipment am besten fühle – wo man alles machen kann, wozu ich und die Band gerade Lust haben. Recording soll ja eigentlich ein kreativer Prozess sein. Trotzdem hatte ich bei vielen Projekten assistiert, bei denen die Leute Recording nur als eine Job-Serie betrachtet haben. Sie hängten Pläne an die Wand, und dann wurden drei Tage Schlagzeug und danach drei Tage Bass aufgenommen usw.

Das Ganze läuft heute noch viel extremer ab: Erst wird in einem Studio das Schlagzeug aufgenommen, und dann geht es in einen kleinen Raum in einem Industriepark, um die ganze Programmierung zu machen. Ich glaube, niemand findet diesen Ablauf wirklich toll. Ich weiß, dass Budgets heute wichtig sind, aber der Grundgedanke bei einem Album ist, dass Leute miteinander interagieren können. Ich habe keine Vorurteile gegen Computer, aber mein Gehirn wird nicht am stärksten herausgefordert, wenn ich auf einen Monitor starre, sondern wenn ich Musiker zum Spielen bringe.

Ob man mit einem Drumcomputer oder einer Band arbeitet: Man sollte Sachen ausprobieren und experimentieren. Jeder kann heute einen Computer und Massen von Plug-ins kaufen, und das ist toll. Ich bin total für „Do it yourself”. Aber wenn alle dasselbe Equipment und dieselben Presets verwenden, ist es logisch, dass viele Alben gleich klingen.

Früher musste man beim „Do it yourself”- Ansatz aus zusammengewürfeltem Equipment das Beste machen. Heute kann man ein Plug-in oder eine Effektbank mit klassischen Sounds kaufen, und alles wird irgendwie gleich gemacht. Ich finde es deprimierend, in ein Musikgeschäft zu gehen, weil alle Geräte – egal ob Keyboards, Drumcomputer, Harddisk-Recorder oder Sequenzer – schon Multieffekte, Schlagzeug- und Keyboard-Sounds, einen Sampler, ein Mikrofon etc, haben. Es ist alles schon eingebaut – und das meiste davon ist Müll! Das sind keine interessanten Geräte für mich. Mich interessieren Geräte, die sorgfältig gebaut wurden und einen eigenen Charakter haben. Ich werde eine aufgabenspezifische Hardware immer einem Plug-in vorziehen.”

Also verließ Abbiss seinen Programmierraum und spezialisierte sich auf die Arbeit in kommerziellen Studios mit Live-Aufnahmen (soweit möglich) und sogar, ohne Notizen zu machen. „Ich arbeite mit verschiedenen Studios”, erklärt Abbiss, „und das macht es einfacher, inspiriert zu bleiben. Natürlich spielt auch das Budget eine Rolle, und es ist wichtig, wo die Band sich wohl fühlt. Meistens frage eine Band zuerst, ob sie in einem Stadtzentrum oder auf dem Land arbeiten wollen. Das hat einen großen Einfluss auf die Arbeitsweise.

Das Album „Empire“ von Kasabian wurde ebenfalls von Abbiss produziert. (Bild: Paul Tingen)

Mir ist ein Aufnahmeraum am liebsten, in dem die ganze Band Platz hat. Im Regieraum können gerne ein paar Synthesizer und Effekte zum Herumspielen herumstehen, aber ansonsten sollte die ganze Zeit das komplette Setup für die Band aufgebaut bleiben. Der Drummer langweilt sich also nicht nach der ersten Woche zu Tode, weil er nichts mehr zu tun hat. Wenn irgendwann jemand sagt: ‚Ich bin nicht zufrieden, wie wir dies oder jenes gespielt haben’, können sie einfach wieder reingehen und es neu spielen. Alles ist vorbereitet, und wir müssen nur eine neue Session in Pro Tools starten und einfach noch einmal loslegen. Wenn du aber schon viel Zeit in die Organisation mit Plänen an der Wand usw. investiert hast, dann willst du nicht wieder alles umwerfen und die Sachen neu machen, weil es zu viel Aufwand ist.”

Und wie war das mit den Notizen? Laut Abbiss löst sich dieses Thema bei seiner Arbeitsweise fast von selbst auf:„Ich versuche, die Aufnahmen so weit wie möglich zu einer Live-Performance mit der ganzen Band im Studio zu machen. Dabei möchte ich mit einem Song immer so weit kommen, dass alle wichtigen Parts einschließlich der Vocals aufgenommen sind, bevor ich zum nächsten gehe. Vielleicht sind noch nicht alle Details da, aber wenn du dir den Song ein paar Wochen später wieder vornimmst, ergibt er immer noch Sinn. Natürlich habe ich auch ein Notizbuch, und wenn wir meinen, dass wir später noch irgendwas brauchen, schreibe ich das auf. Aber ich mache mir heute weniger Notizen als je zuvor.Wenn du einen Track nach einigen Wochen Pause wieder lädst und alle mithören, weißt sofort jeder, was noch fehlt. Und das wird dann gemacht. Und weil alles noch aufgebaut ist, kann man das Ganze sofort ausprobieren.”

Druck und Dreck

Die berühmtesten Profiteure von Abbiss’ Arbeitsweise sind die Arctic Monkeys. „Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not” wurde in 15 Tagen („Ein Tag pro Song plus ein Tag Aufbauzeit sowie ein Tag zum Aufräumen …”) im The Chapel Studio in Lincolnshire von Abbiss und dem Studioingenieur Ewan Davis aufgenommen. „Es ist ein großartiges Studio für eine Liveband, und dort befindet sich eine Sammlung der besten Mikrofone und Vorverstärker in diesem Land”, sagt Abbiss. „Ich habe keine Vorproduktion mit der Band gemacht, weil es nicht nötig war. Ich hatte eines ihrer Konzerte gesehen, und sie hatten schon einige Demos von ihren Songs gemacht. Also sprachen wir darüber, was sie am Demo und den Liveversionen der Songs mochten. Es gab nur einen Song, der wirklich überarbeitet werden musste – „Riot Van” – weil sie da einiges am Textinhalt und an der Struktur geändert hatten und sich nicht sicher waren, wie sie es wirklich haben wollten. Die restlichen Songs waren aber hervorragend vorbereitet, sodass sie einfach aufbauen und die Songs durchspielen konnten. Sie hatten viel getourt und spielten die Sachen jetzt sehr schnell. Ich musste sie also meistens bremsen, damit man die Texte auch verstehen konnte.”

Die Arctic Monkeys bauten alles in einem Raum auf und wurden ganz normal aufgezeichnet. „Da gab es keinerlei Tricks. Es ging darum, einen druckvollen und dreckigen Sound zu bekommen, während sie sich auf ihr Spiel und ihre Instrumente konzentrierten.” Alles wurde mit Pro Tools aufgenommen – aber wollte Abbiss nicht eigentlich völlig auf Computer verzichten?

Er gibt zu: „Ich liebe Bänder – aber es kostet einfach zu viel Zeit, mit ihnen zu arbeiten. Ich verwende Pro Tools wie eine Bandmaschine und für schnelle Schnitte, so wie früher am Schneidetisch. Ich benutze auch keine Funktionen wie den „Beat Detective” – höchstens, wenn ich völlig verzweifelt bin. Ich mache mehrere Takes mit der Band, höre mir sie an und wähle die besten Teile von den besten Takes aus, sodass ich keine Overdubs oder Punches machen muss. Die Pro-Tools-Systeme sind in den letzten Jahren so viel besser geworden, dass der akustische Unterschied zu Analogband minimal und damit nicht den zusätzlichen Aufwand durch den Einsatz von Mehrspurbändern wert ist. Mir waren das Feeling eines Musikstücks und ein großartiger Take schon immer wichtiger als die technischen Aspekte.”

Während Abbiss sich bei der Aufnahme problemlos mit moderner Digitaltechnik anfreunden konnte, bekamen er und Ton-Ing. Barny bei der Mischung Probleme. „Wir waren im Olympic Studio 1, das eine SSL J-Serie mit 72 Kanalzügen hat, und es klang einfach nicht richtig. Wir konnten aber nicht genau sagen, warum, und fragten deshalb Olympic, ob ihre alte (aber überholte) EMI TG-1-Konsole verfügbar sei. Dieses Pult stammt ursprünglich aus dem Abbey Road und hat unglaublich gut aufgebaute Transistorschaltkreise. Für jeden Kanal gibt es zwei Klangregler, einen Kompressor, einen Panorama- und einen Volume-Regler und nach nur einer Stunde mit ein paar einfachen EQ-Einstellungen klang es schon viel besser als mit dem SSL. Weil wir jetzt aber nur 16 Kanäle hatten, mussten wir einiges in Pro Tools vormischen. Es war sehr übersichtlich, und es ging einfach um Ausgewogenheit statt um großartige Mix-Tricks.”

Verfremdeter Sound

Die Aufnahme und Produktion von Editors „The Back Room” durch Abbiss war dem Konzept bei den Arctic Monkeys sehr ähnlich. Das Album wurde sogar auch im The Chapel Studio mit Ewan Davis als zusätzlichem Tonmann aufgenommen. Es gab allerdings auch einige wichtige Unterschiede. „Ich war hier auch stark bei den Arrangements involviert”, sagt Abbiss. „Sie hatten schon viel ausgearbeitet, aber bei einigen Stücken waren sie mit dem Demo oder ihrer Liveversion nicht zufrieden. So war der Song „Camera” ein normaler schneller Rocksong, und die Band glaubte nicht, dass dies das Beste sei. So reduzierten wir ihn erst einmal auf einen Viererbeat, legten ein tiefes Oberheim-OBXa-Pad drunter und bauten das Stück von da neu auf. Der OBXa und ein Korg MonoPoly waren die einzigen Keyboards. Der Gitarrist Chris (Urbanowicz) spielt nur Riffs und wollte einen sehr charakteristischen Sound, sodass er schließlich meinen Korg X11 Gitarrensynthesizer zum Triggern eines Sounds unter seinen Riffs verwendete, was einen etwas verfremdeten Sound ergab. Wir wollten keine zusätzlichen Overdub-Parts mit Synthesizern oder anderen Instrumenten, weil das meistens zu fett und orchestral klingt.”

Jim Abbiss bekam Credits für zusätzliche Produktion und Mischung auf dem 2004 erschienen Debutalbum von Kasabian (Platz 4 in den UK-Charts), teilt sich aber die Produzentenrolle auf „Empire” mit der Band. „Empire” ist aber nicht im oben beschriebenen „Live-im-Studio”-Verfahren entstanden, sondern es wurde in mehr als drei Monaten im Rockfield Studio in Wales mit allen möglichen Konzepten aufgenommen.

Das EMI-Pult TG-1 stammt aus den Abbey Road Studios. (Bild: Paul Tingen)

„Die Band hatte vor unserem Start nicht das ganze Album geplant und arrangiert”, sagt Abbiss. „Es gab einige Songs, die vielleicht nur eine Idee oder ein kurzes Demo waren, während andere komplett ausgearbeitet waren, sich aber oft dann noch in etwas anderes wandelten. Es war ein laufender Prozess von Komposition, Arrangement und Aufnahme, manchmal mit Overdubs, manchmal mit gemeinsamen Aufnahmen der ganzen Band. Wir entschieden uns bei jedem Song separat für die beste Vorgehensweise. Serge (Pizzorno) beginnt die Songs auf seiner Gitarre und macht Demos mit Cubase auf einem PC, wobei er die Drums programmiert und den Softsynth Neon verwendet. Der ist eigentlich überhaupt nicht mehr angesagt, aber Serge kennt sich sehr gut mit ihm aus und bekommt damit fantastische Sounds hin. Wir haben seine Cubase-Demos in Pro Tools übertragen und merkten dann, dass nicht genau dasselbe Feeling rüberkam, wenn wir die Hauptstimme des Demos neu aufnehmen. Deshalb haben wir oft einfach den wesentlichsten Teil des Demos weiterverwendet.”

Ungewöhnlich bei den „Empire”-Aufnahmen war auch, dass Abbiss und Ton-Ing. Barny die Band in zwei Räumen aufbauen ließen. „Einer klang sehr gut, und der andere war ziemlich schalltot”, erklärt Abbiss. „Wir hatten in jedem der Räume ein Schlagzeug. Die Gitarren- und Bassverstärker wurden woanders aufgestellt, sodass man in jedem Raum jammen konnte und sich dabei nur der Drumsound änderte.Wir verwendeten ähnliche Mikrofone wie bei den Arctic Monkeys, aber im Rockfield gibt es einige Neumann U67 und die haben wir auch eingesetzt. Außerdem stehen dort auch ein Neve-Pult mit großartig klingenden Preamps und ein Rack mit Rosser Mikro-Preamps. Ich mietete außerdem ein TG-1, mit dem wir dann im Rockfield die Drums aufgenommen haben.” Laut Abbiss ist der Hauptunterschied zwischen Kasabians erstem Album und Empire, dass auf dem ersten Album „… fast jeder Track eine Kombination von Gitarren und Sequenzen war, während ‚Empire’ eigentlich zweigeteilt ist: Eine Hälfte ist eher Rock’n’Roll, die andere Hälfte wird eher von Keyboards und Sequenzern dominiert. Es gibt einige Stellen, wo beides überlappt, aber der Rest ist fast in zwei verschiedenen Stilen gemacht.

Die Band und ich besitzen zusammen eine ganze Menge Synthesizer. Neben Serges Neon verwendeten wir oft einen alten Pro-One von Sequential Circuits – ein großartiges Instrument, ich bin ein großer Fan davon. Wir haben auch einen alten EMS Gitarreneffekt, den Synthi HiFly (Anm. d. Red.: Siehe Vintage FX in Sound & Recording 10.2006), verwendet – ein weißes, etwas aufgedunsenes Plastikding mit Fadern und Reglern, und Serge spielte den Keyboard-Part auf seiner Gitarre. Das klang am Ende irgendwie wie etwas zwischen Gitarre und einem Synth. Und dann haben wir noch den OBXa und einen MonoPoly eingesetzt.”

Die elektronischen Songs auf „Empire” wurden von Barney im Olympic gemischt, die rockigeren Tracks wurden dagegen dem legendären Mixer Andy Wallace in New York anvertraut, der unter anderem schon für Nirvana, Sonic Youth, Jeff Buckley, Rage Against The Machine und System Of A Down arbeitete. „Ich war sehr überrascht,als mich dieser kleine, sanfte 68-jährige Opa mit weißem Haar und Brille begrüßte”, erinnert sich Abbiss. „Er mischt sehr oldschool-artig – einen Song in ungefähr drei bis vier Stunden – und benutzt vor allem EQ- und die Fader-Settings subtil. Er korrigierte laufend die Instrument-Lautstärken, sodass man den Gesang immer gut hörte, aber die Instrumente ebenfalls gut zu hören sind, wenn die Vocals Pause machen. Er hatte fast keine Outboard-Effekte, vielleicht eine Hallplatte, eine Simulationen eines kleinen Raums, einen Stereo-Harmonizer und ein Delay – das war’s auch schon. Der alte Grundsatz, man sollte die Dinge einfach halten, funktioniert bei ihm wirklich!”

Abbiss ist von Wallace begeistert, da er fühlt, in diesem Mann eine verwandte Seele gefunden zu haben. „Er sagte mir, dass er nicht gerne Sachen mischt, bei denen die Leute einfach ihren Krempel auf die Festplatte geschmissen haben und er diese dann mit seinem Assistenten aussortieren muss. Außerdem wäre früher die Mischung nur ein kleiner Bestandteil des Produktionsprozesses gewesen, weil die Leute nur die besten Takes mit dem besten Sound auf dem Band gelassen haben. Ich arbeite genauso – und bin damit also ein Dinosaurier. Ich sehe mich aber nicht als Retro-Typen und hoffe, dass ich zeitgemäße Alben mache. Aber ich sehe auch, dass immer mehr Studios zumachen und es immer schwieriger wird, auf meine Art zu arbeiten. Aber so lange ich kann, werde ich so weiter arbeiten, weil ich das für die beste Methode halte.”

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