Der deutschsprachige Blues-Ausnahmekünstler

Produktionsstory: STOPPOK — Operation 17

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(Bild: ROBERT GRISCHEK)

Wenn man mit STOPPOK über Recordings spricht, wird sehr schnell klar: er denkt und fühlt die alte klassische Aufnahme-Tradition von organischer Musik durch und durch. Nichts geht über die Intensität und das Feeling, mit denen ein Song auf Band gebracht wird — die umgebende Technik ist sekundär und die spielerische Perfektion relativ, so lange der musikalische Ausdruck stimmt. Raum für Spontanität bei der Interaktion mit den Musikern zu lassen, ist ein bestimmendes Credo. Eine Sichtweise, die im Zeitalter der nach Perfektion strebenden digitalen Musikproduktionen immer seltener wird, und schon deshalb Grund genug ist, seine Herangehensweise zum Anlass seines siebzehnten Studio-Albums in den Blick zu nehmen. Dem Zufall wird hier nur der musikalische Moment überlassen, nicht aber das Setup: STOPPOK vereint wie seit jeher als Produzent, Musiker und Mixing-Engineer in Personalunion.

»Das Besondere an der Platte ist, dass ich mich reduziert habe. Ich habe ja nur elf Stücke aufgenommen — auf dem Vorgänger-Album Popschutz waren es 16 — und einfach noch mehr weggelassen. Und diese elf Songs sind alle total auf den Punkt«, so STOPPOK über Operation 17. Essenz, Verdichtung, Purismus und volle Konzentration auf den Kern des Songs war noch mehr denn je die Maßgabe für die Produktion, welche von allen Beteiligten außergewöhnliche Musikalität und ein für-den-Song-Denken verlangt, um zu gelingen: »Die Menschen müssen eine besondere Gabe haben, sie müssen ineinandergreifen und zusammenpassen. Nicht zuviel Ego und ein gleiches Musikverständnis, das ist die Basis«, über die Qualität seiner Band.

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Dies bestätigt auch Produzent und Engineer, Oliver Sroweleit, gemeinsam mit Gregor Hennig Betreiber Bremer Studio Nord, in dem erneut die Aufnahmen der neuesten STOPPOK-LP stattgefunden haben.

Sich als Persönlichkeit komplett in die Songs einzubringen und eine Band zu haben, welche dies intuitiv unterstützen zu kann, darin sieht Sroweleit die große Qualität dieses Künstlers: »Hier wird nicht geübt, hier wird gespielt und der passende Ausdruck gesucht«, so Sroweleit, »Man muss sich ja mal vor Augen führen: Wenn die Jungs sich hier im Studio treffen, dann hören alle bis auf Stefan den Song zum ersten Mal und ich kann mich nicht dran erinnern, dass irgendwer seinen Part ›üben‹ musste, sondern es wurde sich mit großer musikalischer Intuition eingegroovt und dann wird das 3-4 mal gespielt, bis die Form stimmt und ab dann am Ausdruck gebastelt — und fertig ist das Ding!«

STOPPOK spielt der zu Beginn den jeweiligen Song auf der Akustik-Gitarre vor, es werden Akkorde notiert, kurz danach erfolgt der erste Take. Danach wird weiter ausprobiert, ein Take abgehört, oftmals am Groove oder am Tempo etwas verändert — und wieder aufgenommen. So sieht der klassische Produktionsrhythmus bei der Arbeit an einem Song im Studio aus. »Der gesamte Prozess hat meistens zwischen ein bis zwei Stunden gedauert vom Zeitpunkt an, wo wir den Song zum ersten Mal gehört haben. Manchmal waren es auch mal drei Stunden, aber nie mehr«, erinnert sich Drummer und Pianist Sebel. Den richtigen Moment einzufangen und das Material nicht totzuspielen, ist hier die maßgebliche Devise.

Die Akteure – Mehr als die Summe der Teile 

Bei einer Produktion auf diesem musikalischen Niveau, wo die Songs sukzessive innerhalb von kürzester Zeit in einer Live-Session entwickelt und ausgearbeitet werden, muss jeder Handgriff und jeder Impuls seitens der Mitmusiker stimmen.

In STOPPOK aktueller Band sind zwei Generationen wie Nationalitäten vereint, was für eine besonders spannende Konstellation sorgt: Am Bass Reggie Worthy, US-Amerikaner, der seit 20 Jahren in der Band spielt und der sein Handwerkszeug früher bei Ike und Tina Turner gelernt hat; an Hammond und Wurlitzer Pianist Sebel, auch an den Drums bei einigen Songs vertreten, der etwa halb so alt wie STOPPOK ist und somit sein Sohn sein könnte, aber eben genau wie dieser auf den alten Rock’n’Roll aus dessen Generation steht; in US-Session-Drummer Wally Ingram (Cheryl Crow, Eric Burdon, Tracy Chapman uvm.) hat STOPPOK seinen festen Tour-Drummer seit dem Vorgänger-Album Popschutz gefunden, der — aus dem American Folk kommend — viel Percussion in sein dezent-songdienliches Spiel integriert und damit für einen extrem charakteristischen Drumsound sorgt.

(Bild: Archiv)

»Ich habe ihn das erste Mal vor zwölf Jahren mit David Lindley gesehen und fand das so großartig, ab diesem Moment wusste ich: das ist der Drummer«, erzählt STOPPOK über die erste Begegnung mit Ingram. In dieser Kombination verschiedenster musikalischer Perspektiven und unterschiedlicher Prägungen bei dem gemeinsamen Faible für organische Musik der 60er und 70er entsteht eine spezielle Art des Zusammenspiels. Und die Bedeutung des richtigen Grooves und Spielgefühls ist für STOPPOK essentiell — und geht über alles andere: »Wenn die Band gerade im richtigen Moment abgeht, muss es absolut egal sein, wie es klingt. Da darf kein Ego vom Engineer oder sonst was im Spiel sein, den Take zu unterbrechen. Dieses Zusammenspiel muss einfach stimmen — und das passte sehr gut in unserem Setup.«

Es geht nicht um technische Perfektion, sondern um den maximalen Ausdruck des Songs, einen speziellen Moment, welcher sich nur beim gemeinsamen Live Recording erzeugen lässt, den STOPPOK als Produzent genau einzufangen weiß: »Er hat immer genau den Zeitpunkt getroffen, wo der Song ein bestimmtes Spielgefühl hatte“, so Sebel, »Also, wo spontane Dinge passiert sind, genau dann, wo andere vielleicht sagen würden: ›Nee, lass uns das mal noch perfekter machen‹, hat er gesagt: ›Super! Genauso soll es sein. Danke Männer, lasst uns zum nächsten Song gehen!‹«

Alles soll möglichst organisch, pur und authentisch entstehen. Keine Samples, keine Loops, alle Songs ohne Klick — hier wird noch eine Momentaufnahme des aktuellen Augenblicks eingefangen und nicht versucht, diesen künstlich zu erzeugen, nur weil man die technischen Möglichkeiten dazu hat. Passend zu dieser Philosophie hat er in den beiden Studio Nord-Betreibern Oliver Sroweleit und Gregor Hennig zwei Engineers gefunden, die das notwendige Bewusstsein und Gespür für seine Songs teilen und somit die Musik adäquat aufzunehmen zu verstehen: »Sie sind nicht so Technik-versessen, sie sind von ihrer Philosophie sehr nah an den Songs dran; du hast nicht das Gefühl, es ginge jetzt primär um die Technik. Es geht immer um das Zusammenspiel zwischen guter Technik, guten Musikern, guten Songs und einem guten Gefühl. Sobald aus dieser Kette einer rausbricht, bist du schon begrenzt.«

Der Aufnahme-Ansatz – so live wie möglich 

Die Live-Aufnahme ist seit jeher die Basis jeder von STOPPOKs Studio-Sessions. Bereits seit seinen Anfängen in den 80er Jahren ist dies sein präferiertes Recording-Verfahren. Im Gegensatz zu seinem vorherigen Album Popschutz, das komplett analog aufgenommen und analog abgemischt wurde, hat sich STOPPOK im Fall von Operation 17 dazu entschieden, die sinnvollen Vorzüge der digitalen Technik mit dem Analogen zu kombinieren.

Vor allem das Bänderwechseln, welches sich, wenn der musikalische Flow gerade stimmt, als zeitintensiv gestaltet, ist für ihn ein Grund, auf den Rechner zurückzugreifen. Wichtig bei den Aufnahmen in Protools ist ihm jedoch, in 192 Khz 32Bit aufzunehmen, um so »analog wie möglich“ zu bleiben. »Grundsätzlich wird bei STOPPOK so gut wie nichts, bis auf die Kick vielleicht und hier und da mal einen Low oder Hi-Cut EQ’ed, sondern eher der Amp oder das Mikro ausgetauscht oder verschoben«, so Sroweleit. Alles soll so live wie möglich sein; und so gibt es lediglich das Dogma, dass alles zunächst auf ein 24-Spur-Tape passen sollte.

Für den Mix bleibt alles wie zuvor gehabt — die finalen Takes werden auf Band überspielt, worin STOPPOK im Vergleich den bedeutenderen Schritt für den Gesamtsound sieht: »Dieser Unterschied ist innerhalb der Produktion auch nicht so gravierend, denn das Analoge macht in erster Linie in der Summierung Sinn. Wenn du im Digitalen mit dem Pegel runtergehst, hast du ja sofort auch eine Soundveränderung, die sich durch die veränderte Bit-Rate verschlechtert. Wenn du aber hochauflösend gute Pegel digital hast, du das dann auf Band überspielst und davon ausgehend mischst, dann kannst du auch runtergehen und es ist aber trotzdem alles wunderbar und klingt toll.«

Weniger Overdubs zu benutzen und sich noch weiter zu reduzieren, war STOPPOKs bewusst gesetzte Maxime für diese Album-Produktion. Und im Falle des einzigen Gitarren-Solo-Overdubs führt dies selbst bei ihm erneut zur klaren Erkenntnis, dass musikalischer Ausdruck immer gegenüber technischer Perfektion gewinnt: »Wenn du live spielst, hast du einfach eine andere Intensität. Wenn du dich im Studio auf die Session einlässt, das verdammte Solo spielst und schaust, dass du mit der Band im Fluss bist — anstelle darüber nachdenken zu müssen, wie geil das jetzt gespielt sein muss — dann hat das automatisch eine ganz andere Dichte. Vom Prinzip ist das eh klar, aber das nochmal konkret so erlebt zu haben, war für mich interessant zu sehen.«

Die Recordings – Band-Setup & Sessions 

Die Songs auf Operation 17 setzen sich aus drei verschiedenen Sessions zusammen. Begonnen wird die Arbeit in der Trio-Formation mit Sebel an den Drums, da Ingram noch mit Eric Burdon auf Tour ist. Auf die bereits vorhandenen Takes spielt dieser nach seiner Ankunft in Bremen einige Percussion-Overdubs. Danach gibt es eine lange Session im klassischen Band-Setup, mit Ingram an den Drums und Sebel an Wurlitzer und Hammond. Final erfolgt noch eine weitere Trio-Session, bei der noch zusätzliche Songs aufgenommen werden, zu denen Ingram von L.A. aus, aufgenommen im Studio von Steve Blake, erneut Percussion-Parts beisteuert.

(Bild: Archiv)

Die Vorteile des Digitalen weiß er auch in puncto Mobilität bei dieser Platte für sich zu nutzen. Als er sich bereits im Mix des Songs Zwei wunderschöne Augen befindet, stellt er fest, dass ihm eine zusätzliche Stimme fehlt. Da Zeitdruck herrscht und er — der Nachteil analogen Mischens — bereits Tage auf einen Mix hingearbeitet hat und diesen nur noch schwer verlassen kann, wird das Digitale für ihn zum Vorteil: »So kam ich abends auf die Idee, Kristina Lux zu fragen, ob sie mir eine einen Take mit ihrer Stimme beisteuern kann. Dann habe ich sie angerufen — sie war gerade bei Nürnberg auf dem Weg zur Party einer Freundin, die auch etwas Recording-Equipment hatte —, sie hat es auf der Party noch eingesungen und mir nachts geschickt. Und am nächsten Morgen habe ich es auf den Mix geknallt und dachte mir, ‚Das ist es!‘. Mit Inga Rumpf hatte ich solch einen Fall bei einem anderen Song dann auch nochmal.«

Das Equipment – Setup & Mikrofonierung 

»Die Drum-Mikrofonierung ist eigentlich Standard und oldschoolig mit dem D12 an der Kick — die Idee der ganzen Aufnahme war unter anderem, so wenig Spuren wie möglich zu verwenden, damit alle Hauptinstrumente auf ein 24-Spur-Band passen und wir nicht wie letztes Mal noch bei vielen Songs ein Slave-Band benutzen mussten, da Stefan das auch zu Hause mit seiner Maschine in seinem neu eingerichteten Regieraum in Ruhe selber mischen wollte«, so Sroweleit.

Da in das Schlagzeug-Setup von Ingram eine Fülle Percussion- und sonstigen Klang-Instrumenten beinhaltet, will man mit so wenig Mikros wie möglich auskommen; in erster Linie Close Mics für die Kessel, welche je nach Song-Typ und Ausrichtung des Setups variiert werden. »Als Overheads habe ich so eine Art Glyn-Johns-Aufstellung aus U67ern gemacht“, erklärt Sroweleit, »mit einem Reserve-U67 für irgendwelchen Raschelkram, den Wally bei der Entwicklung der Songs vielleicht noch auspacken würde.«

Wie bei den Drums wird sich auch bei der Mikrofonierung von STOPPOKs Gitarren individuell auf den Song eingestellt und herumgebastelt — das Grundsetup besteht jedoch meistens aus zwei gleichzeitig laufenden Amps, die ganz bewusst im Raum platziert werden und somit gegeneinanderstrahlen; ein Amp wird leicht angezerrt, mit einem leichten Vibrato oder Tremelo, der andere wird mit einem dezenten Delay Phaser-Effekt versehen. »Das klingt einfach fetter, das kannst du mit digitaler Software nicht erzeugen, ohne wieder viel rumtricksen zu müssen. Hier musst du einfach nur spielen, die Mikros aufmachen und es klingt wahnsinnig. Und der Delay-Effekt geht durch den ganzen Raum, das ist einfach eine ganz andere Intensität«, erzählt STOPPOK.

Im Studio wird teilweise noch einen dritter Amp dazu geschaltet, um einen noch breiteren Raumsound zu kriegen. An Gitarren benutzt er in erster Linie seine alte Yamaha-Akustikgitarre mit einem magnetischen Shadow-Pickup und eine alte Gibson E335. Ab und an kam auch eine 57er Hagström 3 zum Einsatz. An Amps nutzt er Gregor Hennigs Vox AC30, welchen er über eine Bass-Box laufen lässt, sowie einen alten Hagström, die von Sroweleit beide in der Regel mit alten RCA’s abgenommen werden. »Den Delay-Amp hat Stefan immer mit seinem alten Peavey über seine rote Framus-Box angetrieben, welche ich meistens mit einem alten Beyer M260-Bändchen abgenommen habe.«

Zudem gehört zu STOPPOKs Setup zusätzlich auch immer noch das mit einer Crown-Grenzfläche abgenommene Cajon und seinem Sizzle-Snare-Fußpedal, das Sroweleit mit einem MD441 oder SM57 mikrofoniert; für den Live-Gesang wählt er, wie könnte es auch anders sein, den Klassiker, ein U47.

Bassist Reggie Worthy nutzt den alten Echolette BS40-Amp des Studios kombiniert mit einer kleinen Box, abgenommen mit einem EV Pl20 und einer Avalon Röhren DI.

Keyboarder Sebel koppelt seinen Fender Rhodes mit diversen Flanger-Tretminen, die er in einen 70er Vox AC30 laufen lässt; bei einem speziellen Song wird zusätzlich noch ein Lesley-Top in das Setup integriert und mit den üblichen MD421-Mics abgenommen.

Der Mix – analog wie digital 

Auch beim Mix legt STOPPOK selbst Hand an: Wird im Studio in Bremen noch seine Otari MTR 90 III-Bandmaschine für die Aufnahmen genutzt, so arbeitet er hierbei an seiner Studer Mastermaschine sowie parallel dazu auf dem Computer.

»Witzigerweise haben wir festgestellt, dass zweimal analog gar nicht so toll war und haben den Digitalmix zum Mastern genommen«, erzählt STOPPOK. Das Mixing erfolgt in Hamburg, wo er in seinem Domizil nach eigenem Tempo und entsprechender Muße arbeiten kann. »Ich habe einen genial klingenden Raum. Vormittags aufstehen, sich die Hände zu reiben und zu wissen, ‚Jetzt gehe ich an mein Pult!‘ — das ist ein super Zustand, den ich total liebe.« Er ist in der komfortablen Situation, einen belüfteten Raum mit Tageslicht zu besitzen, als er im Frühling letzten Jahres beginnt, sein neues Album zu mischen.

»Da wurde es warm, die Vögel zwitscherten. Am Ende wird es dann natürlich auch immer anstrengend, aber am Anfang des Tages denke ich mir jedes Mal wieder so: Es gibt einfach nichts besseres, als deine eigene Musik zu mischen. Da Leben in mir einfach auch mehrere Personen, ich finde Mischen einfach genial.« Die bewährte Personalunion aus Produzent, Songwriter und Musiker bleibt — so mühselig sie temporär auch sein mag — wie gehabt: »Nach jeder Album-Produktion nehme ich mir vor, für das nächste Album einen Produzenten zu nehmen, weil es sehr anstrengend ist — vor allem, wenn du auch noch selber mischst. Dann hast du das Gefühl, du hast kein richtiges Korrektiv. Schlussendlich ist es aber auch so, wenn ich am Ende etwas objektiver abwäge, was durch jemand anders hätte besser werden können, dann ist diese Differenz relativ gering. Also für das, was passieren kann, wenn du den falschen Produzenten hast und das Risiko gegeben ist, 12 Songs in den Sand zu setzen.«

www.stoppok.com

www.studio-nord.net

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Schöner Bericht und tolle Philosophie von Stefan. ✌?✌?

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