Senkrechtstarter

Mixpraxis – Konstantin Kersting mischt Tones and I´s Dance Monkey

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So dürfte der Traum eines jeden Straßenmusikers aussehen: Ein zufällig im Publikum anwesender Star-Produzent oder Musik-Manager zieht einen Plattenvertrag aus der Tasche und befördert den überraschten Künstler im Nullkommanichts von der Straße direkt in die Charts. Zu schön, um wahr zu sein?

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Tatsächlich übersteigt die Erfolgsgeschichte der australischen Künstlerin Tones and I auch die wildesten Träume des hoffnungsvollsten Straßenmusikers: Die 24-jährige Toni Watson, damals wohnhaft in ihrem Van, bespielt 2017 die Straßen von Byron Bay, einem Städtchen an der australischen Ostküste. Ziemlich genau zwei Jahre später zählt sie als »Tones and I« zu den erfolgreichsten internationalen Newcomern 2019 – mit den häufigsten Streams und der Single Dance Monkey, die sich in über 30 Ländern auf Platz 1 wiederfindet.

Mitte November 2019 – zum Zeitpunkt dieses Interviews – befindet sich der Song seit fünf Wochen auf Platz 1 der UK-Charts und führt seit vier Monaten die australischen Hitlisten an. Damit übertrifft er sogar Ed Sheerans Shape of You. Das zugehörige YouTube-Video zählt stattliche 164 Millionen Views. Auf Spotify ist Dance Monkey der erfolgreichste australische Song aller Zeiten.

Der Produzent

Der überraschende Erfolg von Dance Monkey hat nicht nur Toni Watsons Leben gründlich verändert. Auch für den Produzenten Konstantin Kersting, mit dem Toni seit Anfang 2019 arbeitet, hat ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Konstantin hat in seinem Studio in Brisbane Johnny Run Away und Dance Monkey engineert, produziert und gemixt, ebenso zwei weitere Songs der insgesamt sechs Titel starken Debut-EP von Tones and I. Dance Monkey ist für Konstantin und das gesamte Team der erste internationale Erfolg. Interessanterweise lebt Konstantin erst seit 2007 in Australien. Aufgewachsen in Berlin, hat er das Land »down under« zunächst als Austauschstudent kennengelernt und dort seine Musikerkarriere vorangetrieben.

»Im Alter von fünf Jahren begann ich, Violine zu lernen«, erinnert sich Konstantin. »Mit 16 habe ich jedoch die Finger davon gelassen, weil mir ein Bass viel cooler erschien. Ich spielte dann in Jazz-Bands und lernte Musiktheorie. Ein paar Jahre später ging ich nach Australien und machte dort an der Queensland University of Technology in Brisbane meinen Bachelor of Music. Noch während des Studiums arbeitete ich als Assistent für meinen damaligen Dozenten und Mentor Yanto Browning. In den Airlock-Studios, betrieben von der australischen Band Powderfinger, arbeitete ich mich schließlich vom Assistenten zum Second-In-House-Engineer hoch, um dann ein paar Jahre später meine Freelancer-Tätigkeit zu starten.«

Seit etwa vier Jahren beschäftigt er sich intensiv mit »eher elektronisch produzierter Musik« und arbeitet seitdem zunehmend im Rechner – eine Arbeitsweise, die ihm bei der Produktion von Tones and I sehr entgegenkommt. »Ich spiele Gitarre, Keyboards und ein wenig Drums«, erklärt Konstantin. »Klassisches Songwriting und Musikproduktion hatten für mich immer einen sehr hohen Stellenwert. Mittlerweile ist es für mich jedoch ebenso interessant geworden, Musik vollständig im Rechner zu programmieren. Letztlich zählt das Ergebnis, nicht die Art und Weise, wie es gemacht wurde. Was auch immer einem Song gut tut, passt für mich.«

Als ein Schlüsselerlebnis sieht Konstantin seine Teilnahme an einem Mix-With-The-Masters-Seminar von Michael Brauer (u. a. Coldplay, John Mayer) im Jahre 2016: »Natürlich habe ich dort auch eine Menge interessanter Dinge über das Mixing gelernt«, erinnert sich Konstantin. »Das wirklich Entscheidende war aber die Erkenntnis, dass man auch als Producer immer offen für Neues bleiben muss und Dinge ausprobieren sollte.«

Konstantin Kersting arbeitet zwar hauptsächlich Plug-ins, aber einige Geräte lassen sich eben nicht ersetzen – wie der abgebildete Moog Voyager, den er gerne mit anderer Hardware (z. B. dem Behringer Model D) oder auch Software-Instrumenten mischt.

Das Studio

Mittlerweile hat sich Konstantins Fokus weitgehend auf elektronische Produktionen verlagert. Die wichtigsten Werkzeuge sind Pro Tools und eine umfangreiche Plug-in-Sammlung geworden. Dennoch finden sich in seinem Brisbaner Studio weiterhin zahlreiche Tools aus den Tagen der Band-Produktion.

Dazu zählen Instrumente wie Moog Voyager, ein Korg Minilogue, Behringer Model D, ein Fender Jazz Bass und eine Stratocaster sowie diverses Hardware-Studio-Equipment, etwa ein achtkanaliges SSL Channel-XPult, ein SSL X-Rack mit zwei Preamps und vier EQs, Lynx Aurora 16, Apogee DA-16X, Crane Song Hedd, UA LA-3A, Urei 1176, Teletronix LA 2-A, Smart Research C2, Drawmer 1968, Sound Workshop 262 Federhall, Roland R-880 Digitalhall, Roland RE-200 Space Echo und eine API Lunchbox mit JLM 99V Preamp, JLM LA500 Kompressor und JLM PEQ500.

»Momentan ist das Studio ein echtes Hybrid-Setup geworden«, erklärt Konstantin. »Ich habe einige Hardware-Synths, die ich ständig nutze, etwa den Korg Minilogue für Pads und Glitzer-Sounds und den Moog Voyager für Bässe, klassische Lead-Sounds und schräge Arpeggios. Bis vor Kurzem hatte ich noch einen Roland Juno-60, den ich aber durch das TAL Plug-in ersetzt habe. Das klingt fast identisch und rauscht deutlich weniger. Für Bässe nutze ich oft entweder Model D oder Voyager, auch gestackt mit einem Arturia Soft-Synth. Grundsätzlich kombiniere ich gerne Hard- und Software-Synths – nicht, weil es dann unbedingt besser klingt, sondern weil ich einfach gerne echte Instrumente anfasse.

Mir ist es wichtig, dass die Künstler zumindest einen Teil der Parts bei der Produktion selbst einspielen. Tones geht immer wieder ans Keyboard, wenn wir zusammenarbeiten. Klar könnte man alles sehr schnell und exakt programmieren, aber dann verliert man die menschliche Komponente in der Musik. Außerdem will ich unbedingt verhindern, dass die Künstler ihren Bezug zum Song verlieren.«

Auch ein Korg Minilogue gehört zu den Outboard-Instrumenten in Konstantins Hardware-Arsenal.

Das Arrangement

»Tones kam Ende 2018 mit einer Handvoll Demos zu mir«, erinnert sich Konstantin. »Sie basierten alle auf Loops, die sie für ihre Straßenmusik-Performance arrangiert hatte. Für Dance Monkey existierte aber noch kein Demo. Toni spielte mir den Song live vor, exakt so, wie sie ihn auf der Straße zum Besten gab. Ich kannte außerdem das zugehörige Instagram-Video mit ihrer Performance. Ihre Loop-basierte Straßenversion bestand im Wesentlichen aus einer Keyboard-Line mit Achtelnoten, den Kicks im Pre-Chorus und der Four-to-the-Floor Kick samt Bassline im Drop. Das Arrangement war sehr sparsam, lieferte mir jedoch eine gute Vorstellung, was zu tun sei, um den Song in eine radiotaugliche Pop-Produktion zu verwandeln.

Tonis ursprüngliche Sounds waren sehr cool, für die finale Produktion jedoch nur bedingt geeignet. Also haben wir den Charakter der Sounds erhalten, aber die Qualität vielfach verbessert. So stammten die Bässe ursprünglich von ihrem Casio-Keyboard – da haben wir mit Voyager und Model D nachgeholfen. Vor allem bei den Claps haben wir uns sehr viel Mühe gegeben und zudem ein paar zusätzliche Sounds eingebaut, etwa die 808 im Pre-Chorus. Schließlich hatten wir fünf Kick-Sounds, die sorgfältig ausbalanciert werden mussten. Im Wesentlichen ging es darum, die Elemente des Demos so auszuwählen und zu verbessern, dass der Song ordentlich Dynamik und Vorwärts-Drive bekommen hat.«

Ein wesentlicher Faktor in Konstantins Produktion war der Aufbau eines kontinuierlichen Spannungsbogens vom ersten, sehr sparsamen Chorus bis hin zum letzten Chorus als »großem Finale«. »Ich versuche, bei all meinen Produktionen auf einen musikalischen Höhepunkt hinzuarbeiten. Jede Strophe und jeder Chorus sollten eine Steigerung bringen. Die Hörer sollen merken, dass nicht nur Loops wiederholt werden, sondern das ständig etwas Neues passiert – bis hin zum letzten Chorus mit seinem deutlichen ›Wow-Effekt‹.

Entsprechend dieser Vorgabe haben wir auch Dance Monkey arrangiert: Tones’ Version war zunächst ziemlich statisch aufgebaut. In der finalen Version besteht der erste Chorus nur aus Kick, Bassline und einem Snap-Sound. Mit dem zweiten Chorus kommen dann Backing-Vocals, Gitarre und Keyboard hinzu. Der finale Chorus hat dann das volle Programm. Da finden sich viele Sounds, die weit über das Repertoire der Loop-Station hinaus gehen.

Angefangen haben wir mit dem Piano, denn das ist das zentrale und treibende Element im Song«, erinnert sich Konstantin. »Danach kamen Beat und Bass-Part. Ich glaube, zunächst war das Piano wirklich ein Klavier-Sound aus dem Korg Minilogue, der später jedoch immer mehr Synth-Charakter annahm. Toni hat die Keyboard-Parts als MIDI-Files eingespielt. Nach dem Quantisieren habe ich verschiedene Sounds ausprobiert, bis der passende gefunden war.

Der Beat entstand vollständig im Rechner. Wir programmierten zunächst Kick und Claps und dann alle weiteren Details. Schließlich war das gesamte Arrangement voller Claps, und wir mussten viele davon wieder löschen.

Nachdem der Beat stand, kam der Bass hinzu. Tones hat auch hier die Parts auf meinem MIDI-Keyboard eingespielt. Ich habe die Velocities dann so korrigiert, dass ein stimmiges ›Human Feel‹ erhalten blieb. Eine bestimmte Swing-Quantisierung verhalf dem Bass zu einem interessanten Drive, der den Song richtig nach vorne gebracht hat. Für den passenden Sound verwendeten wir einen Mix aus meinen Moog Voyager, Model D und einem Moog-Bass vom Arturia Mini V-3 – eine Minimoog-Emulation aus der V5-Synth-Collection. Als der Bass schließlich stand, ging im Studio buchstäblich die Sonne auf …«

Mit gerade einmal Drums (meist nur Kick und Snap/Claps), Bass, Keys und einer Gitarre zur Betonung der Grundtöne, ist das Arrangement von Dance Monkey vergleichsweise sparsam ausgeführt. Dennoch steckt es voller Details. So besteht allein das Keyboard-Arrangement aus 19 Spuren. Konstantin: »Neben dem Korg Minilogue als Haupt-Synth findet sich ein Grandpiano-Sample. Um es interessanter klingen zulassen, habe ich es mit Upright-Piano- und Steeldrum-Samples gestackt. Außerdem gibt es massenweise kleine Keyboard-Parts wie etwa Juno-, Farfisa- und Solina-Pads sowie Vocal-Schnipsel, die den zweiten Chorus einläuten. Dabei ist es wichtig, dass all die verschiedenen Sounds zusammen wie aus einem Guss klingen.«

Schließlich ging es an die Vocal-Aufnahmen. Tonis Vocals klingen fast so, als ob sie mehrere Halbtöne hoch gepitcht wären. Konstantin erklärt den ungewöhnlichen Vocal-Sound so: »Toni ist eine wirklich gute Sängerin. Wir haben nur vier oder fünf Takes gebraucht. So wie es im fertigen Song klingt, hat sie es auch eingesungen. Ein paar Noten habe ich nachträglich leicht korrigiert, aber mehr Nachbearbeitung gab es nicht. Für mich hat der Song etwas Indiemäßiges – es passt also gut, dass nicht alles einhundertprozentig perfekt und glatt klingt.

Die Vocal-Aufnahmekette sah so aus: Miktek CV4 Großmembranmikro, SSL XR627 Preamp – der mir grundsätzlich sehr gut auf Vocals gefällt. Dann ging es weiter in den SSL XR425 EQ, Urei 1176 und via Lynx Aurora 16 in den Rechner. Grundsätzlich komprimiere ich bei der Aufnahme nur ungern, aber für Tonis ausdrucksstarke Stimme hat der 1176 als Limiter gut funktioniert. Beim Mix waren dann fast nur noch ein paar Korrekturen der hohen Mitten mithilfe eines EQ und einem Multiband-Kompressor notwendig.«

Der Mix

»Aufnahme und Produktion waren an einem Tag erledigt und haben allen Beteiligten großen Spaß gemacht«, erinnert sich Konstantin. »Am nächsten Tag habe ich den Song gemixt. Schließlich hatte Tones noch die Idee, die Group-Vocals im letzten Chorus von ihren Freundinnen einsingen zu lassen. Da Tones in einer anderen Stadt wohnt, hat sie die Aufnahmen bei sich zu Hause gemacht und mir zugeschickt. Beim Mix hieß es dann mehrfach: ›Mach die Group-Vocals lauter!‹ «

Heute entsteht ein Mix vielfach schon während der Aufnahme und der Produktion – eine Arbeitsweise, die Konstantin gar nicht gefällt: »Ich versuche, Produktion und Mix grundsätzlich voneinander zu trennen. Natürlich sorge ich schon während der Aufnahme und Produktion für einen guten Sound, aber mehr nicht. Der Mix ist für mich ein vollkommen neuer Arbeitsgang, für den ich mir maximalen Freiraum erhalten will.«

Oben im Bild ein UA 1176-Limiter

Daher beginnt Konstantin den Mix immer mit der Vorbereitung seiner Session: »Zunächst organisiere ich die Session so, dass ich eine gute visuelle Übersicht habe, und lege mir dazu Busse, Aux-Wege etc. an. Ich habe zwar ein Template, aber das ändert sich, ebenso wie der Master-Bus, jederzeit. Weil Total-Recall ja mittlerweile oberstes Gebot geworden ist, lasse ich vom Outboard weitestgehend die Finger. Ausnahmen sind jedoch das Roland Space Echo oder mein Moog Voyager, die von keiner Emulation so richtig ersetzt werden können. Und der (Alan Smart) C2 muss in den Master-Bus. Das sind die Hardware-Teile, die ich nach wie vor regelmäßig nutze.« Nach diesen Kriterien hat Konstantin auch den Mix von Dance Monkey aufgebaut und die Pro-Tools-Session entsprechend organisiert. Die oberen 29 Spuren beinhalten die Drums, 20 davon sind Audiospuren und neun sind Aux-Tracks. Diese Busse führen jeweils alle wichtigen Instrumentengruppen und ihre parallelen Effektspuren – sie sind also zentrale Elemente in der gesamten Session.

Die Session beinhaltet weiterhin fünf Bass-Audiospuren mit ihren Aux-Tracks, vier Gitarrenspuren mit zwei Aux-Tracks, 19 Keyboard-Spuren, sechs Backing-Vocals samt Aux-Tracks, 12 Group-Vocals mit ihrem Aux-Track sowie zehn Lead-Vocal-Spuren. Auch sie sind mit drei zugehörigen Aux-Tracks ergänzt. Darunter befinden sich 20 weitere Aux-Wege, aufgesplittet in zehn Effektspuren, fünf Vocal-Compression-Tracks, die entsprechend dem »Mixing into Compression «-Konzept von Michael Brauer arbeiten, sowie schließlich vier Group-Aux-Spuren für die Instrumentengruppen Keys (A), Drums und Bass (B), Gitarren (C) und Backing-Vocals (D). Vervollständigt wird die Session vom Masterbus und einem Mix-Print-Track.

Universal Audio LA-3A

Drums

Meist arbeitet sich Konstantin von oben nach unten durch die Session. Der Fokus liegt dabei auf der Arbeit mit den Aux-Bussen und ihren zahlreichen Plug-ins: »Ich bearbeite kaum einzelne Audiospuren als vielmehr die Aux-Busse. Da ist man einen entscheidenden Schritt näher am Hörer, denn der nimmt ja nur den Gesamt-Sound der Kick wahr und nicht etwa fünf einzelne Kicks. Nur wenn es wirklich notwendig sein sollte, nutze ich Plug-ins auf Einzelspuren. In dieser Session haben wir zwei Audiospuren mit Kicks, die an einem Kick-Bus mit FabFilter Pro-Q2 und Slate VMR liegen, außerdem ein Send mit FabFilter Pro R, welcher zur DrumVerb-Aux-Spur führt.

Als Nächstes folgen die fünf Kick-Audiospuren. Drei davon gehen über einen Q2 und ein VMR in den ChorusKick-Aux, zwei jedoch direkt in den Drum- Bus. Der Chorus-Snare-Track nutzt nur wenige Plugins; am wichtigsten ist hier der FabFilter Pro-L. Im Snap-Aux mit den zwei Snap-Spuren sitzen der Sound-Toys Devil-Loc für eine leichte Verzerrung sowie ein Pro-Q2, Slate Virtual Mix Rack und eine Virtual Tape Machine. Die Claps sind ganz ähnlich aufgebaut, allerdings gibt es hier je zwei Spuren mit Drumcomputer-Claps und echten Handclaps. Unter den Plug-ins sorgt hier der FabFilter Saturn für etwas Distortion.

Der Pro-Q2 ist mein Lieblings-EQ. Ich nutze ihn immer dort, wo ich etwas herausarbeiten möchte. Andere EQs – Neve, SSL, API usw. – verwende ich nur, wenn ich deren speziellen Sound haben möchte. Im Slate Virtual Mix Rack mag ich besonders die Neve- und API-Emulationen. Sie klingen unauffällig, machen den Sound jedoch auf angenehme Weise eine Spur wärmer. Ähnliches vermag die Slate Virtual Tape Machine. Im Vergleich mit der UAD Tape Emulation klingt sie für mich etwas subtiler. Wenn ich Sounds leicht anzerren möchte, verwende ich dazu gerne den SoundToys Decapitator und den Devil-Loc oder FabFilter Saturn. Die FabFilter-Sachen mag ich wirklich gerne – sie sind einfach zu bedienen und klingen hervorragend, ohne den Sound zu sehr zu färben. Der Pro-C2 ist ein toller Kompressor, der genau das tut, was er soll.«

Audio-Drum-Spuren gelangen entweder direkt oder über ihre zugehörigen Aux-Tracks in den Drum-Aux-Weg. Dabei schicken die Aux-Tracks ihre Signale via Sends in die drei parallel angeordneten Drum-Aux-Tracks: Deren Bezeichnungen sind im einzelnen »Parallel Drums« mit SoundToys Decapitator und Kush UBK1-Kompressor, »SPL Drums« mit N.I. Transient Master sowie »Big Parallel« mit Kush Novatron-Kompressor und Pro-Q2. Diese insgesamt vier Busse gelangen schließlich, wie alle Drums und Bässe, in den »B-Bus« am unteren Ende der Session. Konstantin erklärt: »Der Main Drum-Aux hat einen Drawmer 1968 Hardware-Kompressor im Insert. Der Decapitator liefert hier zudem eine leichte Sättigung, der UAD API 2500 noch etwas mehr Kompression. Der Drum-Bus ist mit Sends auf zwei Drum-Aux-Tracks geroutet: So sorgt ›SPL Drums‹ für etwas mehr Attack und Sustain und ›Big Parallel‹ mit dem Novatron im Punish-Mode für eine bessere Durchsetzungsfähigkeit der Drum im Chorus des Songs. Weil bei Parallelkompression die Gefahr besteht, dass die Höhen zu sehr hervorgehoben werden, beschneidet ein Pro-Q2 ein wenig die hohen Frequenzen. Der endgültige Sound entsteht dann durch das passende Pegelverhältnis dieser vier Signale.«

Music

Dieser Abschnitt der Session beginnt mit der Bass-Sektion, deren erste Spur die 808 ist. Hier findet sich ein etwas anderes Routing als bei den Drums, denn alle Audiospuren und Aux-Tracks mit Bass- und Gitarren-Sounds gelangen direkt zu den Aux-Bussen B oder C. Die Inserts der Model-D- und Arturia-Moog-Spuren sind mit reichlich Plug-ins bestückt: Im »Bass Chorus«-Aux des Model D befindet sich ein SoundToys Microshift. Für die Gitarren gibt es zwei Aux-Wege, zum einen den »Guitar Slap«-Aux mit SoundToys Echoboy und der »Guitar Reverb«-Aux mit einem Pro-R. Die Keys-Tracks gelangen allesamt ohne Verwendung von Aux-Spuren direkt in Bus A.

»Auf den 808-Sounds befindet sich ein Decapitator«, erläutert Konstantin. »Bei vielen Sounds erreicht man mit etwas Distortion eine bessere Wahrnehmung über kleine Lautsprecher. Ich checke das über meine Auratone 5C-Monitore und sogar über Handy-Lautsprecher. Es ist wichtig, dass sich der Mix wirklich überall gut anhört.

Regeln sind da, um gebrochen zu werden. In diesem Fall heißt das: Es sind reichlich Plug-ins auf die Audiospuren gepackt – vor allem beim Model D, dem Hauptbass des Songs. Subbass und hohe Mitten habe ich mit Pro-Q2 und FabFilter Pro-MB bearbeitet. Decapitator und Dada Life Sausage Fattener erzeugen etwas Verzerrung in den tiefen Mitten und sorgen damit für eine gute Basspräsenz auf kleinen Lautsprechern. Ein Kush Audio Novatron Kompressor zähmt den Bass ein wenig. Die Keyboard-Sounds habe ich schon während der Produktion mit Plug-ins ausgestattet und schließlich mehrere Sounds gelayert.«

Konstantin Kersting in seinem Studio

Vocals

Wie schon oben erwähnt, gliedern sich die zehn Gesangsspuren in Harmony-Vocals (die ähnlich einem mittelalterlichen Chor klingen), den Group-Backing- und den Lead-Vocals. Jede Gruppe besitzt auch hier ihre eigenen Aux-Tracks, die ihrerseits mit zahlreichen Plug-ins bestückt sind. Der meiste Aufwand steckt natürlich in den Lead-Vocals. Schon deren Audiospuren sind hier mit jeweils zwei bis vier Plug-ins ausgestattet, darunter Waves Tunes LT, Pro-C2 und Avid D3 De-Esser. Dazu kommen insgesamt 28 Plug-ins in den entsprechenden Aux-Spuren. »Lead Vox 1«-Aux besitzt allein neun Inserts und zehn Sends, bei »Lead Vox 2«-Aux sind es jeweils fünf.

Angesichts der zahlreichen Plug-ins erklärt Konstantin fast entschuldigend: »Eigentlich passiert nicht wirklich viel. Jedes Plug-in arbeitet sehr subtil. Hauptsächlich verteile ich die Lead-Vocals auf verschiedene Spuren, um jede etwas anders bearbeiten zu können. Mir gefiel das Waves Tune-Plug-in am besten auf Tonis Stimme. Es schiebt aber nur hier und dort ein paar Noten zurecht, mehr nicht. Jede Audiospur ist mit einem Waves C2 Kompressor und einem De-Esser ausgestattet. Drei Spuren sind mit dem SoundToys Little Alter Boy um eine Okatve abwärts gepitcht, zudem befindet sich auf einer dieser Spuren ein TAL-Vocoder.

Abgesehen von der Vocoder-Spur, welche direkt zum ›D Backing Vocals‹-Bus geroutet ist, laufen alle Vocal-Spuren in den Vocal Master-Bus namens ›Lead-Vocal 1‹. Er ist mit einem FabFilter DS De-Esser ausgestattet. Zudem befindet sich mein Urei LA-2A im Hardware-Insert. Ich nutze den Urei gerne als kaum hörbaren Limiter. Außerdem arbeitet hier ein UAD Neve 1073 mit ziemlich weit aufgedrehtem Gain und heruntergezogenem Fader. So liefert er einen sehr schönen, authentischen Sound. Zudem befinden sich im Vocal Master-Bus noch eine Instanz des Slate VMR mit Neve-Emulation, eine 1176-Emulation, ein weiteres Saturation-Plug-in und ein soft eingestellter Kompressor.

In den Inserts des Vocal-Master-Busses befindet sich zudem ein Pro-Q2. Er reduziert Mitten und Low-End und verstärkt die Höhen ab 5 kHz. Dann liefert ein weiteres Slate VMR noch etwas Sättigung, und ein Pro Tools De-Esser arbeitet der zuvor erfolgten Höhenanhebung entgegen. Ein Pro-MB Multiband bearbeitet den vom EQ abgesenkten Mittenbereich. Außerdem entschärft er die Frequenzen um 10 kHz und damit die Zischlaute in Tonis Stimme. Es war etwas Aufwand notwendig, Tonis ausdrucksstarke Stimme perfekt in den Griff zu bekommen. Letztes Plug-in der Kette ist schließlich ein Gate, welches das Rauschen vom Hardware-LA-2A eliminiert.

Auf die Inserts des Vocal-Master-Busses folgen die Sends. Die ersten vier Sends versorgen nacheinander ein Slap-Echo, ein langes Delay, einen Hall sowie die Simulation einer kleinen Hallplatte. Send Nummer 5 führt in die Vocoder-Spur. Die im Weiteren folgenden Sends speisen die fünf orangefarbenen Aux-Tracks, die sämtlich mit Kompressoren ausgestattet sind. Auch hier wird wieder im Michael-Brauer-Style komprimiert und die fünf Spuren zu einem runden Gesamt-Sound ausbalanciert. Die hier verwendeten Kompressor-Plug-ins sind ein Kush Audio UBK1, welcher sich sehr schön überfahren lässt, die Slate 1176-Emulation, ein Slate VCA-Kompressor, ein Empirical Labs Arousor sowie eine weitere Decapitator-Instanz im ›Vox Distortion‹-Bus.

Das Ganze erscheint vielleicht auf den ersten Blick enorm aufwendig und komplex, aber auch hier machen viele Kompressoren zusammen nur viele kleine Dinge. Seit ich so arbeite, sitzen meine Vocals deutlich besser im Mix. Zudem brauche ich weniger EQBearbeitungen. Da das Zusammenspiel der Kompressoren den gesamten Vocal-Sound maßgeblich bestimmt, erfolgt dieser Arbeitsschritt noch vor dem Vocal-Mix.«

Master-Bus

Die Vocal-Spuren gelangen direkt zum Kanal Nummer 4 von Konstantins Apogee DA-16X. Der Rest der Session läuft über die vier Aux-Tracks A (Keys), B (Drums und Bass), C (Gitarren) und D (Backing Vocals). Aux-Tracks A und D beschicken Kanal 7/8, B ist mit Kanal 1/2 verbunden und C mit 5/6. Konstantin erklärt: »Die Summe des SSL X-Desks gelangt über den Crane Song Hedd in einen Hardware JLM PEQ und in den Alan Smart C2 Kompressor. Im Wesentlichen wird so der Pegel um etwa 3 dB begrenzt.

Danach geht es zurück in Pro Tools. Was sich dort an Plug-ins im Mix-Bus befindet, kann sehr variieren. In dieser Session habe ich ein Slate VMR mit Neve-Emulation und das iZotope Ozone 7 verwendet. Dahinter befindet sich mein Slate Digital FG-X Mastering-Processor. Er betont die Transienten. Dann folgt ein Kush Clariphonic DSP. Der klingt wirklich groß artig – als würde man einen Vorhang von den Lautsprechern wegziehen. Am Ende der Kette befindet sich schließlich noch eine weitere Slate Tape Emulation und der FabFilter Pro-L. Letzterer stellt aber nur sicher, dass sich im Audiofile keine ungewollten Signalspitzen befinden. Davon abgesehen, verschicke ich meine Listening-Copies grundsätzlich ohne Limiting. Meine Mixe haben immer –12 LUFS, also lauter als Spotify. Listening-Copies und Mixe für das Mastering sind identisch.«

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