Wege zum Ruhm

Mixpraxis – Frank Dukes Betätigungsfelder vor, hinter und abseits des Mischpults

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(Bild: Peter Hou)

Frank Dukes könnte sich bequem auf seiner ellenlangen Credit-Liste ausruhen. Stattdessen erfindet sich der US Top-Produzent alle paar Jahre neu – als Sample-Pionier, Softsynth-Entwickler und Musiker. Ein Portrait …

»Ich liebe Popmusik, und ich liebe Musik, die sich abseits der ausgetretenen Pfade bewegt – also genau das, was meine Lieblingsmusiker, darunter die Beatles, Nirvana und der Wu-Tang Clan, gemacht haben: Popmusik mit einer ordentlichen Portion ›Dreh‹. Dementsprechend schätzt man mich als Produzent von eigenwilligen Pop-Alben. Dahinter steht jedoch kein Konzept oder eine bewusste Entscheidung – sondern einfach ich selbst. Und ich mache, was ich aufregend finde.«

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So spricht Frank King Feeney, seit den frühen 2000ern besser bekannt als Frank Dukes. »Machen, was ich aufregend finde« ist dann auch sein Beitrag zu einer ganzen Reihe von internationalen Top-Hits von Drake, Eminem, Taylor Swift, Lorde, Kanye West, Camile Cabello, Post Malone, The Weekend, The Jonas Brothers, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Nach seinem gelungenen Start in der Hip-Hop-Welt zählt Frank mittlerweile zu einem der gefragtesten Pop-Songwriter und Produzenten weltweit.

Seit 2014 wurde Frank mit nicht weniger als elf ASCAP-Awards, 16 BMI-Awards, drei Grammys und 29 Grammy-Nominierungen bedacht. Man schätzt seinen außergewöhnlichen Sound-Geschmack und seine Vorliebe für Analog-Equipment. Zudem gilt er als einer der Künstler, die maßgeblichen Einfluss auf die Produktionsweise von Popmusik genommen haben, nicht zuletzt durch seine Kingsway Music Library, welche die Idee der Sample-Library Splice vorweggenommen hat. Frank behauptet selbstbewusst, er hätte nicht weniger im Sinn gehabt, als »einer der besten Produzenten weltweit zu werden, um mit den außergewöhnlichsten Künstlern aller Zeiten zu arbeiten«. Ein Blick auf seine Credit-Liste bestätigt, dass dieses Vorhaben offenbar gelungen ist. Zudem fällt auf, dass sich seine Produktionen größtenteils zu »Dauerbrennern« entwickelt haben.

Das Lyric Studio von Frank Dukes in LA (Bild: Peter Hou)

»Blicke ich auf all meine Produktionen zurück, einschließlich meiner frühen Hits, stelle ich fest, dass es darunter keinerlei Senkrechtstarter gibt. Stattdessen sind sie langsam, aber sicher in die Top-Ten aufgestiegen. Einmal dort angekommen, hielten sie sich länger als viele andere Songs. Darüber bin ich sehr glücklich. Ich glaube, meine Platten besitzen eine gewisse Authentizität, die ihnen etwas verleiht, was rundum durchdesignte, auf schnellen Erfolg ausgerichtete Produktionen nicht bieten.«

Frank nennt in diesem Zusammenhang Rihannas Needed Me (2016), Post Malones Congratulations (2016) und Camila Cabellos Havana (2017) als Beispiele. Rihannas Song verbrachte nicht weniger als 16 Wochen in den US-Top-Ten und gilt somit als dauerhafteste Chart-Platzierung ihrer gesamten Karriere. Post Malone brachte es auf 50 Wochen in den US-Single-Charts. Camila Cabellos Label veröffentlichte Havana zunächst nur als B-Seite. Nicht ohne eine gewisse Genugtuung erinnert sich Frank, dass der Song schließlich zur bestverkauften Digital-Single und zu einem der größten Hits des Jahrzehnts aufstieg.

Vom Hip-Hop zum Pop

Angesichts seiner riesigen Erfolge wurde Frank schon unzählige Male gebeten, seine Produktionsgeheimnisse preiszugeben – und hat sich dazu immer sehr bedeckt gehalten. Es existieren vergleichsweise wenige Online-Interviews, und dieser Artikel (bzw. sein Pendant in SOS; Anm.d.Red.) ist Franks erster Auftritt in einem Fachmagazin überhaupt. Die neue Medienpräsenz hat vor allem zwei Gründe: das Erscheinen seines Sample-basierten Software-Synths The Prince sowie die Ankündigung, zukünftig selbst als Künstler unter dem Namen »Ging« in Erscheinung treten zu wollen. Somit ist dieses Interview auch ein Rückblick auf seinen Karriereabschnitt als Songschreiber und Produzent Frank Dukes.

Frank Dukes liebt analoge Synthesizer. (Bild: Peter Hou)

1983 in Toronto, Kanada geboren, erhält Frank mit fünf Jahren seinen ersten Pianounterricht. Später lernt er zudem Gitarre und Schlagzeug. Während seiner Teenage-Jahre sammelt er Platten, vornehmlich aus den 1960ern und 70ern. Sie wecken sein Interesse an der Musikproduktion, und eines Tages kauft sich Frank eine MPC. Zudem findet er Gefallen am Skateboard, was ihn wiederum zum Hip-Hop und DJing führt.

In den frühen 2000ern erfindet er seinen Künstlernamen Frank Dukes (in Anlehnung an Frank Dux, eine Figur aus dem 1988er Actionfilm Bloodsport). Er arbeitet mit Rappern, erstellt Remixe, nimmt Praktika und produziert schließlich Drakes Track Money. Frank startet eine Zusammenarbeit mit Producer Boi-1da und findet sich bald auf den Credit-Listen verschiedenster Künstler, darunter so große Namen wie 50 Cent, mehrere Wu-Tang Clan Mitglieder und die Hip-Hop/Jazz-Band Badbadnotgood.

Frustriert von der oftmals problematischen und kostspieligen Sample-Lizenzierung startet Frank 2011 seine Kingsway Music Library. Sie bietet Samples aus seinen eigenen Produktionen zum Gebrauch an. Mittlerweile legendär, gilt sie als Musterbeispiel für die einfache kommerzielle Handhabung und Verwendung von Samples. Zudem ist sie für ihren hohen Qualitätsstandard bekannt. Zahllose Künstler, darunter Drake, Boi-1da, Vinylz, Kanye, Mac Miller und Rihanna haben Franks Samples verwendet.

Ein Meeting mit den Produzenten Louis Bell und Post Malone läutet 2015 Franks nächsten Karriereabschnitt ein: die Beteiligung am Songwriting und die Produktion von Popsongs. Bis heute findet sich Frank in den Credits von über 300 Songs, 30 davon haben Platinstatus erlangt.

Die Gründe für seine mehrfache künstlerische Neuorientierung beschreibt Frank so: »Ich habe immer genau das gemacht, was mich in einem bestimmten Moment besonders interessiert hat. Zu Anfang war das ganz einfach nur die Möglichkeit, Musik zu machen. Mit der MPC im Keller meines Elternhauses zu sitzen und Beats zu schrauben, fühlte sich toll an – es war die Möglichkeit, etwas aus dem Nichts zu schaffen.

Im nächsten Schritt stellte sich der Wunsch ein, mit anderen Musikern zu arbeiten. Also suchte ich Leute, die über meine Beats rappten. Als das passiert war, dachte ich: ›Ok, und was kommt als Nächstes?‹ Ich hatte einen Beat für 50 Cent gemacht, versehen mit einem Sample der New Yorker Band Menehan Street. Sie luden mich nach New York ein. Dort sah ich etwas für mich wirklich Neues: Echte Musiker spielten echte Instrumente und nahmen sie mit Vintage-Equipment auf Tape auf! Die Ergebnisse klangen genauso wie die Platten, die ich als Teenie geliebt und später gesampelt hatte – ein unglaublicher Moment!

Franks Hammond-Orgel (Bild: Peter Hou)

Wenn mich etwas wirklich kickt, steigere ich mich total hinein. Das gilt auch für analoges Equipment und den entsprechenden Aufnahmeprozess. Anfänglich war ich mir dessen noch gar nicht wirklich bewusst, aber ich verstand nun zunehmend, wie meine Lieblingsplatten aus den 60er, 70er und 80ern sowie die Sounds, die ich gesampelt hatte, entstanden sind. Mithilfe des Analog-Equipments sah ich mich schließlich selbst in der Lage, Musik mit einem solchen Sound zu produzieren.

Genau das war seinerzeit mein Ding. Bald produzierte ich weniger Beats als vielmehr Musik zum Sampeln. Diese Samples teile ich mit Leuten, die ihrerseits Beats produzierten. Auf diese Weise entstand die Kingsway Library. Sie fand reichlich Zuspruch. Ihr verdanke ich auch meinen ersten, richtig großen Erfolg: Boi-1da nutze 2014 eines meiner Samples für Drakes 0 to 100. Das brachte mir einen Lizenzvertrag, und ich erhielt zum ersten Mal wirklich Geld für meine Musik.«

Samples für ein neues Hip-Hop-Zeitalter

Rückblickend wertet Frank seinen Beitrag zur Sampling-Welt als eine seiner interessantesten Unternehmungen: »Mir wurde oft gesagt: ›Hey – du bist bekannt für deine Sounds – warum verschenkst du sie einfach?‹ Aber ich mag die Idee des Teilens. Und ich will einfach Dinge tun, die mir Spaß machen – egal ob ich dafür Geld bekomme oder nicht. Zudem finde ich es spannend zu hören, was andere Leute mit meinen Sounds anstellen.

Guter Sound fasziniert mich total. Somit ist es ein tolles Gefühl, dass meine Samples ein Stück weit dazu beigetragen haben, Hip-Hop-Produktionen musikalischer klingen zu lassen. Vor 2010 war die Hip-Hop-Musik deutlich einfacher gestrickt. Heute gibt es überall Leute, die Loops und Samples basteln und sie Produzenten zur Verfügung stellen. Das gab es vorher nicht. Die Qualität solcher Loops ist oftmals kein Stück schlechter als Samples von alten Platten – wirklich erstaunlich!

Auch wenn mein Konzept viele Dinge in Bewegung gesetzt und verändert hat, würde ich nie behaupten, damit der Erste gewesen zu sein. Meines Wissens war Nick Brongers der Allererste, der seine Sound-Ästhetik an alten Aufnahmen ausgerichtet hat. Meinen Betrag sehe ich vor allem darin, nicht nur mit alt klingenden Samples zu arbeiten, sondern daraus Material zu produzieren, was musikalisch Neues ermöglicht.«

Das Samick Upright-Piano (Bild: Peter Hou)

Dennoch bleiben alte Aufnahmen nach wie vor eine wichtige Referenz für Frank. Seine größten Einflüsse beschreibt er so: »Es gibt einfach zu viele davon. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen sollte. Ganz wichtig ist für mich der Brasilianische Komponist Arthur Verocai. Er hat 1972 ein Album gemacht, was seinerzeit vollkommen unbeachtet blieb. Erst als MF Doom es 2004 entdeckte, erhielt es die verdiente Beachtung und wurde seitdem unzählige Male gesampelt. Dieses Album ist für mich ein echtes Meisterwerk hinsichtlich Song-Writing, Arrangement und Produktion.

Meine musikalischen Vorlieben reichen von den eingängigsten bis zu den schrägsten Sachen. Die Beatles, Nirvana und Wu-Tang waren gleichermaßen unglaublich populär und total schräg. Die Beatles haben sowohl das Songwriting als auch, zusammen mit George Martin, die Produktion auf ein neues Level gehoben und damit den Begriff Popmusik vollkommen neu definiert. Ich selbst habe einen Sinn für gute Popmusik entwickelt und schreibe deshalb gerne eingängige Songs.

Meine Lieblingsmusik war zu ihrer Zeit immer visionär. Ich würde deshalb nie auf die Idee kommen, meine eigene Musik nur zum Selbstzweck ›alt‹ klingen zu lassen. Ich lebe im Jahr 2021, nicht in den 1960er oder 70ern. Meine Vision ist es, interessante Elemente aufzugreifen und zu modernisieren. So bleiben sie zeitlos. Niemand will etwas Aufgewärmtes hören.«

In Franks Studio stehen reichlich Gitarren griffbereit zur Verfügung. (Bild: Peter Hou)

Rundum-Produzent

Das Schreiben von solch »eingängigen Songs« bestimmt nun Franks aktuelle Schaffensphase: »Als ich Lou und Post traf, verfügte ich schon über eine ansehnliche Credit-Liste. Zudem kannte ich zahlreiche Spezialisten für bestimmte Produktionsaufgaben und sah mich selbst in der Lage, ein Projekt mit mehreren Beteiligten klanglich in eine gewünschte Richtung zu steuern. Ich hatte zwar noch keine Songs mitgeschrieben, der Schritt dorthin schien jedoch nicht wirklich groß, denn Recording und Produktion waren meine alltägliche Arbeit. Co-Writing und Co-Produktion für andere Künstler wurde nun meine neue Leidenschaft.

Schließlich erreichte ich einen Punkt, an dem ich mich als ›Rundum-Produzent‹ erkennen konnte – nicht nur als Zulieferer von Beats und Samples. Das war wunderbar, denn endlich hatte ich das Gefühl, mit wirklich jedem Künstler erfolgreich arbeiten zu können. Die Stationen auf dem Weg dorthin waren unglaublich vielfältig und entsprechend wichtig für meine künstlerische Entwicklung, denn sie haben sich alle ergänzt. Die Kingsway Music Library war ebenso wichtig wie die Songs, die ich mitgeschrieben und produziert habe.«

Bis 2018 pendelte Frank regelmäßig zwischen Los Angeles und seiner Heimat Toronto. 2018 schlug er seine Zelte dauerhaft in LA auf. Im vergangenen Jahr bezog Frank dort seine aktuelle Lebens- und Arbeitsumgebung. In einem betagten, zentral gelegenen Gebäude betreibt er sein Lyric Studio.

Wie nicht anders zu erwarten, beherbergt das Studio eine Top-Ausstattung mit ATC-45-Monitoren, UA Apollo-16x- und Apollo-x8p-Interfaces sowie reihenweise Mic-Pres, darunter vier Neve Portico 5024, zwei Chandler TG 2-500, zwei API 512c und zwei Neve 1073lb.

Die Aufnahmekette für Vocals und Gitarren besteht aus einem Townsend Sphere-Mikrofon mit API 512C und dem UA 16x. Das Piano wird mit jeweils zwei AKG 414 und Portico 5024-Preamp aufgenommen. Für Kickdrums gibt es ein D12, für die Hi-Hats ein SM57 und einen weiteren 5024. Snare-Top und -Bottom nutzen beide je ein SM57 mit Chandler Germanium 500. Für die Overheads verwendet Frank ein Townsend Sphere in Stereo sowie die beiden API 512c.

Den von Frank Dukes entwickelten Softsynth The Prince gibt es auf cradle.app. Zum Ausprobieren lässt sich eine auf sieben Tage begrenzte Testversion herunterladen.

Neben den Recording-Tools findet sich im Lyric-Studio eine beeindruckende Auswahl an Gitarren und Keyboards, darunter ein Yamaha CS-60-Synth, eine Hammond-Orgel mit Leslie-Kabinett und ein Wurlitzer E-Piano. Weiterhin verfügt das Studio über Roland GR-500 Guitar Synth, Black Corporation Kijimi, Moog Matriarch, ein Modular-Rig, Sequential Prophet-10 und Prophet X, Korg Mono/Poly, Uno Super 6, Samick Upright-Piano und Elektron Digitone Keys. Die Gitarren stammen von Fender, Gibson, Martin und Höfner. »Ich sammele analoge Keyboards und Synths seit über 15 Jahren«, berichtet Frank. »Wie schon erwähnt, sind Spaßfaktor und Neugier für mich entscheidend – und Analog-Keyboards machen mir definitiv Spaß! Irgendwann wurde ich regelrecht süchtig danach und suchte ständig auf Craiglists und eBay sowie in lokalen Musikgeschäften. Ich kaufte alles, was irgendwie spannend und inspirierend aussah und coole Sounds von sich gab. Zeitweise besaß ich tonnenweise analoge Keyboards.«

Meine ersten Vintage-Synths waren ein paar schräge Crumar-Teile mit höchstens drei brauchbaren Sounds. Ich war aber trotzdem hin und weg, weil sie so klangen, wie die Synths auf meinen alten Lieblingsplatten. Danach kamen ein Roland Juno-60 und ein Yamaha CS01. Der erste, richtig große Vintage-Synth war der Yamaha CS-60. Als ich jünger war, musste alles alt und analog sein. Heute bin ich mit diesem Thema jedoch weitgehend durch.«

Analog-Synths: alt vers. neu. Tatsächlich scheint Frank seine Sucht nach analogem Equipment überwunden zu haben: »Ich bin kein Purist mehr. Mit zunehmender Erfahrung wurde mir bewusst, dass es eigentlich keine Rolle spielt, ob das Equipment analog oder digital arbeitet. Wichtig ist die Inspiration, die davon ausgeht – und natürlich die Faszination am Musikmachen. Selbstverständlich mag ich noch immer analoge Aufnahmen, und ich schätze ihren Entstehungsprozess, denn man sitzt nicht nur am Rechner. Ich fühle mich noch immer von analog klingenden Produktionen angesprochen, dass muss jedoch nicht mehr zwangsläufig bedeuten, dass sie tatsächlich analog entstanden sind.

Es gab eine Phase, in der ich zumindest Aufnahmen mit einer Band unbedingt analog machen wollte. Heute kann ich mir die Arbeit mit Tape nicht mehr vorstellen. Die Technologie und meine Fähigkeiten haben sich so weit entwickelt, dass ich den Unterschied nicht mehr wahrnehmen kann. Es gibt Plug-ins, die wirklich analog klingen, wie etwa das Waves J37 Tape Saturation. Das ist zurzeit wahrscheinlich mein Lieblings-Plug-in.

Zudem sind die aktuellen Analog-Synths um so vieles besser als die alten Teile. Ein Sammler bevorzugt natürlich Vintage-Instrumente – als Musiker kaufe ich jedoch lieber die aktuelle Version. Sie klingen super, haben MIDI, du kannst sie problemlos in dein modernes Setup integrieren, und das Teil geht nicht ständig kaputt. Moderne Analog-Synths sind wirklich eine tolle Sache.«

Die »Zentrale« von Franks digitalem Setup ist Ableton Live: »Ganz zu Anfang arbeitete ich ja ausschließlich mit meiner MPC und den Vinyls. 2007 entdeckte ich dann Ableton, um zunächst Beats von der MPC aufzunehmen. Schon wenig später ersetzte Ableton die MPC als zentrales Tool, und ich bin ihm immer treu geblieben.

Im Laufe der Zeit hat sich Ableton Live erheblich verbessert. Mittlerweile findet man alles, was man von einer DAW erwartet. Ich nutze Ableton jedoch primär als luxuriöse Bandmaschine – jede Funktion kennenzulernen, liegt mir gar nicht. Mein Workflow ist äußerst einfach und intuitiv. Ich mache, was mir gefällt, und lasse mich von meiner Intuition treiben. Ich kann zwar ganz gut am Klavier arbeiten, beginne das Song-Writing aber meist mit der Gitarre. Mein Engineer Tyler Murphy nimmt alles in Ableton auf, packt es in ein Raster, und dann bearbeiten wir die Aufnahmen mit Time-Stretching oder Ähnlichem. Abletons Time-Stretching klingt sehr natürlich und ist intuitiv. Im nächsten Schritt erstelle ich gerne einen Beat oder spiele Drums ein. Auch hier arbeiten wir dann wieder mit Abletons Time-Stretching.

Ich bin fest davon überzeugt, dass ein Produzent  kein Technikexperte sein muss. Wichtig ist, dass du Entscheidungen treffen kannst. Tyler ist meine technisch denkende Gehirnhälfte, und er ergänzt mich perfekt. Wenn er im Studio ist, brauche ich keinen Gedanken an technische Dinge zu verschwenden – ich kann einfach kreativ sein.«

Drumset von Franke (Bild: Peter Hou)

Instant Frank Dukes: The Prince.

Immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen, gelangte Frank schließlich an die beiden Projekte, die ihn momentan umtreiben: The Prince und seine anstehende Künstlerkarriere als Ging. The Prince ist ein brandneuer Software-Synth auf Samplebasis. Die Idee dazu kam Frank während seiner zahlreichen Reisen zwischen Toronto und LA, als es ihm unmöglich war, sein analoges Equipment an beiden Orten zu nutzen.

»Ich suchte nach einer Möglichkeit, meine eigenen Sounds jederzeit verfügbar zu haben. So schloss ich mich mit meinem Freund Matt Fudge kurz. Er ist Software-Entwickler und Programmierer. Wir stellten fest, dass es nur wenige Synths mit Sample-basierter Klangerzeugung gibt. Die Alternative war, entweder Native Instruments Kontakt zu nutzen oder etwas Eigenes zu entwickeln. Wir entschieden uns schließlich für Letzteres. Ich gründete eine Firma mit dem Namen Cradle Apps und stellte ein Team mit der Aufgabe zusammen, eine leistungsfähige Sound-Engine zu entwickeln. Sie sollte in der Lage sein, ein ausbaufähiges Software-Sample-Instrument realisieren zu können.

Seit seinem Start vor drei Jahren haben wir permanent an The Prince gearbeitet. Es hat wirklich lange gedauert, bis wir rundum zufrieden waren. Aber zur Release im vergangenen Oktober hatten wir endlich etwas, was mich wirklich umgehauen hat! In The Prince stecken 20 Jahre Sounddesign – meine Lieblings-Synths und zahllose Sounds, die ich während meiner gesamten Karriere für erfolgreiche Produktionen verwendet habe. Jeder einzelne Sound ist durch meine Hände gegangen.

Wir haben viel Aufwand betrieben, um die Essenz der Analog-Synths in The Prince unterzubringen und dabei zahllose Details beachtet: Wie viel Noise darf eine Bassline haben? Wann klingt sie zu sauber? Ich denke, unsere Sound-Engine stellt jede andere Sample-Engine in den Schatten. Auch wenn du nur Presets nutzt, wird The Prince niemals langweilig. Aber natürlich kannst du unglaubliche Klänge damit selbst entwickeln.

Die Oberfläche ist sehr einfach und intuitiv gestaltet. Sie soll ohne jede technische Kenntnis nutzbar sein – das ist unser Anspruch. The Prince liefert umgehend beeindruckende Sounds und macht Lust zu spielen und Songs zu schreiben. Natürlich ist das momentan mein absolutes Lieblings-Software-Instrument. Mehr als The Prince und das Waves J37 brauche ich nicht mehr. Es ist lustig: Ich erhalte ständig Fragen zu meinem Equipment. Wenn die Leute mich in einem Video sehen, bemerken sie jedoch, dass es nur The Prince und das J37 ist. Dann sagen sie: ›Echt – das ist wirklich alles!?‹ «

(Bild: Peter Hou)

Es lebe Ging!

Ein weiteres Thema ließe sich mit »Frank Dukes ist tot, es lebe Ging!« zusammenfassen. Da Frank weiterhin als Produzent tätig sein wird, entspricht dieses Statement aber nicht ganz der Wahrheit. Mit dem Album The Way of Ging im Gepäck – erschienen im November 2021 – ist Ging jedoch klar Franks aktueller Fokus: »Schon vor etwa drei Jahren beschlich mich das Gefühl, als Produzent alles erreicht zu haben, was ich mir erträumt hatte. Ich überlegte mir also, was das nächste ›große Ding‹ für mich sein könnte, und beschloss, selbst als Künstler in Erscheinung zu treten.

Man sollte meinen, dass der Schritt vom Song-Schreiber und Produzenten zum Künstler ganz natürlich wäre. Das stimmt aber nicht ganz. Als Produzent bist du immer Dienstleister. Natürlich kannst du dich ein Stück weit selbst in das Projekt einbringen, aber grundsätzlich hat dein Input der Vision des Künstlers zu dienen. Das ist auch ok so. Irgendwann war ich jedoch an dem Punkt angekommen, wo ich meine ganz eigene musikalische Vision umsetzen wollte.

In der kommenden Phase möchte ich den Leuten etwas von mir geben – wie etwa The Prince. Ich schreibe und singe meine eigene Musik und werde meine eigenen Videos produzieren. Meine Ausdrucksformen werden sich ändern. Bleiben wird der Wunsch und der Anspruch, Leute damit zu überraschen.«

HAVANA UND CIRCLES

Mit ihrem Song Havana (featuring Young Thug) hat Camila Cabello definitv ihren großen Karrieresprung vollzogen. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, tauchte in zahlreichen »Best Songs of 2017«-Listen auf und wurde schließlich zu einem der kommerziell erfolgreichsten Songs der 2010er-Jahre. Entsprechend der üblichen Gegebenheiten wurde Havana von zahlreichen Autoren geschrieben: Neben Camila selbst traten Jeffrey Williams, Brittany Hazzard, Pharrell Williams, Adam Feeney, Brian Lee, Ali Tamposi, Andrew Watt, Louis Bell und Kaan Gunesberk in Erscheinung. Interessanterweise gab es nur einen einzigen Produzenten – Frank Dukes.

»Diese Platte ist mir echt ans Herz gewachsen«, erzählt Frank. »Ich hatte das Vergnügen, dafür den Beat zu produzieren. Das hat buchstäblich fünf Minuten gedauert: eine Akkordfolge, eine Snare, ein bisschen 808 – fertig. Es war die erste Gelegenheit, mit Camila zu arbeiten. Ali Tamposi und Andrew Watt waren seinerzeit ebenfalls im Studio. Ali war gerade mit ein paar Vocal-Lines beschäftigt.

Camila stammt aus Havana, und Donald Trump wurde gerade ins Amt berufen. Besonders in diesem Moment war es Camila äußerst wichtig, auf ihre kubanischen Wurzeln hinzuweisen und ihre Kultur zu repräsentieren. Deshalb nannte ich den Beat Nights in Havana.

Mir war klar, dass der Song Potenzial hatte. Außer Camila und mir sah das aber zunächst niemand. Aber wir blieben dran. Über einen Zeitraum von sechs Monaten versuchten wir, das Beste aus dem Song herauszuholen. Die zahlreichen Song-Schreiber sind den vielen Überarbeitungen von Strophen und Pre-Chorus geschuldet. Die Fertigstellung des Songs war ein ziemlich hartes Stück Arbeit. Ich fand den Chorus großartig, aber erst Pharrell (Williams) brachte ihn schließlich zu seiner Vollendung. Wir arbeiteten schon an anderen Sachen, als ich am Ende des letzten Tages zu Camila sagte: ›Lass ihn Havana anhören.‹ Der Engineer mutete die Vocals und Pharrell murmelte das, was nun im Song zu hören ist – Bingo! Manchmal bemerkt man erst direkt vor der Ziellinie, dass ein Song eigentlich schon fertig ist.

Als wir den Song nun endlich an das Label schickten, sagten sie: ›Das wird nie im Radio funktionieren‹, und packten es auf eine B-Seite. Die Spotify-Analyse zeigte allerdings bald, dass sich immer mehr Hörer für genau diese B-Seite interessierten. Mit meinen etwas schrägen Popsongs habe ich schon mehrfach Labels aus dem Konzept gebracht. Eigentlich mögen sie diese Songs, trauen sich aber nicht heran. Sie wollen auf der sicheren Seite stehen und eine weitere Platte nach einem bewährten Konzept veröffentlichen. Ich mache da allerdings nicht immer mit …«
Eine ähnliche Geschichte findet sich zu Post Malones Circles (2019). Zwei Platinauszeichnungen in England und fünf in den USA machten den Song 2019 zu einem der größten Hits weltweit und brachte Nominierungen für Record of the Year und Song of the Year sowie 2021 einen Grammy. Neben Post Malone himself waren hier die Songschreiber Louis Bell, Kaan Gunesberk und Billy Walsh aktiv. Produziert wurde der Song von Post, Louis und Frank.

Frank erinnert sich: »Bei Circles starteten Post und ich wie eine Band. Er spielte Drums, ich Gitarre und Bass. Danach sang Post Freestyle-Vocals ein. Lou übernahm einige Produktionsarbeiten und Billy zusätzliche Vocals. Auch hier war ich vom Potenzial des Songs absolut überzeugt. Das Label traute sich aber nicht heran, weil er recht schräg war und nicht dem entsprach, was Post zuvor gemacht hatte. Letztlich wurde es der größte Hit auf seinem Hollywood’s-Bleeding-Album.«

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