Dranbleiben!

Max Giesinger »Überlebensstrategien« mit eigener Musik

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(Bild: Kai Marks)

Seit seinem Hit 80 Millionen ist Max Giesinger kommerziell erfolgreich. Ein Gespräch über seine musikalische wie finanzielle Profimusiker-Vergangenheit samt Casting-Show-Teilerfolg 2012, Karriere-»Wiederaufbau«, Album-Crowdfunding … und seine Eindrücke vom Musikgeschäft.

»Können wir gern drüber quatschen!«, meint Max Giesinger zu dem Thema, wie’s denn eigentlich um seine musikalische wie finanzielle Profimusiker-Vergangenheit bestellt war. Der 28-Jährige war 2011 Kandidat bei »The Voice Of Germany«, wurde im Finale zweiter. Breiter Erfolg kam nach der Veröffentlichung seines Songs 80 Millionen vor rund einem Jahr, kürzlich ein Auftritt bei der »Echo«-Verleihung. Ein Blick auf den »Überlebensweg« als Profimusiker mit eigenem Material − und die Entscheidungen, die damit einhergehen.

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Ein Zeitsprung: Sieben Jahre zurück, ein Gig der „Bud Spencer Group“ im Alten Schlachthof in Karlsruhe, einer typischen Club-Location, als eine von fünf Bands am Abend. Seine Bandmitglieder sind abgesprungen, daher tritt Giesinger kurzerhand alleine auf. Dass er ein paar Jahre später kommerziell erfolgreich sein würde, kann zu dem Zeitpunkt freilich noch niemand ahnen. Der Musiker vermittelt einen unbeschwerten, sympathischen Eindruck, versprüht Energie und unterhält das Publikum gutgelaunt. Wie es seitdem weiterging?

»Das war meine erste Gruppe, die professionellen Charakter hatte − mit Musikern, die 10, 15 Jahre älter und viel erfahrener waren als ich. Leider haben wir nur ein paar Gigs gespielt, weil alle schon Familie hatten; da konnten wir nicht ›reinbuttern‹. Nach dem Abi ging ich nach Australien − dort habe ich ein halbes Jahr als Straßenmusiker gespielt. Die Erfahrung war sehr lehrreich, weil mir bewusst wurde: Ich habe nur die Akustikgitarre und meine Stimme und muss die Leute von vornherein abholen. Am Anfang interessiert sich natürlich keine Sau für dich, aber ich habe es dann manchmal trotzdem geschafft, dass am Ende 70, 80 Leute vor mir standen.

Als ich zurückgekommen bin, habe ich zunächst Covermusik gemacht. Ich hatte schon früher von Cover-Kram gelebt. Zwar habe ich immer eigenes Material geschrieben, aber die Cover-Engagements liefen zeitweise so gut, dass ich kaum noch richtig Zeit hatte, 100 Prozent Energie in meinen eigenen Kram zu investieren. Wenn eine Hochzeit für ein paar Euro Gage anstand, hast du die Hochzeit gespielt statt die Open Stage, wo ich eigenes Zeug hätte spielen können. Irgendwann wurde mir klar: Wenn ich jetzt nicht die Reißleine ziehe, werde ich wahrscheinlich immer Cover-Musik machen. Da musste ich das Risiko eingehen und den Schwerpunkt verändern.«

Casting-Show

»Meine Teilnahme bei der Pro-Sieben-Casting-Show ›The Voice Of Germany‹ 2011 kam über die Popakademie in Mannheim zustande. Dort hatte ich im ›Bandpool‹, einem Förderprogramm für Bands und Musiker, vorgespielt. Ich hatte mich auch für ein Studium beworben, bin allerdings bei der Aufnahmeprüfung durch die Theorie gerasselt. Der Traum, dort zu studieren, war erst mal gegessen. Ich hatte auch viele Kumpels, die schon Zusagen hatten. Wir hatten uns eine WG und ein gemeinsames Musikerleben ausgemalt. Mein kleiner Ersatzplan bestand in der Zusage einer Bank für eine Banklehre. Das habe ich zwei Wochen lang probiert, war aber definitiv nicht mein Ding. Danach wusste ich: Egal, dass du eine Absage bekommen hast − das heißt nicht automatisch, dass du nichts kannst, sondern dass es vielleicht einfach nicht gepasst hat. Ich konnte es sogar nachvollziehen: Damals hatte ich zu 90 Prozent Cover-Musik gemacht, da waren andere mit eigenen Sachen schon fitter.

Bei dem ›Bandpool‹-Vorspiel waren damals A&R-Manager dabei. Die meinten, es gäbe eine neue Show, ein Format, das anders sei als die bisherigen Casting-Shows, wo man bis auf die Knochen blamiert wird. Stattdessen gehe es um handfestes Talent. Da habe ich dann reingeschnuppert und bin bis ins Finale gekommen. Der richtig große Durchbruch hat nochmal ein halbes Jahrzehnt gedauert, aber ich bekam einen ganz guten Einblick, wie es ist, wenn man einen Bekanntheitsgrad erlangt: Bei meiner ersten größeren Tour kamen in jeder Stadt Leute. Im darauffolgenden Jahr habe ich auch gemerkt, dass zwar immer noch Leute kamen, die sich mit meiner eigenen Musik beschäftigt hatten − aber von 600 Leuten waren nur noch 100 übrig. Da musst du dann drüberstehen und sagen, du machst trotzdem weiter, auch wenn alles schon größer war. An dem Punkt fing praktisch das ›richtige‹ Musikerleben an, sich sein Publikum zu erspielen, zu hoffen, dass es immer größer wird und man mehr Leute erreicht.«

Bei den Album-Aufnahmen, mit Schlagzeuger und Manager Lars Brand (Bild: Lars Brand)

Der Ruhm

Giesinger erwähnt das Problem, dass der Ruhm einer Casting-Show eine Saison hält und die Protagonisten ihr Publikum an die nächste Staffel abgeben: »Dein Fame ist eigentlich vorbei, wenn das Finale stattfindet. Es geht ja nicht darum, jemanden längerfristig musikalisch zu etablieren − dafür gibt’s ja auch keine Kapazitäten! Der Gewinner kriegt natürlich einen Deal, aber da wird dann auch schnell ein Gewinneralbum zusammengeschustert, mit dem der Sänger relativ wenig zu tun hat. So gesehen war ich relativ froh, dass ich nicht gewonnen hatte, sondern herausfinden konnte: Was macht dir musikalisch Spaß, was ergibt für dich Sinn? Ich war mit 22 noch nicht so weit, eine ›richtige‹ eigene Platte zu machen. Dafür habe Ich mir noch zwei Jahre Zeit gelassen. 2013 hatte ich eine EP auf einem Label veröffentlicht.

Mein Debütalbum Laufen lernen wurde dann ein Jahr später über Crowdfunding [bei dem Portal Startnext.com] zusammen mit meinen Fans finanziert − die bisherigen und die, die ich durch Live-Spielen dazugewonnen hatte. Wir haben es geschafft, innerhalb von einem Tag die nötige Summe zusammenzubekommen: 10.000 Euro musste man erreichen, damit das Kapital ausgeschüttet wurde. Am Ende waren wir bei 24.000 Euro − was natürlich toll war, weil uns das mehr Möglichkeiten gegeben hat. So konnten wir neben der Produktion auch Zusatzkosten wie CD-Pressung und Promotion bezahlen. Bei der Unterstützung habe ich den Rückhalt gespürt, dass Leute Bock auf meine Musik hatten − obwohl damals noch keine Plattenfirma Interesse hatte. Wir haben nur Absagen bekommen. Damals hatten wir noch keine fertig produzierten Demos, lediglich Akustik-Aufnahmen. Da konnten sich viele A&Rs vermutlich nichts drunter vorstellen. Vielleicht war auch noch nicht der richtige Song dabei.«

Rent-A-Record-Company

»Wir haben dann eine Plattenfirma ›gemietet‹, ein Konzept der Firma Motor Music, die ›Rent-A-Record-Company‹. Du bist im Endeffekt dein eigener Plattenchef und kaufst dir die Werkzeuge und Fähigkeiten einer Plattenfirma ein; dass sie deine Platte in die Läden stellen bringen, die Promo- und Radio-Promo-Kontakte übernehmen, die man selbst nicht hat. Du entscheidest, welche Maßnahmen du willst und welche für dich nicht funktionieren. Die gemietete Plattenfirma übernimmt die Aufgaben, für die du sie auch bezahlst, in dem Fall mit Kohle aus dem Crowdfunding.

Das war eine tolle Erfahrung! Mein Management und ich haben in dem Jahr sehr viele gelernt. Vorher hatten wir ja noch keinen Plan, wie eine selbstfinanzierte Veröffentlichung funktioniert. Am Anfang habe ich gesagt, lasst uns einfach im Projektstudio aufnehmen, damit die Leute was haben, und gut. Da meinte der A&R der Plattenfirma: ›Wenn du’s nicht promoten willst, brauchst du auch keine Platte rauszubringen.‹ Wir mussten haushalten − natürlich wäre es schön gewesen, wenn wir hier und da noch mehr Geld zur Verfügung gehabt hätten, um das Album noch bekannter zu machen − aber für das erste Album war das amtlich und cool, auch wenn die Veröffentlichung praktisch unter dem öffentlichen Radar stattfand. Wir hatten fast kein Radio-Play. Trotzdem hatten das ein paar Leute auf dem Schirm, und wir konnten auch ein bisschen davon leben.

Mit dem Album haben wir eine recht große Tour gespielt, bei der auch wieder mehr Leute kamen. Für die Mittel, die da waren, haben wir im Nachhinein nicht viel falsch gemacht: Wir haben keine zu großen Live-Locations gebucht, was viele machen. Wir sind keinem Größenwahn verfallen − dazu gab’s ja auch keinen Grund.«

Zweites Album: der Junge, der rennt

»Bei der zweiten Platte, die letztes Jahr rauskam, waren Komposition und Produktion auf den Demos fertig ausformuliert − aber selbst da hatten wir erst mal nur Absagen bekommen. Musik und Texte waren für mein Empfinden gut und durchdacht, die Produktion war fresh − ich dachte, dafür müsste sich eigentlich jemand gewinnen lassen. Erst kurz vor knapp − wir hatten überlegt, ein zweites Crowdfunding zu machen − waren Plattenfirmen am Start. Es hatte sich scheinbar rum – gesprochen, dass ich zwei, drei gute Tracks habe. An einem Tag kamen dann zwei potenzielle Plattenverträge reingeflogen.«

Festival in Dortmund 2016: »Je höher die Nummer in den Charts kletterte, desto bessere Slots kamen bei den Festivals raus.« (Bild: Quelle: GigME-Entertainment)

80 Millionen

»Wir haben den Song zu viert in Berlin geschrieben, der letzte Track für das Album, in einer gemeinsamen Session, die sich gar nicht wie Arbeit angefühlt hat. Im Video ist Stefanie Giesinger zu sehen, die 2014 bei ›Germany’s Next Topmodel‹ gewonnen hatte. Das war eine bewusste Idee, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Ich wusste: Für die Öffentlichkeit war ich gefühlt lange weg vom Fenster, auch wenn ich live immer am Start war. Gleichzeitig wusste ich, dass der Song Potenzial hat und was bewegen könnte. Deswegen sollte das erste Momentum richtig genutzt werden.

Ich habe mir überlegt, wie ich das anstellen kann, und bin dann auf Stefanie Giesinger gekommen, weil ich es witzig fand, dass wir den gleichen Nachnamen haben, der nicht so geläufig ist. Das schien mir ein geiler PR-Coup! Ich dachte mir, viele würden wahrscheinlich rätseln, ob sie meine Schwester ist oder ob ich sie geheiratet habe, und es würde etwas lostreten. So war es dann auch! Das Video wurde zur EM bereits zehn Millionen Mal geklickt.«

Anderer Text

»Die Idee, 80 Millionen umzutexten, kam kurz vor der EM. Mich hatten seit der Ursprungsversion viele darauf angesprochen, dass der Song eigentlich wie eine Fußballhymne klingt. Ich bin ohnehin großer Fußball-Fan, da schien es toll, davon Bestandteil zu sein. Dann habe ich die Liebesthematik ausgetauscht und den Fußballcharakter angewendet. Im Endeffekt habe ich nur einen Teil des Texts verändert. Das war nicht von langer Hand geplant. Ein Song entsteht oder nicht. Aber es hat sich gut angefühlt, und ich hatte es so umgetextet, dass es für mich noch in einem charmanten Rahmen war: keine Proll-Fußballhymne, sondern für die Leute, die hinter der Mannschaft stehen.

Und dann ging das durch die Decke. Vorher war es ein Top-20-Song, am Ende Platz 2. Wir wurden recht schnell für große Festivals gebucht. Je höher die Nummer in den Charts kletterte, desto bessere Slots kamen bei den Festivals raus. Letzten Sommer haben wir mit Namica, Joris oder Mark Forster gespielt. Einmal sprang ich für Adel Tawil ein, weil der sich verletzt hatte. Abgefahren, wie schnell das gehen kann, wenn man mal den richtigen Song hat.«

Giesinger hat kein Problem damit, Mainstream-Pop zu machen: »Der Indie-Rocker war ich nie und werde ich auch nie sein.« (Bild: Anna IMM)

Englische oder deutsche Texte?

»Früher habe ich viele Songs auf Englisch geschrieben, ging dann nach und nach über zu deutschen Texten. 2015 hatte ich noch eine Rockband mit englischer Musik, sozusagen just for fun. Das hat immer Spaß gemacht, und ich war auch nicht sicher, ob ich nicht mal ein Album auf Englisch machen würde. Aber bei unseren Gigs habe ich gemerkt, dass mich das Ergebnis rein textlich nicht so berührt wie die deutschen Titel. Da kann ich auch nicht gleich stark dahinterstehen. Für mich war das immer, als würde ich eine Art Maske aufziehen, auf die Bühne gehen und irgendwelche englischen Songs singen, die von der Message her nicht so stark waren wie die deutschen Songs, die ich bis dato geschrieben hatte. Ich war gerade dahintergekommen, wie mein deutschsprachiges Songwriting für mich wirklich funktioniert, sodass ich auch textlich das nächste Level erreichen konnte. Da war es für mich nicht mehr authentisch genug, englische Musik zu machen, gerade als Nicht-Muttersprachler. Das hat nichts mit dem Markt zu tun, aber du merkst: Wenn du einen deutschen Song hast, der auf den Punkt kommt, und den in Deutschland performst, holst du die Leute zehn Mal mehr ab als mit einem geilen englischen Song, wo nur zehn Prozent den Text verstehen.

Im Englischen geht mehr über die Musik, da wurde auch bei großen internationalen Bands die Welt nicht immer neu erfunden. Viel passiert über Stimmung, über großartige Melodien. Das ist im Deutschen ganz anders: Große Melodien klingen sehr schnell nach Schlager. Oft muss man auf große Melodien verzichten und etwas eckiger, kantiger denken, damit eine gute deutsche Pop-Nummer entsteht. Es kommt viel mehr auf den Text an: nicht zu gefällig, gelegentlich ein paar Worte, die man nicht erwartet.

Das macht mir inzwischen unfassbar viel Spaß. Ich kann mir im Moment ehrlich gesagt nicht mehr vorstellen, englische Musik zu machen, auch wenn mich die großen Bands der 70er geprägt haben. Richtige Vorbilder habe ich seit fünf, sechs Jahren nicht mehr. Als Teenager habe ich zwei Jahre lang fast nur Queen gehört, danach Pink Floyd, Dire Straits, R.E.M. Aktuell höre ich die Foo Fighters, Angus & Julia Stone oder Bon Iver.«

»Haifischbecken« Musikbranche?

»Vor ›The Voice Of Germany‹ wusste ich eigentlich gar nicht, wie die Branche funktioniert. Ich habe mir das immer als großes Haifischbecken ausgemalt, wo man aufpassen muss, wem man vertraut, auf wen man sich einlässt. Casting-Shows waren schließlich kein neues Phänomen, und du hast viele Sternchen verglühen sehen. Daher war mir klar, dass die Musikbranche hart ist und man Eier haben und dranbleiben muss. Mein gutes Bauchgefühl wurde bislang nicht enttäuscht.

Mir war auch klar: Wenn das funktionieren soll, muss ich meinen eigenen Kram machen. Bei einem fremdgesteuerten Projekt wäre ich niemals glücklich geworden und hätte auch nie die Energie aufbringen können, so lange durchzuhalten, bis es funktioniert. Aber letztendlich habe ich ein sehr gutes Bild von Plattenfirmen gewonnen und bin mit meiner [BMG] sehr zufrieden. Insgesamt arbeite ich mit rund 40 Leuten im Team zusammen: Management, Plattenfirma, Musikverlag, Band und alle, die mit der Tour zu tun haben, etwa Promoter.

Was wir − mein Management und ich − über die Jahre gelernt haben: nur mit Leuten zu arbeiten, die wirklich Bock drauf haben. Das merkt man recht schnell − da musst du nur auf dein Bauchgefühl hören. Und du musst immer selbst hinterher sein statt zu denken, alles läuft jetzt von selbst. Mit der Plattenfirma ist das eine Symbiose. Wir sind in ständigem Kontakt, viel Mailverkehr, ob das oder jenes für uns cool ist. Wir haben gelernt, sehr schnell zu handeln. Wenn Auftritte möglich sind und du reagierst zu langsam, dann schließt sich das Fenster.«

Überleben

»Die letzten Jahre über habe ich bestimmt 60, 70 Prozent meiner Einnahmen in meine Karriere reinvestiert. Leben konnte ich von den Auftritten. Das war bis letztes Jahr zwar noch überschaubar, aber es hat gereicht, auch weil ich ein sparsamer Typ bin. Ich hatte immer das Glück, dass ich komplett von der Mucke leben konnte. Die Platte verkaufst du nebenbei ja auch noch. Von der ersten Platte konnte ich meine Miete bezahlen oder zumindest einen Teil davon. Gerade bei der ersten Platte hatte ich selbst viel reingebuttert, da hatte ich hier und da Angst, in den kommenden Monaten doch einen zusätzlichen Job suchen zu müssen. Ich war ja vor drei, vier Jahren auch schon auf einem Niveau, wo du in Deutschland im Schnitt 150, 200 Leute ziehst. Das ist nicht so klein, aber es kann doch schwierig sein, davon zu leben. Wenn es als Solokünstler schon auf dem Level eng wird, will ich mir das für eine Band nicht ausmalen: Die muss durch vier oder fünf teilen, und der Erfolg muss riesige Ausmaße annehmen, damit es zum Leben reicht!«

»Gerade bei den richtigen Touren verdient man als aufstrebender Musiker fast am wenigsten. Du hast sehr viele Ausgaben: Hotels, eventuell Nightliner. Als Solokünstler muss ich auch die Musiker bezahlen. Mit mir zusammen besteht die Band aus fünf Leuten. Ein DJ, der kommt und seinen USB-Stick anschließt, verdient mehr. Aber dafür habe ich auch meine besten Kumpels dabei, mit denen ich schon seit fünf, sechs Jahren zusammenspiele. Da habe ich lieber etwas weniger Kohle am Ende, aber einen geilen Abend gehabt und das Publikum auch abgeholt. So gesehen musst du durchhalten und drauf hoffen, dass irgendwann der große Wurf kommt.

Die letzten Jahre hatte ich pro Monat sieben, acht Gigs, mit denen ich mich halbwegs über Wasser halten konnte. Dazu kommen Kleinigkeiten: Du singst hier einen Song ein, schreibst da einen Song mit, dann kommt auch ein bisschen GEMA rum. Es hat immer irgendwie gereicht. Zudem habe ich immer in WGs gewohnt, fahre seit acht Jahren mit der gleichen Karre rum. Ich habe nie bombastische laufende Ausgaben gehabt.«

Motivation

Ob die Motivation, die Freude am Musikmachen in der »Tretmühle« des Profi-Alltags verloren geht, weil das Hobby − mit allen Konsequenzen − zum Beruf wurde? »Das war vielleicht beim Höhepunkt meiner Cover-Phase der Fall: fünf Termine pro Woche gespielt, je drei Mal eine Dreiviertelstunde Cover-Musik. Du singst Lieder nach, und das hat am Anfang Spaß gemacht, aber jetzt ist es so ausgelutscht für einen selbst; da bin ich nicht heimgekommen und habe noch vor mich hingeklampft. Jetzt, wo ich mein eigenes Zeug mache, komme ich vom Gig zurück und sitze abends noch mit der Klampfe im Hotelzimmer. Ich habe immer noch Bock, Musik zu machen. Das hat sich eher noch verstärkt. Erfolg bestätigt das natürlich und gibt Selbstbewusstsein.«

Ratschläge für angehende Profi-Musiker

»Am schwierigsten ist es, ein richtig gutes Management zu finden. Die Augen offenhalten, sich mit vielen Leuten treffen und auch gerne mal junge Leute ausprobieren, die vielleicht noch nicht so viel Erfahrung haben, aber mit denen man zusammenwachsen kann. So war das bei meinen Jungs und mir − wir haben alles zum ersten Mal erlebt und die paar Jahre zusammen durchgestanden, und jetzt läuft es. Das schafft natürlich eine tolle Verbindung.

Auch wichtig: Schauen, dass du ein Team hast, dem du vertrauen kannst, bei dem du weißt, du wirst nicht abgezockt. Und dir nicht zu sehr reinreden, dich verstellen lassen oder am Ende ganz andere Musik machen, als du wirklich wolltest. Dann wirst du am Ende auch nicht wirklich glücklich. Mir hat auch niemand ins Songwriting reingeredet.

Die aktuelle Frequenz an Terminen − heute habe ich eigentlich frei, der erste Tag seit Langem − könnte ich bei einer Sache, die mir keinen Spaß macht, nicht auf dem Energielevel durchziehen. Das funktioniert nur, weil ich dafür brenne und es mein eigener Kram ist. Da muss man Geduld haben und sagen: Wenn’s in zwei Jahren nicht funktioniert, dann in fünf Jahren! Ich glaube, man muss an sich glauben und dranbleiben, solange einem die ganze Idee Spaß macht. Dann bin ich der festen Überzeugung, dass irgendwann was passiert.«

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Schade, dass Ihr ihn nicht auf die Böhmermann-Sache angesprochen habt. Da wurde ihm (und vielen anderen) ja vorgeworfen, nur als austauschbares Gesicht für von mehreren Hitsongschreibern vorgefertigten Betroffenheitspop zu existieren (mal ganz davon abgesehen, dass diese Songwriter ja eben nicht anonyme Hitmaschinen sind, sondern sich in langen Jahren gelernt haben, Stücke zu schreiben, die Menschen bewegen).

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