Mixpraxis

Manon Grandjean über die Arbeit an Santan Daves Psychodrama

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Manon Grandjean Santan Daves Psychodrama

Die gesamte britische Musikwelt scheint derzeit vom Londoner Rapper David Orobosa Omoregie aka Dave begeistert zu sein. Was immer er tut, frenetischer Jubel ist ihm sicher, seitdem er Ende 2018 mit Funky Friday (featuring seinen Homie Fredo) überraschend eine Nummer 1 im UK hatte. Der Track wurde als »ein großer Moment für den gesamten UK-HipHop« und als »Wendepunkt« der dortigen Rap-Kultur eingestuft. »Geschichte geschrieben« habe insbesondere der Weg des Stücks zur Spitze der Charts, nämlich selbstveröffentlicht und via Social-Media promotet — und das als reiner Rap-Track ohne erkennbare Hookline oder Gesangsmelodie. So war Funky Friday der erste UK-Nummer-1-Hit ohne mitsingbaren Refrain seit Animals von Martin Garrix aus dem Jahr 2013 — und das war ein poppig-melodisches EDM-Instrumental.

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Der Erfolg von Funky Friday kam nicht komplett aus dem Nichts. Omoregie, besser bekannt als »Santan Dave« oder einfach »Dave«, hatte seit 2016 ein paar Hits, darunter mit No Words eine Platin-Schallplatte, wenn auch »nur« auf Nummer 17. Da er so wenig wie möglich dem Zufall überlässt, sicherte er sich die Hilfe von Fraser T Smith zu, einem der erfolgreichsten Songschreiber und Producer des UK, den man von seiner Arbeit an Adeles 21 und an einigen Nummer-1-Hits her kennen könnte.

Smith hatte mit Dave schon an Funky Friday gearbeitet, und zwischen Spätherbst und Winter 2018/19 trafen die beiden sich dann regelmäßig in Smiths Londoner Studio My Audiotonic Productions zur Arbeit an Daves Debütalbum Psychodrama. Das im März veröffentlichte Album landete ebenfalls auf Nummer 1 in Großbritannien, und wieder kannte die Begeisterung der Kritiker keine Grenzen. Das »beste britische Rap-Album in einer Generation« sei es, »so kühn wie nachdenklich« sei das Debüt des 20-jährigen MCs und damit »eine Art von Platte, die nur alle Jubeljahre vorkommt«.

Setup

Hinter den Reglern für Album und Hitsingle stand Smiths ständige Engineerin und Mixerin Manon Grandjean, die in puncto Auszeichnungen und Awards ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt ist. 2017 erhielt sie für ihre Arbeit mit Kano und Gavin James den »MPG Breakthrough Engineer of the Year Award«, 2018 den »Recording Engineer of the Year Award« für ihre Arbeit an London Grammars Truth Is A Beautiful Thing und Stormzys Gang Signs & Prayer. Letzteres hat es wie Psychodrama als Debütalbum an die Spitze der UK-Charts geschafft. Während das Album von Stormzy aber von Smith und Grandjean gemeinsam gemixt wurde, ist Letztere für Psychodrama als alleinige Mixerin verzeichnet.

Die aus Frankreich stammende Grandjean zog vor etwa zehn Jahren nach London und arbeitet seit vier Jahren fulltime für Smith. Per Skype aus dessen Studio My Audiotonic Productions berichtet sie von der Arbeit an Psychodrama seit Herbst 2018:

»Die Sessions fanden in Frasers Studio in London statt. Ich habe als Engineer sichergestellt, dass alles aufgenommen wurde, was Dave und Fraser taten. Dave spielte meistens Piano und Keyboards, Fraser Gitarre und Keyboards. Es gab also wirklich Live-Instrumente aufzunehmen, dazu Vocals und Beats. Wir haben viele Tasteninstrumente im Kontrollraum − u. a. ein Mellotron, einen Prophet, einen Prologue und einen Moog −, die Dave gern spielt, wenn es mal kein echtes Piano sein soll. Fraser benutzt zum Komponieren und [Beat-]Programmieren Ableton Live, und Dave legt dann seine Piano- und Keyboard-Ideen darüber. Für all die verschiedenen Rigs und Keyboards und die Instrumente im Live-Raum ist es Teil meines Jobs sicherzustellen, dass alles gepatcht und startklar ist, bevor ich alles in Pro Tools mitschneide.

Wir haben mehrere Arten von Kommunikationswegen zwischen Frasers Ableton Rig und meinem Pro-Tools-Setup. Beim Songwriting benutzt er ein UAD Apollo-8-Interface, von dem ich einfach während der Session den Stereo-Output aufnehme. Wenn sie dann zu einer Idee zurückwollen, die sie 45 Minuten vorher gespielt haben, kann ich sie problemlos finden und bei Bedarf loopen, damit sie darüber jammen können. Wenn Fraser mit einer Spur in Ableton zufrieden ist, bounce ich die Teile intern in Ableton und übertrage sie dann in Pro Tools. Manchmal routen wir auch die Ausgänge des Apollo in das Mischpult, um dessen EQ zu nutzen und bei Bedarf Outboard zu patchen. Die Ergebnisse davon nehmen wir dann separat wieder in Pro Tools auf.«

Santan Daves Psychodrama
David Orobosa Omoregie, besser bekannt als Santan Dave oder schlicht Dave

Analog plus digital

»Fraser und ich lieben den Klang von Eric Valentines UnderToneAudio-Gear [UTA], daher benutzen wir das von ihm gebaute Pult ständig für Aufnahme und Mix. Es hat eine 32- kanalige Valve-Master-Section, wobei 16 Kanäle einen EQ haben. Es besitzt Line-Eingänge, also verwenden wir separate UTA-Mikrofon-Preamps (MP2, MPEQ1 und MPDI). Was die Mixing-Methode betrifft, haben wir verschieden Phasen durchlaufen: Wir hatten schonmal alles auf dem Pult ausgebreitet, aber da wir oft am selben Tag aufnehmen und mischen und auch wegen der großen Menge an Projekten und des schnelleren Recall-Zugriffs, sind wir inzwischen weitgehend in-the-box. Wir schicken aber immer noch regelmäßig Sachen über die Konsole und printen sie wieder zurück. Auf die Art bekommen wir immer noch den Out-ofthe-box-Sound, den wir mögen, können aber Dinge digital bearbeiten. So haben wir das Beste aus beiden Welten.«

Über ihre Vorlieben aus der digital-analogen Welt erzählt Grandjean: »Ich habe immer schon gern mit Knöpfen gearbeitet. Als ich anfing, in Studios zu arbeiten, war die Tape-Ära eigentlich schon vorbei, daher bin ich darin nicht richtig trainiert, habe es aber geliebt, mit Tonband aufzunehmen, wann immer es mal möglich war. Gleichzeitig schätze ich es, in Pro Tools 200 Spuren zu haben, dazu haufenweise Plug-ins und jederzeitige Recall-Möglichkeiten. Mit moderner Technik ist fast nichts mehr unmöglich. Das ist sehr befreiend.

Ich betrachte Analogtechnik einfach als Klangfarbe: Der viele Einsatz von UnderToneAudio-Geräten gibt allem, was wir machen, einen eigenen klanglichen Charakter. Wir arbeiten mit einer Samplerate von 48 kHz, weil wir damit die für unser Musikgenre beste Kombination aus Klangqualität und Leistung herausholen. Wir müssen in der Lage sein, an Sessions mit vielen Spuren und Plug-ins zu arbeiten, was bei 96 kHz den Computer in puncto Performance und Speicherplatz zu sehr beanspruchen würde. Es geht immer um den Workflow!«

Workflow

Zurück zu Psychodrama − Fraser T Smith gibt zu Protokoll: »Mit Dave zu arbeiten, bedeutet immer, aus dem Jammen heraus zu komponieren. Wir pushen uns dann gegenseitig. Wir sind auf dieser Platte recht weit in Jazz und chromatische Skalen hineingegangen. Es war super spannend, seine Entwicklung mitzuerleben − von diesem 17-jährigen Talent-Rohdiamanten zum Nummer-1-Künstler. Genau wie ich schöpft er stilistisch aus vielen verschiedenen Quellen, da gibt es musikalisch sehr gute Connections zwischen uns.«

Neben Daves und Smiths Jams nimmt Grandjean auch die Vocals auf: »Die kommen bei Dave meistens etwas später. Er braucht zum Schreiben der Texte Zeit für sich, weil sie sehr persönlich sind. Manchmal geht er aber auch in die Booth, wenn Fraser und er noch bei der Komposition der Musik sind; vielleicht, um einen fertigen Rap aufzunehmen, oder auch, um sich schonmal in die Melodien hineinzufühlen und darüber zu improvisieren. Beim Rappen macht er entweder nur einen Take, der dann der Mastertake ist, oder ein paar Takes, aus denen wir den Rap Abschnitt für Abschnitt zusammenstellen.

“WIR SIND INZWISCHEN WEITGEHEND IN-THE-BOX, SCHICKEN ABER IMMER NOCH REGELMÄSSIG SACHEN ÜBER DIE KONSOLE UND PRINTEN SIE WIEDER ZURÜCK.”

Für Gesangsaufnahmen benutzen wir das Sony C800G, das den UTA MPEQ-1-Mikrofon-Preamp und EQ durchläuft, sodass ich Höhen boosten und Bässe reduzieren kann. Dann geht es in einen Tube-Tech CL-1B-Kompressor und anschließend in den Unfairchild 670-M-II-Kompressor, Erics Nachbau des Fairchild-Schaltkreises. Ich wende die Zwei-Kompressoren-Methode an: Der CL 1B hat ein langsames Attack und ein schnelles Release, der UTA ein schnelleres Attack und ein langsameres Release. Der CL 1B klingt sehr sanft und kontrolliert die Vocals, ohne sie zu zerdeppern, und der Unfairchild regelt die wirklich lauten Peaks, nimmt aber nur 2 dB weg. Wenn ich mehr Biss will, tausche ich den CL 1B gegen den Summit TLA 100A.

Bei Rappern bleibt zwar der Gesang im Allgemeinen auf einer relativ konstanten Lautstärke, aber man bekommt durch Attacks wie bei den Lauten ›p‹ und ›b‹ eine Dynamik rein, wo man nicht die Kompressoren slammen [= gezielt übertrieben einstellen, als Effekt benutzen] will, weil sonst der Text unverständlich würde. Rapper kommen manchmal sehr nah an das Mikro, also muss ich ein wenig manuelles De-Essing betreiben und an den Plosiven arbeiten. Das tue ich einfach, indem ich nachträglich in Pro Tools ihr Gain herunterziehe, wo es sonst clippen würde. Da das C800 ein hell klingendes Mikrofon ist und wir gern mal noch mehr Höhen mit den EQs dazugeben, habe ich direkt hinter dem Mikro-Preamp noch den SPL 1503-Dual-Band-De-Esser in der Recording-Signalkette. Für Sänger [hier: im Gegensatz zu Rappern; Anm. des Übersetzers] benutze ich die gleiche Signalkette, komprimiere aber ein wenig mehr und fahre die Mikrofonvorverstärkung abschnittsweise angepasst, sodass ich für den gesamten Song etwa die gleiche Kompressionsrate beibehalten kann.

In den drei, vier Jahren, seit Fraser und ich zusammenarbeiten, haben wir Aufnahmesignalketten entwickelt, die wir beide mögen, aber nichts ist in Stein gemeißelt. Wir passen unser Vorgehen immer an den jeweiligen Song und sein Genre an. Wir haben ein Kawai Upright-Piano im Studio, das wir hauptsächlich mit zwei Neumann KM84-Mikrofonen abnehmen. Die laufen durch den UTA MPDI-Mikrofon-Preamp, dann durch das Mischpult, um dessen EQ zu benutzen, dann durch einen Smart Research C2-Kompressor, der eine schöne Crush-Funktion hat, mit der wir manchmal Obertöne nach vorn holen, und anschließend in Pro Tools HDX. Manchmal stelle ich Shure SM57-Mikrofone unter das Klavier, um die Saiten und andere etwas ungewöhnlichere Klänge einzufangen, die ich dann komprimieren und verzerren kann.

Fraser spielt oft Akustikgitarre. Ich nehme dann normalerweise ein DI-Signal plus das Soundelux 251-Mikrofon, das durch einen API 512-Preamp in den UTA-EQ des Mischpults und dann in den Summit TLA 100 [Kompressor] läuft. Das DI-Signal durchläuft die gleiche Kette, nur mit einem Urei 1176 anstatt des Summit TLA 100. Fraser spielt auch E-Gitarre, dafür benutzen wir normalerweise den Kemper [Profiling Amp] im Kontrollraum, wenn er komponiert, und einen Verstärker im Live-Raum, wenn wir aufnehmen. Der Kemper bietet eine große Auswahl an modellierten Verstärkern, und wir haben die Verstärker, die wir im Studio haben, als Profile angelegt, sodass wir sie auch als Presets verwenden können. Die Verstärker, die Fraser im Studio verwendet, sind ein Roland Jazz Chorus 50 und für Crunch ein Mesa Rectifier. Ich habe ein Sennheiser MD421 und ein Shure SM57 an dem Mesa und ein Neumann U47FET für einen saubereren Sound an dem Roland, und sie gehen entweder durch einen API oder einen UTA Preamp und dann ins Pult. Für die E-Gitarren benutze ich unterschiedliche Kompressoren, normalerweise den Distressor.«

Ungewöhnlich an Psychodrama ist die Vielzahl akustischer Instrumente auf einigen Stücken, darunter Posaune, Cello, Bratsche, Geige, Waldhorn, Flöte, Harfe und Kontrabass. Stormzys Gang Signs & Prayer glänzt mit ähnlich eklektischer Instrumentierung, die eine Art Trademark-Sound von Smith zu sein scheint − in auffälligem Kontrast zur Tendenz, dass moderne Beats zu 99 % in-the-box programmiert sind. Grandjeans umfangreiche Erfahrung mit der Aufnahme akustischer Instrumente kommt hier offensichtlich zur Geltung.

Manon Grandjean Santan Daves Psychodrama
Das 32-Kanal-Pult von UnderToneAudio (UTA) war das bevorzugte Tool von Manon Grandjean für Aufnahme und Mix von Psychodrama.

»Wenn wir akustische Instrumente wie z. B. Streicher aufnehmen und mixen, gehen wir normalerweise in die RAK-Studios. Ich habe früher bei RAK gearbeitet, und Studio 1 dort ist einer meiner Lieblingsräume für Streicheraufnahmen. Wegen des Zeitdrucks bin ich diesmal aber zum Mixen bei My Audiotonic Productions geblieben, während Fraser bei Air Edel in der Baker Street im Londoner Zentrum war, wo der Haus-Engineer Nick Taylor die Session aufnahm. Ich kenne sein Setup, und es klingt immer super. Wenn ich die Session also bekomme, gebe ich nur etwas EQ und Effekte auf den einzelnen Kanälen hinzu und bounce sie dann auf stereo, um die Zahl der Spuren in meiner Mix-Session zu reduzieren.«

Produktionsmixe

Wie alle Engineers, die überwiegend in-the-box arbeiten, ist Grandjean während des Kompositions- und Aufnahmeprozesses ständig damit beschäftigt, Rohmixe herzustellen, die sie selbst »Produktionsmixe« nennt. Diese Methode hat sie so weit entwickelt, dass der endgültige Mixdown dann nur wenig mehr als eine Formalität ist. »Ich mixe ständig nebenher. Nach den Sessions bleibe ich immer dran, um die Mixe zu verbessern, sodass am Ende nur noch ein paar Automatisierungen und Tweaks zu machen sind. Fraser achtet als Producer seinerseits immer darauf, dass jedes Teil gut klingt und alles zusammenpasst − was mir erheblich die Arbeit erleichtert.

Hinzu kommt, dass alle die Produktionsmixe so gewohnt sind, dass ich mich am Ende nicht zu weit davon entfernen kann − es sind ja die Versionen, die die Beteiligten eine ganze Zeit lang hören und meistens lieben. Einmal habe ich einen komplett analogen Mix gemacht, alles auf dem Pult verteilt, Kompressoren gepatcht und so weiter − es klang am Ende ziemlich anders als der Produktionsmix, und alle fanden den Produktionsmix besser! Seitdem bin ich sehr vorsichtig, im Mix-Stadium nicht zu weit zu gehen. Der finale Mixing-Prozess geht nicht in eine andere Richtung, sondern besteht nur noch aus kleinen Änderungen, um alles zusammenzubringen.

Sobald die Aufnahmen fertig sind, sehe ich mir an, was gebraucht wird, um den Song gut klingen zu lassen. Bei den Vocals arbeite ich vielleicht mit Automatisierungen und Fader-Fahrten, damit jedes Wort deutlich zu hören ist − was im Rap besonders wichtig ist. Dave wollte für das ganze Album mehr Subbass, also habe ich bei allen Stücken welchen dazugegeben. Für all das waren nur ein paar Handgriffe hier und da erforderlich.«

“ICH MIXE STÄNDIG NEBENHER. NACH DEN SESSIONS BLEIBE ICH IMMER DRAN, UM DIE MIXE ZU VERBESSERN, SODASS AM ENDE NUR NOCH EIN PAAR AUTOMATISIERUNGEN UND TWEAKS ZU MACHEN SIND.”

Die Vielfalt moderner Wiedergabemedien (Ohrstöpsel, Computerlautsprecher, Streaming-Plattformen, die Musik zusätzlich komprimieren …) erschweren es Mixern, den richtigen Platz für den Bass zu finden. Grandjean erläutert, wie bei My Audiotonic in puncto Monitoring auf diese Problemstellung reagiert wird: »Wir arbeiten mit Geithain »RL 933 K1«-Monitoren. Als Fraser in den Raum bei Matrix zog, hatte er Probleme mit Rückwand-Reflexionen und Bass- Auslöschung. Dann fand er als Lösung die Geithains, die eine nierenförmige Basswiedergabe haben. Außerdem klingen sie großartig. Wir haben auch ein Paar Genelecs 1035A-Monitore mit einem Genelec Subwoofer, um das Low-End zu hören und für die Vibes, wenn jemand mal etwas sehr laut hören möchte, aber ich mixe nicht viel damit. Zudem haben wir ein Paar kleinere Bowers & Wilkins Hi-Fi-Lautsprecher DM60152, um zu prüfen, ob Bass und Gesang auch auf denen durchkommen.«

Die Geithains sind nicht die einzige für Grandjeans Mischprozess entscheidende Hardware. »Während der Aufnahme läuft alles durch ziemlich viel Analog-Gear«, fasst sie zusammen, »und danach bin ich erstmal komplett in-the-box. In späteren Produktionsphasen wiederum, wenn ich etwas Zeit habe, oft erst nach der Aufnahme-Session, arbeite ich an Klang und Balance und lasse vieles wieder durch Hardware laufen, bevor ich es wieder zurückprinte − für die analogen Klangfarben eben.«

Neben UTA-Gear kommen out-of-the-box auch einige recht eigenwillige Geräte zum Einsatz. »Für Daves Album«, verrät Grandjean, »habe ich Klavier und Streicher durch einen alten Sony »TCD 5 Pro 2«-Kassettenrekorder laufen lassen, den Fraser auf eBay geschossen hat, und das dann wieder in die Session übertragen − wieder wegen der Klangfarbe. Ich habe über die XLR-Mikrofon-Eingänge Signale in den Sony eingespeist, was bedeutete, dass ich das Level aus Pro Tools kommend sehr absenken musste, und dann mit dem Limiter und dem Gain des Kassettenrecorders herumgespielt. Inzwischen benutze ich den Sony auch beim Aufnehmen mit dem SM57 am Piano. Während des Mixes habe ich auch Daves Gesang für etwas EQ durch das Pult und wieder durch den Unfairchild-Kompressor geschickt, für diesen finalen, polierten Sound. Den Audio-Print davon habe ich dann zurück in Pro Tools als Main-Vocal-Spur genommen, nicht als ergänzende Parallel-Spur. Dave hatte beim Komponieren mit anderen Producern schon in verschiedenen Studios Vocals aufgenommen, und einige der Spuren mochte er sehr und wollte sie also verwenden. Solche Vocals durch Analog-Gear zu schicken, war eine gute Methode, die Klangfarben dieser Vocals aus verschiedenen Studios für das Album etwas anzugleichen.«

Black

Die finale Mix-Session für Black, die Lead-Single von Psychodrama, besteht aus relativ bescheidenen 60 Spuren. Grandjean zufolge ist es eine der kleinsten Sessions für das Album, auch deswegen, weil die Streicher zuvor gebounct worden sind. Sie besteht aus 14 Drum-Spuren, 2 Percussion-Spuren, 2 Bass-Spuren, 8 Piano-Spuren, 8 Instrumenten-Spuren (größtenteils Strings), 2 Effekt-Spuren (eine Vinyl-Spur und ein Aux), fünf Vocal-Spuren, 10 Aux-Effekt-Spuren, 6 VCA-Spuren und einer Master-Spur. Die Gruppen für Drums, Percussion, Bass, Piano, Instrumente, Vinyl und Vocals haben jeweils eine oder zwei Aux-Gruppen-Spuren, wobei jede Auxoder Bus-Spur mit einem »=« markiert ist.

Grandjean: »Die Aux-Effekt-Spur und die VCA-Gruppen-Spuren habe ich von Anfang an immer in der Session, so sind sie stets am Start, falls ich sie brauche. Das Gleiche gilt für die Aux-Bus-Spuren wie Drums, Parallel-Distortion, Bass, Instrumente und Vocals. Fraser und ich haben diese Vorlage verfeinert; wir wissen, dass sie gut funktioniert, und ich kann dann nach Bedarf Spuren und Plug-ins hinzufügen oder wegnehmen.«

Drums: »Auf den einzelnen Drum-Spuren sind nicht viele Plug-ins, da Fraser die Sounds, die er mir gibt, sorgfältig so auswählt, dass sie gut zueinander passen. Am Sound einzelner Drums muss ich also meistens nicht viel machen. Überhaupt höre ich mir nicht oft einzelne Klänge genauer über gelegentliches EQing hinaus an. Ich höre Dinge lieber im Kontext der anderen Spuren, da man sonst ja irgendwie im Dunklen arbeiten würde.

Die meisten Treatments für die Drums finden auf den drei Aux-Bus-Spuren =Drums, =Distortion und =Parallel statt. Alle Drum-Spuren gehen an den =Drums-Bus, auf dem für etwas Drive das Waves »NLS Analogue Summing«-Plug-in liegt und zum Kontrollieren möglicher Peaks das Waves L2. Die Sends vom =Drums-Bus gehen an die =Distortion-Parallel-Spur, auf der der UAD Culture Vulture liegt, und an den =Parallel-Bus, wo ein geslammter [d. h. gezielt überzogen eingestellter] Waves SSL Master-Bus-Kompressor liegt. Es gibt ein Filter bei 9 kHz beim Culture Vulture auf der =Distortion-Parallel-Spur, um die Drums crunchy und fett zu machen, ohne sie zu hell klingen zu lassen. Manchmal helle ich die Drums mit dem UAD »API 550 A«-EQ auf, aber nicht in diesem Fall, da der Track ziemlich dunkel klingt. Diese beiden Busse sind auf recht hohem Level gemischt, −5,3 und −7,5. Der geslammte SSL-Kompressor lässt die Drums auch größer klingen. Fraser mag schwere Drums, und für Grime und Rap sind sie ohnehin essenziell.

Der =Drums-Bus hat einen weiteren Send zu einer Aux-Effekt-Spur, auf der der Ocean-Way-Room den Drums etwas Raumatmosphäre mitgibt. Ich habe auch auf jedem Instrumentengruppen-Bus einen Send zu einer Culture-Vulture-Aux-Effekt-Spur − auf den Drums, wenn ich mehr Distortion brauche, und auf Bass, Vocals, Instrumenten und Effekten. In dieser Session verwende ich es ihn aber nur auf dem Vocal-Bus, Piano und Instrumenten-Bus. Ich habe auch einen Culture Vulture auf dem Master-Bus, also gibt es insgesamt viel Distortion. Ich verwende viel Zeit darauf, überall etwas Distortion hinzuzugeben, weil die Dinge in der digitalen Welt leicht zu sauber klingen, manchmal sogar Samples. Auf einen Pop-Track gibt man nicht so viel Verzerrung, aber im Hip-Hop kann man davon großzügig austeilen.«

Bass: »Die Rückmeldung auf meine Produktionsmixe war immer, dass der Bass großartig klänge, aber als es auf den finalen Mix zuging, hat Dave sich mehr Subbass gewünscht. Also habe ich ein paar Dinge ausprobiert, wie z. B. den UTA MPEQ-1-EQ, mit dem man je nach Q [Bandbreite] eine Menge Low-End-Resonanz hinzufügen kann. Das hat mich noch nicht komplett überzeugt, also habe ich auch das UAD Little Labs »Voice of God Bass Resonance Tool«-Plugin ausprobiert. Das benutze ich nicht oft, aber in diesem Fall hat es ziemlich gut funktioniert. Ich hob die Amplitude an, hob die Frequenz an, um zu hören, wo es wirklich im Raum nachhallt, und senkte dann die Amplitude wieder ab. Die Bass-Spur geht zum +Bass-Bus, auf dem ich den Waves RBass liegen habe, auf 89 Hz eingestellt (also in einem höheren Frequenzbereich als der VOG), einen E606 EQ-Boost bei 1 kHz, um etwas Präsenz zu erzeugen, und einen McDSP Filterbank C202-Kompressor, der nur wenig macht, da der Bass bereits komprimiert war. Der Bass sollte in diesem Track nicht aggressiv, sondern tief und warm klingen.«

Manon Grandjean Santan Daves Psychodrama
Manon Grandjean und Fraser T Smith

Pianos: »Dave spielte das Piano und wollte, dass es düster klingt. Piano 1 ist ein Ableton-Klavier, deshalb liegt nur das FabFilter Pro-Q2-Plug-in drauf, um bei 5 kHz etwas High-End wegzunehmen. Piano 2 ist die hauptsächliche Klavier-Spur. Hinzu kommen drei Klavier-Overdubs mit tiefen Stimmen und einer mit einer höheren Melodie. Auf all diesen Klavier-Spuren liegt der SoundToys Decapitator, um das Piano etwas zu komprimieren und anzucrunchen, und der Valhalla Shimmer [Reverb/Pitchshifter], um es etwas zu verwaschen. Auf Piano 2 liegt auch das UAD Precision K-Stereo, für mehr Weite. Es hat einen M/S-Regler und ist praktisch, wenn man Ambience von einer Aufnahme loswerden oder auch mehr davon möchte. Die tiefen Klavierparts haben alle den RBass drauf, denn ich brauchte etwas mehr Low-End als wir vom Upright-Piano bekommen konnten. Alles geht auf den =Piano-Bus, und auf dem liegen der E606 EQ, der UAD Neve 33609SE Kompressor, U-He Satin für etwas Tape-Wärme und der S1 für mehr Weite. Er hat auch Sends an eine Hall-Aux-Spur mit dem UAD Lexicon 224 bei 2,4 Sekunden und an die Chorus-Aux-Spur mit dem TAL Chorus LX. Der =Instruments-Bus hat die gleichen Inserts und Sends, und normalerweise hätte ich auch das Piano dorthin geschickt, aber ich wollte es separat behandeln, also gehen in diesem Fall nur die Strings zum =Instruments-Bus.«

Vocals: Dave ist die Main-Vocal-Spur, dazu gibt es ein paar verzögerte einzelne Wörter mit einem 1/4-Note-H-Delay auf der Spur Spins plus auf Low Fx eine mit SoundToys AlterBoy herunterformantierte Stimme. Diese drei Vocal-Spuren gehen alle an die =LVBus-Aux-Spur, die einen Send an die parallele VoxBright-Spur daneben hat, für etwas Helligkeit. Auf der Main-Vocal-Spur liegen ein Waves H-Delay mit nur einem kurzen, klaren Slap-Delay und das Pro-Q2 für noch mehr Höhen! Immer noch mehr High-End (lacht)! Der UAD LA2A auf dem =LVBus komprimiert sehr wenig, er wird eher für die Farbe verwendet, da die Stimme bereits während der Aufnahme komprimiert, dann gesendet und wieder komprimiert wurde. Insgesamt habe ich viele Kompressoren eingesetzt, mit jeweils sehr leichter Kompression in jeder Phase.

Der =LVBus hat einige Sends: an die Medium Room Aux-Spur mit dem Valhalla Room, an das 1/8-Note-Delay-Aux (H-Delay), an das H3000-Aux (SoundToys Microshift) mit Chorus-artigem Effekt, an das Culture-Vulture-Aux und an die Vox-Bright-Parallel-Spur. Die 1/2-Delay- und Slap-Aux-FX-Spuren werden nicht verwendet. Auf der Vox-BrightSpur sind einige Plug-ins, am wichtigsten der Waves Aphex Vintage Aural Exciter zur weiteren Aufhellung, der UAD 670 für etwas Kompression und am Ende der Kette ein weiterer DeEsser, denn je mehr man aufhellt, desto mehr werden wiederum auch die »S«-Laute hervorgehoben.

In dieser Session gibt es kein Antares AutoTune, aber auf anderen Stücken des Albums schon. Generell nutzen wir zur Pitch-Korrektur eher Melodyne, denn AutoTune hat einen eigenen Sound, daher sehe ich darin eher einen Effekt als ein Korrekturwerkzeug. Alle Aux-Effekt-Returns gehen an die =FX Ret Bus-Aux-Spur, auf der der Plugin Alliance SPL De-Esser, der E606 EQ für Low-Cuts und der S1 für etwas Weite liegen.«

Manon Grandjean Santan Daves Psychodrama

Master-Spur: Die meisten Mixer haben heutzutage eine umfangreiche Kette auf dem Stereomix, aber Grandjean geht noch einen Schritt weiter, da sie Psychodrama auch masterte. »Diese Session ist meine Standard-Masterbus-Kette. Aufnehmen tue ich damit nicht, aber wenn ich am Ende des Tages am Produktionsmix arbeite, baue ich sie ein. Das erste Plug-in ist ein Waves L2 mit −0,1-Threshold und 0,1-Output. Der Grund dafür ist, dass wir den Masterbus ziemlich hart angefahren haben. Einige Leute sind absolut dagegen, dass ein Masterbus über Null geht, aber wir haben festgestellt, dass es einen Sweet-Spot gibt, an dem der Masterbus ohne Plug-ins bei +3 peakt. Die Peaks stammen in der Regel von der Kickdrum und werden vom L2 kontrolliert. Ich kontrolliere mit den VCAs das Level dessen, was in den Masterbus geht, um sicherzustellen, dass es noch in diesem Sweet-Spot ist. Auf die Art klingt es am besten, finden wir, auch wenn wir nicht sicher sind, dass es die ›richtige‹ Methode ist.

Nach dem L2 kommt der Waves SSL Master Bus Kompressor mit einer Ratio von 2:1 und sehr leichter Kompression von maximal 2−3 dB, um nicht zu slammen. Nächster ist der Waves L3 Multimaximizer, der die hohen und niedrigen Mitten absenkt, um eine Art ›Lächel‹-Kurve zu bekommen. Aber auch das nur sehr subtil, mit einem Threshold von etwa −1. Dann habe ich da einen UAD Manley Massive Passive EQ, ein Favorit von mir, der bei 68 Hz, 560 Hz und 4,7 kHz etwas Präsenz hinzufügt. Vorher kontrolliert natürlich der Waves L3 den Mittenbereich, also fügen wir diesen jetzt mit dem Manley wieder hinzu. Ohne ausreichend mittlere Frequenzen klänge das Stück langweilig. Auch bei 12 kHz gebe ich mit dem Manley etwas hinzu.

Das nächste Plug-in ist das iZotope Ozone 5. An diesem Punkt beginnt erst die eigentliche Mastering-Kette; bisher war es einfach die Stereo-Mix-Kette. Ich benutze inzwischen Ozone 8, aber damals habe ich Ozone 5 noch vorgezogen, da wir es schon so lang benutzt hatten und ich mich noch nicht an 8 gewöhnt hatte. Ich habe in Ozone den EQ verwendet, um vor allem Bässe und tiefe Mitten zu boosten plus etwas Top-End. Mit den Dynamik-Tools habe ich die Mitten etwas kontrolliert, mit Stereo Imaging das Höhenband etwas geweitet, dazu etwas Maximizer, auf −0,5 eingestellt, für ein wenig Limiting. Das nächste Plug-in ist ein Culture Vulture, das ganz leichte Verzerrung hinzufügt. In der Mitte gibt es einen Mix-Regler, der auf 10−15 % eingestellt ist. Es gibt einfach etwas Biss dazu und bringt den Gesang leicht nach vorne. So habe ich das für alle Songs des Albums verwendet. Schließlich gibt es noch einen Waves L2, eingestellt auf −3. Der Mix ist ja schon ziemlich laut, also jage ich nicht nach Lautheit.«

Grandjean jagt vielleicht nicht nach Lautheit, auch nicht nach Ruhm oder Auszeichnungen, aber ihre hervorragende Engeneering- und Mixing-Arbeit wird ihr sicherlich noch viel von Letzterem einbringen.

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