Volle Kraft voraus

Live-Streaming Konzerte mit den Söhnen Mannheims

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(Bild: Sebastian Weindel)

Das Thema Streaming-Konzerte wird sicher noch länger eine Rolle spielen. Die Söhne Mannheims haben nach dem Streaming-Konzert und Album »Live@Alte Zigarrenfabrik« jetzt zum zweiten Mal die Chance genutzt und veröffentlichen am 17. Dezember eine EP – diesmal mit Piano-Versionen ihrer Songs. Aufgezeichnet wurde das Konzert bei einem Live-Streaming im Mannheimer Capitol.

Seit geraumer Zeit haben Interviews und Konzerte die merkwürdige Gemeinsamkeit, dass man für beides nicht mehr das Haus verlassen muss. Ist irgendwie auch bequemer als sich mit Bus, Bahn oder Ähnlichem durch die Stadt zu quälen. Und auch das heimische Sofa ist viel bequemer als sich neben fremden Menschen dicht an dicht gedrängt in einer riesigen Halle die Beine in den Bauch zu stehen. Und trotzdem haben Live-Events etwas einzigartig Faszinierendes, das sich nicht ins eigene Wohnzimmer transferieren lässt – man denke nur an die Lautstärke und das euphorische Publikum.

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Florian Sitzmann ist Pianist bei den Söhnen Mannheims und hat mit vier Bandkollegen am 28.02.21 im Mannheimer Capitol ein Livekonzert gespielt – mit dem Projekt »Söhne Mannheims Piano«. Die Zuschauer konnten die Show nur am heimischen Bildschirm verfolgen – eben Corona-Konform. Nun erscheint die Aufzeichnung des Konzerts am 17. Dezember als EP auf allen Digital-Plattformen.

Söhne Mannheims Piano
Der Flügel wurde sowohl stereo als auch mono abgenommen. (Bild: LA.MAG)

Florian, erste Frage vorweg: War das Konzert wirklich live, oder hattet ihr das aufgenommen und dann nur gestreamt?

Nein, das war komplett live. Man kann es auf dem Söhne Mannheims-YouTube-Kanal und ab dem 17. Dezember bei Spotify, Apple Music, Deezer, Tidal oder Amazon Music finden; aber die Erstausstrahlung war komplett live – on air.

Es war sicher nicht einfach – ihr seid ja sonst eher zu zwölft auf der Bühne oder sogar noch mehr –, dann nur die entscheidenden fünf Personen auszuwählen?

Also zunächst muss man sagen, dass die Söhne Mannheims in der Stammbesetzung so bleiben, wie sie sind, und wir haben im Sommer auch Corona-konforme Konzerte mit der kompletten Besetzung gespielt. Das wird also immer das Hauptprojekt bleiben, doch nebenbei gibt es drei Spin-offs: Mannheims Piano, Söhne Mannheims Akustik – was etwas mehr auf Gitarren abgestimmt ist – und das Söhne Mannheims Jazz-Department, das Söhne-Klassiker in Jazz-Versionen performt. Mit diesen Projekten sind wir in der Lage, ganz flexibel auftreten zu können – mit rotierenden Besetzungen. Es ist halt wichtig, dass man als Band zusammenbleibt – zumal wir aktuell einen sehr guten Vibe in der Band haben, das spürt man live, aber hört es auch unseren neuen Songs wie Moral oder Eine Million Lieder an. Man muss trotz Corona-Krise zusammen weiterschrauben und performen, sonst fällt man in ein großes Loch.

Wie sind bei euch die Proben vonstattengegangen? Stichwort Piano- und Vocal-Arrangement: Da muss ja einiges umarrangiert werden.

Ja, das ist einfach probenintensiv und kurioserweise auch paradox. Denn jeder kennt die Stücke in- und auswendig, und nun eine Version gegen alle Gewohnheiten zu machen, das braucht einiges an Übung und Organisation. Aber Proben sind auch der Schlüssel zur guten Performance. Und gerade jetzt in dieser Zeit, wenn man ohnehin nicht so viel auftreten kann, finde ich es alles andere als schlimm, neue Versionen einzustudieren.

Mit welcher Idee bist du an das Umarrangieren rangegangen? Hast du, habt ihr versucht, die Songs der Söhne Mannheims, so gut es geht, aufs Klavier zu übertragen, oder musstet ihr ganz anders an die Songs herangehen?

Das ist ja eigentlich das A und O bei solchen Übertragungen. Erstmal haben mir die Sänger vollkommende Freiheiten gelassen beim Arrangieren. Natürlich haben wir viel ausprobiert und haben uns abgestimmt, wie sich diese oder jene Version anfühlt. Aber zum Konzept: Da habe ich tatsächlich beides gemacht. Es gibt Songs, da habe ich versucht, so viel wie möglich aus dem Arrangement eins zu eins aufs Piano umzusetzen, damit es sich gar nicht so viel anders anfühlt. Da hätte man manchmal gerne eine dritte Hand, aber irgendwann hat man auch eine gewisse Übung darin zu wissen, was man weglassen kann und was eher nicht. Das wäre so eine orchestrale Begleitung wie in der Klassik, die mir auch ganz gut liegt.

Aber das kann nicht immer alles sein. Es gibt auch Songs, die muss man übersetzen – wie von einer Sprache in die andere. Z. B. bei unserem großen Hit Geh davon aus war es mir wichtig, nicht genau das nachzuspielen, was wir schon seit 20 Jahren spielen. Ich habe mich daher für eine sehr viel fließendere Begleitung entschieden, die nicht so sehr auf Downbeat getrimmt ist. Das kam auch sehr gut an und hat sich auch für uns sehr gut angefühlt. Für mich liegt im Augenblick die Wahrheit darin, beide Konzepte je nach Song miteinander zu verbinden.

Gibt es auch Songs, die ihr gerne gemacht hättet, wo ihr dann aber gemerkt habt, das funktioniert leider nicht mit nur Piano?

Eigentlich nicht. Und wir haben bei der Auswahl der Songs auch gar nicht so sehr darauf geachtet, was jetzt auf Piano funktionieren könnte. Denn wenn man sich entsprechend Gedanken macht, lässt sich alles umsetzen. Man muss aber dazu sagen, dass wir bei einigen Songs etwas Percussion dazu genommen haben, da sie zum Teil extrem vom Beat leben – bzw. mit Snaps und Claps haben wir gemeinsam noch ein Beatgefühl aufrechterhalten, was aber natürlich nicht so massiv ist, wie wenn da Drums gespielt werden.

Wir wollten uns vom Repertoire her nicht an das halten, was naheliegend ist. Es gibt ja bei den Söhnen Mannheims auch viele balladeske Songs, die auf einem Piano-Riff basieren, da wäre es logisch, eine stimmige Pianoversion zu spielen, aber wir empfanden es als Challenge: Was passiert denn mit den Dingern, die live richtig losstampfen?

Meinst du, das Konzert wird auch klanglich Piano-Spuren im Söhne-Mannheims-Sound hinterlassen?

Das ist möglich, aber ich empfinde es in der Band so, dass wir auch ohne solche Konzepte kein Problem damit hätten, den Sound gelegentlich mal zu reduzieren. Wir hatten also auch in der Vergangenheit schon Songs, wo zwölf Leute von der Bühne gehen und nur ein Gitarrist oder Keyboarder zurückbleibt. Das ist gerade bei Shows, die zwei Stunden oder länger dauern, einfach sehr, sehr wichtig, um Dynamik zu erzeugen.

Die Spuren werden aber vielleicht im Meta-physischen Bereich liegen. Ich meine damit, dass bei diesen Konzepten die Sänger besser zu hören sind und Nuancen besser herauskommen. Dadurch ist es auch einfacher, eine sehr dynamische Version zu singen als mit einer vollen Band, die schon bei leisen Stellen ein gewisses Grundniveau an Pegel hat. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir gut damit fahren, wenn wir von diesem Punkt aus unseren Gesang noch etwas verfeinern.

Was ist das eigentlich für ein Gefühl, in einer leeren Halle ohne Zuschauer zu spielen und somit auch ohne Feedback des Publikums?

Tja, man könnte jetzt leicht resigniert sagen: »Man gewöhnt sich an alles.« Ich selbst habe das jetzt schon ein paar Mal gemacht – man kann es auch vergleichen mit Live-Aufnahmen im Studio, denn auch da bekommt man keine Resonanz, allenfalls vom Produzenten.

Ich würde sagen, es ist anstrengender. Bei einem Konzert mit Publikum steckt man natürlich auch Energie rein, d. h., man schickt auch Energie ins Publikum, aber dann kommt Energie auch wieder zurück. Jetzt ist es so, dass man einen Song fertig gespielt hat, man hat alles gegeben, und es kommt rein gar nichts zurück, und man hofft nur, dass die Leute, die zu Hause sitzen, nicht denken: »Was war das denn jetzt?«, sondern sich drüber freuen. (lacht) Danach ist man viel fertiger, als wenn man sich vor einem Publikum ausgetobt hat.

Und dazu kommt die Sache, dass die Konzerte im Netz bleiben. Das bedeutet, dass man möglichst flawless performen möchte. Das ist ein anderer Fokus, als wenn wir als »Söhne Mannheims« mit einem Dutzend Leute auf eine große Bühne gehen und uns live austoben. Natürlich hat man auch dann gut geprobt und will das Beste abliefern, aber falls das Konzert abbiegt in Richtung »Heute ist alles wild«, dann ist auch das gut. Da kann man einiges riskieren und oft auch gewinnen. Eben diese Unbekümmertheit fehlt ein wenig bei Streaming-Konzerten, da man denkt: »Das können die Leute jetzt für alle Zeit anschauen – besser jetzt mal keine Fehler machen.« Aber keine Fehler zu machen ist eben nur ein Teil von einem guten Konzert.

Wie wurde das Piano bei euch abgenommen? Gibt es da Besonderheiten?

Erstmal muss man alles genau so machen wie bei jeder Live-Abnahme, allerdings gibt es eine Besonderheit, auf die man achten muss: Aufgrund der reduzierten Datenübertragung, die natürlich wieder von der Internetverbindung und dem genutzten Streamingdienst abhängt, wird es manchmal in höheren Lagen etwas klirrig, was bei Gesang unangenehm sein kann, aber auch bei Klavier. Der Hochmittenbereich sollte also nicht allzu aggressiv angegangen werden.

Was jetzt das Klavier bei diesem Capitol-Konzert im Speziellen angeht, da war ich mir mit unserem Bühnentonmann Felix Weng eigentlich sofort einig, dass wir den Flügel eher Studio- als Live-mäßig abnehmen wollen. Das heißt, der Flügel war voll geöffnet – viele würden den Deckel ja eher zu machen, um Crosstalk zu vermeiden. Aber um die ganze Größe von dem Instrument einzufangen – immerhin musste ja eine ganze Band ersetzt werden –, hatten wir uns für einen offenen Flügel entschieden.

An Mikrofonen hatten wir relativ nah zwei LCT 440 von Lewitt, außerdem eine ORTF-Mikrofonierung mit zwei Schoeps knapp außerhalb des Instruments sowie ein Clip-on-Mikrofon am Ende des Instruments für die Monokompatibilität – das lässt sich nutzen, falls es vorne zu breit wird oder die Phase nicht ganz so ideal ist.

Die LCTs haben ein enorm gutes Preis/Leistungs-Verhältnis mit einer sehr schönen Brillanz; die Schoeps haben den Vorteil, dass dort auch der übersprechende Gesang noch sehr gut drauf klingt, sodass man da nicht viel nacharbeiten muss.

Über den Basssaiten hatte ich aber auch noch einen elektromagnetischen Pick-up, ein Teil des Helpinstill-Systems. Der ist oberhalb von 120 Hz abgefiltert, und das reine Signal klingt solo auch nicht besonders gut, aber man hat damit ein völlig rückkopplungfreies, geräuscharmes und stabiles Basssignal, das einfach druntergemischt wird. Das darf nicht zu fett werden, sonst klingt es nicht mehr nach Flügel. Aber die Bässe sind bei den Söhnen Mannheims sehr wichtig, einige Riffs basieren auf dem Bass, außerdem hält der Bass auch rhythmisch die Sänger zusammen. Daher war es mir sehr wichtig, dass die Bässe nachgeschoben werden können, ohne dass Klopfgeräusche, Percussion-Crosstalk, Feedback oder sonstiges stört.

Kommen wir nochmal zum aller wesentlichsten Thema: Wie finanziert sich denn so ein Online-Auftritt?

Tja, gutes Thema. (lacht) Es ist auf jeden Fall teuer, weil es keine Ticketerlöse gibt. Das heißt, es geht auch nur, wenn man alle Kräfte vereinigt. Natürlich haben wir von unserer Seite einiges ins Boot geworfen, aber wir sind auch unseren Sponsoren sehr dankbar. Außerdem gab es ein Solidaritäts-Ticket. Für 24 Euro konnte man optional ein Ticket kaufen, und die Erlöse kamen den Akteuren auf und auch hinter der Bühne zugute. Es ist also viel Goodwill von allen Seiten – irgendwie funktioniert es, aber ein tolles Modell für die Zukunft ist das Streaming meines Erachtens trotzdem nicht.

Vielen Dank für die ehrliche Antwort!

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