Von Gepäck und Grenzen

Kolumne mit Hans-Martin Buff: Ein Hobby

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(Bild: s Yana Heinstein, Wolfram Buff, Matthias Reinsdorf, Holger Vogt, Mark Craig)

Mein Freund Pe’uh, Brite und Yoda des Rock’n’Roll, sah mir bei unserem letzten Treffen tief in die Augen und verkündete, ich bräuchte ein Hobby. Dies sei speziell bei Tonvolk notwendig zur Vorbeugung gegen Überarbeitung, schlechte Laune und überhaupt gegen allgemeine Wunderlichkeit.

»Kein Zeit«, widersprach ich unüberlegt.

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»Schnickschnäck«, entfuhr es dem weisen Pe’uh. »Jeder Zeit für ein Hobby hat.«

Nun muss man wissen, dass Pe’uh vielfältig begabt ist: Er kann als Fachmann des Gitarrentums das beliebte Saiteninstrument nicht nur bauen, pflegen und spielen, er kann zudem etwa blind ein Motorrad auseinander- und wieder zusammenbauen und währenddessen gut informiert über den idealen Schmierstoff für das Blechrad eines Spielzeugautos aus dem Jahre 1934 dozieren, kurz: Pe’uh ist ein wandelndes Hobby und hat gut weise reden.

Ich hingegen kann wohl im Studio turnen, die heimische Brut hegen und milde amüsieren, aber sonst fällt mir einfach nichts ein, für das ich mich von Musik und den Lieben abwenden und dem ich mich mit Inbrunst widmen möchte. Wohl interessiere ich mich für vieles, aber bis dato verschiebe ich jedweden Plan für interessante Ablenkung von Alpenüberquerung bis Imkerei auf den fernen Ruhestand.

Selbst Vorschläge von Frau Buff, meiner lieben Rockbraut, zur gemeinsamen zweiwöchigen Reise entlocken mir (stille, da meine Geliebte ehrende) Grunzer der Unlust, denn wenn Frau Buff so Ideen hat, komme ich wahrscheinlich gerade von irgendeinem Tonausflug zurück, habe den von muffigen Klamotten befreiten Koffer unterm Bett verstaut und will an alles denken, nur nicht ans nächste Packen.

Das ist immer ein Gefrett. Egal wie lange der Ausflug dauert, ich brauche eine Grundausstattung Buffkram, die stets viel zu viel ist. Zum Beispiel das Gerät für den Ideenfang, wie mein Keyboard und das USB-Mikro. Und die Strafe dafür, dass ich einmal mehr mein eigenes Geschwätz von gestern ignoriert habe. »Nie kaufe ich mir noch eine Schachtel, nur ein Teil, basta«, sprach ich einst. Pustekuchen.

Mittlerweile begleitet mich eine vom Fachmann gefräste Schaumstoffbox voller Mischgerät. Auch für den Transport einer Fader-Leiste bin ich mir oft nicht zu schade, und gemeinsam verpackt muss ich mich vorsehen, im Zug beim Kofferhieven in die Ablage nicht versehentlich Mitreisende zu erschlagen. Die Preise günstiger Fluglinien nur mit Handgepäck interessieren mich nie, und ich habe guten Grund zu glauben, dass der neue höhere Gepäckpreis durch Ersatz der 20-Kilo-Kategorie durch eine teurere 23-Kilo-Variante speziell für mich erfunden wurde.

Egal, genug gemeckert, ich soll ja während der zwei Wochen Anderweitigkeit mit Frau Buff und der Brut nicht an Tongerät schrauben, sondern das Gegenteil versuchen, und dafür tun’s im Gepäck auch nur die Badehose und ein paar Mitbringsel für die lieben Gastgeber.

Na gut, vielleicht noch den kalifornischen Rechner, auf dem ich diese Zeilen schreibe. Oh, und, weil es nach Amerika geht, noch meine Hannoveraner 3D-Mikros für ein paar coole Soundeffekte (bekanntlich ist dort ist alles größer, auch die Grillen und Gewitter). Das wird spannend für mich − mal schauen, wie lange ich es in einem sommerlichen Mückenschwarm im Dienste der Tontechnik aushalte.

Und es wird spannend, was die strengen Damen und Herren beim Zoll darüber denken. Tatsächlich weniger die im ehemals befreundeten Ausland, sondern die in der Heimat, die auch so Albernheiten wie Tastaturen mit deutschen Schriftzeichen nicht von der Gewissheit abbringen, dass jeder rückkehrende Kofferinhalt jenseits der gebrauchten Unterhose illegal in irgendeiner staatsschadend billigen Ramschbude im Ausland erworben wurde. Hier hilft dem hiesigen Grenzüberschreiter nur eine sogenannte Nämlichkeitsfeststellung, ein Schrieb, auf dem man sämtliche reisenden Kostbarkeiten vor der Abreise schriftlich festhalten und behördlich bestätigen lassen kann und mit dem man sich dann bei der Heimkehr den Weg freiwedelt.

Den Wächtern an der amerikanischen Grenze ist der Tonanteil am Gepäck erstmal wurscht, nur wenn’s wirklich viel wird, sprechen die plötzlich französisch und wollen ein »Carnet«, eine Art Pfandmarke dafür, dass Mitgebrachtes auch wieder verschwindet und nicht auf dem Weg gewinnbringend verscheuert wird.

Carnets gab’s früher sogar in der jetzigen EU, und ich habe schon heitere Geschichten von Bands gehört, die noch in den 70ern über die grüne Grenze nach Frankreich geschlichen sind, um sich die Carneterei zu sparen. Ich wäre ja gern dabei gewesen, wenn lederbehoste Rockgötter mit ihren Amps durch den Wald ins Elsass schleichen. Selbst wenn dann bestimmt meine Berufsbeschreibung kurzfristig von Tonbuff auf Gepäckträgerbuff umgeschrieben worden wäre. »Un moment mal!«, hätte ich schwach protestiert. »Schweig still«, hätten die schwitzenden Rocker erwidert. »Du brauchst ein Hobby.«

www.buffwerk.com


ÜBER DEN AUTOR

Wer bereits mit musikalischen Größen wie Prince, Zucchero, No Doubt und Mousse T. gearbeitet hat, darf sich ungestraft »Tonbuff« nennen. Hans-Martin Buff ist ein erfahrener Recording-Engineer und Producer und arbeitete viele Jahre in den Prince’ Paisley Park Studios in Minneapolis. Oder sollte man ihn Parkwächter nennen? Denn zurück in Deutschland arbeitete er in Mousse T.s Peppermint Park Studios. Sei’s drum: unzählige berühmte Produktionen erfreuen sich heute unverfälschter Bufftonqualität. Als Kolumnist in Sound&Recording macht er reinen Tisch mit recording-Mythen und Audio-Lügen …

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