Die Kolumne mit Peter Walsh

Frauen in der Recording-Welt

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2011 waren 2 % aller Musikproduzenten in Großbritannien Frauen. Als ich 1980 zu den Utopia Studios in London kam, hatte ich das Gefühl, Mitglied einer seltsamen »Only Men«-Kultur zu werden. Tatsächlich sah ich nie eine Tontechnikerin oder Produzentin hinter der Konsole sitzen. Bei Utopia waren diese heiligen Stühle bereits besetzt, meistens von kettenrauchenden, hart trinkenden und langhaarigen Männern. Und niemand schien dies zu hinterfragen.

Zum Glück haben sich die Dinge seitdem mehr als nur ein bisschen verändert. Das Ungleichgewicht der Geschlechter hat sich verschoben, und heute spielen Frauen eine wichtige Rolle in den Bereichen Audio-Engineering und Musikproduktion. Der »Alt-Herren-Club« von früher ist so gut wie verschwunden, endlich werden Frauen eingestellt und in diesem sehr diversen Geschäft anerkannt. Aber ist das genug?

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Ich halte Workshops und Vorlesungen am Abbey Road Institute und bin mir bewusst, dass trotz der Bemühungen, junge Frauen für den Kurs zu begeistern, rund 75 % der Teilnehmer meiner Kurse männlich sind. Warum ist das so? Warum ist es immer noch ein von Männer dominierter Beruf? Ist das ein Signal, dass Frauen einfach nicht an der Recording-Welt interessiert sind, oder steckt etwas viel Größeres dahinter?

Auf der Suche nach Antworten sprach ich mit drei der in London führenden weiblichen Audioprofis. An der Spitze der A&R-Produzentenliste steht die Australierin Catherine Marks. Als MPG-Produzentin des Jahres 2018 (Music Producers Guild) kann Catherine eine Reihe an Hits mit Künstlern wie The Foals, Wild Like Alice und The Killers vorweisen. Sie wurde als Assistentin vom Produzenten Flood (Depeche Mode, U2) in den Assault-and-Battery-Studios in London ausgebildet, wo sie jetzt auch eine eigene Regie hat.

Catherine Marks (Bild: Al Parker)

Sie erinnert sich, dass ihre prägenden Jahre nicht die einfachsten waren, und gestand ein, dass sie in der Zeit ein Kind verloren hatte und mehr als einmal mit Tränen durch das Studio rannte. »Als ich anfing, fühlte ich mich wie das einzige Mädchen im Dorf. Das Studio ist eine ungewöhnliche Arbeitsumgebung, eingesperrt in einem Raum für 14 bis 16 Stunden pro Tag. Da musst du eine dicke Haut haben!« Die körperliche Herausforderung, lange und bis spätnachts zu arbeiten, war und ist immer noch da.

Es sind jedoch nicht nur die körperlichen Anforderungen, die den Job schwierig machen. Es ist die mentale Belastung, die eine Produktion schaffen kann − der Druck, pünktlich und innerhalb des Budgets abzuliefern. Catherine sieht das als eine ihrer Stärken und macht klar, dass sie eine Art »undurchdringliches Schutzschild« hat. Sie weiß, dass sie diejenige ist, die alles andere zusammenhalten muss, während alle anderen auseinanderfallen − worin viele Frauen wahrscheinlich besser sind als Männer! Catherine hat auch ein gutes Netzwerk in der Branche, das sie unterstützt und wo andere Frauen auch ab und zu mal ein offenes und hilfreiches Ohr für sie haben. Wie hat sich das Leben von weiblichen Recording-Engineers sonst noch weiter verbessert?

Olga Fitzroy (Bild: Nigel Jopson )

Olga Fitzroy ist Toningenieurin und Produzentin in George Martins AIR Studios. Sie wurde in Berlin geboren und zog mit 8 Jahren nach Schottland. Einer ihrer bis heute größten Erfolge war das Mischen der Musik für die Abschlussfeier der Olympischen Spiele 2012. Außerdem war sie Technikerin beim neuesten Coldplay-Album Ghost Stories. Olga glaubt, dass, weil heute weniger große kommerzielle Studios in Betrieb sind, Mädchen, aber auch Jungen nicht mehr gezwungen werden, den altmodischen, traditionellen Weg als Einstieg in die Branche zu nehmen. Das heißt, man steigt schnell vom jungen Studio-Kaffee- und -Teemacher zum Tape-Operator und noch weiter auf. Da in den letzten zehn Jahren viele Projektstudios aufkamen, wurde es für Frauen einfacher, die Karriereleiter aufzusteigen, indem sie Qualitätsarbeit leisten, ohne die absolute Notwendigkeit von Networking.

In London und anderen großen Städten scheint das sicherlich der Fall zu sein, aber ich vermute, dass es woanders nicht passiert. Olga erzählt mir, dass sich der Anteil der weiblichen MPG-Mitglieder in den letzten fünf Jahren von 5% auf 10% verdoppelt hat. Für sie hat der Mangel an Frauen in der Recording-Welt mit der sozialen Lage zu tun: »Wenn wir aufwachsen, sind es die Jungen, die Legos bekommen und gefördert werden, technische und praktische Dinge zu lernen, Mädchen nicht.« Sie betrachtet das als massives Problem. Vier von 24 Studenten in Olgas Tonmeister-Kurs waren weiblich, und nur zwei haben es bis zum Abschluss geschafft.

Sie glaubt auch, dass es zu wenig Unterstützung für Selbstständige gibt, die ein Unternehmen und eine Familie gründen. Sie setzt sich für eine gemeinsame Elternzeit ein, um jungen Müttern bei einem früheren Wiedereinstieg in den Beruf zu helfen. Ein weiteres Hindernis ist das Fehlen von subventionierter Kinderbetreuung, was es Geringverdienern praktisch unmöglich macht, vor der Einschulung ihrer Kinder wieder arbeiten zu gehen. Weil die Plattenindustrie so schnelllebig ist, kann eine zu lange Abwesenheit für einen selbstständigen Engineer verheerende Folgen haben. Man wird schnell ersetzt, wenn man nicht ständig präsent ist.

Marta Salogni (Bild: Rianna Tamara)

Marta Salogni arbeitete zunächst als Live-Tontechnikerin für das örtliche Sozialzentrum und einen unabhängigen Radiosender in ihrer Heimatstadt Brescia in Norditalien. 2010 kam sie nach Großbritannien und absolvierte in neun Monaten einen Tontechnikkurs, um Pro Tools zu lernen. Danach rief sie bei vielen Londoner Studios an und bekam schließlich einen Job als Assistentin in den State of The Ark Studios. Später erlangte sie als Haustechnikerin bei Mute Records einen Ruf als Technikerin mit alternativen und experimentellen Techniken und arbeitete mit Goldfrapp, FKA Twigs und vor Kurzem als Mixerin von Björks letztem Album Utopia. Bei den MPG-Awards 2018 wurde sie als »Breakthroug Engineer of the Year« ausgezeichnet. Jetzt hat sie ihre eigenen Studio-Räumlichkeiten in Ost-London. Sie glaubt, dass immer noch ein weiter Weg zu gehen ist, bis Frauen und Männer in der Audiowelt den gleichen Status haben »Es gibt immer noch das Vorurteil und Klischee, dass ein Toningenieur ein Mann sein muss. Es ist immer der »Soundguy« und nie das »Soundgirl«, scherzt sie mit einem Hauch Unzufriedenheit in ihrer Stimme. Sie glaubt, dass dieses Bild, diese Ungleichheit nicht nur in den Studios und Veranstaltungsorten zu finden ist, sondern in der gesamten Branche. Sie fühlt sich verpflichtet, Künstler zu unterstützen, die den »Status Quo herausfordern« und arbeitet hart daran, eine vielseitige Branche zu fördern.

Es ist bemerkenswert und vielleicht auch besorgniserregend, dass alle Gesprächspartnerinnen das Gefühl haben, dass es für sie immer noch notwendig ist, die Art und Weise, wie Frauen in unserer Branche wahrgenommen werden, hervorzuheben und zu verbessern. In einem Business, das behauptet, liberal und zukunftsweisend zu sein, sollte es das geringste Gefühl der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern geben, aber es existiert. Sie alle sind sich jedoch einig, dass die Möglichkeiten zunehmen und immer mehr Frauen, die Musik produzieren, erfolgreiche sind.

Derzeit sind 90 % der Music Producer’s Guild männlich und nur 10 % weiblich. Unter den Award-Nominierungen für 2019 sind 33 % weiblich. Die Frauen, die im Geschäft tätig sind, erhalten also deutlich mehr Preise. Diese Statistiken deuten darauf hin, dass, obwohl es immer noch viel weniger Frauen als Männer in der Recording-Welt gibt, sie proportional besser dastehen. Eines lässt sich daher vermuten: Weibliche Engineers und Produzenten sind talentierter oder engagierter als ihre männlichen Kontrahenten. Ich denke aber, dass es heute immer noch schwierig für Frauen ist, in diesem Bereich Karriere zu machen. Das muss sich ändern!

Kommentare zu diesem Artikel

  1. furchtbar… offensichtlich interessieren sich nicht so viele Frauen für Musikproduktionen. Niemand hat etwas gegen Frauen an der Konsole.
    Liegt vielleicht auch daran, dass musizieren im weitesten Sinne als Balzverhalten verstanden werden kann. Also los liebe Frauen, produziert usw. damit es nicht wieder heißt, der böse Mann lässt die Frau nicht ran.

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    1. Wir glauben ganz so einfach ist es nicht. Die Frage ist WARUM sitzen (bisher) so wenige Frauen hinter den Konsolen? Offenbar liegt es nicht in der DNA oder etwa ähnlichem, sonst würde man keinen Wandel in der Szene beobachten können.
      Tatsächlich gibt es Theorien, die das Musizieren mit einer Art Balzverhalten begründen, allerdings offenbar kein typisch männliches, denn dann gäbe es nur Musiker, aber keine Musikerinnen. Das Verhältnis ist aber ziemlich ausgeglichen.

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      1. Es ist wie es ist.der Anteil an schlechten Toningenieuren
        Ist bei Frauen und Männern gleich.
        Ich versteh die Diskussion sowieso nicht .Es ist bestimmt nicht so,das man nicht mit jemanden arbeiten will,weil er eine Frau ist .im Studio zählt halt .Genauigkeit .technisches Verständnis Musikalitaet und Durchsetzungskraft.
        Es ist egal ?Hauptsache Profi

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        1. “Der Anteil an schlechten Toningenieuren ist bei Frauen und Männern gleich.”
          Offenbar nicht. Vergl. letzten Absatz der Kolumne und du wirst erstaunt sein. 🙂

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  2. In vielen Bereichen wird die ewig wiederkehrende Frage gestellt: Warum studieren nur wenige Frauen Naturwissenschaften? Warum lassen sich nur wenige Frauen im Tonstudio sehen? Warum? Warum?
    Die wunderbar schlichte und ergreifende Antwort gibt der Wiener Psychiater Raphael Bonelli in einem Youtube-Video: Frauen und Männer sind VERSCHIEDEN.
    Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=CBY1A7GC6zo

    Wir sollten den Unterschied akzeptieren und mit dem Wehklagen aufhören.

    Baghira

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  3. Wir können UND sollten ALLES hinterfragen! Das eigene Großhirn, Herz nutzen und der eigenen Intuition vertrauen. Es ist auch SEHR gut zu akzeptieren, dass Frauen und Männer von Natur aus unterschiedlich sind und dementsprechend unterschiedliche Interessen und Neigungen haben. Die Genderscheiße ist eine künstlich ins Leben erzeugte Ideologie bestimmter Kreise mit gewollter Zielsetzung für die eigenen Machtinteressen…

    In der Kunst, egal ob Musik, Dichtung, Malerei usw. gab es auch schon in früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten weibliche Künstlerinnen. Alles was auf zwanghafte Angleichung hinaus läuft ist Blödsinn und ohne dauerhaften
    Bestand.

    In der heutigen Internet Infrastruktur können sich ALLE selbst so darstellen, wie es einem beliebt. Kann man massenweise auf youtube sehen/hören. Da ist es völlig egal, ob männlich oder weiblich. Wer Ausstrahlung hat und etwas berührendes anbietet, erlebt den Rückfluss dessen, was er/sie zum Publikum sendet. EIN Beispiel sind “Berge”…

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    1. Hallo Robert
      “Die Genderscheiße ist eine künstlich ins Leben erzeugte Ideologie bestimmter Kreise mit gewollter Zielsetzung für die eigenen Machtinteressen…” – Sicher ist die “Genderscheiße” gar nicht so scheiße. Zumindest finde ich es ziemlich fair, dass Frauen heute wählen dürfen, autofahren dürfen, einer Arbeit nachgehen dürfen etc. und das alles selbstbestimmt. Das mag für den ein oder anderen heute selbstverständlich sein, aber ein Blick, ein bis zwei Generationen zurück, reicht schon aus um zu sehen, dass es das nicht ist.
      Ich persönlich denke auch, dass eine Angleichung nicht erzwungen werden kann, zumindest nicht ohne Spannungen zu vermeiden. Man sollte aber auch aufpassen, dass man sich nicht (versehentlich) gegen einen natürliche Angleichung wehrt.
      Und ja, das Internet hilft ganz sicher bei einer weiteren Angleichung.

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  4. Es ist einfach schwer einen Teilzeitjob in diesen Branchen zu bekommen. Das ist das Problem für Frauen. Wenn man noch so gut ist. 14 Stunden Tage mit Familie gehen nicht. Schade…

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    1. Aber auch nicht alle Frauen haben Familie – in der Theorie zumindest ziemlich genau so viele wie Männer. Und Männer bekommen das auch irgendwie hin. 🙂
      Sicher gibt es viele Berufe die sich mit dem Mutterdasein nicht 1A kombinieren lassen, aber wahrscheinlich ist das sogar mit der überwiegenden Zahl aller Berufen so.

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