One-Stop-Shop für Audio in Games

Formosa Interactive – Postproduction in L.A.

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(Bild: Formosa Group)

Als Synonym für die amerikanische Filmbranche ist der Großraum Los Angeles mit Hollywood als Epizentrum hinlänglich bekannt. Aber für die Audio-Postproduktion? Noch nicht, möchte man sagen. Denn wächst die Formosa Group in den nächsten Jahren weiterhin so unfassbar schnell wie bisher, kann es nicht mehr lange dauern, bis auch im Audio-Postproduction-Bereich die »Total World Domination« vollzogen ist: Nach der Firmengründung mit nur wenigen Mitarbeitern im Jahr 2013 arbeiten bei der Formosa Group nun fast 400 Audioprofis, Tendenz steigend. Zu den Credits zählen u. a. Blade Runner 2049, Game of Thrones, Deadpool oder Aquaman bzw. AAA-Games, wie z. B. Call of Duty, Halo oder Battlefield — um nur einige zu nennen.

Ich sitze in Burbank, Los Angeles und unterhalte mich mit Paul Lipson, dem Senior Vice President der Formosa Interactive Division, die sich der Soundproduktion im Games-Sektor verschrieben hat. Er erklärt mir die Firmenstruktur, in der die Formosa Group als Überbau für die auf die verschiedenen Formate spezialisierten Formosa-Divisions in den Bereichen Film, TV, Werbung, Musik oder Games fungiert. Schnell wird klar, dass trotz des jungen Alters der Firma eher alte Hasen für den Erfolg und das schnelle Wachstum verantwortlich waren, wie Paul erklärt: »Formosa wurde von erfahrenen Talenten aus einigen der berühmten Audio-Posthäusern von LA gegründet. Unser CEO Bob Rosenthal hatte die Vision, eine Gruppe aus sehr talentierten Leuten zusammenzubringen, die in der Audio-Postproduction zusammenarbeiten sollten. Das begann damals hauptsächlich mit Spielfilmen, und heute ist die Formosa Group eines der Teams mit den meisten Preisen in der Audio-Post. Ein Großteil unseres Erfolgs macht das hier gebündelte Talent aus, denn wir haben hier einige der besten Sounddesign-Talente aus der Branche. Jeder von ihnen hat seine eigenen Schwerpunkte. Einige sind z. B. großartig bei Waffensounds, andere bei Creatures, wieder andere bei Atmos. Shannon Potter, unser Creative Director, ordnet dann dem jeweiligen Projekt den passenden Sounddesigner zu. Sie ist sehr vertraut mit den Arbeiten unserer Sounddesigner und sagt z. B.: ›Du machst hervorragende Magic-Sounds, ich brauche dich hier bei diesem Fantasy-Projekt‹. Insgesamt haben wir beim Sounddesign verschiedene Schwerpunkte z. B. auf Waffensysteme, Fahrzeuge, Creatures, Magic, Ambiences, usw.«

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Fieldrecordings stehen auf dem ganz normalen Speiseplan der Formosa Group, aber
auch gerne Setups mit Kontaktmikros. Fahrzeuge, Waffensysteme, Creatures, Magic,
Ambiences und mehr sind die Steckenpferde der Formosa Group Sounddesignarbeit.
(Bild: Formosa Group)

Die thematischen Schwerpunkte sollen aber nicht bedeuten, dass es bei Formosa Interactive nur einige, spezielle Bereiche gibt, die abgedeckt werden. »Bei der Interactive Division haben wir uns darauf spezialisiert, die komplette Pipeline für High-End AAA-Videogames zu realisieren«, wie Paul erläutert. »Wir machen Sound-Effects, inklusive Foley, Mixing, Voiceover-Recording, Dialog-Produktion, Lokalisierungen, Performance- und Facial-Capture. Wir machen auch die komplette Musikproduktion, also Komponieren, Kommissionierung, Recording-Produktion und Integration in die jeweilige Plattform.

Sehr interessant bei unserem Team ist, dass wir in der jeweiligen Game-Engine und in den Tools arbeiten. Wir erstellen also nicht einfach nur die Inhalte, sondern helfen tatsächlich den Spieleentwickler-Teams, unsere Inhalte in deren Spiele zu integrieren. Wir helfen unseren Kunden ihre Audiosysteme zu designen und so z. B. bessere Waffensysteme, Fahrzeugsysteme oder besser Atmo- und Occlusion-Systeme zu entwickeln. Letztere steuern den Sound, wenn eine Audioquelle z. B. hinter einem Objekt ist und der Sound dadurch verändert wird.

Das Gleiche geschieht auch bei Waffen. Hier denken viele Leute: ›Oh, cool, ein riesiger Waffensound!‹ Der entsteht aber nicht nur durch die Explosion, also den Schusssound, es sind auch die mechanischen Sounds der Waffe, die Handlingsounds, das Nachladen, die Querschläger, die Einschläge der Kugel usw. Manche von ihnen sind entfernungsabhängig und schwächen sich evtl. ab, dann gibt es unterschiedliche Materialien für Einschläge, usw.«

At Work

»Unsere Lieblingsprojekte sind diejenigen, bei denen wir die komplette Audioproduktion realisieren können«, fährt Paul fort. »Wir haben dann einen dezidierten Supervisor/Audio-Director auf dem Projekt, der die Dialog-, Sounddesign-, Musik- sowie Tools- und Integrations-Pipelines einrichtet und überwacht. Wir fahren dann die komplette Produktion als One-Stop-Shop. Der Kunde ist dann superhappy, denn er muss einfach nur Formosa anrufen, denn die kümmern sich ja um alles.

Ein sehr interessanter Punkt an der Formosa Group ist, dass wir hier eine der größten firmeneigenen Sound-Libraries der Welt haben. Wir benutzen keine kommerziellen Libraries von der Stange, sondern nur maßgeschneiderte, eigene Audiofiles. Diese sind alle von unseren eigenen Projekten, und wir haben eine zentralisierte Library, die allen zur Verfügung steht.«

Bei solch umfangreichen und zeitintensiven Projekten kommt es einerseits auf eine gute Planung sowie auf eine gute Umsetzung an. Paul erläutert, wie Sounddesign-Projekte bei Formosa Interactive normalerweise angegangen werden. »Jedes Projekt ist unterschiedlich und beginnt mit der Preproduction-Phase, in der wir uns mit dem Kunden zusammensetzen, um den kompletten Umfang zu ermitteln. Danach machen wir unsere interne Analyse, wie lange wir wofür brauchen und welche Ressourcen wir benötigen.

Eine der Editorial Suites bei der Formosa Group in Burbank, L.A. (Bild: Formosa Group)

Bei Projekten wie z. B. »League of Legends« wird vom Game-Developer so etwa jeden Monat neuer Content hinzugefügt. Wir arbeiten dann daran, während das Spiel entwickelt wird, was viel langsamer ist, dann aber auch ein, zwei oder sogar drei Jahre dauern kann.

Bei der Dialog-Pipeline ist das allerdings ganz anders. Das kommt immer spät rein, und dann sagen sie gerne: ›Oh, wir haben ungefähr 60.000 Zeilen an Dialog, und wir brauchen 150 Sprecher.‹ Wir machen dann alles: das Casting, handeln jeden Vertrag mit den verschiedenen Schauspielern aus, bezahlen sie, planen die Aufnahmen, nehmen alles auf, bearbeiten und mastern alles und liefern es aus. Manchmal sind das auch Ensemble-Szenen, also drei oder vier Leute in einem Raum. Action-Szenen sind noch ein wenig schwieriger. Hier hast du eine Menge Szenen, in denen jemand erschossen, getreten, geschlagen wird oder jemand der stirbt, lacht usw. Da gibt es manche Tage, an denen einen halben Tag lang niemand ein Wort sagt, sondern nur Laute, wie ›Uuuh‹, ›Aaah‹, ›Argh‹ etc. aufgenommen werden.«

Die Audioproduktion der unterschiedlichen Services wird allerdings nicht nacheinander abgearbeitet, wie Paul erklärt: »Alle unsere Service-Lines sind wichtig, aber sie müssen alle parallel gefahren werden. Ein Spiel ist ein dynamischer Dialog-, Musik- und Effect-Mix, während es gespielt wird. Wir versuchen deshalb, unsere Musik und unser Sounddesign gleichzeitig zu entwickeln, damit es sich gut mischt. Es macht keinen Spaß, wenn du z. B. ein richtig cool klingendes Fahrzeug hast, aber die Musik damit kollidiert. Oder es gibt so viel Sounddesign, dass die Musik überhaupt nicht reinpasst bzw. so viel Musik, dass man nichts mehr vom Sounddesign hört. Dann sind natürlich auch inhaltliche Aspekte wichtig, also das, was im Dialog und der Handlung passiert.«

Der Blick von der Regie in den Saal … (Bild: Martin Cohen)

Musik

Formosa Interactive ist auch oftmals für die komplette Musikproduktion von Videospielen verantwortlich. Trotz vieler Gemeinsamkeiten auf der Produktionsseite gelten bei Games andere Regeln als bei einer Filmmusik, wie Paul erläutert: »Musik ist der emotionale Treibstoff für jede Geschichte, und in einigen Fällen komponieren wir zu linearen Cut-Scenes oder Cinematics [feststehende Film-Sequenzen innerhalb des Spiels; Anm.d.Aut.] oder in anderen Fällen eben zu Möglichkeiten innerhalb eines interaktiven Systems. Das muss man sich so vorstellen: Bei einer linearen Szene hast du eine Vorkenntnis. Du kannst beim Komponieren durch die Szene scrubben, weißt, was passiert, und kannst all die Ereignisse musikalisch bedienen, die in der Szene passieren. Bei Games ist das viel schwerer zu realisieren, während das Spiel gespielt wird. Denn da ist es normalerweise so, dass zuerst eine Aktion geschieht und dann dadurch etwas getriggert wird. Also besteht eine unserer Herausforderungen darin, Systeme zu erstellen, die Wiederholungen in der Musik vermeiden, sich aber selbst, abhängig vom Gameplay, dynamisch submixen können. Eines der Systeme, die ich erstellt habe, hat, abhängig vom Sounddesign und der Dichte von dem, was im Spiel passiert, prinzipiell den Submix der Musik erstellt. Ist also auf dem Bildschirm viel los, wird die Musik z. B. auf die Percussions reduziert oder auf die Low-Ends. Wir erstellen hier teilweise Scripts oder einfache Programmierungen, aber meist funktioniert das in der Middleware, also in den Tools, als DesignSystem z. B. in Wwise.

Bei den Orchesteraufnahmen gibt es deshalb auch oftmals den Fall, dass wir die Instrumentengruppen einzeln aufnehmen. Da machen wir dann meist einen Referenzdurchgang mit dem kompletten Orchester und spielen danach jede Gruppe einzeln ein. Das kostet zwar etwas mehr, weil es länger dauert, aber die Kontrolle, die man dadurch über den Submix bekommt, ist es wert. Aber am Liebsten nehmen wir die Hauptthemen mit dem kompletten Orchester auf.

… sowie der Blick in die Partitur. Paul Lipson (links), Senior Vice President der Formosa Interactive Division, ist nicht nur Sounddesigner, sondern auch Komponist und war früher Senior Audio Director bei Microsoft Studios/343 Industries. (Bild: Formosa Group)

Die Länge der Musik im Game hängt natürlich vollkommen vom jeweiligen Spiel ab, aber ich habe an einem Spiel gearbeitet, das fast 400 Minuten Musik hatte. Beim letzten »Assassin’s Creed«-Game waren das mindestens viereinhalb Stunden Musik. Das entspricht ungefähr vier bis fünf Spielfilmen, in einem Zeitraum von üblicherweise zwei Jahren.

Wir »versüßen« das Orchester aber nicht nachträglich noch mit Orchestersamples, so wie es oftmals gemacht wird. Wenn du ein echtes Orchester hier in der Fox- oder Sony-Stage in LA hörst − oh mein Gott …Wir haben hier die besten Musiker, die jeden Tag für Film und Fernsehen einspielen, in großartigen Stages. Ich habe auch großartige Erfahrungen in London in den Abbey-Road Studios gemacht, aber dieser Sound − es gibt keinen Sound, wie hier in LA. Sony und Fox sind meine beiden Lieblings-Stages und auch noch Capitol Records. Das ist der klassische Hollywood-Film-Sound. Es gibt keinen besseren Ort, ein Orchester für Film oder Games aufzunehmen, es klingt einfach wunderschön.«

Formosagroup.com/interactive

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