Zwischen Lautstärke und Intensität

Mogwai-Live-Sound mit Universal Audio Apollo-16-Interface

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FoH-Mix bei Mogwai mit Apollo-16-Interface und MacBook Air

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(Bild: Nicolay Ketterer)

Die schottische Band Mogwai gilt mit ihren atmosphärischen, weitgehend instrumentalen Songs als einer der wenigen Mainstream-Acts der sonst eher nischenhaften Stilrichtung Post-Rock, grob zwischen Rock- und Ambient-Elementen angesiedelt. FoH-Mann Kenny MacLeod nutzt ein Universal Audio Apollo-16-Interface samt seinem Apple MacBook Air als Schaltzentrale für den Bühnensound.

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Es sei wohl das lauteste Konzert bisher gewesen, sagt das Barpersonal im Karlsruher Substage später, man habe sich dort nicht mehr verständigen können. Das sei ein Indiz. Die schottische Band Mogwai, die am Abend zu Gast ist, zählt zu den wenigen etablierten instrumentalen Rockbands mit großem Publikum. Die Post-Rock-Stilrichtung besteht live aus einem dynamischen Klangteppich mit bis zu drei Gitarren, Synthesizer-Klängen, verfremdeten Stimmen und diversen Zusatzinstrumenten. Die heutige Show sei wahrscheinlich die kleinste der Tour, mutmaßt der FoH-Engineer Kenny MacLeod, ein schmaler Schotte mit dem typisch rollenden Akzent.

Der Soundcheck fängt deutlich später an als geplant. Die Produktion kam aus Italien, das Licht ihres Trucks fiel nachts auf der Autobahn aus, erzählt Tour-Manager Esteban Rey. Gegen Ende des Soundchecks herrscht zunächst Ratlosigkeit: Die Abstimmung der Band orientiert sich an größeren Clubs, Hallen oder Open-Air-Festivals, im Substage ist bereits die Backline extrem laut. Der vorhandene Pegel überschreitet die Grenzwerte, moniert das Substage-Personal, der Tour- Manager betrachtet die Problematik aus dem eigenen Blickwinkel. »Was wäre, wenn die Leute uns verklagen, weil das Konzert nicht laut genug war?«, fragt er spitzfindig.

Die Apollo-Latenz? 2 Millisekunden! 

FoH-Mann MacLeod erzählt von seinem kompakten Setup für die ausladende Truppe. Als analogen Effekt hat er lediglich einen API 2500-Kompressor im Rack. Seit Kurzem benutzt er ein Universal Audio Apollo-16- Audio-Interface für die Effekte am FoH-Pult. »Der DSP ist nicht Host-basiert, das heißt, es entsteht keine so große Latenz wie bei einem normalen Computer.« Es seien lediglich 2 Millisekunden. Er mag die Universal-AudioPlug-ins, die er damit verwendet, etwa Pultecund Manley-Equalizer- sowie SSL- oder Fairchild-Kompressor-Emulationen. Ein Wermuts – tropfen: »Ich musste mir eine Patchbay basteln, um es mit XLR zu nutzen, weil das Apollo nur mit D-SUB-Anschlüssen funktioniert.«

Er will Universal Audio noch ein paar Feinheiten vorschlagen, erzählt der Endorser: »Man kann keine Fenster-Settings abspeichern. Jedes Mal, wenn ich einen anderen externen Monitor anschließe, sind die Einstellungen wieder weg.« Er hat sich ein Script geschrieben, um regelmäßig einen Bildschirmschoner an seinem »MacBook Air« zu starten, damit der nicht ausgeht und die Einstellungen in Vergessenheit geraten.

Arbeitsweise mit der SDP-Lösung

»Ich füttere Bus-Signale in das Apollo-Interface, sodass ich über die Lautstärke den Kompressor-Threshold bestimmen kann anstatt am Bildschirm mit den Knöpfen zu hantieren. Das bearbeitete Signal schicke ich auf einen anderen Kanal wieder ins Pult. Den Kanal versehe ich bei Bedarf mit einem VCA-Kompressor, um die Lautstärke unter Kontrolle zu halten, wenn ich die Kompressor-Plug-ins im Apollo mehr pushe.«

Kenny verwendet die Karte auch für Effekt-Sends, etwa für ein virtuelles Roland RE-201 Space Echo oder eine EMT-140 Hallplatten-Emulation, ein Gerät, das wegen seiner Größe, dem Gewicht und der Empfindlichkeit für Übersprechungen wohl keinen klassischen FoH-Einsatz er- und überleben dürfte. »Der Effekt klingt unglaublich auf den Drums«, konstatiert er. Eine Lexicon 224- Emulation verwendet er etwa für Hallräume auf den Gitarren. »Die Karte hat mir erlaubt, bei der aktuellen Tour auf ein eigenes Pult zu verzichten.«

Der Monitor-Mann hat ein Yamaha PM-5D im Gepäck, MacLeod nutzt das vorhandene Equipment, im Substage ein Soundcraft MH-3. »Ein Desk mit 40 Eingängen ist für unsere Produktion recht knapp. Mit den Returns vom Interface brauchen wir normalerweise deutlich mehr Kanäle.«

Parallelkompression 

Den API 2500-Kompressor setzt er auf dem Drum-Bus ein: »Wenn die Band leise spielt, smashe ich die Drums, pushe die Overheads und bekomme dadurch eher einen Raummikrofon-Klang.« Im Substage kommt er ohne Overheads aus, der API dient hier der »herkömmlichen« Kompression: »Wenn die Musik lauter wird und Gitarren-Distortion einsetzt, reduziere ich den Threshold, sodass mehr von den Drums durchkommt, anstatt die Lautstärke der Drums anzuheben.« Ideal wäre parallele Kompression, aber hier macht ihm das digitale Apollo-Setup einen Strich durch die Rechnung: »Wegen der Latenz entstehen Kammfiltereffekte.«

Er will den API-Kompressor mit einer Wet/ Dry-Regelung modifizieren lassen. Parallelkompression setzt er nach Möglichkeit auch auf den Gitarren ein: »Wenn ich ein analoges Pult mit ausreichend Gruppen zur Verfügung habe, komprimiere ich die Gitarren parallel − ich mache eine Gruppe mit dem cleanen Signal und mit einem stark komprimierten Signal, das ich passend zumische. Während der leisen Gitarren-Parts kann ich das komprimierte Signal anheben, für gleichbleibende Grundlautstärke der Gitarren, ohne dass das Signal geplättet, verschluckt wird oder pumpende Nebeneffekte hörbar werden.«

Der Boss ist ein Gitarren-Verzerrer

Auch ein Gitarren-Effektpedal hat er am Pult im Einsatz, ein Boss Super Overdrive, modifiziert mit einem Tubescreamer-Chip. »Das verwende ich für Gesang, Drums und Drumcomputer: Ich schicke einen Submix durch das Pe – dal und fahre ihn parallel − subtil zugemischt entsteht die Ästhetik harmonischer Verzerrung, ähnlich wie Trioden- und Pentodenverzerrung bei Röhren. Das Ergebnis vermittelt dem menschlichen Ohr den subjektiven Eindruck von Lautstärke, weil die harmonische Verzerrung die Signale lauter erscheinen lässt. Die Leute sind überrascht, wenn sie auf die Anzeigen schauen.«

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Gitarrenpedal am Pult: ein Boss »Super Overdrive«, modifiziert mit einem »Tubescreamer«-Chip. MacLeod: »Oft schicke ich einen Submix an das Pedal − dezent zugemischt entsteht dadurch die Ästhetik harmonischer Verzerrung.« (Bild: Nicolay Ketterer)

Bühnensound – 99 von 100 erlaubten Dezibel 

Womit wir beim Thema Lautstärke wären: Die Band spielt sonst auf Festivals, in größeren Clubs. »Bei diesen Shows kommt der Sound hauptsächlich von der PA, da kann ich den Sound kontrollieren. Das Problem in einem kleinen Raum wie heute: Die Band hat einen sehr lauten Bühnensound«. Im Sub – stage liefere die Backline 99 dB, und er dürfe nicht über 100, hat also nur 1 dB Spielraum. »Das Limit ist 100 dB, es hängt aber davon ab, wie und wo man misst. Als LEQ-Zeitspanne haben wir eine halbe Stunde. Also verändert die Band ihre Setlist so, dass über eine halbe Stunde neben lauten auch sehr leise Songs vorkommen.« Sie waren gerade in der Schweiz, erzählt er, da betrug die LEQ-Spanne lediglich 10 Minuten. »Das bedeutet: ein lauter, ein leiser Song, immer abwechselnd. Zum Glück haben wir leises Material, aber wir spielen auch sehr laut, für maximale Wirkung, wenn die PA das umsetzen kann.«

Die Mikrofone für die Backline hat er selbst mitgebracht: größtenteils Shure, ein Beta 52 und eine Beta-91A-Grenzfläche an der Bassdrum. »Beim alten Modell [Beta 91 mit eigenem Vorverstärker, der über ein spezielles Kabel gespeist werden muss; Anm.d.Aut.] waren die Verkabelung und der Kontakt ein Problem, wir haben es gelegentlich hinter der Bühne neu verkabeln müssen«, erzählt er. Jetzt benötigt er nur noch ein XLR-Kabel, das Problem sei gelöst. »Ich benutze die Grenz – fläche nur für den Attack der Bassdrum, mit einem hoch angesetzten Low-Pass-Filter. Das Beta 52 ist so eingestellt, dass es angenehm und rund klingt. Wenn die Band zurückhaltende Songs spielt, schalte ich die Grenzfläche aus.« Der Vorteil, die Grenzfläche für den Attack zu benutzen? »Das Kondensatormikrofon spricht schneller an, was durch die kleine Membran noch verstärkt wird.«

An den Toms setzt er dynamische Sennheiser e-604-Mikrofone ein, bei der Snare schwört er auf ein Shure Beta 57, auch wegen der Hypernierencharakteristik − das Ergebnis gefällt ihm besser als beim »normalen« SM57. »Das Beta 57 verleiht der Snare einen ordentlichen Crack und setzt sich durch.«

Statt mit Overheads arbeitet er im kleinen Club lediglich mit einem Shure SM81-Kondensator unter dem Ride-Becken. Die Direktabnahme sei »eine amerikanische Methode«, so MacLeod. Ein Resultat der nahen Mikrofonierung ist der verstärkte Nahbesprechungseffekt: »Ich setze den High-Pass deutlich höher.«

Zwei zusätzliche Trommeln stehen neben dem Keyboard-Arbeitsplatz von Barry Burns − sie werden vom Multi-Instrumentalisten Luke Sutherland als Effekt gespielt, der ebenfalls Violine, durch verschiedene Effektpedale verfremdet, sowie Keyboards und Gesang beisteuert.

An den Gitarren-Amps verwendet MacLeod Shure SM57, teilweise spielen die Gitarristen jeweils zwei Amps parallel, entsprechend doppelt mikrofoniert. Unter den Universal-Audio-Plug-ins verwendet MacLeod das Little Labs »IBP Phase Alignment Tool«, um die doppelte Mikrofonierung zeitlich anzugleichen. »Zwei Topteile, zwei Boxen, aber die Signale kommen vom gleichen Instrument: Das Ergebnis klingt besser, wenn man Phasenverschiebungen durch die Abnahme korrigiert.« Das praktisch stufenlose Angleichen mit dem Plug-in sei deutlich flexibler als die 180-Grad-Phasendrehung einer herkömmlichen Phasenumschaltung.

Ein weiteres Detail: Der Splitter, der die Gitarrensignale aufteilt, ein Lehle P-Split, dreht bei Bedarf die Phasenlage der Gitarren vor dem Verstärker, um sicherzustellen, dass auf beiden unterschiedlichen Verstärkern die Gitarre am Ende phasengleich ausgegeben wird.

Die Materialschlacht summiert sich, samt Bassverstärker befinden sind sechs Amp-Rigs auf der Bühne, für jeden Verstärker zudem einsatzbereite Backups. Ob es wirklich ein großes Problem darstellt? »Bei manchen Shows geben bis zu drei Verstärker den Geist auf. In London ging vor ein paar Wochen einer in Flammen auf«, erzählt MacLeod. Die Ersatz-Topteile sind alle über einen Radial »Tonebone Headbone Valve-Tube Head Switcher« fertig verkabelt und per Fußschalter aktivierbar. In der »Warteschleife« hängt statt einer Box ein Lastwiderstand am Ausgang. »Ein Lebensretter für die Show«, verkündet MacLeod. Umbau? Unnötig. »No messing around.«

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Live-Impression: Keyboarder Barry Burns (Bild: Nicolay Ketterer)

Tastenfreunde

Der Blick auf das Keyboard-Setup wirkt ähnlich detailreich geplant: Die Band nutzt drei Muse Research Receptor-Stand-Alone-Module für Software-Sampler, ein vierter dient als Ersatz. Er muss die Synthesizer-Klänge teilweise stark im Frequenzgang beschneiden, erzählt MacLeod, damit sie in die »Gitarren-Klangwelt« passen. Weiteres ungewöhnliches Gerät: ein großer Roland-Vocoder, der mit drei Mikrofonen zur Echtzeit-Gesangsbearbeitung dient. Drei Mikrofone? »Ein Mikrofon für den Vocoder, eines für die PA und eines zur Bearbeitung für den Receptor«, erklärt MacLeod.

Auch eine Novation Bass Station steht auf der Bühne, die von unterschiedlichen Musikern meist für Bass-Linien genutzt wird. »Wir haben einen A/B-Switch, sodass entweder nur das Audiosignal der Bass Station zu mir durchkommt oder das des Muse Receptors.« Die Bass-Station-Sounds greift er per DI-Box ab, über den Bass-Amp hätte das Ergebnis zu viel Punch.

Den Bass-Amp mikrofoniert er über ein Shure Beta 57 sowie direkt mit einer Avalon-DI-Box, zusätzlich greift er das E-Bass-Signal per DI-Box vor den Bass-Effekten ab. »Wenn Dom Distortion einschaltet, habe ich immer noch ein cleanes Signal, das die rhythmischen Details für den Mix liefert.« Das Mikrofonsignal? »Normalerweise mag ich Sennheiser 421 oder beyerdynamic M88 am Bass, aber hier geht es nur um den Höhenbereich, mit einem High-Pass bei 400 Hz. Aufgrund der Kombination aus drei Signalen vom Bass-Rig ist mir wichtig, die Phasentreue zu erhalten. Wenn alle Signale viel Bassanteile liefern, würde das nicht helfen.« Das Mikrofonsignal diene dem »squeak and grunt«, wie der Schotte meint, dem Obertonspektrum beim Spielen am Verstärker. Das Hauptsignal liefert die Avalon DI-Box. »Die drei Signale durchlaufen im Apollo-Interface gemeinsam eine API-Channelstrip-Emulation, einen virtuellen Empirical Labs Fatso und eine LA-2A-Kompressor-Emulation.«

Live

Am Abend sind etwa 1.000 Zuschauer im »Substage«, der Club ist gut besucht. Beim ersten Song, Heard About You Last Night, spielt Gitarrist John Cummings eine Basslinie an der Bass Station, Bassist Dominic Aitchison nutzt zunächst Cummings’ Gitarren-Amp, damit die Bassgitarre ihren Schwerpunkt in den Tiefmitten hat und weniger mit der Bass Station konkurriert.

Die Band arbeitet mit Instrumentalstrecken, die sich Zeit nehmen − etwas, das in der gängigen Mainstream-Landschaft kaum noch vorkommt. Die Songs bauen sich langsam auf, wirken behäbig-schleppend und trotzdem präzise gespielt. Beim Schlagzeug klingt besonders die Bassdrum sehr kontrolliert, die fehlenden Overheads fallen in der Club-Umgebung nicht auf, lediglich die Snare wirkt im Gesamtbild zu verhalten, was auch mit dem Drummer zusammenhängen kann: Der eigentliche Mogwai-Schlagzeuger Martin Bulloch fiel kurzfristig wegen einer Verletzung aus − er wurde bei jenem Gig durch Jonny Scott vertreten, der sich noch in die Songs einfindet.

Insgesamt will die Einhüllung trotz Lautstärke zumindest im hinteren Bereich des Clubs nicht so recht gelingen, zu abstrakt klingen die leiseren Ambient-Passagen, Eintauch-Atmosphäre kommt nur im Ansatz auf. Die Sounds klingen im Club ähnlich durchsichtig wie auf den Alben − eigentlich eine Leistung, im Konzert aber wirkt das Gesamtbild zu sehr wie »Konserve«, mit Distanz zum Hörer. Beim Song Remurdered verschieben sich aufblinkende Lichtsignale zum Bassdrum- »Four To The Floor«-Beat. MacLeod erzählt später, das habe an fehlender Synchronisation zwischen Licht und Ton gelegen, sie müssten künftig ein MIDI-Signal an die Lichtanlage schicken statt sich selbst mit dem eigentlich gleichen Tempo triggern zu lassen.

Vor der Zugabe stellen die Musiker ihre Gitarren vor den Amps ab, Feedback-Gewitter entsteht, die Roadies schalten sie kurz danach aus. Erst bei der Zugabe entsteht als Zuhörer die gewünschte Gänsehaut und Einhüllung, ein furioses, lautes und krachendes Finale mit Lichtgewitter und gelungenen Ambient-Übergängen. Die Betonung − um auf die Bemerkung des Substage-Personals zurückzukommen − liegt allerdings auf LAUT.

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