Soundtrack = Sprache + Musik + Sounddesign

Filmmusik: Komposition des Soundtracks

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Soundtrack = Sprache + Musik + Sounddesign

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So plausibel obige Formel aussieht, unter „Soundtrack“ versteht man allgemein die Filmmusik zu einem Film. Keine CD, auf der man alleine das Sounddesign zu einem Film bekäme oder nur die gesprochenen Texte, aber es existieren ganze Abteilungen für Soundtrack-CDs mit den Filmmusikeinspielungen.

Fakt ist: Der Soundtrack setzt sich aus den oben benannten Schichten zusammen. In dieser Folge zunächst die Grundlagen zu den beiden ersten Punkten: Sprache und Musik …

Sprache

Die Konzentrierung auf die menschliche Stimme hat sich seit Einführung des Tonfilms rasch entwickelt und huldigt dramatischen Formen, wie sie sich weitestgehend aus dem Theater heraus entwickelt haben. Filmemacher und (Ton-)Künstler der Zwanziger- und Dreißigerjahre bedauerten die rasche Reduktion der neuen Tonmöglichkeiten auf das gesprochene Wort (abgewechselt mit obligatorischer Filmmusik). Man spricht in diesem Zusammenhang vom Vocozentrismus in der Filmwahrnehmung. Dennoch bietet natürlich gerade die menschliche Stimme enorme klangliche Gestaltungsmöglichkeiten. Denn Stimme ist nie nur reine semantische Sprachinformation, sondern immer auch konnotiert mit Emotion, Assoziation, Untertönen oder sozialer Zuordnung durch Akzente, Dialekte oder speziellem Slang. Dazu kommt der Einsatz als normale Dialogstimme oder im Film sehr häufig als „Voice over”, also aus dem Off.

Bei Off-Stimmen muss man darüber hinaus zwischen zwei verschiedenen Gebräuchen von Off-Stimme unterscheiden. Zum einen der Stimme, die schon zu hören ist, bevor der Sprechende im Bild erscheint, oder dem Text, der weitergesprochen wird, obwohl der Sprechende nur noch von hinten oder gar nicht mehr im Bild zu sehen ist. Zum anderen das Voice over einer Stimme, die eine parallel zu sehende Handlung quasi von außen, also nicht in der Szene befindlich, kommentiert oder auch nur begleitet. In diesem Zusammenhang spricht man von einer akusmatischen Stimme oder beim klassischen Voice over auch von einem Akusmaster. In jedem Fall weiß diese Stimme etwas, was weder der Zuschauer noch meistens die handelnden Personen wissen, und ist damit zum jeweiligen Zeitpunkt mit dem „Allwissenden” gleichzusetzen. Dieser Gebrauch des Akusmasters ist so genretypisch gerade für den Film, dass es von einigen Filmemachern bewusst zitiert oder persifliert wird. Man denke nur an die häufigen Voice overs in Filmen von Martin Scorcese, um durch die Art des Voice overs sofort ein Genre zu zitieren, oder als Gegenmodell beispielsweise Filme von Woody Allen, in denen der „Allwissende” meistens eine recht mickrige, auf jeden Fall sehr menschliche Figur abgibt.

Hier schließt sich der Kreis: Man sieht, dass die gestalterische Hauptverantwortung für diese Klangebene im Wesentlichen beim Drehbuchautor bzw. bei der Regie liegt, und in der Tat werden schon die Voice overs wie die Handlungstexte meistens im Drehbuch verankert, und es ist meistens der Regisseur, der die Art und Weise, wie etwas durch die Schauspieler oder Synchronsprecher gesprochen wird, steuert und beeinflusst. Von daher bildet das Team aus Drehbuchautor, Regisseur und Schauspieler schon die erste Tongestaltungseinheit, wiewohl sich dieses Team meistens gar nicht bewusst ist, dass es damit schon einen wesentlichen Teil des Soundtracks prägt. Im Gegenteil: Wenn Autor und Regie über den Ton sprechen, dann meistens über die einzusetzende Filmmusik, wiewohl der Drehbuchautor dazu meistens so gut wie keine Überlegungen in seinem Buch notiert.

Musik – non diegetic

Filmmusik nennt man meistens die Musik, die von außen zugesetzt wird und sich nicht aus einem Handlungszusammenhang erklärt. Diese Form der sogenannten „non diegetic music” (auch nicht-diegetische Musik oder extra-diegetische Musik genannt) – also einer Musik, die sich nicht aus dem Bild speist – ist zumeist instrumentaler Natur, wiewohl gerade die Filmmusik ein hohes Erfindungspotenzial in der Mischung von „klassischen” Instrumentalfarben mit vollkommen anderen (z. B. elektronischen oder ethnischen Instrumental-) Klängen entwickelt hat.

Eine solche Musik bedient sich im Wesentlichen der „Affektenlehre”, wie sie schon in den Stummfilmmusiksammlungen Anfang des 20. Jahrhunderts zusammengetragen wurde. Sie versucht, durch melodisch thematische Variation und Entwicklung eine Homogenität herzustellen, die durch die benutzte Stilvielfalt nicht hergestellt werden kann. Welches Stil- oder Genrezitat zum Einsatz kommt und über die konkrete Melodiegestalt seine eigene, nur für diesen Film geltende Ausprägung erfährt, entscheidet im Wesentlichen immer der Bildzusammenhang, zu dem diese Musik erklingt: In einer Liebesszene sind die obligatorischen Streicher zu hören, genauso wie auch heute noch fast jede Verfolgungsjagd mit einer „Chasse” in den Blechbläsern begleitet wird. Anlass ist ein dramatischer oder emotionaler Moment im Film, ein Actionteil, in welchem den Protagonisten vor lauter Anstrengung oder Anspannung die Luft zum Reden wegbleibt, oder ein besinnlicher oder körperlicher Moment, in dem nicht gesprochen, sondern nur geblickt oder mit dem Körper gehandelt wird.

Neben der Aufladung dieser sprachlosen Bilder mit den Genreklischees hat die Musik auch die Funktion, quasi die Seelenlandschaft zumeist der Hauptprotagonisten zu illustrieren und ggf. auch über eine leitmotivische Technik die Guten von den Bösen zu unterscheiden, bis hin zum intelligenten Mix dieser Funktion. Eine weitere Funktion von Filmmusik bezieht sich auf die Tempowahrnehmung. Musik treibt an oder bremst ab, wobei merkwürdigerweise das Paradoxon gilt: je hektischer, schneller die Musik, desto langsamer die Bildfolgenwahrnehmung und umgekehrt. Musik kann ebenfalls akzentuieren und damit Schnitte betonen, Figuren betonen, dafür sorgen, dass man etwas als schleppend empfindet, weil die Bildschnitte nach den Akzenten kommen, oder als treibend, weil die Schnitte den Akzenten vorauslaufen.

Eine weitere wesentliche Funktion gerade für den Einsatz und Endpunkt der jeweiligen Musikpassage ist die Klammerung. So gut wie nie läuft eine Musik nur über eine Einstellung, oft auch länger als nur über eine Szene. Werden etliche Schnitte oder gar Orts- und Personenwechsel mit einer Musikpassage unterlegt, verbinden sich diese Montageblöcke sofort zu einer Einheit, zu einem Block. Musik hat in diesem Fall eine formbildende Funktion und sorgt dafür, dass ganze Zeitstrecken als formale Einheit wahrgenommen werden.

Diegetic Music

Diesem Einsatz von extern hinzugesetzter Musik steht die sogenannte „diegetic music” (auch diegetische Musik oder intra-diegetische Musik genannt) gegenüber, die aus dem Bild, also beispielsweise aus einem im Bild sichtbaren Radio oder Lautsprecher, erklingt, oder von einem im Bild zu sehenden Musiker gespielt wird. Diese Musik erfüllt die oben genannten Funktionen nicht, sondern erklingt aus ganz anderen Gründen: um den Gebrauch von Musik als quasi Atmo einzusetzen (Diskothek, Kneipe, Fahrstuhl), oder interessanter, um etwas über die musikalischen Vorlieben von Protagonisten in bestimmten Situationen zu verraten. Es ist eben nicht das Gleiche, ob ein Protagonist in einer stillen Minute Mahler oder Technomusik hört. Interessant wird dies umso mehr, wenn die Musik, die sich der Protagonist auswählt, offensichtlich nicht zu seiner Figur passt. So z. B. der Rentner, der Punkrock hört, oder der Schläger, der Beethoven liebt. Hier eröffnet sich für den Einsatz von Musik aus der Szene heraus ein riesiges Potenzial an Gestaltungsmöglichkeiten, die meistens schon von tonsensiblen Drehbuchautoren oder Regisseuren vorkonzipiert werden.

Sounddesign

Nirgendwo sonst als im Film ist ein Klanggestalter so umfassend damit beschäftigt, „künstliche Klangwelten” zu erschaffen. Während man in anderen Medien immer nur die Gestaltung von einzelnen Klängen als „Sounddesign” bezeichnet, ist der Film-Soundddesigner der Komponist einer kompletten klanglichen Welt eines Films. Da Filme meistens integer in einer künstlich geschaffenen Welt eine Story erzählen, ist der Film-Sounddesigner, vergleichbar einem Setdesigner für das optische Erscheinungsbild, der Künstler, der einen auralen Gesamteindruck dieser künstlichen Welt vermittelt. Im Wesentlichen differenziert sich das Sounddesign in die Schichten:

– Sprache (Voice over, Dialog, Monolog), wobei diese sowohl vom O-Ton als auch durch Nachsynchronisation (ADR = Automated Dialog Replacement) aufgenommen angelegt werden kann,

– Atmos, also Atmosphären oder Sound scapes, die für bestimmte Orte stehen und dort mehr oder weniger permanent zu hören sind und sowohl von Nur-Tonaufnahmen am Set, aber viel öfter aus Klangarchiven stammen,

– Effekte, technische Geräusche, die meistens aus Geräuschesammlungen (Sound-Libraries) stammen oder eigens unter guten akustischen Bedingungen aufgenommen wurden (Field-Recording),

– Special Effects (SFX), künstliche Klänge, die entweder elektronisch synthetisiert oder eher aus konkreten Klängen gemischt wurden, um besondere Klänge (für Kreaturen, Science-Fiction-Geräte etc.) oder dramaturgisch kulminierende Stellen (Explosionen, Kampfgeräusche usw.) mit überrealen Klängen zu übersteigern,

– Geräusche (Foley), alle durch Menschen direkt verursachte Geräusche wie Schritte, Kleidungsgeräusche, Bewegungen, Handlungen mit Requisiten usw.

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