Die Kolumne mit Hans-Martin Buff

Erfüllte Wünsche – Mischen auf Reisen

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(Bild: s Yana Heinstein, Wolfram Buff, Matthias Reinsdorf, Holger Vogt, Mark Craig)

Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie man sich was ganz doll wünscht und wie der erfüllte Wunsch dann ganz schnell ganz normal wird: Einst musste ich für jeden Dienst am Ton irgendein Studio mieten, und der Wunsch nach einem Heimgerät war ganz doll. Dann war Geld für ein Heimgerät da, und weil der Dienst am Ton anderswo (zum Glück) nicht abnahm und ich ganz schön viel Zeit im Hin und Zurück zwischen Heimgerät und Arbeitsstätte verbrachte, wuchs ein ganz doller Wunsch nach einem tragbaren Gerät. Und als das tragbare Gerät unter dem Wunschbaum lag, ward mir die Reisezeit viel kürzer und die Zeit zu Hause entspannter, denn ich konnte so Unvermeidbares wie die Steuer durch die Welt brausend erledigen und mich daheim Anderem widmen.

Aber natürlich war’s damit nicht getan, sondern, klar, die Arbeitszeit auf Achse wollte nicht verschwendet sein, und ich wünschte mir ganz doll, dass ich mein bearbeitendes Tonwerk überall und jederzeit verrichten könnte. Es sei, sprach die Wunschfee, und ich kann mittlerweile überall schnippeln und Ideen einfangen, in fremder Herberge, beim Warten in Wartesälen aller Art, als Beifahrer im Auto, im Zug und, seit dort auch in der Holzklasse Steckdosen auftauchen, sogar im Flugzeug.

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Und jetzt?

Jetzt wünsche ich mir manchmal, dass ich mir nicht so viel gewünscht hätte. Die bisher erfüllten Wünsche haben sich nämlich in der Kundschaft herumgesprochen, und das Resultat ist leider nicht nur ungebremste Freude über all die flotte Tonpolitur, sondern durchaus auch Unmut, dass nicht immer alles sofort passiert. »Wie, du kannst mir erst übernächste Woche den Song mischen, den ich schon gestern zum ersten Mal erwähnt habe?!«

Bewegtes Mischen ist schwierig.

Wohl kann ich reisend mein Mischgerüst aufbauen − bussen, Effekte prophylaktisch an den Start bringen, sauber machen und so −, aber für so richtig mischen muss ich dem trauen können, was ich höre, und wenn meine Ohren mit jedem Zugtunnel ein neues Frequenz-Preset aufrufen, wird deren Mischlizenz kurzfristig suspendiert.

Zum Mischen muss ich irgendwo ankommen und den Tonkoffer auspacken können, am liebsten samt Faderpack und extra Plug-in Kiste, aber zur Not auch nur mit dem erfüllten tragbaren Rechnerwunsch von einst und mit meinen vertrauten Kopfhörern, die mir klangliches Zuhause sind, selbst wenn sie unzeitgemäß den Lärm der Welt nicht ganz verstecken. Mit diesen zweien komme ich ganz schön weit, kann verlässlich die Sounds durchforsten, polieren und auf Trab bringen.

Die Plug-in Kiste wären beim Zusammenführen meiner polierten Klänge schön. Und das Faderpack wird wichtig, wenn die Politur endet und der Rock’n’Roll beginnt; das fetteste Mischgerüst macht keinen Spaß, wenn man die Balance mit Maus per Drück-Schieb dran friemeln muss, statt es beidhändig ausholend zu behängen.

So viel Packkram zwischen den Buffschen Unterhosen lohnt sich nicht zwingend. Der Grund für meine Ausflüge ist schließlich, dass ich einen Tonwilligen woanders mit Dienstleistung beglücken darf. Selbst beim entspanntesten Gig bleibt da vorher und nachher nicht viel Zeit für mischende Leidenschaft, und weil ein prächtiger Mix auch in Zeiten digitaler Ewigkeit noch ein Werk des Augenblicks ist, taugt Episodenmischen mit einem Mischstündchen hier und ein Mischstündchen da eh nur so richtig für die schon erwähnte Vorbereitung, manchmal auch ein bisschen für das letzte i-Tüpfelchen auf einem Mix, der aber dann vor Abreise schon so fertig war, dass nur noch Sahne auf den Kuchen muss.

Kleingedruckte Ausnahmen: Wenn ein Mix vor Abreise schon ganz fertig war, fahre ich vielleicht mit dem Mischkram zur analogen Nachbehandlung in ein tolles Mischstudio mit Pult und Outboard-Wand, aber das passiert viel zu selten.

Zu oft hingegen passiert es, dass ein Mix mit Abgabetermin − Werk des Augenblicks hin oder her − halt nur dann rechtzeitig fertig wird, wenn er in mehreren Folgen zusammenkommt. Ein solcher Mix auf Raten taugt dann durchaus auch was, aber der leicht anrüchige Geschmack von Kamikaze-Mischung bleibt immer; für eine Mischung mit eindeutigem Gütesiegel müsste ich mich zumindest ein Weilchen laut von meinen Lautsprechern loben oder schelten lassen, und die bleiben, wo sie sind.

Ich könnte natürlich Lautsprecher anderswo zu Rate ziehen, aber das wäre ja dann wieder wie in den Zeiten, in denen man für jeden Dienst am Ton irgendein Studio mieten musste und ich mir ganz doll ein Heimgerät wünschte.

Vielleicht hätte ich da gleich bleiben sollen? Und würde gerade am Flughafen einen weihnachtlichen Glühwein schlürfen und nicht tippend nach einer Steckdose Ausschau halten.

Gutes Wünschen wünsche ich.

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