Kolumne

Der Domino-Effekt – Musik durch KI

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Normalerweise beginne ich meinen Tag mit einem Spaziergang in unserem örtlichen Park, gefolgt von einer Zusammenfassung der neuesten BBC-Nachrichten im Radio und einer schönen Tasse Earl Grey Tea. »Wie sehr englisch«, höre ich dich sagen.

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Heute Morgen war es nicht anders. Der anhaltende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine beherrschte die Schlagzeilen, die wachsende Zahl von Asylbewerbern, Zugstreiks, Ärztestreiks, Schauspielerstreiks, der WM-Kuss-Skandal und die Betonkrise sorgten für einen eher düsteren Ausblick auf den kommenden Tag. »Was ist die Betonkrise?«, fragst du? »Ein Mangel an Zement?« Ich wünschte, es wäre so, aber ich fürchte, so einfach ist es nicht. Es ist ein Problem mit dem Beton selbst.

Von Mitte der 1950er- bis Mitte der 1990er-Jahre wurden im gesamten Vereinigten Königreich viele öffentliche Gebäude, darunter Schulen und Krankenhäuser, aus Porenbeton (RAAC) gebaut, und dieser Beton beginnt alarmierenderweise zu bröckeln – hoffen wir, dass er nicht zum Bau von Aufnahmestudios verwendet wurde.

Am Ende all dieser Hiobsbotschaften gab es noch eine letzte Meldung, die meine Aufmerksamkeit erregte: »Warner Music nimmt ersten digitalen Künstler unter Vertrag. Ein digitaler Popstar – von Künstlern gezeichnet, mit einer von einer Künstlichen Intelligenz erzeugten Stimme – wurde zum ersten Mal von einem großen Plattenlabel unter Vertrag genommen.« 

Ich habe mich fast an meinem Erdnussbuttertoast verschluckt! Avatare und Zeichentrickfiguren sind für mich nichts Neues. Ich bin mit Tom & Jerry und den Flintstones (Familie Feuerstein) aufgewachsen, und meine Kinder wurden mit einer ständigen Diät aus Dora und SpongeBob gefüttert. Diese von Menschen erschaffenen Figuren haben uns alle in unserer Kindheit nachhaltig beeindruckt. Man könnte gar sagen, dass diese Figuren die frühen Influencer waren.

Peter Walsh
Peter Walsh

Der große Unterschied ist jedoch, dass die Stimme dieses neuen digitalen Popstars nicht von einem Menschen stammt. Sie wurde von der KI geschaffen. Aufgepasst, ihr Plattenproduzenten und Tontechniker: Das ist der Anfang vom Ende!

Noonoouri, der neue Shootingstar von Warner, wurde 2017 von Joerg Zuber erschaffen und ist somit 6 Jahre alt. Sie wird als KOL bezeichnet – ein Key Opinion Leader (Meinungsführer). Es überrascht nicht, dass ein KOL wie ein Influencer ist, weil er auch Einfluss hat. Und trotz ihres jungen Alters scheint es, dass viele Menschen Noonoouris Meinung zu schätzen wissen. Nicht nur Warner Music hat sie unter Vertrag genommen. Laut Jing Daily hat auch Vogue China ein Stück vom Kuchen abbekommen und vertritt sie exklusiv im Großraum China.

Noonoouri hat mit großen Modehäusern wie Dior und Versace zusammengearbeitet und kann auf Instagram bereits 400.000 Follower zählen. Vielleicht wurden die auch von KI erschaffen? Ich kann jedoch garantieren, dass mindestens einer von ihnen echt ist, nämlich ich.

Am 1. September 2023 erschien Noonoouris erste kommerzielle Veröffentlichung bei Warner mit dem Song Dominoes. Merkt euch das Datum. Es markiert einen entscheidenden Wendepunkt.Das letzte Mal, als ich das Gefühl hatte, dass sich das Musikgeschäft unwiderruflich verändern wird, war, als ein berühmter deutscher Keyboarder in den späten 70er-Jahren zu mir sagte: »Peter, eines Tages wird das alles auf einem Macintosh aufgenommen werden.« Ich wusste damals nicht einmal, was ein Macintosh ist, aber ich habe ihm irgendwie geglaubt. Er war einer der wenigen Musiker in London, die damals einen Prophet besaßen. 

Wie ist Noonoouris »Platte« denn nun so? Um ehrlich zu sein, hatte ich etwas Außerirdisches erwartet, aber Noonoouri klingt für mich sehr bodenständig, wie vieles, was man heutzutage im Mainstream-Popradio hören kann. Es ist eine ziemlich eingängige Melodie, aber der Song erinnert mich ein wenig an Empire of the Sun’s We are the People. Ich bin mir nicht sicher, ob KI etwas damit zu tun hatte! Noonoouris Stimme klingt wie eine Europop-Mischung aus Rihanna und Taylor Swift, mit einer Prise Abba und Boney M. – vielleicht sogar mit einem Hauch von Britney Spears. Tatsächlich ist es eine Kombination aus allen populären weiblichen Mainstream-Künstlern, die man so kennt. Ein Pop-Cocktail, könnte man sagen. Und wenn KI ihren Job richtig macht, ist es genau das, wonach es klingen sollte.

Wenn ich so drüber nachdenke … KI hat wahrscheinlich auch ihren Namen erfunden. Noonoouri. Eine Verwirbelung der Buchstaben aus dem Namen Nana Mouskouri, einer griechischen Sängerin und Politikerin, die in den 1960er- und 1970er-Jahren sehr beliebt war.

Hoffen wir, dass Noonoouri beim Singen bleibt, denn sonst könnte womöglich noch viel mehr als nur Gebäude in sich zusammenfallen. 

Nana Mouskouri
Nana Mouskouri

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