Mix mit Tricks

Dave Fridman mixt Mogwai – As The Love Continues

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Analog gemixte Produktionen genießen heute Exotenstatus – Mogwais aktuelles Album As the Love Continues ist ein solcher Exot. Mix-Engineer Dave Fridman berichtet über Recording-Sessions via Zoom, obskure Rundfunk-Limiter und körperliche Sound-Erfahrungen.

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»Mogwai ist eine dieser Bands, die für ihr Spiel mit Lautstärken bekannt sind«, sagt Dave Fridman. »Innerhalb eines Songs erlebst du ohrenzerfetzenden Lärm und nahezu Stille – beides richtiggehend körperliche Erfahrungen. Nicht zuletzt deshalb sind Mogwais Konzerte so unglaublich emotional. Meine Aufgabe war es, dieses körperliche Sounderlebnis auf einem Paar Stereo-Lautsprecher nachvollziehbar zu machen. Oder auf kleinen Computer-Speakern – oder gar Ohrhöhrern. Nicht gerade einfach …

 Wenn Bands in mein Studio kommen und ihre Songs einspielen, sitze ich nicht im Regieraum, sondern bin immer mit der Band im Aufnahmeraum. Ich will die Musik so direkt wie möglich mitfühlen, miterleben. Bei Mogwai ist das absolut hypnotisierend. Genau das rüberzubringen, ist mehr als Musik ›nur‹ aufzunehmen. Es braucht ein paar Tricks, um dieses Erlebnis auf eine heimische Stereoanlage zu portieren. Ich hoffe, hier ein paar entsprechende Tipps geben zu können, die auch bei der Arbeit mit anderen Künstlern nützlich sein könnten.«

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Dave Fridman

In diesen einführenden Abschnitten schneidet Dave Fridmann einige essenzielle Aspekte seiner Produktions- und Mix-Arbeit für Mogwais aktuelles Album As the Love Continues an. Während sich ein großer Teil des nachfolgenden Artikels mit den angedeuteten »paar Tricks« beschäftigen wird, stellen sich jedoch auch weitere interessante Fragen, die der aktuellen Pandemiesituation Rechnung tragen: So sind nicht nur Konzertbesuche seit über einem Jahr unmöglich, auch die gemeinsame Arbeit mit einer Band im Aufnahmeraum ist nicht so ohne Weiteres machbar – ganz besonders, wenn die Band in Glasgow sitzt und der Produzent in New York beheimatet ist …

Wie nicht zum ersten Mal in seiner Karriere als Engineer, Producer und Mixer setzte Dave auf eine Kombination aus State-of-the-Art und Altbewährtem. Diese Herangehensweise hat sich bisher bei all seinen Projekten bewährt – sei es in den frühen 90ern als Bassist und später Produzent von Mercury Rev, sei es als Produzent von Bands wie The Flaming Lips, Weezer, Sparklehorse, Interpol und vielen anderen. Auch in seinem eigenen Tarbox Road Studio funktioniert diese Philosophie immer wieder hervorragend. Die Webseite des Studios beeindruckt mit einer riesigen Analogtechnik-Auswahl, darunter 140 mehr oder weniger schräge Outboard-Geräte, dutzende Mikrofone, ein großes Neve-Pult, Bandmaschinen, Tape- und DAT-Recorder. Aber auch modernstes Equipment wie Pro Tools, Logic, Ableton Live, Reason usw. fehlt hier natürlich nicht.

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Dave Fridman war von New York aus stets per Zoom präsent, wenn die Band in den VADA Studios in Birmingham arbeitete.

Reinzoomen

Mogwais zweites Album Come On Die Young von 1991 datiert die erste Zusammenarbeit zwischen Dave und der Band. Es folgten Rock Action im Jahre 2001, dann das neunte Studioalbum Every Country’s Sun in 2017 und schließlich das aktuelle Werk As the Love Continues. Letzteres wurde Nummer 1 in England und Schottland – die erste Topposition der Band überhaupt. Eine Tatsache, die in einem Interview als »unwirklich« beschrieben wurde. Dave sagt über Mogwais Erfolg: »Die Band ist für mich ein Meilenstein und verlässlicher Lieferant wundervoller Musik. Ihre Nummer 1 ist ein echter Knaller!«

Um den Notwendigkeiten der Pandemie gerecht zu werden, verfolgte man bei der Entstehung von As the Love Continues wiederholt ungewöhnliche Wege und verband State-of-the-Art mit Altbewährtem. So dirigierte Dave die Aufnahmesessions via Zoom – augenscheinlich eine recht unpersönliche und »digitale« Herangehensweise, besonders für jemanden, der Analog-Equipment und den direkten Kontakt zur Band über alles schätzt. Auch wenn zahlreiche Menschen in der ganzen Welt die digitalen Kommunikationswege satthaben, sieht Dave die Dinge aus einer anderen Perspektive:

»Klar nutzt Zoom digitale Technik, aber es ermöglicht ein analoges Erlebnis, denn wir sehen und hören uns in Echtzeit und interagieren dementsprechend. Und genau so hat es sich angefühlt: Es war, als wären wir zusammen im selben Raum.

Natürlich gibt es Unterschiede. Aber wir fühlten uns einander so nahe, wie man nur sein kann. Wichtig war dabei die Tatsache, dass ich mich vor allem auf das Hören konzentriert habe – nicht so sehr auf die visuelle Kommunikation. Die wurde erst wichtig, wenn wir bestimmte Ideen besprachen. Am meisten hat sich die räumliche Distanz dadurch bemerkbar gemacht, dass wir nach der Arbeit nicht zusammen Bier trinken konnten …«

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In seinem Tarbox-Studio sitzt Dave Fridman vor zwei Zoom-Live-Feeds. (Bild: Justin Goetz)

Corona-Zeitplan

Ganz in diesem Sinne erzählt uns Dave auch die Entstehungsgeschichte von As the Love Continues via Zoom und beschreibt, wie er die Vorteile dieses Mediums während Produktion und Mix des Albums zu nutzen lernte. Ursprünglich hatte man im Tarbox Studio Aufnahme-Sessions für April und Mai 2020 geplant. Aufgrund der Pandemiesituation konnten sie jedoch nicht wahrgenommen werden.

»Üblicherweise hätte mir die Band zunächst Demos geschickt, die ich kommentiere. Dann wäre die Band bei mir im Studio erschienen. Nach ein paar finalen Änderungen hätten wir die Songs schließlich nacheinander eingespielt. Das hat immer erstklassig funktioniert, und so war es auch dieses Mal geplant. Für das letzte Album hatten wir zwei Drumkits mit kompletter Mikrofonierung und Preamps aufgebaut, dazu sechs ebenfalls mikrofonierte Plätze für Gitarrenaufnahmen sowie ein paar weitere für Vocals und Piano. Alles war ständig verkabelt und aufnahmebereit – deswegen brauche ich so viele Mikros und Preamps in meinem Studio…«

Bekanntermaßen änderte sich die Situation grundlegend im März 2020. Dave und die Band mussten zu Hause bleiben. Glücklicherweise wussten alle Beteiligten die neue Situation kreativ zu nutzen, indem weiter an den Songs geschrieben wurde: »Alle paar Wochen haben wir uns musikalisch ausgetauscht, nach der Gesundheit erkundigt usw. Alle Band-Mitglieder arbeiteten zu Hause und tauschten Files aus. Das größte Problem war, dass alles viel länger dauerte als geplant. So musste etwa [Keyboarder] Barry [Burns] nach einer Deutschlandreise für zwei Wochen in Quarantäne. All diese Dinge mussten im Zeitplan untergebracht werden. Zudem machten die häufig wechselnden Kontaktbestimmungen eine längerfristige Planung sehr schwierig.

Andererseits lernten wir bald, die neue Langsamkeit sinnvoll zu nutzen. So nahmen wir uns viel Zeit, das Entstehende einmal mehr auf seine Qualitäten zu prüfen und die wirklich besten Versionen zu finden – im Nachhinein betrachtet ein riesiger Vorteil. Letztlich profitierten die Arrangements, und wir erhielten nebenbei fast noch ein ganzes Album mit bisher unveröffentlichtem Material.«

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Wichtig ist Dave Fridman, dass die Band bei den Aufnahmen tatsächlich zusammen performt.

Big Brother

Im Juli 2020 konnte die Band endlich wieder ihren Proberaum/Studio nutzen und dort die Aufnahmen für die VADA Studios in Birmingham vorbereiten. »Martin (Bulloch) übt normalerweise im Proberaum der Band, denn er hat zu Hause kein Drumset. Da das nun über Monate hinweg unmöglich war, ging er eine Woche vor den anderen Musikern täglich für vier bis fünf Stunden in den Proberaum, um sich dort für die Aufnahmen »fit« zu spielen. Schlagzeugspielen ist echt Leistungssport …«

Bei den Vorbereitungen im eigenen Proberaum/Studio in Glasgow wurde die Band von Engineer, Producer und Studio-Miteigentümer Tony Doogan unterstützt. Die erste Augusthälfte verbrachten Mogwai und Tony schließlich in den VADA Studios. Die Band nutzte dort den großen Live-Raum. Neben Studio-Engineer George Perks fand sich Dave täglich via Screen und Zoom im Studio ein – ein wenig Big-Brother-Atmosphäre war dabei unvermeidlich.

»Tony und ich haben schon bei zahlreichen Projekten zusammengearbeitet«, erklärt Dave. »Wir kennen die Workflows und Erwartungen des jeweils anderen sehr gut. Da ich nicht wirklich dabei sein konnte, überließ ich Tony 90 Prozent von dem, was im Studio passierte. Er hat schon mehrfach auf diese Weise gearbeitet und äußerte keine Zweifel, dass es funktionieren würde. Er richtete einen eigenen Zoom-User auf einem iPad ein und installierte es im Aufnahmeraum. So konnten die Band und ich uns jederzeit gegenseitig sehen. Über einen weiteren Zoom-Account befand ich mich im Regieraum und konnte in sehr guter Qualität Tonys Stereosumme mithören – also exakt das, was auch er in der Regie hörte. Wenn ich etwas sagen wollte, brauchte ich nur einen Button drücken, und meine Stimme lag auf den Abhörmonitoren der Regie und auf den Kopfhörern der Band. Das Delay war vernachlässigbar. Es hat sich angefühlt, als wären wir in Nachbarräumen.

Wir nutzten Audiomovers als Plug-in im Pro-Tools-System. Das hat bestens funktioniert. Dank Screen-Sharing hatte auch ich die Möglichkeit, Pro Tools vollständig via Zoom zu steuern. Manchmal ist es viel besser, ein paar Dinge einfach vorzuführen, als sie lang und breit zu erklären. Außerdem konnte ich so in ihren Mittagspausen selbstständig an den Sessions weiterarbeiten.

Abgesehen von ein paar wenigen Overdubs wurde alles bei gemeinsamen Studio-Performances live eingespielt. Editiert wurde nur selten. Auf der Bühne spielt die Band mit einem weiteren Gitarristen und Keyboarder. Deren Parts waren üblicherweise die Overdubs. Ein String-Overdub für einen Song wurde später in Budapest aufgenommen. Mein Sohn Jon hat zudem ein Waldhorn eingespielt.«

Nachdem die Aufnahmen in den VADA Studios abgeschlossen waren, begann Dave in seinem Tarbox Road Studio mit dem Mix von As The Love Continues. Da Dave fast vollständig auf analogem Wege gearbeitet hat, gibt es natürlich auch keine umfangreichen DAW-Screenshots. Die verwendeten Pro-Tools-Sessions dienten hier nur als »Multitrack-Tapes«.

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Auch im Aufnahmeraum war Dave Fridman via iPad (rechts im Bild) mit den Musikern in Kontakt.

Analog & Tape

Bevor wir uns genauer mit dem Mixprozess beschäftigen, beschreibt Dave zunächst seine Gründe, auch 2021 noch so viel wie möglich in der analogen Welt zu arbeiten: »Ich verwende immer noch Tape – etwa beim letzten Interpol-Album [Marauder von 2018]. Tape komprimiert automatisch, es begrenzt bei 20 kHz usw. Somit erledigt sich eine Menge Arbeit fast von selbst. Ich brauche nicht mit irgendwelchen Tape-Emulations-Plug-ins rumzufummeln. Tape liefert keine exakte Kopie deiner Aufnahme – und genau das ist gut so.

Die Arbeit mit analoger Technik reflektiert für mich den Klang und vor allem den Entstehungsprozess der Musik. Das Entscheidende ist das Einfangen einer Live-Performance, das Zusammenspiel der Band. Auch wenn wir später vielleicht noch Overdubs hinzufügen – die Essenz der Aufnahme ist und bleibt die gemeinsame Performance. Das ist ein ganz anderes Ding als einen Song Stück für Stück zusammenzubauen. Beides macht Sinn und funktioniert, unterscheidet sich aber grundlegend.

Für mich ist ein analoger Mix einfach praktischer, und er macht viel mehr Spaß: Geräte anzufassen, Knöpfe zu drehen und im richtigen Moment Patch-Kabel zu stecken, um damit einen Effekt einzuschleifen, finde ich einfach toll. Wenn so etwas in Pro Tools notwendig ist, übernimmt das mein Sohn Michael. Er ist mein Assistent.

Auch wenn ich das Mixen im Rechner nicht besonders mag, ist es doch die übliche Arbeitsweise. Deshalb habe ich mich damit angefreundet. Manche Projekte müssen einfach im Rechner bleiben – wenn etwa die Produktion dort schon so weit perfektioniert wurde, dass allein der Export in die analoge Welt das Ergebnis zu sehr verändern würde.

Ich meine damit nicht nur Sample-basierte oder programmierte Musik. Die Produktionsweise ist entscheidend: Hat der Künstler oder Produzent schon weit mehr als einen Roughmix hergestellt und dafür gesorgt, dass das Ganze eben nur im Rechner klanglich funktioniert, dann muss der Song auch im Rechner fertiggestellt werden – auch wenn ich vielleicht manche Dinge als befremdlich empfinde. Nimm etwa das Waves SoundShifter-Plug-in: Es frisst ohne Ende Prozessorleistung und benötigt daher eine Menge Delay-Kompensation. Printed man es, klingt es jedoch anders als vorher. Es muss also in Echtzeit arbeiten und somit im Rechner verbleiben.«

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Seine Harris MSP 90 Sende-Limiter verwendet Dave Fridman gerne, um Signale mit Parallelkompression zu belegen, bei Mogwai etwa die gesamte Drum-Group.

Pult-Kult

Glücklicherweise stand bei Mogwais Produktion mit einem analogen Mix nichts im Wege. Dave konnte seine beeindruckende Outboard-Sammlung und auch das 48-Kanal Neve 88RS-Pult nach Belieben nutzen. Letzteres ersetzt seit 2017 Daves 40-kanalige Otari Concept-Elite-Konsole. »Das Otari-Pult war super, wurde aber zunehmend unzuverlässig und schwierig instand zu halten, da kein Support mehr zur Verfügung stand. Es gab zwar im Internet eine ›Selbsthilfegruppe‹, aber die wurde zunehmend kleiner. Ich hatte also die Wahl zwischen der Arbeit im Rechner – was mich jeden Tag aufs Neue genervt hätte – oder einer nagelneuen Konsole mit Zukunftsperspektive.

Ein klassisches Analogpult – möglicherweise nochälter als das Otari – kam nicht in Frage. Ich hätte damit auf eine zuverlässige Automation verzichten müssen und zudem wieder ein Serviceproblem gehabt. Also entschied ich mich für das 88RS. Es ist Surroundfähig und automatisiert, allerdings ohne Total-Recall. Wenn ich alle Einstellungen korrekt notiert habe, kann ich das Pult jedoch in höchstens einer halben Stunde in jeden gewünschten Zustand versetzen. Wir verwenden auch für das Outboard handgeschriebene Notizen in Kurzschrift.

Ich möchte Rupert Neve nicht zu nahe treten, aber für mein Empfinden haben seine moderneren Pulte keinen eigenen Sound – eine Tatsache, die mir persönlich jedoch gut gefällt: Es fühlt sich für mich wie eine weiße Leinwand an, die ich nach Belieben mit Farbe füllen kann. Mein Outboard liefert unzählige Farbtöne, und die Bands, mit denen ich meist arbeite, haben ebenfalls einen sehr farbigen Sound. Deshalb schätze ich ein Pult mit eher neutralem Klang.

Nach dem Wechsel zur Neve hatte ich zunächst das Gefühl, dass der Sound im Studio nicht mehr stimmt. Ich hatte immer Westlake BBSM-10 als Hauptabhöre, [Yamaha] NS10 als Nahfeldmonitore und darüber hinaus Quested H108 – auch für Surround. Zudem gab es im Studio noch ein Paar Adam Audio A7. Ich hatte sie schon vor einigen Jahren gekauft, allerdings nur für Re-Amping und Ähnliches verwendet, nie zum mixen. Ich probierte also die A7 aus und stellte fest, dass sie hervorragend mit dem Neve-Pult funktionieren. Ich arbeite nun ausschließlich mit den Adams und habe auch das gesamte Mogwai-Album darüber gemixt.«

Laut Dave war der Mix der Mogwai-Sessions keine große Sache. Schon bei den Aufnahmen war viel Wert auf den Sound gelegt worden: »Mit einer guten Live-Band kannst du schon bei der Aufnahme klanglich viel erreichen. Wir haben von Beginn an über den Sound gesprochen und überlegt, wie wir ihn verwirklichen können. Tony hat die Aufnahmen dann klanglich so dicht wie nur möglich an die Vorgabe angenähert.

Irgendetwas irgendwie aufzunehmen und hinterher zu korrigieren funktioniert nie befriedigend – weder mit Mogwai noch mit einer anderen Band. Ich lehre Sound-Recording an einem örtlichen College [SUNY Fredonia]. Dort versuche ich, meinen Studenten klarzumachen, dass Musiker nur dann wirklich gut spielen, wenn der Sounds stimmt. Du kannst nicht erwarten, dass eine Band toll spielt, wenn ihr Sound mies ist. Die Musiker müssen schon beim Einspielen ein Gefühl dafür bekommen, wie das finale Produkt klingen wird. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben des Engineers.

Als ich mit dem Mix der Mogwai-Files begann, brauchte ich die Tracks nur auf das Pult zu legen, die Fader aufzuziehen, und die Songs waren da. Sie klangen, wie sie klingen sollten.«

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Bei einigen Songs des Mogwai-Albums kam auch Dave Fridmans Plasma Rack von Game Changer Audio für die Parallelkompression zum Einsatz.

Feel it

Das ist der Punkt, an dem Dave näher auf die eingangs erwähnte »körperliche Erfahrung« eines Mogwai-Konzerts eingeht und seinen Anspruch erläutert, selbige auch über eine Heimanlage oder gar Ohrhörer erlebbar zu machen. »Du kannst die Spuren natürlich nicht einfach so belassen wie sie sind. Es ist einiges mehr notwendig, als nur die Pegelverhältnisse zu regeln. Es geht darum, die Dinge in ständige Bewegung zu versetzen – ganz so, als würde sich die Band mit dir im selben Raum befinden. Die besondere Herausforderung bei Mogwai ist deren riesige Dynamik: die Nähe und Intimität der leisen Passagen und die überwältigenden Lautstärken der Song-Höhepunkte.«

Um sich die Arbeit zu erleichtern, nutzt Dave als Ausgangspunkt mehrere Templates: »Vor allem für bestimmte Routings greife ich auf meine Templates zurück. Ich bin ein großer Fan von Parallelkompression und habe deshalb ein paar Pult-Kanäle entsprechend vorbereitet, ebenso Aux-Wege für Delay und Hall. Alle paar Jahre ändere ich meine Templates. Momentan schicke ich die Drums in Subgruppe 43/44 und eine parallel komprimierte Version in 45/46. Üblicherweise starte ich mit meinem Harris MSP 90 FM-Sende-Limiter und schaue, ob es funktioniert. Bei einigen Songs des Albums habe ich jedoch stattdessen das Game Changer Audio Plasma Rack verwendet.

Die Pro-Tools-Sessions der Mogwai-Songs bestanden aus maximal 50 Spuren. Das Pult bietet mit seinen 48 Dual-Kanälen insgesamt 96 Eingänge plus Effekt-Returns – es waren also immer ausreichend Kanäle vorhanden. Gelegentlich arbeite ich auch mit Plug-ins, um etwa die Tiefen präzise zu beschneiden, bevor sie ins Pult gelangen. Die Lautstärke-Automation von Pro Tools nutze ich nicht. Alle Kanal- und Bus-Fader stehen auf Null.«

Auf die Frage, wie er mit dem Mix beginne, antwortet Dave: »Das hängt vom Song bzw. dem Projekt ab. Ich bin da nicht festgelegt. Irgendetwas passiert immer, wenn ich vor den Fadern sitze. Üblicherweise sorge ich zuerst dafür, dass das Hauptinstrument des Songs nach meinen Vorstellungen klingt. Alles andere richte ich daran aus. Bei einem Standard-Popsong wären das natürlich die Vocals. Bei einer Band mit vielen Instrumentalpassagen kann das alles Mögliche sein – etwa eine eher elektronisch klingende Spur, wie vielfach in Barrys Songs. Dann sorge ich dafür, dass zuerst die verschiedenen elektronischen Elemente passen.

Danach mute ich die entsprechenden Spuren bzw. Gruppen und arbeite an anderen Elementen weiter. Ich mache eigentlich nichts Außergewöhnliches. Ich höre mir das gesamte Drumkit an und arbeite mich durch die einzelnen Spuren, um dort eventuelle Fehler zu beheben. Ich denke in Gruppen: So ist etwa die Rhythmussektion eine Sache. Stimmen die Drums, arbeite ich mit dem Bass weiter und sorge schließlich dafür, dass beide zusammenpassen. Dann lege ich sie auf eine Subgruppe oder einen VCA-Master, um sie bei Bedarf gemeinsam pegeln oder muten zu können.«

Drums

»Meist beginne ich mit Kick und Snare. Falls notwendig, bearbeite ich beide mit dem Pult-EQ. Um der Kick im Bedarfsfall mehr Durchsetzungskraft zu verleihen, lege ich eine klanglich leicht modifizierte Variante auf eine weitere Spur und mixe sie über einen eigenen Return dazu. Ähnliches mache ich gelegentlich auch mit der Snare – vor allem, wenn ich nur in einigen Passagen einen bestimmten Sound-Effekt hören möchte.

Für solche Effekte verwende ich gerne das Preset ›Paradiddle‹ des Eventide H3000. Es liefert eine Serie aus fünf Delays und erinnert mich an den Snare-Sound von Frank Zappas Watermelon in Easter Hay. Ich verwende Effekte gerne so, dass der Hörer denkt: ›Hey, was war denn das?‹ – und schon ist es wieder vorbei. Dazu lege ich etwa Hall auf einzelne Snare-Schläge, baue vielleicht eine Explosion ein oder etwas in dieser Richtung.

Ich arbeite gerne mit Federhallgeräten wie dem Peavey Valverb, dem Furman RV-1 und dem Ekdahl Moisturizer. Sehr oft ist auch meine alte Ursa Major Space Station mit dabei. Eigentlich ist das eher ein Delay als ein Hall. Sie liefert jedoch Sounds, die irgendwie beides miteinander verbinden – sehr gut für Special-Effects … Der Furman funktioniert prima als Effekt auf Snares und Vocals. Der Moisturizer ist ein echt schräges Teil für schräge Sounds. Wenn ich solche Effekte nur gelegentlich einblenden will, steuere ich die Aux-Sends per Hand oder stehe an der Patchbay und patche in Echtzeit.

Auf den Drum-Overheads liegt ein DBX 119-Decilinear-Kompressor mit einer extremen Einstellung. Eigentlich dürfte das gar nicht funktionieren, aber es klingt super. Der DBX macht etwas echt Eigenartiges mit den Overheads. Wie schon gesagt, nutze ich ein Template, welches die gesamte Drum-Group mit dem Harris MSP 90 Sende-Limiter parallel komprimiert. Ich habe zwei dieser Harris – beide zerren unterschiedlich stark. Üblicherweise probiere ich zuerst den ›zahmeren‹ von beiden aus und schaue, ob es damit funktioniert. Bei den meisten Mogwai-Songs habe ich jedoch anstelle des Harris‘ mein neues Plasma-Rack verwendet. Man kann es sehr deutlich hören. Das ist ein Verzerrer mit eingebautem EQ und Tremolo. Mehrere Geräte können einander via MIDI steuern.

Ein weiteres, echt tolles Teil für Parallelkompression ist der MXR 136-Stereo-Kompressor: Er zermatscht das Signal auch bei minimalem Eingangspegel total! Ich habe ein zweites Exemplar ausprobiert – exakt dasselbe. Ich stehe total auf Geräte, die den Sound auf interessante Weise kaputt machen.«

Bass

»Mein Techniker und früherer Partner Greg Snow arbeitete beim Rundfunk – er weiß alles über schräge, alte Rundfunktechnik. Der Bass läuft bei mir immer über einen Dorrough 610; auch das ist ein Multiband-Kompressor für FM-Übertragung. Ich habe zwei Monogeräte. Vor allem in extremen Einstellungen vollbringen sie Wunder. Es handelt sich dabei um einen 4-Band EQ und drei Kompressor-Bänder. So lässt sich die gewünschte Verzerrung genau regeln. Auch er wird als Parallelkompressor eingeschleift – ich bin der Held der Parallelkompression …«

Gitarren

»Für die Parallelkompression der Gitarren verwende ich üblicherweise einen CBS Audimax 4440. Der hat nur einen Fast- und Slow-Modus, aber Greg hat ihn so modifiziert, dass er stufenlos regelbar ist. Gelegentlich ersetze ich ihn gegen einen Alan Smart C2 oder einen DBX 118 – beide funktionieren sehr gut auf Gitarren. Interessant sind auch meine beiden Altec 1561 und 1612. Das sind Mic-Pres mit Kompressoren. Vor allem auf Gitarren können sie ebenfalls sehr gut klingen.«

Keyboards

»Auch hier arbeite ich mit … genau: Parallelkompression! Ich überlege mir gerne, welches passende Gerät schon lange nicht mehr verwendet wurde, und patche es versuchsweise in den Signalweg. So kann ich meinen Sound stärker variieren. Für Mogwai habe ich meinen alten ART Pro-VLA Stereo-Kompressor wieder ausgegraben und in eine Parallel-Group für alle Keyboards gepatched. Gerne arbeite ich auch mit meinen BBE 442-Sonic-Maximisern und dem Aphex 250-Stereo-Exciter. Ich nutze sie nach Belieben mono oder stereo und wechsele zwischen verschiedenen Kanälen. Das sorgt für ein bisschen ›Glitzer‹ im Sound. Manch einer empfindet diese Dinger als Betrug. Mir ist das egal – solange es gut klingt.«

Stereo-Bus

»Ich schwanke immer hin und her – soll ich den Stereo-Bus bearbeiten oder nicht? Bei so ziemlich allem, was ich in den vergangenen 20 Jahren gemixt habe, war zumindest der SPL Stereo Vitalizer MK 2T im Stereo-Bus. Wenn ich ihn nicht überfahre, klingt er fantastisch. Vor allem sorgt er dafür, dass der Mix beim Zurückspielen ins digitale Format nicht zusammenfällt. Bei meinen Wandlern habe ich nicht gespart. Ich nutze einen Lavry Engineering AD122-96MKII und den Dangerous 2+. Meist arbeite ich mit dem Prism Dream ADA-8XR. Der klingt wirklich hervorragend, aber dennoch: Zurück im Rechner klingt der Mix nicht mehr so herrlich breit und klar wie zuvor. Deshalb patche ich den SPL vor den Wandler. Der kompensiert diesen Verlust sehr gut.

Frank Arkwright hat das Album gemastert, und ich wusste, dass er einen erstklassigen Job machen würde. Solange ich mit einem guten Mastering-Engineer arbeite, kümmere ich mich wenig um den Pegel.«

Offensichtlich liegt das Geheimnis der »körperlichen Erfahrung« gar nicht in der Lautstärke, sondern vielmehr in der Dynamik und der Klangqualität der Produktion. Das uneingeschränkte Lob und die hohen Chart-Positionen von And the Love Continues bestätigen zweifellos Daves Arbeitsweise.

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ich ( jetzt 75 und seid meinem 16. LJ Musikliebhaber von Zentralafrika bis … und HiFi Fan) kann nur staunen! Ich habe dieses Interview großteils gelesen und war sehr gespannt wie nun die beschriebene Aufnahme der mir unbekannten Band klingt. Dazu abe ich alle Titel großteils im Nahfeld auf meinen eingemessensn Neumann 310 D (versucht) anzuhören. Nochmals, ich kann nur staunen, wie unendlich weit ich von solchen “Musik”geschmack ich entfernt bin. Ich würde kein einziges Stück hören wollen. Erstens berührt mich kein einziges Stück und keine Passage, des Weiteren empfinde ich Alles als langweilig, einfallslos, bestensfalls als Effekthascherei, keinesfalls als Musik. – Meine Erfahrung aus sechs Jahrzehnten Musikhören ist u.a.: Wenn ein Stück nicht auch ohne große Laustärke berührt ist es für den Hörenden nicht aufbauend sondern im besten Fall nur Lebenszeitraubend. – Offensichtlich aber gibt es Menschen, die nichts anderes kennen, sodass sich der Aufwand für eine solche Produktion finanziell lohnt. Sorry. Diesbezüglich bin ich aus einer anderen Welt.

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