Kolumne mit Peter Walsh

Credit, wo Credit fällig ist!

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Trotz der Fülle an Daten, die online verfügbar sind, ist es praktisch unmöglich geworden, neben dem Wesentlichen detaillierte Informationen zur Musik, die wir hören, herauszufinden. Beispielsweise wer etwas zu den Songs beigetragen hat. Egal ob beim Download über iTunes oder Streamen von den vielen Anbietern wie Spotify, YouTube oder Deezer: Alle verfügbaren Infos scheinen sich auf die Eingabe in der Suchmaschine zu beziehen, also den Namen des Künstlers, Titel des Songs und das Genre.

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Wir kennen den Hauptkünstler, aber wer waren all die anderen Musiker, die daran beteiligt waren? Wer war der Produzent? Wer hat das Ganze aufgenommen? In welchem Studio wurde gearbeitet? Karrieren und Lebensunterhalt sind Abhängig von Reputation und Promotion. Das beginnt bei der Anerkennung, d. h. der Achtung durch den Konsumenten. Das bedeutet, dass viele der professionellen Verantwortlichen, die an der Erstellung des Gesamtwerks mitwirken, anonym bleiben − völlig ungeachtet, unerkannt … und oft unterbezahlt!

Warum sollte man wissen, wer was wann wo getan hat?

In erster Linie müssen wir erkennen, dass das Label, Songwriter, Verlag und Produktion Hauptverkehrsadern sind, durch die Lizenzgebühren fließen. Wenn du Künstler bist, brauchst du den Credit als Künstler, um Auftritte anmelden zu können. Inkassobüros auf der ganzen Welt verlassen sich auf die Credits, um den Mitwirkenden zu identifizieren. In einer Branche, in der das Geld knapp ist, ist es wichtig, die generierten Einnahmen zu sichern und sie an die richtige Person weiterzuleiten.

Credits helfen also dabei, unsere Arbeit zu definieren und zu identifizieren, und tragen letztendlich dazu bei, dass wir bezahlt werden. Sie spielen aber auch eine wichtige Rolle bei der Suche nach dem nächsten Job. Sie schaffen eine Zusammenfassung, einen musikalischen Lebenslauf, der zeigt, was wir können und was wir erreicht haben − nicht nur für die Musikindustrie, sondern auch für Künstler und Fans auf der ganzen Welt.

Was für einen unterschied ein Credit macht

Rückwirkend betrachtet war es ein sehr wichtiger Teil meiner Arbeit als junger Assistent sicherzugehen, dass mein Name bei den Credits auf jedem Cover stand − auch wenn es nur für Tee oder Kaffee kochen war. Ein Credit wäre der einzige physikalische Beweis dafür, dass ich wirklich an einer bestimmten Aufnahme beteiligt war.

 

Einige Jahre später wurde ich freiberuflich tätig, und einer der wertvollsten Credits, den ich bekommen habe, war für das Heaven 17s Debütalbum Penthouse and Pavement. Künstler und Plattenfirma erkannten, dass mein Beitrag mehr als nur aus technischen Fähigkeiten bestand, und stimmten zu, dass ich den Credit »Engineer and Assistant to the Producers« bekam. Es war das erste Mal, dass mein Name mit der Producer-Rolle in Verbindung gebracht wurde, und dieser Credit öffnete mir die Tür für künftige Producer-Jobs.

Bei meiner anschließenden Arbeit mit Simple Minds und dem Album New Gold Dream kurz danach, war ich mit drei Credits beteiligt: Producer, Arranger und Engineer; ich tauchte sogar im Bereich »Special Thanks« der Band auf. Deshalb bestand also kein Zweifel an der Bedeutung meiner Arbeit! Die Kraft eines Credits!

In einem noch größeren Maßstab kann der richtige Credit zu einem Grammy − der ultimativen Auszeichnung in unserer Branche − führen. Wenn dein Name als Engineer auf einem Album gelistet ist, das einen Grammy gewinnt, stehen die Chancen gut, dass deine Arbeit mit einem Grammy ausgezeichnet wird. Schließlich warst du ein essenzieller Mitwirkender am Album.

Was ist also passiert?

In den Tagen, als die meiste Musik als »physisches« Produkt in Form von Vinyl, Kassette oder CD ausgeliefert wurde, standen die Credits in der Regel unter den Bemerkungen auf der Hülle und dem Artwork. Das sogenannte »Etikettenlabel« war ein wesentlicher Bestandteil des Pakets. Das Erfassen und Bereitstellen dieser Information war in der Musikbranche Standard.

Mit der Einführung des »International Standard Recording Code« (ISRC-Code) 1986 war es möglich, für Tonaufnahmen eine eindeutige Identifikationsnummer zu erhalten. Die war als eine Art digitaler Fingerabdruck in der Audiodatei eingebettet. Obwohl die wichtigsten Songdaten im ISRC-Code enthalten waren, damit Aufzeichnungen für Verwertungsgesellschaften erkennbar waren, waren keine Informationen über Produzent, Engineer, Studio, Musiker und Arrangeure enthalten. In einem Teufelskreis wurden diese zusätzlichen Informationen daher überflüssig, und ein Großteil davon wurde anschließend noch nicht einmal gesammelt − die Notwendigkeit wurde nicht erkannt.

Später, mit dem Übergang zum Downloaden und Streaming, verpassten die digitalen Service-Anbieter die einmalige Möglichkeit, die Situation zu verbessern. Sie erkannten nicht den Wert, zusätzliche Credits für jede Arbeit aufzunehmen, obwohl ein Integrieren einfach gewesen wäre. Die Plattenfirmen haben dann schließlich den Ansporn verloren, sie zu sammeln und zu verbreiten.

Der Fortschritt der digitalen Technologie hat uns ironischerweise ein gigantisches Loch im Credit-Archiv hinterlassen, das dringend eine Beschriftung braucht.

Was wird getan?

Der ISRC-Code wurde zum Industriestandard und war zweifelsohne ein Schritt in die richtige Richtung, wenn es um den Schutz musikalischer Urheberrechte geht. Er war lebenswichtig − der einzige Weg, digitale Darbietungen von Künstlerarbeiten zu verfolgen.

Weitere Entwicklungen bei der Erfassung und Übermittlung von Aufzeichnungsinformationen folgten schließlich. Im Jahr 2006 hat der Digital Data Exchange (DDEX) einen neuen Standard herausgebracht: RIN (Recording Information Notification). Dieser Standard ermöglichte das Erfassen von Metadaten über alle Einzelpersonen und Gruppen, die zur Entstehung der Musik beigetragen haben, sowie Tools, die bei der Produktion verwendet wurden. Die Daten umfassen nicht nur den Komponisten, Arrangeur und Texter, sondern auch die Künstler, den Produzenten und den Engineer. Jede Partei kann mit einem Namen beschrieben werden und hat die Option einer eindeutigen Kennung. Theoretisch wäre sogar noch Platz für den, der für die Erfrischungen gesorgt hat.

Das Problem bestand nun darin, diese Daten in die Datenbanken der digitalen Service-Anbieter zu übertragen und sie in ihre Plattformen aufzunehmen, damit der Endverbraucher auch danach suchen kann. Es gibt mittlerweile einige Firmen, die dafür Tools entwickeln. So haben z. B. Jaxsta, Sound Credit und Veva Sound Web-Plattformen und Plug-ins entwickelt, mit denen die Credits korrekt gesammelt und an die entsprechenden (Platten)Firmen, Publisher, Streamingdienste etc. übermittelt werden können.

Das schwedische Unternehmen Auddly, das von den Produzenten Niclas Molinder und Björn Ulvaeus (ABBA) gegründet wurde, liefert mit dem internationalen »Song Data Hub« das fehlende Glied in der Musikindustrie zwischen Daten und Umsetzung. »Wenn wir das Musikgeschäft zu einem nachhaltigeren Beruf machen wollen, müssen wir uns um unsere Daten kümmern«, sagte Niclas auf einer Branchenveranstaltung in London im Mai 2019.

Die Zukunft sieht besser aus, aber wir sind noch nicht da!

Die Software-Entwickler leisten ihren Beitrag, jetzt ist es an der Zeit für Musik- und Technologie-Unternehmen, die für den Vertrieb von Musikaufzeichnungen verantwortlich sind, auch sicherzustellen, dass die Credit-Information angehängt und am Punkt des Hörerlebnisses zugänglich gemacht werden. Ich habe gerade gelesen, dass Apple bald seine 18 Jahre alte Plattform iTunes einstellen und durch drei separate Apps auf dem neuen macOS Catalina ersetzen will. Ich hoffe sehr, dass sie die Möglichkeit anbieten, die relevanten Metadaten für jede Arbeit anzuzeigen, sodass alle Mitwirkenden anerkannt und finanziell belohnt werden.

Es scheint verrückt, wenn man bedenkt, wie viel Arbeit und Talent in kreativen Beiträgen stecken, die in der Tat nicht wertgeschätzt werden. Darüber hinaus verliert die Branche im Allgemeinen eine enorme Vermarktungsmöglichkeit, indem sie dem Konsumenten verwehrt, zwischen allen beteiligten Personen an einer Musikproduktion querzuverweisen − vom Produzenten zum Engineer, zum Schlagzeuger, zum Gitarristen − bis hin zu »Wer auch immer es war«, der dieses wunderschöne Streicher-Arrangement geschrieben hat, dass uns jedes Mal Tränen in die Augen treibt.

Den lustigsten Credit gab ich einem Verwandten von mir, der ein Trompetensolo auf einer Aufnahme von China Crisis eingespielt hatte: »Onkel Frank Walsh: Trompete«. Ich frage mich, ob er jemals Tantiemen dafür bekommen hat!

www.peterwalshmusic.com

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