Kolumne von Peter Walsh

Bewerte ein Album nie nach seiner Chart-Position

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Die ersten Musikcharts erschienen in den 1950er-Jahren und sind seitdem das wichtigste Barometer für gleichermaßen die Plattenindustrie und die Musikfans. Das Erreichen der Spitzenposition in den Charts wird in der Regel als Bestätigung für den Erfolg eines Albums angesehen, und zwar für alle, die an seiner Entstehung beteiligt waren: Künstler, Komponisten, Manager, Produzenten, Toningenieure, Assistenten, Labels, Studios – alle Beteiligten können sich im Ruhm eines Hits sonnen. Und das ist ein gutes Gefühl.

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Für den Künstler führt eine hohe Chartposition zu mehr Präsenz im Radio und in den traditionellen Medien, zu mehr Präsenz in den Sozialen Medien, zu mehr Streams, zu mehr physischen und digitalen Verkäufen und zu größeren Tourneen mit höheren Ticketverkäufen. Für den Produzenten/Techniker bedeutet ein Hit in den Charts, dass er in fast jede A&R-Produzentenliste der Welt aufgenommen wird, und seine Gagen steigen. Und nebenbei bemerkt: Ein »Fehlschlag« in den Charts kann einen genauso schnell wieder aus dieser Liste entfernen, und der Porsche geht zurück zum Händler.

Der Prozess der Erstellung dieser Charts war jedoch schon immer ein großes Diskussionsthema. So wie sich die Musikindustrie verändert hat, hat sich auch das Messverfahren verändert. Damals war es noch relativ einfach und beruhte auf einem gewissen Maß an Vertrauen. Man nahm den Hörer in die Hand, rief ein paar ausgewählte Plattenläden an und notierte die Verkaufszahlen. Heute könnte der Prozess nicht unterschiedlicher sein. Es ist eine Wissenschaft der Algorithmen und der Arithmetik geworden, und ich bin mir nicht sicher, ob das nun zuverlässiger ist als vor all den Jahren.

Aus diesem Grund verfolge ich die Charts normalerweise nicht … außer wenn vielleicht eine meiner eigenen Produktionen gute Chancen hat, dabei zu sein.

Drum Recording Workshop mit Peter Wals und Jost Nickel: Re-recording der Drums von New Gold Dream

Alles begann am 17. September 1982 mit der Veröffentlichung von New Gold Dream von Simple Minds, meinem ersten wirklichen Durchbruch als Produzent und einem Wendepunkt für die Band, als sie in Großbritannien und Europa kritischen und kommerziellen Erfolg erlangte. Das Album stieg auf Platz 6 der britischen Charts ein und kletterte in der zweiten Woche auf Platz 3. Wir waren alle begeistert, obwohl ich im Nachhinein traurig bin, dass es den Spitzenplatz verpasst hat, was dem Album Love Over Gold von den Dire Straits geschuldet war. Nichtsdestotrotz freuten wir uns, in den Top 10 neben anderen musikalischen Perlen zu stehen, die inzwischen zu ikonischen Alben der 80er-Jahre geworden sind: The Dreaming von Kate Bush, Upstairs At Eric’s von Yazoo, Lexicon of Love von ABC und der Duran-Duran-Klassiker Rio.

41 Jahre später haben die Simple Minds gerade New Gold Dream Live From Paisley Abbeyveröffentlicht, eine atemberaubende neue Live-Performance des Original-Albums aus den 80er-Jahren, aufgenommen im letzten Jahr in einer wunderschönen gotischen Kathedrale in ihrer Heimatstadt Glasgow, und ich fühle mich geehrt und freue mich, dass ich es abgemischt habe. Ich war überzeugt, dass wir dieses Mal auf Platz 1 landen würden. New Gold Dream hat im Laufe der Jahre eine riesige Fangemeinde gewonnen, und diese fabelhafte neue Live-Version wird dem Song in jeder Hinsicht gerecht. Sie wurde von Sky Arts gefilmt und ist Teil der Serie »Greatest Albums Live«.

Ich rechnete also damit, dass es eine noch bessere Chance hätte, ganz oben in die Charts einzusteigen. Aber es sollte nicht sein. Nach einem vielversprechenden Platz 8 zur Wochenmitte stieg das Album auf einem respektablen Platz 23 in die britischen Albumcharts ein. In Deutschland lag es etwas höher auf Platz 17, Top 10 in Belgien und Schweden.

»Also, wer ist die Nummer 1?«, höre ich euch fragen. Überraschung, es ist eine Künstlerin, die in den meisten Charts der Welt auf Platz 1 steht: Taylor Swift, mit einer neu aufgenommenen Version ihres 2014er-Albums 1989, die wenig überraschend 1989, (Taylor’s Version) heißt. Das US-Phänomen beschloss, viele ihrer früheren Alben neu aufzunehmen, um die Kontrolle über ihre Arbeit und deren Vermarktung wiederzuerlangen. Das scheint ein kluger Schachzug gewesen zu sein, denn die höheren Einnahmen aus den Plattenverkäufen, der Eras-Tournee und dem Kassenschlager des gleichnamigen Konzertfilms haben sie Berichten zufolge zur Milliardärin gemacht.

Aber die Wiederveröffentlichung mehrerer, bereits enorm populärer Alben auf einmal hat Folgen. Taylor hat fünf Alben in den UK Top 20 und zehn Alben in den UK Top 100. Das ist ein Zehntel der gesamten Charts, und auf der ganzen Welt sieht es ähnlich aus. Obwohl man Taylor zu diesem Erfolg gratulieren muss, bin ich der Meinung, dass er das Gleichgewicht des Chart-Systems und das Bild, das es zeichnet, stört. Wenn ein Künstler mehrere Positionen besetzt, wird es für alle anderen schwierig, einen Blick hineinzuwerfen. Ohne diese Art von Dominanz würden wir mehr Erfolgsgeschichten von einer größeren Anzahl von Künstlern sehen. Und Simple Minds wären fünf Plätze weiter oben!

 Aber ich glaube nicht, dass sich die Band darüber allzu große Sorgen machen wird. Sie haben gerade eine Welttournee für 2024 angekündigt, die am 27. Januar in Neuseeland beginnt. Ihr könnt sie auch etwas näher an den folgenden Orten sehen:

  • 10. April, Hamburg, Barclays Arena,
  • 11. April, Berlin, Mercedes-Benz Arena,
  • 12. April, Frankfurt, Festhalle,
  • 13. April, München, Zenith.

(Bitte checkt die offizielle Website der Simple Minds für weitere Details, bevor ihr bucht!)

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