Wiener Melange, Texas Style

Warm Audio WA-14 – Großmembran-Kondensatormikrofon im Test

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Warm Audio WA-14
(Bild: Dr. Andreas Haus)

Erst vor wenigen Monaten begab sich Warm Audio mit einer Kopie des Neumann U 87 erstmals auf das Gebiet der Schallwandler. Schon folgt das zweite Mikrofonprodukt, und wieder wagt sich Warm Audio an eine Studiolegende: Das WA-14 orientiert sich an den begehrten Vintage-Versionen des AKG C 414. Wir haben eines der ersten Exemplare ergattert und getestet, wie es sich im Vergleich zu den Wiener Originalen schlägt.

Seitdem immer mehr Musiker ihre Aufnahmen selbst in die Hand nehmen, wächst der Markt an günstigen Alternativen zu etablierten Studiostandards. Gleichzeitig gibt es als Gegenreaktion zur »bösen« Digitaltechnik − die Homerecording auf professionellem Niveau eigentlich erst ermöglicht hat − einen Trend zur Vintage-Technik der »analogen« Ära. Wie kaum ein anderer brachte der Texaner Bryce Young mit seiner Firma Warm Audio beides unter einen Hut: preisgünstige Geräte mit dem Sound der 50er, 60er und 70er. Und so fragt sich mancher Vintage-Süchtige und Digitalschmerzgeplagte auf der Suche nach neuem Stoff: Gibt’s da nicht auch was von Ratiopharm … äh … Warm Audio?

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Küss die Hand

Nun also eine Kopie des AKG C 414, oder besser gesagt, ein Mikrofon, das dessen Sound reproduzieren soll. Denn optisch unterscheidet sich das weich verrundete WA14 signifikant vom unverwechselbar kantigen Design der Wiener Originale aus den 70ern und 80ern. Mit Maßen von 172 x 58 x 42 mm ist das Mikrofon von Warm Audio außerdem deutlich länger und voluminöser als die sehr kompakt konstruierten C-414-Modelle von AKG. Geblieben sind der zweifarbige Mikrofonkorb (vorne grau, hinten schwarz) und der charakteristische Stil samt XLR-Steckverbinder am unteren Ende, der in die Stativhalterung eingeführt wird. Mitgeliefert werden eine einfache Gelenkhalterung sowie eine Mikrofonspinne aus Kunststoff. Letztere ähnelt der H100- bzw. H85-Halterung von AKG. Den genialen Drehverschluss des Originals gibt es jedoch nicht − vermutlich aus patentrechtlichen Gründen. Stattdessen befindet sich auf der Rückseite des unteren Rings eine simple Klemmschraube. So durchdacht wie die AKG-Lösung ist die WA-Spinne nicht, denn die einseitige Schraubklemme bedingt, dass das WA-14 etwas schräg in der Halterung sitzt – was sich freilich über das Stativgelenk ausgleichen lässt.

Geliefert wird das WA-14 samt Zubehör in einer Kartonverpackung mit fusselfreiem Schaumgummieinsatz. Was irgendwie auch »vintage« ist, denn im Gegensatz zu den aktuellen Modellen, die AKG im praktischen Transportkoffer liefert, kamen die C 414 der 70er nur in einem einfachen Kunststoffetui mit Schaumstoffeinsatz.

Nicht dem Original entsprechend ist die Schalterausstattung. Als Richtcharakteristik stehen Niere, Acht und Kugel zur Auswahl, während die klassischen C 414 der 70er zusätzlich Hypernierencharakteristik boten − ein Ausstattungsvorteil gegenüber dem ewigen Konkurrenten Neumann U 87. Die aktuellen Modelle AKG C 414 XLS und XL II (s. S&R 10.2010) verfügen gar über neunfach umschaltbare Richtcharakteristiken. Ganz weggefallen ist bei Warm Audio der Low-Cut-Schalter; geblieben ist jedoch die mehrstufige Vordämpfung (0/−10/−20 dB).

Genauer betrachtet

Da das Warm Audio WA-14 sich als preisgünstige Alternative zu den inzwischen gesuchten (und entsprechend teuren) Vintage-Versionen des AKG C 414 versteht, stellt sich die Frage, welche Modellvariante denn Pate stand. Denn davon gab es einige. (Eine kurze Modellgeschichte des AKG 414 findest du unter www.soundandrecording.de/onlinestorys.) Entscheidende Bedeutung kommt dabei nicht nur der elektronischen Schaltung zu, sondern vor allem auch dem Schallwandler.

Warm Audio wirbt explizit mit einer »classic all-brass CK-12 reproduction«. Gemeint ist die Großmembrankapsel der frühen AKG C 414 bis ca. 1977/78, die bereits im gesuchten Röhrenklassiker AKG C 12 und dem für Telefunken gefertigten ELA M 251 zum Einsatz kam. Ende der 70er wurde diese Kapsel durch ein neues, moderneres und günstiger zu fertigendes Kapseldesign abgelöst. Da beide Varianten CK-12 heißen, wird die frühe Variante, die einen geschraubten Membranring aus Messing hatte, üblicherweise als »Brass«-Kapsel bezeichnet, während die spätere Variante mit einem äußeren Ring aus weißem Kunststoff häufig als »Nylon«-CK-12 tituliert wird. Tatsächlich besteht aber auch die »Brass CK-12« nicht vollständig aus Messing. Anders als klassische Neumann-Kapseln arbeiten beide AKG-Designs mit randpolarisierten Membranen, d. h., es gibt keine Schraube in der Mitte, sondern die Polarisationsspannung wird über den Membranring zugeführt. Somit bietet es sich an, den Kapselkörper aus isolierendem Kunststoff zu fertigen und die Gegenelektroden in diesen einzulassen. Das ist bei beiden AKG-Kapselvarianten so gelöst.

Warm Audio WA-14
Warm Audios Spinne muss auf den genialen Drehmechanismus des Originals verzichten; arretiert wird das Mikrofon stattdessen über eine Rändelschraube auf der Rückseite des Halterings. (Bild: Dr. Andreas Haus)

für das Klangverhalten relevanten Unterschiede liegen im inneren Aufbau, d. h., »Nylon« und »Brass« sind lediglich äußere Kennzeichen für die eigentlichen, unsichtbaren Unterschiede im Innern. Die alte CK-12 bestand aus vielen Einzelteilen, was die Fertigung sehr teuer machte. Die neueren, bis heute verwendeten CK-12-Kapseln sind einfacher aufgebaut und somit günstiger in der Fertigung. Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile. Die neueren CK-12 sind langlebig und können mit sehr hoher Konstanz gefertigt werden; ihr Klangbild könnte man als »natürlich« umschreiben. Die alten CK-12 sind ziemlich anfällig und variieren recht stark in der Frequenzdarstellung. Gut erhaltene Exemplare klingen aber schlichtweg großartig, um nicht zu sagen »übernatürlich«.

Die Kapsel des WA-14, die von Warm Audios Sub-Unternehmen »Lens Kondensator« gefertigt wird, entspricht weder der alten noch der neueren AKG CK-12-Kapsel. Ihr Membrandurchmesser misst 27,4 mm, während der einer AKG CK-12 (alle Varianten) nur 25 mm beträgt; das mag nichtig erscheinen, resultiert aber einer etwa 20 % größeren Membranfläche. Außerdem sind die Bohrlöcher in der Gegenelektrode, deren Beschaffenheit das Klangverhalten entscheidend prägt, deutlich weiter als bei den AKG-Originalen. Vergleichen konnte ich sowohl mit mehreren CK-12 neuerer Bauart als auch mit der wohl besten Reproduktion der »Brass«-Kapsel, die der anerkannte CK-12- Spezialist Tim Campbell in Handarbeit fertigt (www.timcampbell.dk).

Fairerweise sollte man anmerken, dass Warm Audio auf der Website den Beschreibungstext etwas zurückgefahren hat. Anders als auf der Produktverpackung heißt es hier nicht mehr »the coveted all-brass CK-12 capsule design«, sondern »an all-brass edge-terminated capsule«, die den Klang der originalen CK-12 reproduziert, »using the modern CEK-12 variant as a basis«. Letzteres ist ein Design, das von mehreren Firmen in Fernost als Alternative zu den sonst üblichen Kopien von Neumann-Kapseln hergestellt wird. Chinesische Kapseln vom Typ CEK-12 finden sich inzwischen in zahlreichen Mikrofonen, keineswegs nur der unteren Preiskategorien, sondern auch im gehobenen Segment, beispielsweise im Sontronics Aria (s. S&R 9.2014) und Mojave Audio MA-1000 (s. S&R 10.2016).

Einen genaueren Blick wert ist natürlich auch die Mikrofonschaltung. Wie beim Original ist diese platzsparend auf zwei Platinen aufgeteilt. Bis auf den weggefallenen Low-Cut entspricht die Schaltung der des AKG C 414 EB P48, d. h. der schwarzen EB-Variante, die von 1980−87 gebaut wurde. Diese Schaltung markiert quasi den Wendepunkt zwischen Vintage und Moderne. Mit nur vier Transistoren ist sie etwas komplexer und pegelfester als ganz frühe FET-Mikrofonschaltungen, aber sehr viel einfacher als vieler moderner Mikrofone. Die Eingangsstufe bildet ein FET mit einem bipolaren Transistor (BJT) zur Stromregelung; in der Ausgangsstufe ist es umgekehrt: Hier wird ein BJT durch einen FET geregelt. Die abschließende Impedanzanpassung und Symmetrierung übernimmt ein kleiner Abwärtsübertrager, der im Falle des WA-14, wie bei Warm Audio üblich, vom kalifornischen Traditionshersteller Cinemag geliefert wird. Ansonsten kommen die gleichen Bauteile zum Einsatz wie beim Original, u. a. auch die seinerzeit angesagten, später bei Hi-Fi-Enthusiasten verpönten und heute wieder kultigen Tantal-Elkos, die dem Klangbild eine leicht rauchige Note verleihen.

Bemerkenswert sind zwei Dinge: Erstens wird wie beim originalen AKG C 414 EB P48 auf einen Spannungswandler für die Kapselpolarisation verzichtet. Das ist zwar Vintage-korrekt, aber mit einem Gleichspannungswandler − den sowohl die Vorgängermodelle als auch sämtliche Nachfolger besaßen − hätte man den Rauschabstand um ein paar Dezibel verbessern können.

Der zweite Punkt ist, dass AKG diese Schaltungsvariante nie in Verbindung mit dem »Brass«-CK-12 einsetzte. Denn als das schwarze C 414 EB P48 auf den Markt kam, war der Wechsel zur CK-12 neuerer Bauart bereits vollzogen. Insofern ist das Warm Audio WA-14 keine exakte Replika einer bestimmten Modellvariante des AKG C414, sondern eine postmoderne Collage aus verschiedenen 414-Varianten und externen Elementen. Bleibt die Frage: Wie schmackhaft ist diese Wiener Melange, Texas Style?


»Vintage-orientiert« beschreibt der Hersteller sein Großmembranmikrofon. Dennoch ist das WA-14 keine exakte Kopie einer bestimmten Version des AKG C 414.


Klang & Praxis

Das WA-14 hat einen sehr offenen, frischen Sound. Wie auch die Messungen zeigen, sind die Höhen bei 12 kHz breitbandig angehoben − wenngleich nicht so stark, wie man vielleicht glauben könnte, sondern nur um etwa 3 dB. Dass die Höhen dennoch so auffällig hervortreten, liegt an der ansonsten sehr ausgewogenen Gesamtbalance. Die Bässe wirken weniger wuchtig und wollig als bei den bekannten Großmembranmikrofonen Neumannscher Prägung. Die wichtigen Mittenfrequenzen werden klar und ohne auffällige Verfärbungen abgebildet. Lediglich die oben angesprochene rauchige Note der Tantal-Kondensatoren in Verbindung mit dem Ausgangsübertrager sorgt für einen dezenten Vintage-Charakter.

Klangliche Gemeinsamkeiten mit meinem AKG C 414 EB P48 sind zunächst kaum auszumachen, außer vielleicht in der leicht rauen Klangtextur, speziell in den Mitten. Die grundsätzliche Klangbalance ist aber völlig anders. Die »Nylon« CK-12 dieses alten AKG-Mikros wirkt in den Höhen zurückhaltend bis lieblich. Lediglich eine Präsenzanhebung bei 6 kHz sorgt für ein wenig Biss. Wie auch Messungen zeigen, hat das AKG C 414 EB P48 zudem einen satteren Bass. Doch obwohl die Elektronik dieses 1980er-Modells übernommen wurde, wollte Warm Audio ja den Sound eines noch älteren C 414 mit »Brass«-CK-12- Kapsel rekonstruieren. Ein solches war auf die Schnelle nicht aufzutreiben. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich jedoch das bestens erhaltene AKG C 12 vom Berliner Equipmentverleih Echoschall im Studio, dessen fantastischer Klang mir noch im Ohr geblieben ist. Bei dieser Gelegenheit konnte ich auch Messungen machen, die das Frequenzverhalten der sagenumwobenen »Brass« CK-12 dokumentieren (die Röhrenelektronik arbeitet auf Frequenzebene weitgehend linear).

Der Höhenfrequenzgang des WA-14 gleicht tatsächlich dem des AKG C 12. Die Kapsel von Lens Kondensator orientiert sich also in der Tat eher an der legendären »Brass«- CK-12. Die Höhenanhebung ist nicht ganz so breitbandig, und die Präsenzen zwischen 2 und 3 kHz sind ein wenig offensiver. Die größten Unterschiede zeigen sich in den Bässen, die beim C 12 fundamentaler wirken. Das mag bei einem frühen AKG C 414 allerdings anders aussehen. Bleibt festzuhalten, dass das WA-14 seinem klanglichen Vorbild durchaus nahe kommt, zumindest was den Frequenzgang angeht. Eine exakte Reproduktion ist es nicht, und man sollte auch nicht das besondere »Mojo« des Vintage-Originals erwarten, für das Kenner größere Summen locker machen.

Wichtiger als die Originaltreue ist, ob das Mikrofon für sich selbst genommen überzeugt. Und das tut es: Das WA-14 hat einen wirklich angenehmen Klang. Was besonders positiv auffällt, ist, dass die Höhen zwar hell und luftig erscheinen, aber keine unangenehme Schärfe im Bereich der S-Laute auftritt.Das ist für ein Mikrofon unter 1.000 Euro außergewöhnlich.

Warm Audio WA-14
(Bild: Dr. Andreas Haus)

Bislang war primär vom Klangverhalten in Nierenstellung die Rede − viele Anwender nutzen ja gar nichts anderes. Das WA-14 überzeugt aber auch in Kugel- und Achter-Stellung. Wie so oft ändert sich beim Umschalten nicht nur die Richtcharakteristik, sondern auch der On-Axis-Frequenzgang. In Kugel-Stellung wirkt der Klang noch heller und zumindest im Nahbereich ein wenig kratzig. Mit etwas Abstand lässt sich das WA-14 in Kugelstellung aber prima für Background-Vocals oder Saiteninstrumente einsetzen. In Achter-Stellung klingt das WA-14 deutlich weicher und lieblicher als in Nieren-Stellung. Eine sehr nützliche Klangalternative für leicht schrille Stimmen.

Im Vergleich zu meinem AKG C414 EB P48 (und vielen anderen höherpreisigen Studiomikofonen) leidet das WA-14 jedoch unter etwas stärkeren Off-Axis-Verfärbungen. Außerhalb der Aufnahmeachse verlieren die strahlenden Höhen recht schnell ihren Glanz. Das ist physikalisch bedingt durch die sehr große Kapsel mit erweiterter Membranfläche. Welche andererseits dem WA-14 zu einer ordentlichen Empfindlichkeit von ca. 11 mV/Pa und einem niedrigen Eigenrauschen von etwa 16 dB-A verhilft. Für heutige Verhältnisse keine überragenden Werte, aber etwas besser als beim Original.

Wobei Warm Audio selbst kein brauchbares Datenblatt liefert; die Sollfrequenzgänge im Manual sind haarsträubende Berg- und Talfahrten (die gottlob nicht der Realität entsprechen), und die Messdaten sind pure Fantasie (»Eigenrauschen: −115 dB«). Da sollte sich der Hersteller besser mal schlaumachen. Das Testexemplar war zudem phaseninvertiert verdrahtet. Trotz dieser Abzüge in der B-Note bleibt das WA-14 ein wirklich gut klingendes Mikrofon.

Fazit

Wieder einmal liefert Warm Audio Vintage-Sound zum günstigen Tarif. Gleichwohl ist das WA-14 von seinem Vorbild recht weit entfernt bzw. lässt sich gar nicht genau sagen, welches AKG-Original denn Pate gestanden haben soll. Die Kapsel orientiert sich klanglich an der »Brass«-CK-12 der ersten C 414 aus den frühen 1970ern; sie ist jedoch deutlich einfacher konstruiert, und man sollte auch nicht ganz deren Klangmagie erwarten. Die elektronische Schaltung wurde hingegen von einem späteren C-414-Modell der 1980er übernommen. Zudem entfielen die Hypernieren-Charakteristik und der mehrstufige Low-Cut. Anders als die Originale (erst recht die aktuellen Modelle C 414 XLS und XL II) ist das WA-14 somit kein extrem flexibles Universal-Arbeitspferd für alle Gelegenheiten, sondern ein primär auf Gesang und Sprache optimiertes Studiomikrofon, das eher nebenbei auch für manch andere Anwendung taugt.

Trotz der geringen Originaltreue ist das WA-14 für sich betrachtet ein richtig gut klingendes Mikrofon mit dezentem Vintage-Charakter. Herausragend ist vor allem die wunderbar luftige Höhenzeichnung mit weichen S-Lauten. Auch wenn es nicht aus Wien kommt: Des is scho leiwand! Ansonsten muss man kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass Warm Audio sicher bald einen Clone des legendären AKG-Röhrenklassikers C 12 folgen lassen wird. Man darf gespannt sein!


+++
angenehmer, höhenreicher Vintage-Sound
++
gute Verarbeitung
+
gute technische Werte
+
Mikrofonspinne inklusive

mäßige Originaltreue

 

Hersteller/Vertrieb: Warm Audio/Mega Audio

UvP/Straßenpreis 666,40 Euro / ca. 600,− Euro

www.meagaaudio.de

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