Love The Machines

Graphic Equalizer – Vermona E 2010 (*1977)

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Die Renaissance klassischer Vermona-Geräte, die in den 90er-Jahren begann, ist weiterhin in vollem Gange.

In der ehemaligen DDR wurde diesen Geräten von vielen Bands allerdings keine echte Wertschätzung entgegengebracht, da man auf das rare West-Equipment fixiert war.

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Ganz anders die Generation der elektronischen Produzenten des nächsten Jahrzehnts: Ob Vermona-Weltmeister-Orgel wie bei Barbara Morgenstern oder als TR-808-Ersatz genutzter Vermona DRM-Drumcomputer, die Qualitäten der Instrumente des volkseigenen Betriebs Klingenthal wurden längst wiederentdeckt, und die Firma ist mittlerweile Kult.

Auch live ein unverzichtbarer Helfer
Zu den Gründerzeit-Aktivisten der deutschen Techno-Generation gehört ohne Frage Richard Bartz, der neben unzähligen eigenen Veröffentlichungen (z. B. als Acid Scout) auch DJ Hell produziert hat. Seine Live-Gigs waren schon in den 90ern legendär; mit einer Maschinen-Armada, die anfangs zum großen Teil aus klassischen Roland-Geräten bestand. Ein Gegenstand vieler Spekulationen war seine geheimnisvolle „Filterbank“, die man schließlich bei seinen Gigs als den Vermona Klassiker E 2010 identifizierte. Dieser Equalizer wurde in der DDR nicht nur im Studio genutzt, er war auch live ein unverzichtbarer Helfer im Verbund mit den DDR-typischen Regent-PAs.

Der Vermona E 2010 Equalizer wurde 1976 entwickelt und kam im Jahre 1977 auf den Markt (wenn man von einem solchen sprechen kann). Er ist als grafischer Equalizer mit 2 x 10 Bändern ausgelegt und kostete ca. 650 Ostmark, was damals in der DDR eine Menge Geld war. Das Gerät wurde mit einer schicken, beigen Tasche ausgeliefert und weit bis in die 80er-Jahre hinein gefertigt.


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>> Recording-Kult und Prince Special <<

Für das Thema Recording-Kult haben wir Studio-Legende Al Schmitt getroffen und waren in denAbbey Road Studios, um uns ein paar edle Teile des dortigen Mikrofonparks anzuschauen. Engineers aus deutschen Studios zeigen, wie man heute mit echtem Vintage-Gear aufnimmt! In unserem Prince-Special widmen wir unsdem Sound, der Musik und der Person Prince,der die Musikwelt weit über Minneapolis hinaus geprägt hat!

 

 

Weitere Themen:

  • Loudness War − Interview mit Lautheitsforscher Rudi Ortner
  • Focusrite Clarett 8Pre − Thunderbolt-Audio-Interface im Test
  • Tube-Tech HLT 2AM − Mastering-EQ mit Röhrentechnik im Test

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Die Technik dahinter
Der Equalizer ist in einem Pultgehäuse untergebracht, das in Vermona-Tradition mit schönen hölzernen Seitenteilen ausgestattet wurde. Auf der Rückseite des mit Kunstleder überzogenen Holzgehäuses findet man (neben einem Schacht für das Netzkabel) für jeden Kanal des Gerätes einen als Klinkenbuchse ausgeführten Ein- und Ausgang. Die Eingänge sind sehr hochohmig, sodass man eine Gitarre oder ein E-Piano direkt anschließen kann.

Folgende, in Oktavschritte eingeteilte Frequenzbereiche können pro Fader um ca. 12 dB angehoben oder abgesenkt werden: 31, 63, 125, 250, 500, 1.000, 2.000, 4.000, 8.000 und 16.000 Hz. Die Fader-Kappen sind mit ihrer weißen Oberseite auch im Dunkeln gut zu erkennen und begünstigen den Live-Einsatz des Gerätes. Die Fader selbst wurden übrigens im sozialistischen Bruderland Jugoslawien gefertigt. Ein Netzschalter und vor allem ein Bypass-Schalter fehlen leider.

Vollkommen Diskret!
Der E 2010 ist vollkommen diskret aufgebaut, d. h. es wurden keine ICs verwendet. Das Gerät arbeitet mit Spulen, die von Vermona selbst gefertigt wurden. In jedem Filterband bildet jeweils eine Spule zusammen mit einem Kondensator eine so genannte LC- bzw. LRC-Filterschaltung, in der bestimmte Frequenzen angehoben bzw. abgesenkt werden. Die Spule lässt die hohen Frequenzen durch und sperrt die tiefen, während der Kondensator umgekehrt die tiefen Frequenzen sperrt und die hohen durchlässt. Die passive Bauweise mit Spulen, die man auch bei großen und raren Vintage-Kultteilen wie z. B. dem legendären EMI Equalizer-Monster RF 56S findet, begünstigt ein sehr gutes Rauschverhalten (obwohl der von Vermona in der Bedienungsanleitung genannte Fremdspannungsabstand von 80 dB doch ein wenig geschmeichelt ist). Da wenig verstärkt wird, kann auch nur wenig rauschen.

Und wie ist der Sound?
Eine weiteres interessantes Charakteristikum des so genannten LC-Saugkreises sind seine speziellen Klangeigenschaften: Im Gegensatz zu den üblichen RC-Filtern werden beim LC-Filter durch Eigenheiten im Resonanzverhalten schöne, obertonreiche Klänge erzeugt, die in diesem Fall einen meist warmen Vintage-Charakter haben. Die Vermona Filterbox eignet sich gut dazu, kalte, höhenbetonte Samples in druckvolle, analog und warm klingende Sounds zu verwandeln.

Wenn man extremere, experimentellere Ergebnisse erzielen will, sollte man die beiden Stereokanäle mit einem Kabel in Reihe schalten (Ausgang 1 mit Eingang 2 verbinden); dann kann man mit 24 dB Filtersteilheit arbeiten und in extremen Einstellungen das Audiomaterial so böse modifizieren, dass sich der Charakter des Eingangssignals sehr stark verändert. Der E 2010 ist somit eine echte Empfehlung für alle, die abseits cleaner Mastering-Filter einen analogen Equalizer mit einem charakterstarken Sound suchen.

Nicht verschweigen darf man allerdings…
…einen erheblichen Nachteil des Geräts: Da der Equalizer nur eine ungenügende interne Abschirmung besitzt, ist er sehr anfällig für Störungsquellen wie Netzgeräte oder Monitore. Daher kann die richtige Positionierung des E 2010 schnell zum Möbelrücken in Feng-Shui-Manier werden.

Ersatzteile für den Equalizer bekommt man von Thomas Klinge (thomas.klinge@kme-sound.com), der lange bei Vermona tätig war und die Geräte genauestens kennt.

Die heutige Firma Vermona hat sich der Tradition übrigens würdig erwiesen und mit dem DAF-1 und dem Cross- und Action Filter 2 hervorragende Filterboxen herausgebracht.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Habe dieses Gerät damals in den 80ern für meine Hifi-Anlage verwendet. Hervorragender Rauschabstand. Die DDR-Equalizer für Hifi-Anlagen waren für meinen Geschmack unbrauchbar, da sie nur 5 Regler auf jedem Kanal hatten.
    Eine richtig gute Entzerrung ließ sich speziell für die damaligen Geräte und Boxen aus der DDR erst erreichen, wenn man die Tiefen, die Mitten um 500 Hz bis 1Khz und die Höhen ab ca. 7 KHz extra anheben konnte. Mit 10 Reglern ging das.

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  2. Hallo zusammen,

    ich bin kein Profi , aber klangverwöhnt. Ich höre und teste hobbymäßig mit alter DDR- und etwas Westtechnik ( ich liebe Telefunken) herum. Bin kein Fachmann. Ich habe mir vor etwa 10 Jahren aus zwei Stück 2010 einen 2010 aufgebaut. Ein-und Ausgänge auf Cinch. Damals fielen mir die Eigenschaften nicht so extrem auf. Seit zwei Jahren gibt es kein analoges Kabelsignal mehr. Die UKW-Tuner bauen ab. Bleibt nur DAB und Kabel. (Satellit nehme ich mal aus) Diese neue digitale Klangkultur ist unterirdisch! Ich bin mit Röhren aufgewachsen, aber was ist das jetzt für ein Klangbrei? Heute den 2010 an einen alten Kabelempfänger (aus 2011 mit Scart) ans Kabel, dann durch RFT-HMK100 an RFT Tonika-Lautspecher (auch nicht der Hit) gehängt. Und unglaublich. Wie oben im Artikel beschrieben: Endlich ein Klangerlebnis alter Güte. Jedes Instrument, jede Stimme hat einen Ton. Das Ding modelt digitalen Dreck in anhörbare Klänge um. Da bin ich platt.
    Ich hoffe , ich habe die High-End Fachkundschaft nicht vergrämt.

    Grüße
    Thomas

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