An Puls der Zeit

Steinberg Cubase 9.5 – Software-Sequenzer im Test

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Steinberg hat besonders mit den letzten Updates seiner DAW ordentlich geklotzt: VCA-Fader, VariAudio, Sampler-Track und viele andere Features eröffnen Tonstudios feinste Werkzeuge zum Aufnehmen, Editieren und Mischen jeglicher Audio-Produktionen. Mal sehen, wie der Hersteller das noch überbieten will.

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Zum ersten Mal erfolgt die Installation von Cubase über den neuen »Steinberg Download Assistant« − eine eigenständige Software mit übersichtlicher Gestaltung. In der rechten Spalte wählt man das gewünschte Betriebssystem aus, woraufhin alle passenden Steinberg-Produkte in der neusten Version aufgelistet werden. Wird »Cubase Pro 9.5« ausgewählt, erscheinen rechts Download- Links für die Vollversion, das Update sowie ein Demo-Projekt. Der Vorteil gegenüber dem herkömmlichen Download ist mitunter, dass man den Ladeprozess auch mal unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen kann. Bei 12 GB ist das gar nicht mal so unpraktisch.

GUI und Workflow

Steinberg hat Cubase nach und nach in einen Sequenzer mit modernem Einzelfenster-Design verwandelt. Editoren, VST-Rack und Sichtbarkeits-Agenten sind inzwischen fein säuberlich über diverse Zonen an den Fensterrändern erreichbar. In der rechten Zone sind nun weitere Optionen hinzugekommen.

Im Tab »Medien« hat man über das Icon »Datei-Browser« direkten Zugriff auf die interne Dateistruktur des Computers. So kann man auch Loops und MIDI-Daten, die noch nicht in der Media-Bay gescannt wurden, vorhören und schnell per Drag&Drop aus den Ordnern fischen. Zukünftig wäre es noch schön, wenn man Clips auch direkt vom Arrangement aus in beliebigen Datei-Ordnern ablegen könnte.

Über das Tab »CR« stehen alle Funktionendes »Control Room« zur Verfügung. Jederzeit hat man volle Kontrolle über die Abhörlautstärke, Downmix-Presets oder Monitor-Konfigurationen. Sehr praktisch! Auch die hervorragende Meter-Bridge, die man bereits aus der MixConsole kennt, hat auf einem weiteren Tab in der rechten Zone Einzug gehalten.

In der Werkzeugleiste »Rastertyp« kommt neben »Takt, Zählzeit« und »Quantisierung« nun eine vierte Option namens »an Zoom anpassen « hinzu. Je nach Zoom-Stufe passt sich die Auflösung des Rasters an. Hat man beispielsweise das gesamte Arrangement auf dem Bildschirm, ist das Raster sehr grob und Clips lassen sich problemlos in ganzen Takten verschieben. Befindet sich hingegen ein kurzer Part unter der Lupe, verfeinert sich das Raster, wodurch das Editieren in Schritten von 32teln oder 16teln absolut unproblematisch ist. Es handelt sich hier also um eine vorerst unscheinbare Funktion, die den Workflow jedoch immens beschleunigt. Das klappt ebenso hervorragend, wenn das Raster auf »relativen« Modus gestellt ist. Super!

Auch das Zeichnen bzw. Bearbeiten von Automationskurven geht nun besser von der Hand. Avid Pro Tools oder Ableton Live zeigten sich diesbezüglich weitaus eleganter, doch nun kann man auch in Cubase mit dem Werkzeug »Auswahlbereich« eine Selektion hervorheben und die Kurve sofort trimmen, wobei alle vier Knotenpunkte automatisch erzeugt werden. Früher musste man diese in Cubase noch mühsam nacheinander einzeichnen.

Bewegt man die Maus zwischen zwei Automationspunkte, erscheinen zwei weitere Punkte. Der obere Punkt kümmert sich um die »Skalierung«, sprich die Intensität des gesamten Verlaufs. Mit dem mittleren Punkt auf der Linie selbst kann man diese komfortabel in eine Bézier-Kurve verwandeln. Vorbei sind also die dunklen Zeiten, in denen man umständlich mit dem Parabel-Werkzeug sein Glück versuchte.

In der Mix Engine hat sich einiges getan.

Endlich mehr Insert-Slots − und ein variabler Post-Fader-Abgriff!
Ein Scan verrät, welche Plug-ins mit der neuen Engine kompatibel sind.
Trotz doppelter Wortbreite der Engine ist ein Klangunterschied nicht selbstverständlich. Im »Null-Test« löschen sich die beiden Audiodateien mit 32 und 64 Bit vollständig aus.

Recording

Auch der Aufnahmeprozess selbst wird mit dem Update weiter optimiert. Nach der Integration von »Track Versions« zur schnellen Verwaltung verschiedener Takes, wird jetzt das Metronom einer Modellpflege unterzogen. In der Spur »Taktart« kann man je Marker nicht nur Taktwechsel, sondern vollständig eigene Patterns einfügen. So lässt sich mal eben ein temporärer Click in »Double Tempo« oder im 6/8-Takt programmieren, ohne dass man sich mit Tempo-Maps o. Ä. herumzuschlagen muss. Super!

Neben dem altbewährten Click-Impuls stehen im »Metronom Setup« nun auch andere Sounds wie »Clave, Tom« oder »Tambourine « zur Auswahl. Schade eigentlich, dass nicht auch gleich die charakteristischen Taktgeber-Sounds von Logic oder Live mit im Angebot sind, um auch wirklich jeden Studiogast zufriedenzustellen. Allerdings ist es möglich, eigene Sounds in das System zu laden.

Den so erstellten Click-Track kann man bei Bedarf in eine Audio-Spur umrechnen. Das ist oft hilfreich, möchte man Projekte weiterschicken oder schnell einen Trigger für ein Ducking per Sidechain erzeugen. Auch kann der Click-Track in eine MIDI-Spur konvertiert werden, allerdings ignoriert Cubase momentan noch Anschlagsstärke und Tonhöhe, wodurch alle Impulse auf »C3« landen.

Mixing

Wie lange haben wir darauf gewartet? Mehr Insert-Slots in Cubase! Bisher waren lediglich acht Slots, von denen wiederum sechs vor dem Fader sitzen, verfügbar. Die zwei Slots mit Post-Fader-Abgriff waren in der täglichen Praxis eher für nicht-dynamische Prozessoren geeignet, denn änderte man die Position des Faders, wirkte sich das direkt auf den Eingangspegel im Plug-in aus.

Andere DAWs bieten teilweise doppelt so viele Insert-Slots an oder verzichten sogar gänzlich auf eine Beschränkung. Da wurde es in Cubase schon des Öfteren eng, und man musste sich mit umständlichen Routings auf Subgruppen behelfen oder Effekte direkt in das Material einrechnen. Version 9.5 zeigt sich diesbezüglich weitaus flexibler. Im überarbeiteten Rack der MixConsole sind nun tatsächlich bis zu 16 Insert-Slots vor dem Fader möglich. Der Post-Fader-Abgriff, jetzt repräsentiert durch eine grüne Linie, ist zwar weiterhin vorhanden, jedoch lässt sich dieser frei (!) verschieben. Großartig!

Apropos: Effekte in Audiomaterial einrechnen … das klappt in Cubase nun wie am Schnürchen. Audioprozesse wie »Umkehren« oder »Normalisieren« lassen sich zwar immer noch über das altbekannte Kontextmenü auf beliebige Events anwenden, und ebenso kann man Plug-ins, auch von Drittanbietern, nach einem Rechtsklick über den Audio-Clip stülpen. Richtig schick wird es allerdings mit der neuen Funktion »Direkte Offline-Bearbeitung«.  Sobald ein Audio-Clip ausgewählt und die Taste [F7] gedrückt ist, erscheint ein Fenster mit drei Bereichen. In der Spalte links kann man sowohl Steinbergs Audioprozesse als auch alle verfügbaren Plug-ins einfügen. Bei einer langen Kette lässt sich die Reihenfolge der einzelnen Module auch nachträglich noch ändern. Auf der rechten Seite erscheint das jeweils selektierte Modul. Im dritten Bereich, der Kopfzeile, befindet sich eine nütziche Option namens »Auto-Anwenden«. Ist diese aktiv, wird jegliche Änderung sofort auf das Event übertragen.


GUI und Workflow wurden optimiert.

Alles unter einem Dach: »Steinberg Download Assistant«
In der rechten Zone sind neue Tabs hinzugekommen: »Datei-Browser«,...
... »Control Room« ...
... und »Meter«.
Das Dialog-Fenster »Metronom Setup« bietet tiefgreifende Einstellungsmöglichkeiten ...
... hinsichtlich Patterns und Sounds.
Über die Taktartspur hat man schnellen Zugriff auf den »Accent Editor«, welcher bis zu fünf verschiedene Anschlagsstärken bietet.
»An Zoom anpassen« beschleunigt das Editieren und Arrangieren.
Perfekt geschwungene Bézier-Kurven sind nun ohne weitere Werkzeuge möglich.
Auch das Trimmen einer Selektion geht jetzt schneller von der Hand.

Wenn alles sitzt, kann man das nächste Event anklicken und die Kette in identischer oder komplett abgeänderter Form anwenden. Die Bearbeitung ist natürlich nicht-destruktiv, da Cubase für jeden Bearbeitungsschritt eine neue Audiodatei anlegt. Daumen hoch!

Bisher verarbeitete Cubase Audio-Ströme intern mit 32 Bit Floating Point. Dies ist auch weiterhin der Fall, allerdings lässt sich die Verarbeitungsgenauigkeit nach einem Neustart auch auf 64 Bit Floating Point umstellen. »64 Bit« hat in diesem Zusammenhang jedoch nichts mit dem Betriebssystem oder dem maximal adressierbaren Arbeitsspeicher zu tun − hier geht es nur um die Mixing-Engine selbst. Das ist keine Innovation, denn auch ein paar andere DAWs, etwa Ableton Live oder Presonus StudioOne, verwenden intern inzwischen höher aufgelöste Summierungspunkte. Statt wie beim »Oversampling« die Abtastrate zu verdoppeln, wird hier die Wortbreite mit dem Faktor »2« multipliziert, was den Dynamikumfang erhöhen kann.

Viele Plug-ins arbeiten intern bereits mit 64 Bit. Laut Steinberg muss das Plug-in jedoch das Format »VST3« unterstützen− und selbst das sei bei einigen Herstellern noch kein Garant für die »doppelte Präzision«. Deshalb lohnt sich ein Blick in den Plug-in-Manager! Mit der Option »Plugins anzeigen, die 64-Bit Bearbeitung unterstützen« lässt sich die Kompatibilität prüfen. Nach dem Scan auf dem Testrechner ist ein Großteil der knapp 300 Plug-ins dem Rotstift zum Opfer gefallen: Waves, iZotope, Native Instruments und viele andere. Noch im Rennen waren mitunter Voxengo, Slate Digital und die meisten Steinberg-Effekte. So auch der »Tube Compressor«, der eine der neusten VST-Versionen unterstützt, nämlich »VST 3.6.8«. In einem größeren Mixing-Projekt landete dieser als einziges Plug-in auf allen Spuren – mit etwas Kompression sowie gezieltem Einsatz der Parameter »Drive« und »Character«.

Der Mix wurde dann mit 32 Bit und ein weiteres Mal mit 64 Bit exportiert. Rein klanglich war danach keine Verbesserung erkennbar, doch gibt es messbaren Unterschied? Hier soll der sogenannte »Null-Test« Genaueres verraten. Beide Audiodateien liegen auf eigenen Spuren, wobei eine davon mit umgekehrter Phase abspielt. Auf der Stereo-Summe kommt jedoch kein Signal an, und das Metering verweilt bei einem Pegel von » – unendlich dB«. Bei einer kompletten Auslöschung muss man also von einer exakt gleichen Klangqualität ausgehen. Dieses sehr technische Ergebnis sollte aber niemanden davon abhalten, mal selbst einen Mix in beiden Konfiguration zu rendern.

 

Klangerzeuger

Für HALion Sonic SE gibt es eine neue Sound-Library: den Wavetable-Synthesizer namens »Flux«. Auf fünf Seiten hat man Zugriff auf jeden erdenklichen Parameter. Unter »Osc« sind zwei Oszillatoren zu finden, die sich jeweils mit einer von 70 Wellenformen bestücken lassen. Ähnlich Steinbergs »Padshop« kann man für jede Wellenform einen eigenen Startpunkt sowie Pegel, Spread und Formant festlegen. Die Anzeige visualisiert dabei in Echtzeit die daraus resultierende Wellenform. Darunter steht eine ausgereifte Filter- und Hüllkurven-Sektion bereit, die sich bestens eignet, um die häufig sehr obertonreichen Sounds abzuschleifen. Im Tab »Sub Oscillator« kann Flux den Sound noch weiter durch verschiedene Noise-Typen verfeinern.

Selbstverständlich ist auch eine »Modulations Matrix« mit an Bord, die fast alle Parameter als Quelle und Ziel miteinander verschalten kann. Zugriff auf die Polyfonie oder das Anschlagsverhalten erhält man im Tab »Voice«. Das letzte Tab namens »Arp« stellt eine Vielzahl von Arpeggios und Phrasen zur Auswahl, welche man in ähnlicher Form bereits aus anderen HALion-Instrumenten kennt.

Unter dem Strich handelt es sich bei Flux um einen sehr flexiblen und vielschichtigen Klangerzeuger. Lediglich der Import von eigenen Wellenformen wird noch vermisst.

Fazit

Die Hamburger haben wieder mal ein dickes Paket geschnürt, und für knapp 580,− Euro erhält man mit Cubase 9.5 eine extrem leistungsstarke DAW. Besonders das Aufblasen der Insert-Slots und eine bessere Handhabung von Automationskurven stand seit Jahren auf der Wunschliste vieler Tonschaffender. Auch die direkte Offline-Bearbeitung sowie der adaptive Zoom sind gern gesehene Verbesserungen, die den Workflow stark beschleunigen.


+++
Handhabung der Insert-Slots
+++
Verbesserung des Automationssystems
+++
direkte Offline-Bearbeitung
++
adaptiver Zoom
++
Funktionalität des Metronoms

Hersteller: Steinberg
Download-Preis: 579,- Euro

www.steinberg.net

 

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ich bin sicher, dass das ein tolles Produkt ist und nach dem ich von Steinberg eine positive Antwort für meine Einsatzprofil erhielt, habe ich die DAW auch gekauft. Bin leider wegen Umzugsaktivitäten noch nicht dazu gekommen, sie zu installieren und selber damit zu wirken. Was mich dennoch grundsätzlich gewaltig stört, auch bei vielen anderen aktuellen SW ähnlich, ist diese für mein Empfinden Zumutung von optischer Ergonomie. Weiße Schrift auf schwarzem Hintergrund. Das empfinde ich als furchtbar anstrengend. Hoffentlich gibt es eine Hintergrundfarbwahl Möglichkeit. An dieser Stelle möchte ich zum Ausdruck bringen, dass es ein relativ Einfaches ist, dem Benutzer die Freiheit zu geben, SELBER zu entscheiden, mit welcher Farbkombination er/sie arbeiten möchte! Ich habe was gegen Zwangsbeglückung!

    Gerade für solche Intensivtätigkeiten am Bildschirm ist es von grundlegender Bedeutung Augenergonomie zu beachten. Letzteres scheint gegenwärtig bei den meisten Programmierern ein Fremdwort zu sein.
    Wäre sicher ein hilfreicher Hinweis, wenn Tester diesen Aspekt thematisieren würden.

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  2. Natürlich hast Du auch bei Cubase 9.5 die freie Farbwahl von Hintergrund, Schrift und Größe der Fenster. Auch ich habe das auch sofort geändert unter dem Menüpunkt “Programmeinstellungen”. Dort lassen sich sehr viele Design-Punkte und noch andere Dinge nach Deinen Wünschen anpassen bzw. verändern.

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