Coole Sache

Røde NTH-100 – Studiokopfhörer im Test

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Rode-NTH-100-Aufmacher-Hau(Bild: Dr. Andreas Hau)

Dass ein Major Player sein Geschäftsfeld erweitert, passiert nicht alle Tage! Mit dem NTH-100 präsentiert der australische Hersteller Røde seinen ersten Kopfhörer. Und wartet dabei gleich mit einigen technischen Finessen auf, die die Konkurrenz aufhorchen lassen dürften …

Der NTH-100 kommt in einer adretten, aber nicht übertrieben gestylten Kartonverpackung. Neben dem Kopfhörer gehören zum Lieferumfang ein Transportbeutel, ein 2,4 Meter langes, abnehmbares Kabel sowie ein Satz verschiedenfarbiger Ringe, die man zur Identifikation am Stecker anbringen kann. Und dann ist da noch ein kleiner Gummistöpsel, dessen Funktion sich uns noch erschließen wird.

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Der NTH-100-Kopfhörer ist komplett schwarz, bis auf einen goldenen Punkt am unteren Ende der Hörermuscheln, der so etwas wie das Markenzeichen von Røde geworden ist. Die mattschwarzen Muschelabdeckungen tragen ein großes, glänzend schwarzes ø – ein Verweis auf die skandinavische Herkunft der Gründerfamilie. Wenn man mal davon absieht, dass die Freedmans aus Schweden stammen, wo jenes ø gar nicht verwendet wird. Aber halten wir uns nicht mit Spitzfindigkeiten auf!

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Die Ohrpolster sind mit CoolTech-Gel gekühlt und mit hautfreundlichem Alcatara überzogen. Die Form der Hörermuscheln folgt der menschlichen Anatomie. (Bild: Dr. Andreas Hau)

En Detail:

Die Muschelabdeckungen ohne Schalldurchlässe lassen es bereits erahnen: Der NTH-100 ist ein geschlossener Kopfhörer. Für ein Erstlingswerk macht das Sinn, denn geschlossene Kopfhörer verkaufen sich in größeren Stückzahlen als offene. Und der große Markterfolg von Røde ist seit jeher auf großen Stückzahlen aufgebaut, nur so rechnen sich die günstigen Verkaufspreise. Der NTH-100 kostet beim Händler 179 Euro und bietet dafür einige clevere Lösungen.

Ein häufiges Problem mit Kopfhörern, insbesondere der geschlossenen Sorte, ist ein sich allmählich entwickelnder Hitzestau, der das Arbeiten zunehmend unangenehm macht. Rødes Lösung sind kühlende CoolTech-Gel-Pads in den Polstern, die ansonsten aus Memory Foam bestehen und den Anpressdruck gleichmäßig verteilen. Zum Tragekomfort tragen die hautfreundlichen Bezüge aus Alcatara bei, einem samtig weichen Microfaser-Vliesmaterial, das so strapazierfähig ist, dass es auch für Autositze Verwendung findet.

Während die Muschelabdeckungen aus Kunststoff bestehen, ist das Kopfband vorwiegend aus Stahl gefertigt. Die Muschelaufhängungen sind nicht gabelförmig, sondern nur einseitig, wirken aber ausreichend robust. Eine weitere Neuerung findet sich bei der Einstellung des Kopfbands. Wer kennt es nicht: Aus irgendeinem Grund verstellt sich immer wieder die Längeneinstellung, sodass man bei jedem Aufsetzen nachjustieren muss. Nicht so beim NTH-100, denn es gibt einen simplen Riegelmechanismus, um die einmal gefundene Einstellung zu fixieren. Warum ist da noch keiner vorher drauf gekommen? Weniger weltbewegend, aber praktisch: Das abnehmbare Kabel lässt sich wahlweise an der linken oder rechten Muschel einstecken. Die entsprechende Miniklinkenbuchse ist mit einem Riegelmechanismus ausgestattet, der ein Herausrutschen verhindert. An beiden Enden des Kabels sind die Stecker mit auswechselbaren Kunststoff-Clips versehen. Im Auslieferungszustand sind diese schwarz und somit auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Wie angesprochen, liegen weitere Clips in vier gut unterscheidbaren Farben bei, um mehrere NTH-100 leicht unterscheidbar zu machen. So lassen sich Kopfhörer bzw. deren Kabel leicht zuordnen. Optional erhältlich sind Kabel in Schwarz sowie den vier Farben der Color-ID-Clips, jeweils in 1,2 oder 2,4 m Länge.

Die Hörermuscheln haben eine ungewöhnliche Form. Sie sind nicht rund oder elliptisch, sondern haben eine Form, die an eine Ohrmuschel erinnert. Das ist nicht nur eine optische Spielerei. Die Polster sind so gestaltet, dass der Innenraum recht passgenau Platz für ein durchschnittliches Ohr lässt. Dabei hat man wohl in Kauf genommen, dass es für XL-Lauscher etwas eng werden dürfte, um dafür ein anderes Problem zu lösen. Kopfhörer – insbesondere geschlossene – können stark im Klang variieren, je nachdem wie man sie aufsetzt, d. h., wie der im Innern verbaute Schallwandler zum Ohr positioniert ist. Schon ein paar Millimeter machen einen hörbaren Unterschied. Die relativ engen, der menschlichen Anatomie folgenden Muscheln des NTH-100 lassen wenig Spielraum beim Aufsetzen. Somit sind die Schallwandler immer optimal zum Ohr positioniert.

Der NTH-100 verwendet dynamische Treiber nach dem Tauchspulprinzip mit 40 mm Durchmesser. Dank der niedrigen Impedanz von 32 Ohm und einer hohen Empfindlichkeit von 110 dB SPL re 1 Vrms kommt der NTH-100 an jedem Kopfhörerausgang auf mehr als ausreichende Lautstärke.

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Die Längeneinstellung des Kopfbands lässt sich durch ein FitLock-System dauerhaft arretieren. (Bild: Dr. Andreas Hau)

Praxis

»Your search for the perfect headphones is over«, bewirbt der Hersteller sein Produkt. Nun ist Røde nicht unbedingt für Understatement bekannt, aber völlig aus der Luft gegriffen sind die Ansprüche auch nicht, denn wie wir gesehen haben, sind die Australier einige bekannte Probleme innovativ angegangen. Gilt das auch für den Klang? Geschlossene Kopfhörer sind traditionell eine Ansammlung von Problemzonen: Die Bässe klingen oft schwammig, die Mitten topfig verfärbt, die Höhen mal schrill, mal dumpf. Da hat sich in den letzten 10 Jahren glücklicherweise sehr viel getan. Und auch an Røde ist diese Entwicklung nicht vorbeigegangen.

Der NTH-100 überzeugt mit klaren, weitgehend resonanzfreien Mitten. Der Klangcharakter von Stimmen und Instrumenten wird ohne auffällige Verfärbungen korrekt dargestellt. Was mir beim Testen auffällt, ist, dass der NTH-100 an verschiedenen Kopfhörerausgängen sehr unterschiedlich performt. Das hängt wohl mit den niederohmigen Treibern zusammen und betrifft vor allem die Höhendarstellung und den Bass. Die Kopfhörerausgänge meines Drawmer MC2.1 Monitor Controllers sind sehr kraftvoll, haben aber eine hohe Ausgangsimpedanz von über 100 Ohm. Hier klingt der Røde NT-100 in den Höhen recht matt, fast dunkel; die Bässe wirken etwas undifferenziert. Ganz anders am sehr niederohmigen Kopfhörerausgang meines MacBook Pro 15 (late 2016): Die Höhen erscheinen nun deutlich klarer und feiner aufgelöst, die Bässe gewinnen spürbar an Punch und Präzision. Es bleibt eine leichte Überbetonung in den oberen Bässen bei etwa 150–250 Hz, aber insgesamt klingt das schon sehr gut!

Das Stereobild wirkt nicht übertrieben breit, ist aber präzise. Laut Hersteller werden die Treiber paarweise selektiert, und der Höreindruck bestätigt dies. Und nun kommen wir zum eingangs erwähnten, ominösen Gummistöpsel: Dieser dient dazu, die Klinkenbuchse an der Muschel zu verschließen, die man nicht mit dem Kabel belegt. Diese stellt nämlich einen unerwünschten Schalleinlass dar. Auch wenn die Auswirkungen nicht dramatisch sind, gewinnt der Bass tatsächlich an Präzision, wenn man den Gummistöpsel verwendet.

Den Klang des NTH-100 würde ich als »warm« bezeichnen, d. h., die unteren Frequenzen werden etwas bevorzugt, die Höhendarstellung ist eher defensiv. Es ist ein angenehmes Klangbild, das sich jedoch nur bedingt zum Mischen eignet, da z. B. scharfe S-Laute, die definitiv einen De-Esser benötigen, weich verrundet werden. Ausgezeichnet hat mir der NTH-100 jedoch als Monitoring-Kopfhörer gefallen, gerade auch für Gesang. Die eigene Stimme wirkt voll, und auch bei lauten Vocals, wo heller abgestimmte Kopfhörer zum Krächzen neigen, bleibt der NTH-100 angenehm. Dazu kommt der hohe Tragekomfort. Der NTH-100 hat einen gut bemessenen Anpressdruck; er sitzt weder zu fest noch zu locker. Das Gewicht von 350 g spürt man kaum. Die Gel-gekühlten Ohrpolster sind eine Wohltat, erst recht bei sommerlichen Temperaturen. Wobei die kühlende Wirkung natürlich nicht ewig andauert; die Physik will es, dass ein Wärmeaustausch stattfindet. Aber für etwa 30 Minuten reicht’s und damit für viele Aufgaben, für die man typischerweise einen Kopfhörer aufsetzt.

Die Außengeräuschdämpfung des NTH-100 liegt im Mittelfeld. Zumindest für mein Empfinden trägt das sehr zum angenehmen Handling bei, denn man fühlt sich nicht komplett vom Geschehen abgekoppelt, kann aber ungestört arbeiten. Für Gesangsaufnahmen ist eine nicht zu hohe Isolation auch von Vorteil, weil die eigene Stimme, die man ja gleichzeitig auch über Luft und Schädelknochen hört, weniger fremd wirkt. Der NTH-100 lässt die eigene Stimme angenehm natürlich klingen. Das schaffen nur wenige geschlossene Kopfhörer!

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Zur besseren Identifikation mehrerer NTH-100 können am Kabel Clips in fünf Farben angebracht werden. (Bild: Dr. Andreas Hau)

Fazit

Der NTH-100 ist ein gelungenes Debüt für Røde und eine Bereicherung für den Kopfhörermarkt. Geniale Ideen wie die Gel-gekühlten Ohrpolster und das arretierbare Kopfband beweisen die Innovationskraft der Australier. Auch klanglich kann der NTH-100 überzeugen, auch wenn die Abstimmung nicht für alle Anwendungen optimal ist. Für Mixing und Mastering scheint mir der NTH-100 weniger geeignet; dafür klingt er m. E. in den Höhen zu weich und trägt in den Bässen etwas stark auf. Aber für solche Aufgaben sollte man ohnehin besser zu einem offenen Kopfhörer greifen. Eine uneingeschränkte Empfehlung verdient der NTH-100 fürs Musiker-Monitoring, insbesondere auch für Gesangsaufnahmen, denn er lässt die eigene Stimme sehr angenehm klingen – ganz im Gegensatz zu vielen anderen geschlossenen Kopfhörern. Ich bin mir sicher, dass man den NTH-100 in Zukunft häufig bei Content Creators wie Podcastern und YouTubern sehen wird, wo Røde seit jeher stark vertreten ist. Somit: Alles richtig gemacht!

Hersteller: Røde

UvP/Straßenpreis: 179,– Euro

Internet: www.rode.com; www.hyperactive.de

Unsere Meinung:

+++ viele innovative Ideen
++ angenehmes Klangbild
++ arretierbares Kopfband
++ Gel-gekühlte Ohrpolster
– Klangbild stark vom Kopfhörerverstärker abhängig

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