Stems fähiger DJ Controller

Native Instruments Traktor S5 im Test

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Traktor Kontrol S5 3

Ich erinnere mich noch sehr gut, als ich meinem Vater stolz meinen ersten DJ Controller vorführte. Überzeugt demonstrierte ich die gewaltigen Möglichkeiten des digitalen DJings. Mir war bekannt, dass mein werter Herr in seinem Freundeskreis als renommierter DJ bekannt und somit ein gern gesehener Gast für runde Geburtstage und ähnliche Festivitäten war. Nach meiner Vorführung fragte er mich etwas zweifelnd: “Aber dann muss man ja den ganzen Abend an diesem Gerät stehen?”. Ich war irritiert und erkundigte mich nach seinem Setup. So kam eher zufällig zu Tage, dass der im Bekanntenkreis so renommierte DJ für gewöhnlich gemütlich an der Bar steht, während sein “Set” aus einer iTunes Playlist kommt. Für all diejenigen die sich mit dieser Art des “Auflegens” identifizieren wird der nachfolgende Artikel wohl eher nicht das Richtige sein….

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Im vollen Zugriff

Beim Traktor S5 Controller handelt es sich um einen Stems fähigen DJ Controller mit dem man bis zu vier Decks in der dazugehörigen Software Traktor Pro steuern kann. Als Deck bezeichnet man einen virtuellen Plattenspieler zum Abspielen von Songs in Formaten wie mp3, Wav und vielen weiteren. Ein Deck kann aber auch als sogenanntes Remix- oder Stems-Deck konfiguriert werden. Letzteres wird benötigt zum Abspielen von Tracks im Stems -Format. Der S5 ist anders als vielleicht erwartet kein Nachfolger des S4, sondern erweitert das Portfolio Stems-fähiger DJ-Controller. Im Vergleich zum Flaggschiff S8 bietet er mit seiner kompakteren Bauweise und einem leicht abgespeckten Feature-Set eine kostengünstige Alternative. Verglichen mit dem D2 bietet der S5 darüber hinaus eine Standalone-Lösung mit integriertem Mixer. Während der S4 mit seinen Jogwheels besonders zum Scratchen einlädt, eignet sich der S5 durch seine Unterstützung von Stems für das kreative Live Remixen und das Erstellen von Mash-Ups.

 

Das Stems Audio Format

Mit der Entwicklung des Stems Audio Formats hat Native Instruments einen Meilenstein für das digitale DJing gelegt. Bereits mit der Veröffentlichung von Remix-Sets, den dazugehörigen Decks in Traktor und entsprechender Controller wie dem F1 konnten schon in der Vergangenheit sehr kreative Sets erstellt werden. Das Stems-Format erweitert diese Möglichkeiten dahingehend, dass man beispielsweise die Drums von einem Song mit dem Bass und den Vocals eines anderen mischen kann. Die Bezeichnung Stems kommt aus der Post-Produktion und beschreibt die Unterteilung der verschiedenen Bestandteile einer Filmmischung in Subgruppen. Dazu gehören Dialog, Musik, Atmosphären oder Spezial Effekte. Ähnlich verhält es sich mit dem Stems-Format von Native Instruments, allerdings in einem musikalischen Kontext und limitiert auf vier Gruppen. Standardisiert hat sich die Unterteilung in Drums, Bass, Synth und Vocals. Als Produzent entscheidet man welche Instrumentengruppen der eigenen Produktion auf diese vier Subgruppen verteilt werden. Zum Ausspielen ins Stems-Format gibt es unter www.stems-music.com den kostenlosen Stem-Creator. Songs im Stems-Format sind erhältlich bei Beatport, Bleep, JunoDownload, Traxsource, Whatpeopleplay und wasabeat.

Look And Feel

Bereits beim Anschalten des S5 erfreut man sich an den zwei unglaublich gestochen scharfen Displays welche bereits in anderen NI Produkten wie S8, D2 und Machine Studio für Begeisterung sorgten. Die Verarbeitung des S5 ist hochwertig und die Qualität der verwendeten Druckknöpfe und Drehregler sind baugleich zum teureren S8 und machen einen sehr guten ersten Eindruck. Bei den Fadern wurde für den X-Fader ein leichterer Widerstand gewählt, während die für Lautstärke verwendeten vier Fader einen angenehm schweren Widerstand haben. In dunkeln Lichtverhältnissen überzeugt die Lichtstärke der beleuchteten Druckknöpfe, die auch durch ihren Druckpunkt Qualität vermitteln. Auf der Oberfläche stehen insgesamt zwei Decks mit gespiegelten Tastern und Reglern im direkten Zugriff, sowie ein Mixer für das Mischen der insgesamt vier virtuellen Decks. Der Mixer arbeitet nicht als standalone Line-Mixer, sondern nur unter Verwendung der Traktor Software, was die auf der Rückseite befindlichen Ausgänge reflektieren. Hier finden sich ausgangsseitig XLR (symmetrisch), unsymmetrisch in Cinch sowie Klinke für einen weiteren Monitor Weg (Booth Out). Eingangsseitig besteht die Möglichkeit zum Anschluss einer Stereoquelle und eines Mikrofons. Beide Eingänge werden bei gehaltener Aux Taste über die Touch Strips unter den zwei Decks in ihrer Empfindlichkeit geregelt. Aux und Mic In sind abgesehen vom Rest des Mixers auch standalone nutzbar. Betrachtet man die Kopfhörer-Anschlüsse auf der Vorderseite erfreut die Berücksichtigung kleiner Details wie die doppelte Ausführung der Buchsen in großer und kleiner Klinke. Jeder hat wohl schon die nervigen Aussetzer von Adaptern erlebt, abgesehen der Tatsache dass nie einer vorhanden ist wenn man ihn gerade braucht.

Traktor Kontrol S5 5

In the Mix

Nachdem die Traktor Software mit wenigstens einem Deck als Stems-Deck konfiguriert ist kann man den S5 seiner Bestimmung entsprechend zum Einsatz bringen. Was mir bereits an der S8 besonders gut gefallen hat, und baugleich am S5, ist die Möglichkeit mit den hochauflösenden Displays durch die Music Library auf dem angeschlossenen Computer zu browsen. Während man bei anderen Controllern immer den Computer im Blick haben muss, um zu sehen welcher Track ausgewählt ist, um in ein Deck geladen zu werden, entfällt dieser Blick durch die eingebauten Displays. Nachdem ein Track im Stems-Format in eins der Decks geladen wurde erscheint auf dem Display eine Darstellung der Wellenformen der vier Subgruppen. Über die Pads unter dem Display kann man nun einzelne Spuren an und ausschalten, oder anwählen um weitere Funktionen wie Filter oder Lautstärke anzupassen. Die Displays reagieren ohne einen Bruchteil einer Verzögerung, alles erscheint intuitiv und schlüssig und ehe ich mich versehe lade ich bereits den vierten Track in ein Deck und ärger mich, dass ich mal wieder vergessen habe die in der Software befindliche Möglichkeit zum Aufnehmen meines Sets gestartet zu haben.

Funktionen

Grundsätzlich ist jeder Controller funktional betrachtet nur so gut wie die Software auf dem Host-Computer welche er steuert. Das bedeutet im Fall S5, dass alle Funktionen der ausgereiften DJ-Software Traktor auf einer haptischen Oberfläche im direkten Zugriff liegen. Es ist daher ratsam sich zunächst mit den Funktionalitäten von Traktor eingehend zu beschäftigen. Pro Deck können zwei der über 40 Effekte eingespeist werden, welche über die vier Drehregler über den Displays gesteuert werden. Das Arbeiten mit Loops wird genauso unterstützt wie das Setzen von Cue Punkten oder die Funktionen Freeze und Slice. Letztere Funktionen sind besonders schön integriert durch die Verteilung der einzelnen Slices auf die unter den Displays befindlichen Pads. Durch die Taste Deck wechselt man zwischen den vier Decks (A und C sowie B und D). Im Fall einer Konfiguration von vier Stems-Decks ergibt sich somit der Zugriff auf bis zu 16 Subgruppen zum Mixen, Loopen, Filtern oder dem Zumischen von Effekten.

Traktor Kontrol S5 4

Ideen zu Anwendungen

Abgesehen vom Einsatz im Club funktioniert der S5 auch sehr gut als kreativer Ideengeber im Studio. Beispielsweise könnte man den eigenen Track im Stems-Format ausspielen und mit dem S5 und weiteren Remix-Desks neue Ideen performen, was eine völlig neue Perspektive zur gewohnten Arbeitsweise mit der Maus eröffnet. Für eine Band könnte der S5 als Zuspieler eingesetzt werden ohne die Einschränkung einer Timeline Bindung. D.h. ein Part kann der Stimmung auf einem Konzert entsprechend improvisiert werden ohne Zeiteinhaltung. Theoretisch könnten bis zu vier harmonisch unterschiedliche Teile eines Songs im Loop laufen und die vier dazugehörigen Subgruppen (Loops, Backings oder zusätzliche Synth Spuren) live gefahren werden.

Fazit

Der S5 richtet sich ganz klar an eine neue Generation DJs bei der das reine ineinander Mischen von zwei Tracks, womöglich noch unter Verwendung des Sync Button, nicht im Vordergrund steht. Selbstverständlich wäre der S5 auch dafür einsetzbar, aber würde man die eigentlichen Möglichkeiten des Geräts dadurch kaum nutzen. Durch die Verwendung von Stems- und Remix-Desks in der Traktor Software erschließen sich grenzenlose Möglichkeiten. Unter Einbindung bekannter Funktionen wie das Loopen von Songparts, Feeeze oder die hervorragend klingenden Effekte von Traktor ergibt sich eine Spielwiese in der nur die eigene Kreativität die Grenzen definiert. In der technischen Einschränkung mit Maus oder Trackpad immer nur einen Parameter zur gleichen Zeit verändern zu können, liegt das Geheimnis des Erfolgs von DJ-Controllern wie dem S5. Insgesamt ist der S5 ein Produkt mit hohem Spaßfaktor und ein sinnvoller Einstieg in die Welt von Stems, von dem man heute noch nicht sagen können wie sehr es die musikalische Welt, sei es live oder im Studio, in Zukunft noch beeinflussen und prägen wird.


 

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extrem hoher Spaßfaktor

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nahtlose Integration der Traktor Software


fehlender Line In Mixer

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tolle Displays

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hochwertige Verarbeitung

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